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mehr, je mehr Gerechtigkeit die neuen Gesetze dem Siidetendeutschium bringe» werden--Wenn die tschechischen Staatsmänner sich der Lage gewachsen zeigen und einen großzügigen Vorschlag zur Lösung dec- nationalen Problems machen werden— dann werden die Chancen der Verständigungspolitiker auf deutscher Seite steigen, es werden sich die großen WirtschaftS« und sozialen Prob-
Tie agrarische Presse hat sich in den letzten Jahren von der Gründung der SdP angefangen über die Präsidentenwahl bis zum heutigen Tage durch kein übermäßiges staatsmännisches Verständnis für die innerpolitische Lage der Republik ausgezeichnet. TaS wird nachgerade eine europäische Selbstverständlichkeit. Wie sich der„Beier", von dem man ja journalistische Exzesse gewohnt ist und der auch eine traurige Berühmtheit in der tschechischen Journalistik erlangte, in dieser außen- und innenpolitisch so ernsten Zeit benimmt, daS wollen>vir an einem Beispiel heute der Oeffent- lichkeit vorlegen. Was da die agrarische Presse tut, hat mit ernster Journalistik nichts mehr zu tun. Der„Beier" greift in seiner Ausgabe von Freitag die deutsche Sozialdemokratie an, weil es ihr eingefallen ist, im Orte Wiesa bei Brüx einen Deutschen zum Bürgermeister zu tvählen. Der „Beker" folgert daraus, daß„zwischen den Deut schen kein Unterschied" sei und daß„im Laufe von 20 Fahren der Republik die deutschen Sozialdemo» lratcn sich als Deutschnationale erwiesen haben". Die Redakteure de-„Beier" scheinen keine Ahnung davon zu haben. tvaS sich im ernstesten Augenblick, den die Republik in den 20 Jahren durchgemachi bat, nämlich im Mai deS heurigen Jahres, abge- iviclt hat. Wenn sie der tschechischen Oeffentlich- keit einreden tvollen, die deutschen Sozialdeniokraten hätten sich in der kritischen Situation des Staates ebenso benommen wie die Anhänger der SdP, so führen sie die tschechische Oeffentlichkeit einfach irre. Glaubt auch nur der„Beker", daß seine Leser das für lvahr halten, so hat er eine kchr geringe Meinung von ihnen.
leme melden, vor welche die europäische Menschlichkeit gestellt ist und eS wird an Stelle der Hysterie, von der viele ersäht sind, die nüchterne Beurteilung der Tatsachen treten. Unsere Zeit kommt. Unsere Anhänger haben in den letzten Wahlen ihren Heldenmut und GestnnungStreue ertviesen. Mit solchen Soldaten gehen wir in die Kämpfe einer Zukunft, die unser ist.
Was aber die Bürgermeisterwahl in Wiesa selbst betrifft, so erklären wir, wenn es der „Beier" nicht wissen sollte, daß wir eS durchaus nicht als republikanische Pflicht der deutschen Sozialdemokraten anffassen, in dentschcn Orten einen tschechischen Bürgermeister zu wählen. Die deut schen Sozialdemokraten fühlen sich als niemandes Werkzeug und werden stets das tun, was im Interesse der arbeitenden Menschen des Sudeten » deutschtnmS notwendig ist. Die Kritik der Herren des„Beier" läßt nnS kalt, denn wir wissen, daß diese Kritik den Klasseninteressen der Agrarier entspricht. Diese- Klasseninteresse ist anch die Ursache dessen, daß die agrarische Presse die antistaatliche Tätigkeit der.Henleinleute ihren Lesern wohl verschwiegen hat. Ein SdP-Mann kann machen, was er ivill, das wird den„Beker" nicht aufregen. Aber die deutschen Sozialdemokraten» die in einem heldenmütigen Kampf für die Demokratie stehen, in einem Kampfe, der die Bewunderung der ganzen Welt erregt, werden voin ..Beier" jeden Augenblick in den Kot zu schleisen versucht. Die Agrarier müssen sich entschließen: entweder machen sie Staatspolitik oder Klassenpolitik. DnS, was der„Beier" tut, ist reine agrarische Klaffenpolitik, wobei von den Interessen des Staates vollkommen abgesehen wird. Der„Beker" soll nicht meinen, daß ec ungestraft die Interessen dcö Staates hinter die nackten Klasseninteressen der Agrarier stellen darf. Wir werden auf der Wacht sein und die Oeffentlichkeit — überall— über die Haltung informieren, die sich in dem Prager Boulcvardblait ofsenbart.
legen. Die jetzigen Lehrerbildungsanstalten erfüllen nicht ihre» Zweck. Ihr Hauptfehler besteht unter anderem auch darin, daß sie ihre Zöglinge.in einem zu frühen Alter aufnehmen/ wo nur in wenigen Fällen-die wirkliche erzieherische Begabung Vorau »« gesagt werden kann. Die"Zeit des Studiums ist viel- zu kurz. In den vier Jähren besteht kaum" die Möglichkeit, die Allgemeinbildung der Obermittelschule mit der schwierigen Fachausbildung für den Lehrerberus zu verbinden.-Die Vorbildung der künftigen Lehrer hätte auf der Mittelschulbildung aufzubauen. Die vierklassige Bürgerschule sollte die Vorstufe eines neuen Typs, der Mittelschule werden. Ihr Lehrplan müßte dem der Obermittelschulen angepaßt werden. Jetzt ist der Uebertritt von der Bürgerschule an eine Mittelschule naturgemäß durch Verschiedenheit aller Lehrpläne sehr erschwert. Grundsätzlich sind wir dafür, daß die jetzigen Lehrerbildungsanstalten aufgelassen werden. Der künftige Lehrer soll die Allgemeinbildung an der Mittelschule und die fachliche Ausbildung an der Hochschule erhalten. Er wären viersemestrige pädagogische Akademien zu errichten, die selbstverständlich Hochschulcharokter haben müßten. Frau Kirpal verlangte dann, daß solch« Pädagogische Akademien auch in den deutschen Kulturzentren, für die alle Voraussetzungen gegeben sind, errichtet lverden. Auch für die Haushaltungslehrerinnen und die Kindergärtnerinnen verlangen wir dieselbe Ausbildung. An der Debatte beteiligten sich 85 Redner. Unter anderem sprach für die SdP und den Er« ziehungsverband Prof. Otto, der sich für die Reform der Lehrerbildung im Rahmen der Autonomie aussprach und erklärte, daß nun ein n e u e r G e i st in die Schulen einziehen müßte.„BüUisch" und„BolkSlum" war der Tenor seiner Rede. Unter anderem verlangte er auch die Errichtung von Arbeitslagern und die Einführung des landwirtschaftlichen Arbeitsdienstes für angehende Lehrer während zweier Sommermonate. In seinem Schlußlvorte erklärte Ministerialrat K e p r t a, daß sich zwar kein einheitlicher Standplinkt aus der Beratung ergab, daß sich aber fast alle Redner für die Reform der Lehrerbildung ausgesprochen haben. Dafür, daß die Ausbildung der künftigen Lehrer an der Mit« tclschule als Allgemeinbildung und die Fachbildung an den Hochschulen erfolgen soll, sprachen sich die deutsche» und die tschechischen Sozialdemokraten, die tschechischen Nationalsozialisten, die Agrarier und die SdP aus. Die Kommunisten sind nur für eine bedingte Reform» die Nationale Bereinigung gegen eine Reform, der Standpunkt der Klerikalen toar nicht klar.
Dr. BeneS Ober die Aufgaben der Landwirtschaft Prag . Auf der Prager Burg fand Freitag eine akademische Feier statt. Die Landwirtschaftliche Hochschule 1^-Arünn hat dem Präsidenten der Ressubm'Dr^ Benes die Würde des Ehrendoktors der technischen Wissenschaften verliehen. Bei dieser Gelegenheit hielt Dr. Beneö eine Ansprache, in der er u. a. sagte: „Wir sind in hohem Maße ein landwirtschaftlicher Staat und produzieren soviel, daß wir im großen Ganzen den heimischen Bedarf decken können. Unsere Landwirtschaft ist so reif, daß sie auch den strengsten Maßstab beiin Vergleich mir der landwirtschaftlichen Produktion in anderen Staaten verträgt. Die vernünftige Politik der landwirtschaftlichen Produktion hat eine vernünftige Preispolitik und damit auch einen erträglichen Lebensstandard der breitesten Volksschichten zur Folge. Wenn sich bisweilen irgend tvelche Schwierigkeiten ergeben, so ist dies nur eine na
türliche Erscheinung im laufenden TageSkampf der politischen Parteien. Sämtliche Staaten suchen ihre Sicherung in der Selbstgenügsamkeit und uns bleibt nichts übrig, als uns den anderen anzupassen und diese Selbstgenügsamkeit wenigstens für den Fall des Krieges anzustreben, wiewohl wir wissen, daß wir sie nicht in vollem Maße erreichen werden und wiewohl wir uns ständig dessen bewußt sein müssen, daß jede Autarkie ihre Grenzen hat".
Sokoldelegatlon aus Wien bewilligt Wien . Das Gesuch des österreichischen So- lolgaues um Bewilligung der Teilnahnie am Pra ger Sokolkongreß tvurde von den Behörden genehmigt. Man rechnet mit 1400 Teilnehmern, die in drei Sonderzügen fahren werden. Jeder Teilnehmer muß sich eine besondere Bewilligung der Polizeidirektion zur Ausreise beschaffen; Sammelpässe werden nicht bewilligt.
Vas Film-Abkommen USA und CSR Prag. Die Regierung hat den beiden Häusern der Nationalversammlung da» am 18. Mai 1988 in Prag getroffene Film-Abkommen zwischen der Tschechoslowakischen Republik und pen Bereinigten Staaten von Amerika zur Behandlung vorgelegt. Die beiden Länder haben sich gegenseitig die Behandlung nach dem Grundsatz der Meistbe- g ü n st i g u n g zugesichert und die bei der Einfuhr amerikanischer Filme«ingehobenen Gebühren geregelt; das Verfahren über die Einfuhr und die Kontrolle kinematographischer Film« wurde in der Tschechoslotvakei beim Handelsniini- sterinm konzentriert. Die Zensur deS Innenministeriums bleibt unverändert.
Abgeordneter Jaksch empfängt Prager Auslands-Journalisten Freitag, den 24. Juli, hat der Vorsitzende der sudetendentschen Sozialdemokratie, Abgeordneter Jaksch im Gesellschaftsklub in Prag Vertreter der ausländischen Presse empfangen und sie über die innenpolitische Lage im Staate sowie über den Standpunkt, den die deutsche Sozialdemokratie zu den jetzt geführten Verhandlungen der Regierung mit der SdP einnimmt, informiert. Eine Reihe der anwesenden Journalisten stellte dem Abgeordneten Jaksch verschiedene Fragen über die außenpolitische und innenpolitische Lage der ESR sowie über dje Möglichkeiten her kommenden Entwicklung, welche Abgeordneter Jaksch zufriedenstellend beantwortete.
Mllltäraudlenz beim Präsidenten Der Präsident der Republik empfing Freitag die Vertreter der Armee zu der üblichen Militäraudienz.
Ole Spenden für die Staatsverteidigung sind am Donnerstag um 20.3 Millionen aus rund 182.8 Millionen gestiegen. Bisher haben 44.130 Personen Spenden eingeschickt.
Um die Reform der Lehrerbildung Große Enquete Im Schulmlnlsterlum
Im Schulministerium fand am Freitag eine von zahlreichen Fachleuten und Vertretern der politischen Parteien beschickte Enquete über; die Reform der Lehrerbildung statt. Schulminister Dr. Franke eröffnete die Aussprache mit einer Rede, in der er auf die große Bedeutung der Volksschule hintvieS und die wichtigen Aufgaben des Lehrers auch außerhalb der Schule» in der BoliSerziehung, in der Sozialfürsorge und nunmehr auch in der Wehrerziehung, betonte. Alle Nachbarstaaten haben die Lehrerbildung in letzter Zeit schon neu geregelt und angemessen vertieft. Würden wir die Neuregelung noch weiter aufschieben» dann wäre unsere Konkurrenzfähigkeit im kulturellen uyd wirischaftli- chen Weltwettbewerb bedroht. Unsere Stellung, für die die geistige Führung' so ungemein wichtig ist, spricht im Zusammenhang mit den Regelungen in den Nachbarländern dafür, daß die Leh-
Irerschaft eine Fachbjldung an der Hochschule erhalte. SektionSchef Dr. Raeek referierte über die. bereit» vorliegenden.Resormanträge, während Mi-' nisterialrat Dr. K e p r t eine Uäbersicht über die" Entwicklung der Lehrerbildung und über ihren heutigen Stand gab. Für unsere Partei nahm an der Aussprache Abgeordnete Kirpal teil, die erklärte, daß unsere Partei das Bestreben nach einer Reform der Lehrerbildung begrüße. Die Reform ist um so notwendiger, kveil heute ei» Ivahre» Durcheinander in der Lehrerbildung besteht. E» gibt derzeit folgende Arten, wie man Lehrer werden kann: Absowierung der Lehrerbildungsanstalt, Absolvierung einer Mittelschule und Besuch des vierten Jahrganges einer Lehrerbildungsanstalt, Absolvierung einer Mittelschule und Besuch der Pädagogischen Akademie, schließlich kann mau auch als Externist fünf Monate an einer Lehrerbildungsanstalt hospitieren und daun die Reifeprüfung ab-
Klanenkampf gegen Staattinterene Ein Exzeß der agrarischen Presse
Dieser Gedanke gefiel Robert. Er verstummte und saß versonnen da. Plötzlich stand er auf, ging aus dem Zimmer, kam mit einem Blatt Papier zurück und begann zu zeichnen. „Was machst du denn schon wieder, Robert, anstatt zu lernen?" „Gleich, Mutter. Ich will nur den Tiger mit dem Büchsenöffner zeichnen. Ich bin gleich fertig", setzte er freundlich hinzu,„ich mach' es nur mit dem schwarzen Blei." Ach Gott, ach Gott, ob andere Mütter eS auch so schwer mit ihren Kindern hatten. Und die Geschichten mit Werner, der einmal lernte, einmal nicht lernte und, wenn er Geld hatte, die Schule schtvänzte, um auf den Eislaufplatz zu gehen oder eine Radpartie zu unternehmen! Wenn sie ihm Vorwürfe machte,.grinste er nur. oder brachte im hochnäsigem Tone einige Entschuldigungen hervor. Gott , wie sie das alles kannte, auswendig kannte, noch von ihrem verstorbenen Manne her, der ebenso auSgerissen war, ebenso gegrinst, ebenso herablaffend-gleichgültsg ihr ein paar Trostworte hingeworfen hatte, wie man einem Bettler ein Geldstück hinwirft, nur damit er einen nicht weiter belästigt. Waren alle Männer so rücksichtslos, oder nur Künstler? Ja, auch Werner war ein angehender Künstler und sein Vater hatte noch Zeit gehabt, den schönen, begabten Buben zu verwöhnen. Er, der so achtlos über feine Frau hinwegging, er behandelte den kleinen Burschen mit aller erdenklichen Rücksicht und Geduld, lachte zu seinen Unarten, duldete, daß er
ibn in seiner Arbeit störte. Wie stolz hatte er seinen Kollegen den Ausspruch Werners erzählt: „Mein kleiner Bruder brüllt in gis." Schon mit zehn Jahren war Werner wie sein Vater: undiszipliniert, unberechenbar, eigenwillig, grausam und großmütig. Mit fünfzehn Jahren hatte sich fein schlanker Körper schon gestreckt, er sah so hübsch au» mit dem dichten, hellbraunen Haarschopf, den blitzenden Augen zwischen den langen Wimpern, daß ihm Frauen zuweilen nachblickten. Die Muter zitterte vor dem Augenblicke, wo er dies bemerken und darauf reagieren würde. Jm- n>er öfters gab er Aeußerungen von sich, aus denen man schließen konnte, daß er sich mit„diesen Dingen" beschäftigte. Sie wußte nicht, wie sie sich verhalten sollte, zog sich ängstlich zurück, spielte Bogelstraußpolitik, wollte nichts wissen und bebte vor der Stunde, wo„es" beginnen würde, das, was sie so gepeinigt hatte: telephonische Anrufe von Frauen, ein diskretes Verschwinden deS Mannes, manchmal für Tage hier käme noch die Angst dazu, daß der unerfahrene Junge einer in die Hände fiele, die seine Jugend mißbrauchte. Und kein Mensch, dem sie ihre Angst anvertrauen konnte! Wallst und ihr Mann beruhigten sie flüchtig: das seien Pubertätserscheinungen, die"sich geben würden. Sie konnte ihnen doch nicht sagen, daß auch Gustav so gewesen war, bis zum letzten Tag, konnte sich keine Blöße geben. Und die Großmutter, die würde ihr nur mit liebenstvürdigem Lächeln zu verstehen geben, daß sie ihre Kinder nicht zu erziehen verstand! Sie hatte das Gefühl, als müßte sie ihre beiden widerstrebenden Großen durch die Schuljahre hindurchstoßen. Robert war in seiner Gutmütigkeit störrisch, auch er ging seinen eigenen Weg. Kein Wunder, daß sie Trost fand in dem Kleinen, Anschmiegsamen, dem sie alles bedeutete, der von ihrer Zäülichkeit, ihrer Fürsorge, ihrem Beifall lebte. Der alles, was man ihm aufgab, willig lernte und jedesmal, ivenn sie ihn abholte, seine Schulkameraden im Stich ließ, nm mit ihr zn gehen. Immer wieder, so ost sie Zeit batte, gönnte
ie sich die Freude, wartete vor der Schultür, bis die Buben wie esne lustige Bogelschar auf die Straße schwärmten, mit Rufen, Lachen und steter Naufbereitschaft. Und dann vergaß sie alle Mühe und Plage und bedauert«, daß sie nur drei Kinder hatte. Wie schnell würden sie erwachsen sein und eS käme nichts nach— keine Sorge mehr und keine Freude. Und plötzlich dachte sie, daß sie noch jung sei, kaum fünfunddreißig und daß... AuS der Tür trat ein langer Herr mit einer Hornbrille, die Mühen der Knaben flogen von den Köpfen, ein raufendes Paar wurde durch den Ruf getrennt:„Still! Drr Schäffer!" Unwillkürlich trat Martha vor, der Herr sah sie fragend an, sie wurde verlegen, glaubte, sich entschuldigen zu müssen, damit er nicht denke, daß sie ihn auf der Straße abpasse— er war sicher hungrig nach den vielen Unterrichtsstunden, hatte eö eilig, nach Hause zu kommen. Sie sägte, unsicher wie ein Schulmädchen: „Entschuldigen Sie, Herr Lehrer, Wiesinger ist mein Name, ich warte auf meinen Buben. Und verzeihen Sie, daß ich bis jetzt keine Zeit fand, in die Sprechstunde zu kommen, mein Bub hat mir gesagt, der Herr Lehrer möchte mich kennen lernen." Sie merkte, daß sie in der dritten Person gesprochen hatte und wurde noch verlegener. Aber Schäsfer sing plötzlich an herzlich zu lachen. «Ja, hat er Ihnen das so ausgerichtet? Das ist wieder der echt« Franz!" Und ernst:„Nein, gnädige Frau, ich wollte mich eigentlich über Ihren Sohn beklagen." „lieber Franzi?" Sic traute ihren Ohren nicht.„Ja, wenn es Robert wäre!" „Nein, nein, Robert kenne ich ja von früher her. Also brillant stand er nicht, das kann man wohl nicht behaupten, aber sonst ist er ein ganz brauchbarer Bub, ich glaube, er wird sich gut entwickeln." «Danke, Herr Lehrer ", sagte Martha ehrlich dankbar und fügte diplomatisch hinzu:„ES ist für mich ein großer Trost, da» zu hören. Wer der
Franzl ist so fleißig, der Herr Lehrer kann mir glauben"...(Herrgott, schon'wieder sprach ne in der dritten Person, was war das nur heute!) Wenn er mal was nicht gekonnt hat, das muß ein rciner Zufall gewesen sein, er ist ja noch so klein!" „Nein, nein,«S handelt sich nicht um den Unterricht", schüttelte Herr Schäffer den Kopf. „Er ist einer unserer besten Schüler"—(die Mutter nickte befriedigt).„Nein, es geht nicht umS Lernen, um was anderes. Aber, gnädige Frau, hier ist wohl nicht der Ort, das alles zu erörtern?" „Nein, Herr Lehrer, natürlich nicht, ich komme auch gern in di« nächste Sprechstunde, wenn Sie wünschen. Aber nur eines möchte ich wissen, wcnn's möglich ist, was der Bub angcstellt hat? Zu Hause ist er so brav, folgt aufS Wort..." „Und in der Schule möchte er sich schadlos halten und befehlen können. Nichts anderes als das, gnädige Frau, aber meines Erachtens schlimm genug. Er hat sich innerhalb der Klasse eine Organisation geschafsen. Meist aus den ärmsten Buben» die ja leider auMneistenS die schlechtesten Schüler sind, weil sie zilHause keine Hilfe sinden und oft nicht einmal die Zeit und Platz für ihre Schulaufgaben haben. Die kommandiert er nun, hetzt sie gegen die Lehrer und Mitschüler auf, die ihm unshmpathisch sind, führt richiige Aktionen durch, ich möchte sagen: Strafexpeditlonen. Knapp vor de» Ferien haben sie dem Schuldiener Niespulver in die Pfeife gestopft, tveil er ihnen verboten hat, auf die Fensterbretter zu kleiiern." „Mer Herr Lehrer", sagte Frau Martha bittend,„vielleicht macht der Franzl nur mit den anderen mit, er ist ja noch ein Kind, die Buben spielen doch so gern Räuberbande, sie meinen's nicht schlecht..." „Ja, da haben Sie recht, gnädige Frau", wandte sich Schäffer jäh zu ihr.„Sie meinen's nicht schlecht, sie wollen nur Räuberbande spielen. (Fortsetzung folgt'