Seite 2 Sonntag, 12. Juni 1938 Nr. 187 Hier sah ich eine Armee von Kämpfern Ein Engländer Uber die sudetendeutsche Sozialdemokratie SdP ü c rb e t(i c f ii'h r f t Und nachdem Konrad Henlein (der allerdings das kritisch« Wochenende im Auslande verlebt hatte, aber doch zumindest nach den Ereignissen von ihnen er. fahren haben dürfte, also nicht sagen kann, daß er nicht weiß, warum die Einberufung von Reservisten und militärische Uebungen notwendig geworden waren) ganz klar erkannt haben m u ß, daß jede»theoretisch mögliche Entwicklung" der sudetendeutschen Frage, die zu einer solchen Spannung wie der vom 21. Mai führt, auch ein« gleiche internationale Situation zur Folge haben mutz, sprach er d o ch auf solche Art von solchenMöglichkeiten"! Wo war, als er das sagte, das Verauüvor» tungsbewußtsein desFührers"? Kann er sich darauf ausreden, er habe nicht gewußt, welche Gefahren für die sudetendeutsche Bevölkerung, für den Staat, für den Frieden die von ihm theoretisch" ins Auge gefaßteMöglichkeit" bedeutet? Er weiß ja, daß Europa schon dicht vor dieser Gefahr stand I Kein verantwortungs­bewußter Führer darf mit solchenMöglich­keiten" auch nur in derTheorie" spielen, noch gar von ihnen als von ganz selbstverständlichen Erwägungen sprechen I Herr Konrad Henlein hat,«in paar Tage nach der Entspannung einer äußerst schwierigen und ungemein gefährlichen Situation, von einer Eventualität gesprochen, dir in sich schließt die Erneuerung jener Gefahr, die durch die Vorsichtsmaßnahmen der tschecho­slowakischen Armee und durch die Entschlossen­heit der französischen und englischen Regierun­gen gebannt wurde. Er war also ganz nach einem sehr berühmten Muster bereit, das sudetendeutsche und mit ihm dar ganze deutsche Volk und ganz Europa herrlichen Feiten" ent­gegenzuführen I 2n der Folge" war er danngezwungen", dieVerantivortung" für dar Interview abzu­lehnen aber gesagt hat er doch. waS Ward Vrice in derDaily Mail" mitteilte, und des­halb bleibt die Verantwortung, mich wenn er sie nachher ablehnt, b e st e h e n! Denn jeder politische Führer ist für daö. waS er als Politiker sagt, verantwortlich, auch wenn er zu­fällig einmal nicht vorher seinemStab" seine Worte vorher zur Prüfung vorlegen konnte und so, aus seinem Herzen keine Mördergrube machend, den Mund übergehen ließ von dem, WaS das Herz übervoll ist. Die Verantwortung bleibt bestehen und wäre das sudetendeutsche Volk derzeit kritischer Prüfung fähig, wären die SdP- Anhanger fähig, zu sehen, wohin ihrFührer" sie führen will sie zögen ihn jetzt schon zur Verantwortung! Wo der von diesemFührer" gewiesene ihm selbes von anderen gewiesene Weg mün­det, das haben wir am 2. und 22. Mai erlebt. ES ist also wahrlich keinWahlschlager", son- dern Ausdruck des sozialdemokrati­schen Verantwortungsbewußt» seins, wenn die deutsche Sozialdemokratie immer lvieder erklärt, daß die Sudetendeutschen, indem sie vor die Wahl zwischen der totalitären SdP und der Demokratie gestellt sind, auch z u wählen haben zwischen Kriegsge­fahroder Friedens sichern» g. Bleibt I der Friede erhalten, dann wird das nicht das Verdienst der SdP sein und schon gar n.icht das ihresFührers"! Wir haben bereits kurz über den Artikel Pro­fessor CroßmanS imDaily Herald" berichtet und zitieren noch ein« Stelle aus dem Bericht unseres englischen Freundes, der gemeinsamen mit dem Parteiborsitzenden Abg. Jaksch eine Fahrt durch das sudetendeutschc Gebiet unternommen hat. Croßman schreibt: Ihr lest von den großen Siegen Henleins, und hier in England denken manche:Nun, wenn die Deutschen cs wünschen, warum sollen sie nicht zum Dritten Reiche gehören?" Aber so einfach ist cS nicht. Bevor ihr euch entscheidet, müßt ihr euch fragen, w i e Henlein seine Siege erringt. Kommt also mit mir zu einer Wahlversammlung. Wir fahren mit Jaksch. dem Führer der Sozialdemo­kraten. Vor uns fahren zwei Motorradfahrer in der dunkelblauen Uniform der Republikanischen Wehr.Warum diese Motorräder?" frage ich. Jaksch sieht mich fest an:In diesen Gebieten müssen wir u»S selber schützen. Vorige Woche versuchte man meinen Wagen an einer einsamen Stelle im Walde aufzuhaltcn. Wir können das nicht riskieren, und die Polizei ist zu besorgt vor Zwischenfällen, um viel zu helfen." In Bens­ dorf , einem Textildorf an der Grenze, steigen wir aus und gehen durch«ine lange Doppelreihe von uniformierten Männern, die uns mit erhobener Faust grüßen. Wenn wir den Saal betreten, er. heben sichFreiheit"-Rufe. Dann herrscht Stille, al« die Burscken und Mädchen mit den roten Fah­nen einmarscbieren und die Trompeter de» sozia­listischen Appell geben. Ich beginne zu verstehen, daß dies keine normalen Wahlen sind. Alle diese einfachen Männer und Frauen wissen, daß sie, wenn Henlein freie Bahn hat, ihre Zukunft und vielleicht ihr Leben aufs Spiel setzen, weil sie an dieser Versammlung teilnehmen. Heute sind sie auf der schwarzen Liste, nächste Woche können sie an der Mauer stehen, wenn Hitler kommt, von dem die Henleiner sagen, daß er früher oder später kommen wird. Jaksch spricht von dem Deutsch­ land , das sie lieben.Wir sind die letzten des deutschen Volkes", sagt er,die noch den deutschen Geist am Leben erhalten. Alle anderen sind Hit­ lers Sklaven."... Nir habe ich den demokrati« Göring Inspiziert die Befestigungen von Kehl Paris . Der Straßburger Berichterstatter des TempS" teilt mit, daß Marschall Göring in Be­gleitung zahlreicher Generäle am Samstag aus Karlsruhe überraschend in Kehl eintraf. Göring , der Paradeuniform trug,' besichtigte mit seiner Begleitung die kürzlich durchgeführten Befesti­gungen auf der Rhein brücke. Vom französischen llfer konnte der Marschall mit seiner Suite sehr gut beobachtet werden. ver Angriff auf Hankau schen Geist so stark gefühlt wie in dieser Ver­sammlung. Die Schwankenden, die Opportuni­sten sind alle desertiert. Hier sah ich eine Arme« von Kämpfern, gewöhnliche Arbeiter und Arbei­terinnen, die allem anderen die Freiheit vor­ziehen. Warum sind cs so wenige", frage ich Falsch. Die Antwort erhielt ich bei einer gehei­men Gewerkschaftsversammlung in Karlsbad . Hier gab jeder in klarer, nüchterner Rede einen Bericht aus seinem Bezirk. Ein Banernvcrtreter sagt: Viele sind übergelaufen. Nach dem Anschluß Oesterreichs glauben sie, daß Hitler unbesiegbar ist. England und Frankreich haben jahrelang untätig zugeschaut, uns ein Bauer muß an seinen Hof den­ken. Die Nazis drohen ihnen, daß sie ihre Häu­ser anzündcn werden. Außerdem sagt man ihnen, daß sie ihr Geld nicht von den Sparkassen bekom­men werden, wenn sic nicht Mitglieder der Hen­ lein -Partei werden. Was können wir tun?" Ein anderer sagt:Wir haben Stimmen, aber wir können keine Kandidaten und keine Unter­schriften bekommen. Da oben in den Grrnzge« mcinden wagen sie sich nicht öffentlich gegen Hit­ ler zu bekennen. Viele haben Söhne, die in Deutschland arbeiten, und denen droht das Kon­zentrationslager. Das ist eine feine Volksab­stimmung." Ich höre von Läden, die boykottiert werden, wenn sie nicht Hitler -Plakate aushängen, von Lehrer» und Richtern, die von ihren Kollegen mit Entlassung bedroht werden. Aber vor allem höre ich von dem Druck in den Fabriken. In einem Lande mit steigender Arbeitslosigkeit sind Arbeits­plätze kostbar. Aber die Fabriken nehmen nur Henlein -Leute. Zuletzt spricht ein Arbeiter aus Eger . Zwei Selbstmorde unter unseren Leuten seit der lebten Versammlung, berichtet er ruhig. Dann bricht seine Stimme:Mein Junge kam braun und blau aus der Schule. Ich wollte pro­testieren gehe», aber er rannte mir nach und sagte: Nun, wo sie mich geschlagen haben, sollen sic mich in Ruhe lasten." Keiner sagt etwas, und die Ver­sammlung wird abgebrochen. bloße Beschießungen dirrch Geschütze oder durch Bombardierung von Flugzeugen aus vernichtet werden können. Daladler gegen Streikende Paris . Ministerpräsident Daladier teilte dem in der staatlichen Münze in Paris streiken­den 600 Angestellten mit, daß die Regierung alle Arbeiter, die Montag nicht di« Arbeit aufnehmen, aus dem Dienst» und Arbeitsverhältnis auSge» schieden erachtet. Mastny beim Präsidenten Osusky nach Paris zurückgekehrt Prag . Der Präsident der Republik Dr. Edvard Benetz empfing SamStng den außer­ordentlichen Gesandten und bevollmächtigte« Minister in Berlin , Dr. Mn st n h. Der tschechoslowakische Gesandte in Pari» Dr. Osusky ist SamStag nach zweitägigem amtlichen Aufenthalt in Prag nach Pari- zurück­gefahren. Nächste Woche wird der Ministerpräsident die Verhandlungen mit den deutschen Sozial­demokraten, ferner mit den Vertretern der Uitgarn und Polen aufnehmen. Man rechnet damit» daß daS Nationalitätenstatut dem Par­lament erst nach dem Sokolkongreß gegen Mitte Juli vorgelegt werden wird. Englische Beobachter In der Tschechoslowakei Paris . Die Nachricht, daß die tschechoslowa­kische Negierung zwei englischen Beobachtern die Bewilligung erteilt hat, sich an Ort und Stelle über den Wahlverlauf und über die Situation im Minderheitengcbiet ungehindert zu informieren, ist in Paris mit Genugtuung ausgenommen worden. An vielen Stellen wird bei dieser Gelegen­heit dem Bedauern Ausdruck gegeben, daß die reichsdeutsche Presse gerade in diesen Tagen die Kampagne gegen die Tschechoslowakei verdoppelt hat. Der Berliner Korrespondent der Agence HavaS meldet, daß die reichsdeutsche Presse von der Tschechosiowakci in Ausdrücken spricht, deren Schärfe nicht einmal währenddes Weltkrieges überboten wurde. Betriebsausschußwahlen In der Poldlhütte In der Poldihütte in Kladno fanden am Samstag die Betriebsausschußwahlen statt, bei denen der kommunistische Industrieverband acht Mandate lminuS eins), der sozialdemokratische Metallarbeiterverband vier Mandate(plus zwei), die nationalsozialistische Metallarbeitervereiniguz zwei Mandate(unverändert) und die Nationale Vereinigung ebenfalls zwei Mandate(wie bis­her) erhielten. Auch in der Kablo-Fabrik in Kladno wurde der neue BeiriebSauSschuß gewählt. Die Kommunisten erhielten 8, die Sozialdemo­kraten und Nationalsozialisten je 2 Mandate. Senator Rhpar gestorben. SamStag nach- miftagS ist auf einer Prager Klinik der Senator der tschechoslowakischen VolkSpartei, Pater Jan R h b a r, im Alter von. 86 Jahren gestorben. Rhbar hatte auf der Reise nach Prag am 24. Mai im Zug einen Schlaganfall erlitten und muhte bewußtlos in eine Prager Klinik geschafft wer­den, wo er bis zu seinem Tode in Pflege blieb, ohne daß er das Bewußtsein auch nur zeitweise wieder erlangt hätte. General Keitel nach Budapest Budapest . Der Chef des Oberkommando» der deutschen Wehrmacht , General Keitel, trifft am 14. Juni in Budapest ein, um den bei den vorjährigen deutschen Manövcrn in Deutschland gemachten Besuch führender Persönlichkeiten der ungarischen Honvkd zu erwidern. Hankau. Die Japaner haben auf dem Jangtse -Fluß östlich von Wuhu 42 Kriegsschiffe zusaimnengezogcn, um vom Fluß aus einen An­griff auf die Stadt Hankau durchzuführen. Die japanischen Kriegsschiffe werden ge­zwungen sein, vorher eine ganze Reihe von Ver- teidigungShiirdernissen zu überwinden. Diese Hindernisse sind so beschaffe», daß sie nicht durch Bracke scheidet aus der Exekutive der SAJ. Abgeordneter Bracke, Paris , hat an die Exekutive der SAJ ein Schreiben gerichtet, in welchem er mitteilt, daß er sein Mandat als Vertreter der französischen Sozialdemokratie in der SA2 nie­derlege. Das Sekretariat der SAJ hat Bracke, der seit 1004 ununterbrochen als Mitglied oder Ersatzmann der zentralen Körperschaft der Sozia­listischen Arbeiter-Internationale angehört hat, den Dank für seine Arbeit ausgesprochen. I ins IDunderland ERZÄHLUNG VON TH. W. STEINER mir und Ich und doch scheinen ein schwerer Fall zu sein. Ohne Geld, ohne Sprachkenntnisse Ivollen Sie ausgerechnet in British Indien einen Posten finden? Wenn Sie noch Uhrmacher wären, könnte ich Ihnen helfen, aber so ist es ausgeschlossen, daß Sie hier etwas finden. Am besten würs, Sie ging zu Ihrem Konsul und ließen sich nach Hause schicken. Und doch fällt mir da gerade ein, daß vor einigen Jahren ztvei deutsche Schlosser, die auch kein Wort Englisch konnten, in der Patronenfabrik unter­kamen und sich gut behaupteten."Da» möchte ich auch" rief ich.Ich werde schon Englisch lernen, zum Konsul werde ich nur dann gehen, wenn ich sonst verhungern müßte." Er ließ den Wirt kom­men, sagte(hm etwas und schon rannte der Die­ner und brachte mir mein Bündel.Jetzt passen Sie mal gut auf. Ich lasse Sie in dasStran­gers Home"(Fremdenheim) begleiten und werde mich bemühen, etwas für Sie zu finden. Sie werden im Heim ganz gut aufgehoben sein. Kom­men Sie jeden zweiten Tag mich besuchen und schauen Sie sich auch die Stadt an. Vielleicht fin­den Sie jemanden im Heim, der Deutsch kann. Ihre Rechnung hier begleiche ich schon und da neh­men Sie meinen Trovenhut, tragen Sie ihn am Tage, sonst kriegen Sie noch den Sonnenstich mit Ihrer Reisemühe. Auf Wiedersehen l" Also ging ich mit dem Diener, nachdem ich herzlich gedankt hatte, durch die belebten Straßen, auf Schritt und Tritt Neues und Interessantes beobachtend, bis wir in das Heim kamen. Wieder«in schöner großer Garten, ein langgestrecktes Gebäude mit breiter Veranda und beim Eingang links ein Vor­hang, auf demOffice" stand. Wir traten ein, der Diener gab einen Brief ab an einen älteren Herrn, der mich einiges fragt«, das ich mitKa- nitverstan" beantwortete, nickte, worauf der Die­ner devot grüßte und fortging. Dann mußte ich einen ausgefüllten Zettel unterschreiben, zeigte mein Arbeitsbuch, worauf mich der freundliche Herr in ein große» Zimmer mit vier Betten führte und auf die Uhr schauend sagte:Tea-five " Ich kam gern along ins Zwei Diener grüßten respektvoll und der Besit ­zer oder Direktor, ein Mann mit der sonderbaren Kopfebedeckung, lud mich ein, weiter zu kommen. Ich sagt«:No English German." Er lächelte sehr höflich und schien meinen Begleiter offen ­bar nach meinem Gepäck zu fragen. Tann führte er mich in den ersten Stock in rin sehr sauberes, geräumige» Zimmer, einfach möbliert, zeigte da» Badezimmer, sagte etwa» von^12 einem German Sahib und verlieh mich. nahm an, daß er meinen Träger bezahlte fragte mich, was ich jetzt machen solle, da da» Hotel sicherlich für einen Tag dreimal so viel kosten würde, al» ich Vermögen,hatte. Jedenfalls wusch ich mich gründlich im Badezimmer, ivenn auch ohne Seif«, und machte mich so respektabel wie möglich. Kaum war ich in mein Zimmer zu ­rück, klopfte es und der Diener lud mich ein, mit» zukommen. Wir gingen zu einem gedeckten Tisch im Garten,«he ich mich noch gesetzt, kam der Parser mit einem Herrn auf mich zu.«Sie sind Deutscher ?" fragte der elegante Herr. Freude ­strahlend rief ich:«Jawohl, ich freue mich sehr, daß Sie deutsch sprechen, da ich mich mit diesen Leuten nicht verständigen kann." Er lächelte freundlich.Sehen wir uns, wir werden unseren Lunch zusammen nehmen. Ich freue mich auch wie ­der einmal«inen Landsmann zu treffen. Was bringt Sie nach Indien ?" Also ich erzählte, wäh ­rend die Diener da» Essen servierten. Er sah mich mehreremale groß an, ohne mich zu unterbrechen,.. datm sagt«r kopfschüttelnd:MenschenSkind, Sie so clock com« along. 11 Mnnvonsmlrsml Parterre, wo in einem Saal ein langer gedeckter Tisch und Bänke standen. Ich zählte nur fünf Männer, die dort saßen und Tee tranken. Alle sprachen Englisch , grüßten höflich und redeten mich an, als ich mich gesetzt hatte und eine Taste Tee nnd einen Teller mit dünnen Butterbroten ser­viert bekam. Also so schaun die WohltätigkeitSan- stalten in Indien aus, direkt luxuriös I Schade, daß ich mich nicht unterhalten konnte; ich hatte so viel zu fragen, aber weder Deutsch noch Franzö­sisch verstand man an der Tafelrunde. Da kam ein ungefähr fünsunddreißigjähriger Mann herein, den die anderen sofort zu mir dirigierten, indem sie auf mich wiesen und German" sagten. Er kam mit schnellen Schritten auf mich zu.Sie sind Deutscher ?"Jawohl."Na, Gott sei Dank, daß man wieder einmal reden. kann, das englische Kauderwelsch werde ich nie verstehen." Er war Maurer, schon vierzehn Tage hier und ohne Hoff­nung, trotz aller Bemühungen hier Arbeit zu fin­den. Heute vormittag war er. beim deutschen Kon­sul gewesen, der ihn vor allem anschrie, weil er das eiserne Kreuz, das er sich im Kriege 1870 bis 1871 verdient hatte, offen trug, während er fechten" ging. Immerhin gab er ihm 20 Rupee» und das Versprechen, ihn mit dem«rsten deutschen Schiffe in die Heimat zu schicken. Ob mir dasselbe beim österreichischen Konsul blüht? Nach einer Woche schien es mir so, denn mein Uhrmacher­freund schüttelte bei jedem meiner Besuche nur den Kopf. Jetzt waren auch meine fünf Franken den Weg allen Geldes gegangen, denn Zigaretten bekam man nicht umsonst; ich mußte mich mit dem Gedanken vertraut machen, zum Konsul zu gehen. Noch«in«n Besuch bei meinem Gönner und wann wieder nichts ist dann. Al» ich zu ihm kam, lud er mich zum Sitzen ein und sagte mir folgende»:Ich habe natürlich wieder nicht» finden können, aber Sie scheinen ein williger Bursche zu sejn, wir wollen den letzten Versuch machen. Ich gebe Ihnen heute«in«n Brief an die staatliche Patronenfabrik.in Kirke« mit. Morgen früh um 6 Uhr geht der Zug ab und kommt dort so um 10 Uhr an. Beachten Sie genau alle Sta- tionSname», damit Sie nicht vorbeifahren. Am Bahnhof dort fragen Sie den Weg zur S.A.A.F. und wenn Sie hinkommen, schicken Sie durch den Polizisten am Eingang Ihren Namen hinein. Sie werden, al» Europäer, bestimmt vorgelassen wer­de». Die erste Frage, die man wahrscheinlich an Sie richten wird wird sein:Do you know Eng­ lish?" Darauf antworten Sie ja nichtNo", son­derna little" und auf alle anderen Fragen mir immerNcs". Sollten Sie abgewiescn werden. WaS ich beinahe glaube, kommen Sie zurück, ich werde dann sehen, ob ich Sie bei mir beschäftigen kann. Natürlich nur mit sehr kleinem Loh», denn ich bin Anfänger und muß verflucht sparen. Soll­ten Sie aber angenommen werden und sich be­haupte», erwarte ich, daß Sie mir diese hundert Rupees, wenn auch ratenweise, zurückzahlen." Damit reichte er mir eine Banknote.Das könnte für den ersten Monat reichen, bis Sie Gehalt be­kommen." Ich glaube, mir kamen die Tränen vor lauter Dankbarkeit und Glück über diese Güte eines mir wildfremden Menschen. Ich freue mich noch heute, daß ich im Stande hat, ihm das Geld in zwei Raten zurückzuzahlen. In steter Erinne­rung an diesen Wohltäter habe ich nicht einen Landsmann, cs waren deren einige, die meine Hilfe in Indien ansprachen ohne nach Kräften zu helfen, abziehen lasten. Einer von ihnen, ein junger Tscheche, der mühselig Deutsch und kein Wort Englisch kannte, dürfte noch heute als wohl­bestallter Lokomotivführer in Calcutta sein. Am nächsten Morgen also war ich schon lang vor 6 Uhr am Bictoriabahnhof, von dessen Pracht ich direkt überrascht war. Ich habe in Europa keinen solchen Prachtbau al» Bahnhof gesehen. Marmor­säulen und-Wände, die Messingschalter wie Gold, der Fußboden Mosaik und so weiter k Auch die vierstündige Reise war überwältigend schön und flößte mir großen Respekt vor den englische» Ingenieuren ein, di« diese Bahn über landschaft­lich herrliche» Gebirge geführt hatten. (Fortsetzung folgt)