Sozialdemokrat

Sentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh/ Einzelpreis 75 Heller

Redaktion u. Verwaltung: Prag XII., Fochova 62- Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub- Berantwortlicher Redakteur: Rarl Rern, Prag 18. Jahrgang Mittwoch, 8. Juni 1938

Der Kongress der tschechischen Sozialdemokratie

Kraft der Arbeiter-

Kraft der Republik !

Aus dem Inhalt:

Jaksch

spricht in Teplitz- Schönau Kampfansage Hodžas an Hlinka

Die deutschen Kurorte und. Sommerfrischen bleiben leer

Ein zweites Südtirol : Konrad Henlein

Nr. 133

verrät die Karpathodeutschen

SdP begnügt sich für die Slowakei mit den Minderheits­rechten des Vertrages von St. Germain

Die Sudetendeutsche Partei , welche ihr gan- deutsche Inschriften haben dürfen. Die National zes Dasein mit der Notwendigkeit rechtfertigt, den sozialisten haben die Deutschen Südtirols , einen Deutschen in der Tschechoslowakei Freiheit und kerndeutschen Stamm von gutem deutschem Blute Recht zu erkämpfen, iſt im Begriff, einen unerhör und guter deutscher Raſſe, rückſichtslos aufgege­ten Verrat an diesem Deutschtum zu begehen, in ben, damit die Beziehungen Deutschlands zu dem sie die deutsche Minderheit in der Slowakei , Italien nicht gestört werden und damit der Fa­die Karpathendeutschen, den slowakischen Autono- schismus seine Herrschaft in Europa aufrichten misten ans Messer liefern will. fann. An diesem Beispiel der Preisgabe eines deutschen Volksstammes hat sich Herr Henlein ein Beiſpiel genommen und wendet es auch auf einen Teil des Deutschtums in der Tschechoslowakei an.

Man kennt die Art, wie der Nationalsozia lismus schonungslos deutsche Minderheiten in den Abgrund stößt aus dem Beispiel Südtirols , einen Verrat an deutschen Interessen, den die Geschichte besiegelt hat. In Südtirol leben 220.000 Deutsche , die kein Sprachenrecht haben, kein Recht auf Schus len, die völlig romanisiert werden, deren Namen verschwinden und deren Grabmäler nicht einmal

Die gewaltigste Kundgebung, welche die Republik sah Wenn bei großen politischen Veranstaltun-[ ein Ganzes schmiedet: Die geballte Kraft des gen sonst das Wort angebracht sein kann, daß fie tschechoslowakischen arbeitenden Volkes, das Ruck­einer Stadt, und sei es eine Großstadt wie grat des Staates und seiner Demokratie! Brag, ihren Stempel aufgedrüdt haben, so ers In hunderte Teilbilder aufgelöst zog das Le­ben der Arbeiter und ihrer Partei an den Zus weist es sich diesmal als zu flein und farblos. schauer vorbei, vier Stunden lang, nicht stodend Der Jubiläumskongreß der tschechoslowakischen und nicht abreißend. Die Anfänge der Partei, jozialdemokratischen Partei war ein Ereignis, das ihr Wachsen und ihre Bedeutung. ihre Zukunft: von Pilsen bis Užhorod alles in seinen Bann zog. die Arbeit in den Betrieben, das Leben der Haus Wir haben in den letzten Jahren große und frauen, Stampf und Freude der Jugend; Be Die politischen Spannungen in Europa wers eindrucksvolle Manifestationen der verschiedensten werkschaften, Genoſſenſchaften, Turner und Kul den gegenwärtig von der Slowakischen Wollspartei politischen Richtungen als Augenzeugen miter- turorganiationen, Arbeiter aus den Induſtries ausgenügt, um die Forderung nach der Autonomie lebt, wir konnten die Massen schäßen, die aufgezentren und aus weltverlorenen flowatischen und der Slowakei zu erheben. Den Anlaß dazu bot die boten waren, den Geist erkennen, der aus ihnen farpathorussischen Dörfern, das Arbeitsgewand amerikanische Delegation von Slowaken, die vor sprach, und die Ideen werten, die sie gerufen hats neben der farbenfrohen Volkstracht- tausendfäl einigen Tagen in die Slowakei gekommen ist und ien. Nach diesem Sonntag des Stolzes und des tig wie das Leben des Arbeiters war auch die­das Original des Pittsburger Vertrages, der am Jubels können wir sagen, daß die große Partei fer Zug, aber auch feſtgefügt wie die Pactei des Jede Gruppe hatte dafür gesorgt, daß der Zug fes- 30. Mai 1918 abgeschlossen worden ist und auf des tschechoslowakischen arbeitenden Volkes ihre Arbeiters! Der Wald von roten Fahnen, der viele felnd, bunt und charakteristisch für ihren Beruf war. den sich die flowatischen Autonomisten als auf Menschen zu der grandiosest en Kund- Kilometer lang den Zug überwogte und flan- Den Zug der Arbeiterturner eröffnete ein Was die Rechtsgrundlage ihrer Forderungen berufen, gebung vereinigt hat, die Prag bisherte, die zum Gruß erhobene Fauſt, die Losungen, auf dem eine riesige Landkarte der Tschechoslo- Slinta in Rosenberg überreicht hat. Die SDP­her gesehen hat. Es sprechen nicht nur gen der Transparente, die Sprechchöre sie wakei von Turnern mit dem Gewehr im Anschlag Presse ist nun Feuer und Flamme für die slowaki­die Zahlen, es ist nicht alles gesagt, wenn man schlossen um alles das einigende Band. So marflantiert wurde eine Bekundung zur Verteidigung schen Autonomisten und die Zeit am Montag" berichtet, daß 150.000 Männer und Frauen den schierten durch die Straßen der Hauptstadt nicht des Staates, die überall mit stürmischem Beifall auf­Zug bildeten und zehntausende auf den Straßen hundertfünfzigtausend Einzelne, sondern es mas und aus den Häusern ihnen zuwinkten. Ein nifestierte sich eine Bewegung, deren Angehörige dringlicher noch spricht der Geist, der sie beseelt zeigten, daß sie alles für ihre Ziele einzusehen und vereint, der aus den unübersehbaren Reihen| bereit sind.

Der Zug der 150.000

genommen wurde. Die einzelnen Zweige der Arbei- vom 6. Juni schildert mit Begeisterung die Kund­terturnbewegung zeigten ihre Disziplinen. Den Abgebung der Hlinkaleute in Preßburg , die am schluß dieses dritten Teils des Festzugs schufen poli- Pfingstionntag stattgefunden hat, wobei das Blatt tische Organisationen im Zeichen der Worte Für einen vierspaltigen Bericht auf der ersten Seite Majaryls Politit!" und Das Glück des Staates sind bringt, betitelt Hunderttausende umjubeln die Summe des Glüds der einzelnen Menschen!" Hlinka ... Dramatischer Kampf der nationalen Den letzten, vierten Teil charakterisieren die Slowaken". Außerdem hat der Stellvertreter Kon­Worte, Wir werden sein!" Die Standarte, die ihm rad Henleins, Herr Frank, wie die sonntägige vorausgetragen wurde, verkündete ,, Die Grundlagen Kurz vor zehn Uhr erschien, stürmisch be-| schen Lokomotive mit sich, alte und moderne Wagen grüft von dem dichten Spalier, der Präsident der waren auch im Zug der Poſtler und der Straßen find fertig wir bauen eine neue Welt!" Die ein Beit" meldet, im Namen der SdP an das Prä Republik, für welchen auf der Tribüne vor dem bahner au sehen; hier sah man auch intereffante hi- zelnen Bilder dieses Teils veranschaulichten die so idium der Slowakischen Volkspartei ein Begri Bostsparkaffengebäude ein Ehrenplay vorbereitet ſtorische Uniformen. Es folgten die Angestellten der aialiſtiſchen Forderungen, den Willen und die Schn- ßungstelegramm gerichtet, worin geschrieben steht, Selbstverwaltung, die Holzarbeiter, Lebensmittel sucht nach Frieden und Völkerversöhnung. Sinngemäß daß das Sudeten - und Karpathendeutschtum der war. Der Präsident fah dem Zug, aus welchem arbeiter, Glasarbeiter, Lederarbeiter, Bauarbeiter, wurde dieser Teil des Zuges, welcher der Zukunft Slowakischen Volkspartei aufrichtige Glück­wünsche" übermittelt: ihm die Maffen zujubelten, bis halb zwölf Uhr zu. Typographen, Bergiente, Arbeiter der chemischen In galt, von der Jugend abgeschlossen. Knapp nach seiner Ankunft zeigten sich die ersten dustrie, landwirtschaftliche Arbeiter und Kleinland­Reihen des Festzuges auf dem oberen Wenzels- wirte, Tertilarbeiter, Metallarbeiter, Angestellte. play.

Der Zug traf auf dem Wenzelsplay zehn Mi­nuten vor zehn Uhr ein, seine letzten Reihen passier ien den Plaz um 14 Uhr. An der Spize fuhren Mo­forradfahrer und sechs Hundertschaften von Radfah­rern, hinter welchen Jugend eine große viergliedrige Standarte mit der Aufschrift 60 Jahre tschechoslo­wafische sozialdemokratische Arbeiterpartei" trug.

Dann folgte der erste der drei großen Teile des Festumzugs, den eine hundert Quadratmeter große Staatsfahne einleitete, die von Arbeitern in Arbeits­Heidern getragen und umgeben war. Die einzelnen Bilder dieses ersten Teiles veranschaulichten die Be­freiungsfämpfe und den 28. Oftober 1918. Stürmisch aftlamiert wurde das überlebensgroße Bild des Prä­sidenten Masaryt, das im Zuge getragen wurde.

Den zweiten Teil, dessen Motto die Worte Wir waren" bildete, eröffneten Metallarbei­ter mit dem Transparent 60 Jahre Stampf für Freiheit, Demokratie, Sozialismus und Glück der Menschen". Den Kern dieses Teiles bildete eine Art historischer Film, der durch Vergrößerungen alter Bilder und Photographien gebildet wurde. Man sah die Gründung der Partei, die Persetutionen der Ar­beiterbewegung, die erste Maifeier, blutige Streif­unterdrückungen im Jahre 1894, die Gründung der Arbeiter- Akademie, die Gründung der DTI. der Gewerkschaften und der Genossenschaften, den Kampf um das Wahlrecht, den Präsidenten Masaryk auf so­zialdemokratischen Kundgebungen, den tschechoslowa­fischen Auslandskampf, schließlich die Ankunft Ma­saryks in Prag im Jahre 1918.

Der dritte Teil stand im Zeichen der Worte Wir sind". Er nahm den größten Teil des Umzugs ein und war charakterisiert durch die verschie denen Arbeitsgruppen. Es war ein Marsch der Ar­beit! Hier wurde das Wachsen der Partei aus klei­nen Anfängen gezeigt, der ersten Vorfämpfer der Be­wegung gedacht, und schließlich augenfällig demon­striert, was die Arbeiterbewegung in 60 Jahren ihres Kampfes auf politischem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet errungen hat. Der Aufmarsch der politischen Organisationen, der durch die slowakischen und farpathorussischen Teilnehmer eröffnet wurde, war reich belebt durch die Trachtengruppen, welche die Eigenheiten der verschiedenen Landitriche zeigten. Eigene Abschnitte hatten die Arbeiter- Akademie, die Gesunde Generation", die Sozialversicherung, die Genossenschaftsbewegung mit allen ihren Zweigen. Es folgten dann die Gewerkschaften, die auf allego­rischen Wagen ihre Erzeugnisse und den Arbeitbor- 7 gang zeigten. Die Eisenbahner, die hier als erste 30­gen, führten ein riesiges Modell einer aerodynamis

Das letzte Transparent fagt: Die Republik für die Arbeiter die Arbeiter für die Republik !"

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In der Präsidenten- Loge auf der Tribüne Von rechts: Der Präsident der Republik Dr. Beneš , Eisenbahnminister Bechyně, Parteivorsitzender Abg. Hampl, Justizminister Dr. Dérer, Senatsvorsitzender Dr. Soukup, Abg. Dr. Meissner.

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Der Wenzelsplatz während des Umzuges Vor der Tribüne steht Republikanische Wehr

Man muß nun, um die Perfidie dieses Vor­gehens der SdP zu begreifen, wissen, daß Hlinka in dem Autonomicentivurf, welcher der..Slovák " am 5. Juni veröffentlicht hat, über die Sprachen­frage folgenden Passus in die Verfassung auf­genommen wissen will:

Auf dem Gebiete der Slowakei ist die Amts- und Unterrichtssprache die flowakische, die den Minderheiten im Vertrage von St. Germain zugesicherten Sprachenrechte bleiben unberührt.

Man ermesse, was das heißt: Konrad Hen Tein und seine Partei beglückwünschen den Herrn Hlinka , der in der Slowakei einzig und allein die slowakische Sprache als Amts- und Unterrichts­sprache eingeführt wissen will! Während die Sdp in den historischen Ländern den Kampf um die Gleichberechtigung der deutschen Sprache zu füh ren vorgibt, während gerade jetzt die Entscheidung fällt, inwieweit das Sprachenrecht der Sudeten deutschen erweitert werden soll, begnügt sich Kon­ rad Henlein in der Slowakei für die dort nach der legten Volkszählung lebenden 154.821 Deutschen mit der slowakischen Sprache als Amtssprache und liefert so die Karpathendeutschen vollkommen den Slinka- Slowaken aus. Herr Hlinka will nichts mehr als den Minderheiten jene Rechte geben, welche ihnen im Vertrage von St. Germain zuge­sichert worden sind. Auch damit begnügt sich Hen Tein. Wie oft hat der tschechische Nationalismus in den vergangenen Jahren alle Sprachenforderungen der Deutschen mit dem Hinweis abgetan, daß die Pariser Friedensverträge den nationalen Minder­heiten in der Tschechoslowakei gewisse Rechte zu= gesichert haben, ihnen mehr zu geben sei di: Tsche­ choslowakei nicht verpflichtet. Auf diese Argumente geht nun Henlein für das Gebiet der autonomen Slowaken ein. Er anerkennt so die sprachlichen Bestimmungen des Friedens von St. Germain und damit einen wesentlichen Teil der Pariser Friedensverträge.

Warum tut das alles Henlein, warum dieser unerhörte nationale Verrat? Henlein handelt es sich gar nicht um den Kampf für die sprachliche Gleichberechtigung der Sudetendeutschen , gar nicht um die völlige Gleichberechtigung einer nationalen Minderheit, sondern es handelt sich ihm um die