Sette 2
Freitag, 22. Juli 1038
Nr. 170
Eine verratene„Weisung“ aus Eger Was die SdP für den 20. oder 21. August plant Angesichts„schwerer Aufgaben",„schlagartige Amtswalterappelle" In allen Orten— Antreten mit„Habt Acht I" und„deutschem 2mh"
Die SdP«Amtswalter in den sudeten deutschen Städten und,Dörfern Haben noch keine Ahnung, was ihnen für den 20. oder 21. August bevorsteht, denn die entsprechenden Weisungen aus Eger ergingen nur an die Kreis- und BezirkSlei« ter. Und Henlein und seine Unterkommandanten glaubten sich darauf verlassen zu können, daß niemand die streng geheinigehattenen Befehle verraten werde. Wenn aber schon die Amtswalter in den Orten und natürlich erst recht die SdP-Mit» glieder, die einfachen„Kameraden", nichts wissen — wir sind in der Lage, ihnen und der gesamten Oeffentlichkeit genauen Bescheid zu geben, denn vor uns liegt hie Weisung des HauptorganisationSamteS B 2SV8, Eger. 12. Juli. Betrifft: Prüfung der Organisation In diesem Dokument loyaler, demokratischer SdP-Gesinnung heißt rS zu Anfang unter anderem: „SU nächste Zukunft wird schwere Aufgaben und Kämpfe an uns herantragen, die ein H ö ch st m a ß an Schlagfertigkeit der Organisation von uns verlangen werden. Der Staad der gesamten Parteiorganisation ist unbedingt den durch den Mitgliederzuwachs und die Notwendigkeit künftigen Kampfe»gegebenen neuen Verhältnissen anzupassen. Es wird daher angeordnet, den gesamten OrganisationSapparat nach allen Richtungen hin zu überprüfen. Insbesondere muß die Kame- radschaftsordnung nunmehr endgültig ausgebaut und mit Leben erfüllt werden. Die gesamt« Amtswalterschaft ist zu diesem Zwecke ein« zusetzen." Inhal und Ton deS Dokuments verraten also schon hier, daß der sudetendeutsche Faschismus, ganz im Stil der SA und SS „durchgreifen" will, um sich zu einem bestimmten Termin für einen unbestimmten Termin vorzubereitenl Die«Weisung" ordnet sodann Organisationsbesprechungen an, die jeder Bezirksleiter mit sämtlichen chargierten Untergebenen abzuhalten habe, wobei aber den zum Bericht Kommandierten wörtlich zugerufen tzird^ Keine SdiönfarbereH Wahrscheinlich hat also der Generalstab In Eger mit den ziffernmäßigen und sonstigen Berichten über Mitgliederstand, Mitgliederzuwachs und Schlagfertigkeit der SdP-Gliederungen Erz fahrungrn gemacht, die sogar den TotalitätSlüq« nern zu bunt sindl Daher wird jetzt auch angeordnet:„Schwache Stellen sind ausfindig zu machen. Vielsagend ist aber folgender PaffuS der Weisung: Besonderes Gewicht ist zu legen auf die Aufstellung eines verläßlichen und blitzartig arbeitenden Nachrichtendienste»(Durchgabe mündlicher Anordnungen usw. bis zu den NachbarschaftSleiiern).
Also wohl eine kriegerische Art von Vervollkommnung der Flüsterpropaganda! Bis zum 6. August müssen die Ortsleiter ihre Maßnahmen bee>ü»et haben, die vom 7. bis 18. August durch die Bezirksleiter zu überprüfen sind. Und: Bei diesen Ueberprüfungen ist der allerschärfste Maß st ab anzulegen. Zur Abstellung allenfalls immer noch auftretender Schwächen sind weitere 8 Tage Frist, bi» zum IS. August, zu getvähren. Am 2 0. oder 21.A«g«st sind in allen Ortsgruppen sämtlicher Bezirk« schlagartige AmtSwaltrrappellr avzuhalten,deren Richtlinien durch den BezirkSleiter erweitert oder verschärft werden können! Weiter heißt es dann, daß die Amtswalter den Termin diese» Appell» vorher nicht erfahren dürfen— wir haben ihnen die Sache erleichtert, sie wissen jetzt Bescheid... Und alle müssen antreten, auch die Amtsleiterinnen der Frauenschafti Amtswalter, die dem Appell ohne triftigen Grund fernbleiben, sind wegen Lauheit sofort zu entheben und durch haltungSmäßig straffere Kameraden zu ersetzen. Der Termin der Appelle wirdI den OrtSleitern erst am Abend vorher durch! Motorfahrer bekanntgegeben. Am 22. August haben dann die Motorfahrer die Berichte an die KreWelle zu befördern. Außerdem haben die Geschäftsführer alle untergeordneten„Dienststellen" zu kontrollieren, womöglich unangemeldet. S o n d e rw e i s u n g e n, die die SdP in nationalsozialistischer Reinkultur zeigen, sind dem Uka» als„Richtlinien über die Durchführung von Dienst-Appellen" beigegeben. Damit man sehe, wie zivil und demokratisch es bei Herrn Henlein zugeht, dessen SdP wahrhaftig mit einer Partei nicht da» Geringste mehr zu tun hat, fei dieser Armeekommandobefehl hier wörtlich wiedergegeben: Jeder Bezirksleiter soll eS sich zur Pflicht machen, wenigstens zweimal jährltq einen Appell seiner Ortsgruppen durchzuführen. Diesen Appell soll er möglichst selbst oder durch einen von ihm beauftragten Amtswalter abnehmen lassen. Dieser Appell findet in jede«'Ortsgruppe in der Dienststelle oder in einem geeigneten Versammlungsraum statt. Verpflichtend teilzunehmen haben sämtliche OrtsgruppenamtSwalter. Much die Amtswalterinnen der Frauenschaft.) Der Orttleiter läßt seine Amtswalter an- treten. Beim Eintreffen de» übrrgeordnetm Leiters»der dessen Stellvertreter kommandiert er„Habt Ach tl", macht einige Schritt» auf dm Ankommenden zu,» r ä ß t mit erhobener Hand und melde» die Anzahl der erfchimmm Amtswalter, sawle eventuell fehlend«»der mtschuldigtr. Der Bezirksleiter dankt, kommandiert «R u h e" und begrüßt jede« einzelnen der angetretenen Amtswalter durch Handschlag. Daraus
wird Platz genommen und die A«l> walter berichten nun über ihre Arbeit, die Ergev- niffe ihrer Tätigkeit, bring« Anregungen«no äußrm Wünsche. Sie können bei dieser Gelegenheit auch freimütig, aber in sachlicher Form Kritik üben. Da Appelle grundsätzlich zur Ueberprllsung der Organisation abgehalten werden, hat der Be» zirkSleiter sein Hmiptaugenmerk darauf zu richten, ob alle erlassenen Anordnungen und Richtlinien auch vollstä^iig und gründlich durchgeführt werden. Bei dm Appellen sind mich möglichst neue Aufgaben zu stellen. Also die Kameraden Thargen einschließlich der Frauen haben wie auf dem Kas ernem- hof anzutreten, die Meldung wird etwa nach dell Vorschriften de» preußischen Dienstreglements erstattet und vielleicht gibt es noch einen Reservat-Befehl, der die freien Männer instruiert, in welchen Fällen der„dtütsche Gruß" mit„Heil Henlein!" und zu welchen Terminen er mit„$dl Hitler !" zu verbinden ist. Nach dem Kommando„Ruhe" oder„Ruht" au» dem Munde deS RegimentSchefS dürfen dann die Offiziere und Unteroffizierinnen sich sehen unv Rapport erstatten. Ms wackere deutsche Männer und Frauen dürfen sie— wa» bei solch demo«
Vie politischen Verhandlungen Nach der Beratung der politischen Minister am Montag und nach ihrer Zusammenkunft mit dem Präsidenten der Republik am Dienstag wurde der Entwurf über die S e l b st Verwaltung inS interministerielle Verfahren zurückgeleitet. Die Vertreter der legislativen Ab- teilmigen der einzelnen Ministerien haben sich nun unter Vorsitz des politischen SektionSchesS im Ministerratspräsidium, Dr. Cäha, zusammengesetzt, um die notwendigen Veränderungen durchzuführen bzw. die Ergänzungen vorzunehmen. Dadurch ist in den Arbeiten des Eechserausschus« ses der Koalition, an den die ganze Vorlage geleitet wird, eine Verzögerung eingetreten. Der Sechserausschuß hatte ursprünglich den Plan, diesen Cesetzenttvurf bis Donnerstag durchzuarbeiten, damit den politischen Ministern bis Ende der Woche Zeit bleibe, ihrerseits zu dem nun so abgeänderten Entwurf Stellung zu nehmen. Da» ist nun nicht mehr möglich, der SechserauSschuß hat sich bisher erst mit der Landesverwaltung, aber noch nicht mit der BezirkSverivaltung befaßt. Das wird erst Ende dieser Woche geschehen, dann werden die Verhandlungen darüber im politischen Ministerkomitee beginnen und voraussichtlich noch die ersteu Tage der nächsten Woche in Anspruch nehmen. Die Regierung befaßt sich außer mit den nationalpolitischen Vorlagen noch mit einer Reihe von anderen Gesetzentwürfen, die gleichfalls dem Parlament in der Sommersession noch vorgelegt werden sollen. Dazu gehören das Ermächtigungsgesetz, worüber wir bereits berichtet haben, das Budget für 1039, das mit äußerster Sparsamkeit zusammengestellt werden soll, und schließlich der Gesetzentwurf über die Errichtung von Arbeitslagern, welche, wie ein tschechisches Blatt meldet, den hauptsächlichen Zweck hüben werden, Arbeiten zu vollführen» die in das Gebiet der Staatsverteidigung gehören. Zu diesem Gesetzentwurf wird noch auSfiihrlich Stellung zu nehmen sein, da ja damit wichtige
kratischem Korpsgeist natürlich besonders erwähnt werden muß— sogar Kritik üben, aber wohl etwa so, wie das in einer Offiziersversammlung oder bei einer Manöverbesprechung unter Wilhelm II. oder Adolf l. statthaft wäre. Auch die„n e u e n Aufgaben" erinnern lebhaft an das Exerzierreglement und Uebungsgelände. Und so also denken sich die Herren von Eger die Aera„schwerer Aufgaben", die sie sich für August und di» wetteren Monate vorgenommen haben und innerhalb deren der 20. oder 21. August al» erster Probe-Alarm-Tag vorgesehen ist— oder, wie nun anzunehinen ist, vorgesehen war. Denn jetzt werden sie sich wohl auf einen anderen Termin umstellen müssen. Aber daS sind sie ja gewöhnt. Nichtsdestoweniger wird e» Wohl heute in Eger etliche lmige Gesichter geben, wenn man dort lesen wird, daß die DSAP so genau über die volkSgemeinschaftlichen Geheimpläne unterrichtet sind. Wa» aber sagt die t s ch e ch o s l o w a k i« s ch e Regierung und was sagt man in P a- r i S und London zu Geist und Form dieser Appelle, die doch gewiß ahnen lassen, wie eS um die Freiheit und Demokrafie im sudetendeutschen Gebiete stünde, wenn das Wirklichkeit würde, was man sich in Berlin —Eger unter Autonomie vorstellt!
Interessen der arbeitenden Schichten berührt werden. Das Datum der Einberufung des Parlament» steht immer noch nicht fest. Einerseits glaubt man, warten zum üssen, bis sich alle maßgebenden Faktoren über die nationalen Gesetze geeinigt haben, andererseits ist man aber der Meinung, daß das Parlament eventuell vor der Behandlung der Nationalitätengesetze sich mit anderen Fragen, vor allem mit denen wirtschaftlicher und militärischer Natur beschäftigen könnte. Wie die Dinge sind, ist jedoch kaum mit einer Einberufung deS Parlaments vor dem 1. August zu rechnen. Vie Polen del Or. Hodia Prag.(Tsch. P.-B.) Die interministerielle Kommission der legislativen Experten, welche an der Textierung der Entwürfe über die Nattona- litäten-Selbstverwaltung arbeitete, hat ihre Arbeiten erst spät nach Mittwoch-Mitternacht beendet. Ihr Elaborat wurde Donnerstag vormittag» dem Präsidium de» Abgeordnetenhauses für den Bedarf des sechsgliedrigen KoalitionSauSschuffeS übergeben, der vom Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses Malypetr für nachmittag zu einer Sitzung einberufen wurde. Zu den Beratungen de» sechsgliedrigen KoalitionSauSschuffeS über die Kompetenz und die Zusammensetzung der Organe der Nationalitäten-Eelbswerwaltung in den Verbänden der LandeSselbstverwaltüng werden die Mitglieder der Kommission der legislativen Experten zu dem Zwecke zugezogen werden, damit sie dem Koalitionsausschuß alle erforderlichen Erläuterungen zu ihrem Elaborate geben können. Donnerstag vormittag» setzte die Regierung ihre Fühlungnahme mtt den politischen Vertretern der einzelnen Nattonalitäten fort. Der Vorsitzende der Regierung Dr. Hodja empfing eine viergliedrige Delegatton des Verständigungsausschusses der polnischen Parteien, welche diesmal au» dem Abg. Dr. Wolf, Pastor Berger vom Polenverbmde in der TSR, au» Professor B a« dura und Götze von der polnischen sozialistt« schen Partei bestand.
2V I Zwischen| Mann und Kind k Roman von LIII Körber W
„WaS ich Ihnen sagen wollte, liebe Frau Wiesinger", begann die Prohaska fast geheimnisvoll und berührte mit ihrer dicken Hand Frau WiesingerS Arm— Marthas Hände lagen noch immer unter dem Tisch.„Lassen S' den Buben net zu dem Hofer gehn. Der Hofer hat einen schlechten Lebenswandel. Ich sag' nix, wann einer ledig ist, kann er schon Damenbekanntschaften haben, aber doch nicht heute die und morgen die. Und Gott weiß, waS die da oben bei ihm treiben, unsereiner hat ja ka Ahnung von solchen Dingen. Und das Kind schaut sich das alles mit an, das ist ka Beispiel für an Buben net..." Jetzt war Werner zu Ende. Frau Martha hielt den Atem an.„Den zweiten Satz", hörte sie Bühlers Stimme. O, das war gut, da» war sehr gut, sie hatte sich sagen lassen, daß man sich bei einer Prüfung oft schon mit. einigen Takten begnügte. Sie grübelte darüber nach, wie der Tonfall Bühlers gewesen war, herablassend, ermunternd oder gar... anerkennend? «Ich sag' net, wenn einer ledig ist, hörte sie Frau Prohaskas Stimme.„Aber was z'viel. is, das i» z'viel." Sie machte eine Pause, dann sah sie Frau Martha voll an: „I weiß net, Frau Wiesinger, ob's Ihnen bekannt is, daß der Robert an dem Hofer feine Adresse Briefe bekommen tut?" „Wie schön er spielt", jubelte eS in Martha, «noch nie hat er so schön gespielt, er fühlt, daß er dem Bühler gefällt, o mein Werner!" „Was z'viel iS, das iS z'viel", meinte Arm
Prohaska.„Einen so jungen Burschen zu verführen! Wie mir der Hausmeister da» erzählt hat, hab' ich mir g'sagt, das muß ich der Frau Wiesinger erzählen, eh' eS zu spät iS... «Ich weiß, Frau ProhaSka", sprach Martha mit gefalteten Händen.„Robert hat mir von dem Brief erzählt. Er hat ihn an die Adresse HoferS kommen lassen, weil er nicht wollte, daß Werner davon weiß." „Ach!" kam eS enttäuscht,„ja, dann«,." Frau Prohaska sah Martha forschend an, sie erwartete, daß diese ihr sagen würde, von wem der Brief eigentlich war. Aber Martha schwieg. Bon diesem Augenblick an weihte ihr Frau ProhaSka, die in ihr«inen Ersatz für Fräulein Horvat zu finden gehofft hatte, eine ttefe Antipathie.„Wann st« glaubt, daß sie wa» Bessere» iS", sagte sie später drohend zum Hausmeister,„da irrt sie sich sehr. So viel wie sie bin ich schon lange. WaS ist sie schon? Gar nix iS sie." Jetzt erhob sie sich mtt sauer-süßer Miene. „Ja, wann'S so is, Frau Wiesinger, dann ist'S allerdings was anderes. Wann Sie's für richtig finden, daß Ihr Bub Briefe an eine fremde Adresse bekommt... ich hab's gut gemeint... ich hoch mir g'sagt, genug Unglück haben wir im Hause g'habt mit der armen Horvat... ich hab's gut gemeint,'tschuldigen Sie die Störung.. ,* «Ja, ja, ich danke Ihnen, liebe Frau Prohaska", sagte Martha strahlend,(sie hatte die Stimme Bühler» gehört:„Jetzt das Vivace.") —„Ich danke Ihnen herzlich, liebe Frau Prohaska. Ich werde Herrn Hofer danken. Ich werde meinem Buben sagen... ich werde Herrn Hofer sagen..." „Die ist ja narrisch", zuckte Frau ProhaSka innerlich die Achseln.„Da wundert man sich, daß die Buben kein Benehmen haben, über die Stiegen umeinandrennen." Sie seufzte. Sie hätt' das so gern mit Fräulein Horvat besprochen, nun war sie tot. Und der Hausmeister ließ auf seine Parteien nicht» kommen.
Frau Martha machte ein paar Schritte zur Tür, ungeduldig, gleich war Werner zu Ende, sie wollte nicht, daß Bühler die ProhaSka noch traf. Frau Prohaska verstand, daß Frau Wiesinger sie lo» werden wollte, wenn sie auch den Grund nicht ivußte, ihre Antipathie verwandelte sich in Haß, den Haß des kleinlichen Menschen für jenen, von dem er annimmt, da er sich für etwas Besseres hält. Frau Martha begleitete sie hinaus und kehrte gerade in dem Augenblick ins Speisezimmer zurück, als Bühler, und hinter ihm der feucrrore Werner, aus der Tür traten. Auch Bühler war rot und animiert. Er nahm einen Sessel, drehte ihn gehässig um, setzte sich rittlings darauf und sagte mit feindlichem Blick auf Martha: «Also so ist eS.".(Das„liebe, gnä' Frau" lieh er diesmal aus.)„So ist es. Man ist die Witwe eines Mannes, der in der Musikwelt den besten Namen hinterlassen hat. Man hat die besten Beziehungen, aber man findet es überflüssig, sich mit jemand zu beraten, man schickt den Buben zu dem ersten besten Pfuscher und überläßt da» Weitere dem Schicksal, nicht?" „Herr Bühler," stammelte Martha,„Herr Bühler!" „Bühler werde ich genannt," sagte der Geiger.„Und wie stehe ich jetzt vor meinen Kollegen da?"—„Warum hast du uns den Buben deines Freundes nicht früher hergebracht, du alter Esel," werden sie mir mit Recht sagen. Wie steh' ich da? Ich habe Konzerte, Stunden, ich arbeite auch noch für mich— das tut hier nicht» zur Sache— ich kann mich nicht um die ganze Welt kümmern, ich kann einem Buben nicht nachlaufen, weil ich gehört habe, er sei musikalisch; musikalisch ist bald einer, in Wien überhaupt ist jeder musikalisch, ich bin ein schlichter Geiger und nicht der liebe Cott und ich kann nicht erraten, daß irgeno- wo im HI. Bezirk einer heanwächst, der.... Na schön, es ist zu früh, dich zu loben," wandte er sich streng an Werner.„Du kommst morgen
um 11 Uhr zu mir— wart' mal, nein, da» geht nicht. Uebermorgen. Uebermorgen kommst du in die Akademie um 10 Uhr. Und bringst die Geige mit. Ja, das ist mir gleich, daß du Schule hast, das ist uninteressant, deine Schule, schade um die Zeit. Genug des grausamen Spiels. Und den Veilchenstein schmeißen Sie raus," er drehte m>t einem Ruck seinen Sessel Frau Math« zu,„ja, das ist mir egal, sagen Sie, Sie hätten kein Geld mehr, die Stunden zu bezahlen, nein, halt, er wird Ihnen Vorschlägen, den Buben umsonst zu unterrichten, tat, ich auch, sagen Sie ihm, der Bub sei krank geworden oder nach Amerika gefahren. ... Löffeln Sie das nur aus, WaS Sie eingebrockt haben, löffeln Sie das aus..." Er warf Martha einen strafenden Blick unter buschigen Brauen zu. Jede Jovialität wat von ihm gewichen. Er ging ins Borzimmer. „Also übermorgen um zehn," sagte er zu Werner.„Pünktlich, pünktlich, sonst bin ich nimmer da. Und den zweiten Satz mußt du gedehnte: spielen, das ist dix kein Hopsaffa, kein Foxtrottel. Uebrigens spielst du auch die anderen Sätze schlecht, na egal, wirst schon umlernen. Die Hauptsache, daß du Dienstag pünktlich bist und der'Grieche hinausfliegt. Leb' Wohl, Gustav, wie heißt du eigentlich? Werner? Na, schön. Küß' die Hand, pflichtvergessene Mutter, fervus, Gustav." Die Tür schlug hinter ihm zu. «Mutter!" rief Werner und barg den Kopf an ihrer Schulter. Sie fühlte, daß er weinte. VHI. Kapitel. Andreas Hofer Frau Abel reichte dem Schaffner ihren Fahrschein und wandte sich mit freundlichem Lächeln Martha zu: „Nein, daß man sich so zufällig in der Elektrischen trifft, liebe Frau Wiesinger, das ist wirklich ein Zufall! ,(Fortsetzung folgt)