fr. 198 Donnerstag, 18. August 1938 «Seife B 9 IWfowMiaft und S&MfyMk Vom Kleinkrieg der sächsischen Bauern (Insa.) Ein sächsischer Bauer, der seine eigene Leze und diejenige seiner Berufskollegen kennt, gibt sitzende Schilderung: In vielen Orten gibt es Milchhöfe und im zelammenhang damit Sammelstellen für die von den -euem abzuliefernde Milch. Die Bauern erhalten 8 bi» 14 Pfennig pro Liter, je nach Höhe de» Fett« MieS. Die Bauern schimpfen über die geringen Ail-vreise; denn der Milchhof erzielt in der Stadt 23 dis 29 Pfennig pro Liter. Än einer Ortschaft kam e» vor einiger Zeit zu tintr Aktion der Bauern. Jeder Bauer war aufgc- f«dtrt worden,«in bestimmtes Quantum Milch zu Wni. l8 Pfennige pro Liter wurden versprochen. Die Lauern bemühten sich, recht viel Milch abzulie« tim. Tie bekamen aber nur 11 Pfennige, weil an« «blich der Fettgehalt zu niedrig war. Darauf stellten die Lauern die Milchlieserung ein. Sofort erschienen Aeichtstandtfunktionäre im Dorf, drohten den Bauern eit Strafen. Noch immer weigerten sich die Bauern. La schickte man den Bauern Gendarmen aus die Life. In anderen Teilen des Landes haben die Bauern sich um das Verbot des Buttermachen» insofern nicht «kümmert, als sie weiter produzierten und die Lutter im Schleichhandel zum Preise von 89 bis 85 Lseimigtn für daS halbe Pfund absetzten. Die Bauern baden sich auch ntchi abschrecken lassen, als einige von iteen erwischt und bestraft wurden. Die Pi eh zücht sinkt. Besonder» die Schweinezucht ist stark zurückgegegangen. Der Grund iK der Mangel an Futter, besonders der Mangel an jtteie. Brotgetreide darf nicht verfüttert werden, Kar­toffeln und Magermilch sind daS Hauptflitter für die Schweine. Da» ist nun keineswegs billiger für den Lauer, und obendrein reicht diese Art der Er« »äbrung nicht au», um den beabsichtigten Erfolg zu »rziileii. Von den Kartoffeln haben die Bauern seht ieringere Einnahmen. Früher kaufte die Bevölkerung iie Kartoffeln direkt beim Bauer. Der Bauer batte nibr und obendrein brauchte die Bevölkerung weni« «t zu zahlen al» heute, wo vom Reichsnährstand kiarwsset-Lagerstellen eingerichtet sind, an die die Lauern die Kartoffeln abgeben müssen. Umgehung derGetreidegesetze. Ten Müllern auf dem Lande sind Strafen bi» zu zehn Jahren Zuchthaus angedroht, wenn Korn zu WerungSzwecken gemahlen wirh. Getreide-Schro­ten für die Schweinefütterung wird mit 5900 Mark bestraft und außerdem wirdDachau " angedroht. Trotzdem versuchen die Bauern, die gesetzlichen Mas,« «ahmen zu hintergehen, wo r» nur irgend möglich ist. Senn ein Bauer mehr Korn zum eigenen Verbrauch mahlen liest, al» ihm und seiner Familie auf Grund «ine» bestimmten Satze» pro Jahr zusteht, dann wird er von den Reichsnährstandbehörden zur Rechenschaft «zogen. E» ist aber ein offenes Geheimnis, dast die Lauern Brotgetreide."das sie nicht so'verfüttern konnten, al» Schrot den Schweinen gehen. Auch die Lauem sollen entsprechend den Gesetzen de» Dritten ikeiche» dem Brotmehl 2 bis 5 Prozent Kartoffel« stärke oder-Flocken beimengen. Auch sie sollen dem Aeizenmehl 5 bi» 7 Prozent Maismehl zufügen. Die Man erhält für K6 100 Reichsmark«.. .. 528. Markmünzen... .. 895. 100 rumänische Lei.. .. 16.85 100 polnische Zloty.. .. 548.50 100 ungarische Pengö.. .. 578.50 100 Schweizer Franken. .. 666 100 französische Francs. .. 78.95 1 englisches Pfund.. .. 142.25 1 amerikanischer Dollar .. 28.95 100 italienische Lire., .. 156.40 100 holländische Gulden. .. 1597 100 jugoslawische Dinare. .. 64.80 100 Brlgas..., .. 489. 100 dänische Kronen.* .. 633 100 schwedische Kronen. .. 733 Bauern wollen da»Gelumpe" nicht, und selbst hohe Strafen hindern sie nicht, immer wieder den Versuch zu machen, die Gesetze zu umgehen. Auch wenn von Kontrolleuren in den Haushaltungen der Bauern Nachforschungen angestellt, Proben vom Brot ent« nommen und beim Nachweis der Nichtbeimsschung Prozesse durchgeführt und Verurteilungen. erfolgt sind, auch dann setzen die Bauern ihren Widerstand gegen die Verschlechterung des von ihnen selbst er« zeugten Brote» fort. Eine Plage für den Bauern ist der JlachSanbmi. zu dem man sie zwingt, weil hie Regierung oen Flach» für die Soldatenunisormen benötigt. Bei 50 Tagewerken must ein halbe» Tagewerk Flach» ange­baut werden. Die Bauern tun ha» nur widerwillig, weil fie sehr viel Arbeit damit haben und weil der erzielte Preis in keinem Verhältnis dazu steht. Illegale Schriften zirkulieren. Unter den Bauern ist antifaschistische» Lesematerial verbreitet worden. Sie studieren«» mit grostem In­teresse. E» ist kein Fall bekannt, in dem solche» Ma« terial der Äestavo übergeben wurde. Radikaler Umbau der japanischen Wirtschaft (Dr. W. H.) Der neue japanische Finanz« und Wirtschaftsminister Jkeda hat kurz vor dem Ablauf de» ersten Kriegsjahres mit China eine Rede gehalten, in der er die bisherige Wirtschasts« Politik als falsch bezeichnete und neue, drastische Mahnahmen ankündigte. Jkeda wies auf die grohe Wichtigkeit des japanischen Exports hin und for­derte die Einschlagung einer Wirtschaft-« und Handelspolitik, die gerade das Gegenteil dessen bedeutet, was sei» Vorgänger fiir richtig gehalten hatte. Wurde früher nämlich möglichste Beschrän­kung deS Imports bei gröhtmöglicher Sparsamkeit des inländischen Konsums gefordert, so verlangt Jkedanunmehr starke Steigerung des Imports und möglichst vollkommene Ausschal­tung des privaten Konsums von den Einfuhrgü­tern. Erst ein starker Import von Rohstoffen(ver­nehmlich von Baumwolle, Wolle, Leder, Holz, Kohle, Gummi, Eisen. Erdöl ) kann die japanische Industrie in die Lage versetzen, den Export zu steigern und zugleich den Bedürfnissen der Armee Rechnung zu tragen. Im ersten Halbjahr ist der japanische Auhenhandel u m Ü9.4 Prozent geringergewesen als in der gleichen Zeit des Vorjahres. Der Einfuhrüber- schuh.betrug zwar dabei nur 195 Millionen Yen, doch spielt auch dieser' Betrag' bei einem Lande, das mit Devisen sparen muh und gezwun­gen ist, alle lebenswichtigen Rohstoffe zu impor­tieren, eine große Rolle. Der privaten Industrie und dem zivilen Be­darf sind die allerschärssten Einschränkungen auf« erlegt loorden. Jkeda hat u. a. kürzlich verfügt, dah Gewebe für den zivilen Bedarf vollkom­men frei von Baumwolle sein und aus reiner Zellwolle bestehe» müssen. Die gesam­ten, in privaten Händen befindlichen Baumwoll­vorräte sind beschlagnahmt worden und dürfen nur zu Lieferungen an die Armee sowie zu Export­zwecken verwendet werden. Bei AuSsuhrlieferungen von Wollmischgeweben, müssen 50 Prozent deS Materials aus Zellwolle, bzw. Kunstseide bestehen. Eine weitere einschneidende Mahnahme deS neuen japanischen Finanzministers ist dec Zwang zur Herabsetzung der Herstellungskosten, damit die in den letzten Monaten am Weltmärkte ständig ge­stiegenen Preise gesenkt werden können und Japan wiederum konkurrenzfähig werde. Die Folge dieser iMahnahmewerden erhebliche Lohnsen-, kungensein. Bekanntlich zahlte die japa­nische Industrie nachweislich seit jeher die niedrig­sten Löhne der Welt. Eine weitere Maßnahme ist die Festsetzung von Höchstpreisen für eine Reihe von GebrauchSgegenständen, Rohstoffen und Halbfabrikaten. Zwecks Ueberwachung der soge­nannten»Höchstpreise" sind einige tausend Mann sogenannter Wirtschaft-Polizei in ganz Japan ein­gesetzt worden, die nichts anderes zu tun haben, als die Preise zu überwachen. Dah die Festsetzung von Höchstpreisen daS Anziehen der Preise nicht verhindern kann, hat sich besonders deutlich in Deutschland und Italien , also in Ländem gezeigt, die nicht so sehr auf Rohstoffimport angewiesen sind, wie Japan . Die Sparsamkeitsaktion geht vom Hofe au». Minister und selbst Angehörige der kaiserlichen Familie propagieren beispielgebend den Verzicht auf Verwendung von Automobilen. Zu Audienzen können Zivilpersonen im Strahenanzug erscheinen und die Galauniform bleibt nur ganz besonderen Fällen Vorbehalten. Alle diese. Zwangsmaßnahmen zeigen deut­lich, dah der einjährige Krieg mit China fast sämt­liche Reserven Japan » verbraucht hat. Allein die langfristige Staatsschuld wird auf mehr al» 14 Milliarden gen geschäht. Wie grob die geheimen Goldreserven der japanischen Nationalbank, die in letzter Zeit ebenfalls angegriffen werden muhten, sind, ist nicht bekannt. Die grohe Frage ist, ob Japan gelingen wird, mit Hilfe eines fcharfen Dumpingexport» sich, die Mittel zur weiteren KricgSführung zu verschaffen und wie lange und wie weit ein Land sich einfchränken kann. Genoffen! Genossinnen! a» t» <o «em» 8 Betriebsversammlung Gewerkschaftsversammlung, Genossenschaft-Versammlung, Wählerversammlung, Frauenversammkung, politischen Versammlung, Versammlung oder Sitzung einer proletarischen Organisation sollt Ihr für die WaldemkMe WlMe intensivste Werbearbeit leisten­Streik In der schlesischen Fahrradindustrie In den Fahrradwerken der Firma Fuchs& Co. in Zuckmantel ist ein Streik auSgebrochcn, an dem 289 Arbeiter teilnehmen. Es kam zum Streik, ioeil In den vorher geführten Lohnvcr« Handlungen keine Einigung erzielt werden konnte. Halbjahrsbilanz des Bierverbrauchs Die vom Statistischen Staatsamt nunmehr veröffentlichten endgültigen Daten bestätigen die Zunahme des Bierausstohes. Im ersten Halbjahr 1938 erzielte der BierauSstoh 4.02(i. B. 8.87) Millionen Hektoliter. Gegenüber dem ersten Se­mester 1937 ergibt sich Heuer somit ein Mehr von , 8.8 Prozent. Für die Ausfuhr lieferten die Brauereien 54.150(48.989) Hektoliter, also fast I elf Prozent mehr als im Vorjahr. An alle Kleintierzüchter! Die bestehenden Kleintier- und Kaninchen­züchterverbände haben beschlossen, sich zu einer Organisation zu vereinigen undals ein­heitliches Ganzes in den Sude­ tendeutschen Nähr st and einzu­gliedern." Durch diesen Beschluß haben die Kleintierzüchterverbände ausgehört, selbständige, eigenberechtigte Organisationen zu sein, sie wur« den ein Teil der Sudetcndeutschen Partei. In den Kleintierzüchtervcrbänden sind vieleHäu»- ler und Arbeiter demokratischer und sozialistischer Gesinnung vereinigt. Für sie alle haben die nun gleichgeschal­teten Verbände aufgehärt, zuständige Organisa­tionen zu sein. Wir richten deshalb an alle demo­kratischen und sozialistischen Kleintierzüchter die Aufforderung, die gleichgeschalteten Verbände zu verlassen und s i ch der zuständigen demokratischen bäuerlichen Organisation,.dem Zentralverband« r deutschen Kleinbauern und Häusler (Prag VII., Stroßmayerova 1390) anzu« s ch l i« ß e n. Ihr werdet in ihm eine neue Heimstätte und eine wahre Vertretung eurer Kleintierzüchter-Interessen finde» I Geflügel aller Art, Kaninchen, Ziegen etc. bilden einen wesentlichen Bestandteil de» klein­bäuerlichen Betriebes. Der Verband hat deshalb von allem Anfänge an die Betreuung geflügel« wirtschaftlicher und kaninchenzüchterischer Fragen als seine Aufgabe betrachtet. Ein Blick in das Publikationsorgan des Verbandes genügt, um sich von der Richtigkeit dieser Mitteilung zu überzeu­gen.Der kleine Landwirt", den die Mitglieder unentgeltlich monatlich zweimal erhalten, hat eine ständige RubrikDer Kleintierzüchter". Auf der Ausstellung de» Bezirksverbandes Tetschen -Aussig in Bodenbach im Jahre 1937 wurden zum ersten Mal auch Kleintiere ausgestellt. Es ist beabsich­tigt, diesen Zweig der Verbandstätigkeit noch zu intensivieren und zu erweitern. Die Einrichtungen de» Kleinbauernverbandes toerdcn den Kleintier­züchtern sehr zu statten kommen: Er hat«Ine gutausgebaute Warenvermittlungs« stelle, durch welche alle Futtermittel, die die Kleintierzüchter benötigen, billigst vermittelt wer­den können. Der Verband besitzt eine große An­zahl Rechtsauskunft-st eilen, bei denen seine Mitglieder unentgeltliche mündliche RechtSauSkünfte erhalten. Er besitzt eine aus­gezeichnete Steuerberatungsstelle. Von größter Wichtigkeit sind seine V e r s i ch e- rungSein richtungen. Ziegen können in den gegenseitigen ViehschädenunterstützungS» fonds ausgenommen werden. In dem Haft-, Brandschaden- und SterbeunterstUtzungSfondS, in tvelchen nur eine Jahresprämie von 12 XL zu zah­len ist, sind die Mitglieder gegen Haftpflicht ver­sichert, erhalten Im Brandschadensfall eine Unter­stützung von 1000 XL und im AblebenSsalle be­kommen die Hinterbliebenen eine Sterbeunter- stüdung von 200 l(L. Der Verband gibt einen Kalander höräuS; kn dem ein beträchtlicher Teil dem fachlichen Wissen gewidmet(st. Sein uner« mündlicher Kampf um die Erfüllung der Forde­rungen der kleinbäuerlichen Bevölkerung ist auch ein Kampf im Interesse der Kleintierzüchter. ES sei hier nur daran erinnert, daß der Verband mit allem Nachdrucke für die Verbilli­gung der Futtermittel eintritt und verlangt, daß Futtergetreide unmittelbar beim Landtvirt ohne Monopolzuschläge gekauft tverden kann. Der Verband hat immer wieder darauf hin­gewiesen, daß unsere Geflügelzucht noch sehr im Argen liegt und daß Förderungsmaßnahmen sei­tens des LandeSkulturrateü in weit höherem Maße nötig sind. Für bessere Subventionierung guter Zuchttiere hat er stets seine Stimme erhoben. In zahlreichen Fälle» wurden auch Subventionen erzielt. Demokratische Kleintierzüchterl Werdet Mit­glied jener bäuerlichen Organisation,'' deren Grundhaltung eurer politischen Ueberzeugung entspricht! Werdet Mitglieder deS Zentralverban- de» der deutschen Kleinbauern und Häusler I Fünfzig Sabre Bewegungsphotographie Biel« Völker nehmen für einzelne ihrer An- gehörigen da» Recht in Anspruch, Erfinder deS binomatographen zu sein. Tatsächlich sind wohl gleichzeitig in Amerika , in Deutschland , Frank­ reich und England Versuche gemacht worden, die Bewegung im Bilde festzuhalten. Der Prioritätö- slreit ist ziemlich müßig. ES ist aber immer inter­essant, zu den Anfängen einer großen Erfindung zurückzugchen und zu verfolgen, welche Lösun­gen versucht worden sind, bis die endgültige Fas­sung den Erfolg brachte. Etienne Marey , der im Jahre 1830 geboren wurde, Ivar einer der bedeutendsten Physiologen aus der Schule eines der Begründer der physio­logischen Wissenschaft Claude Bernard . Marey interessierte sich.immer besonders für technische Dinge. Sein Name ist mit einem Instrument verknüpft, das heute kein physiologisches oder psy­chologisches Laboratorium entbehren kann, die I-iareysche Trommel. Sie besteht aus einer mit einer Membran überzogenen kleinen Trommel. Auf dieser Mem­bran ist ein Stift angebracht, der seinerseits einen Hebel mit.einer feinen Spitze trägt. Der Hohl­raum der Trommel steht durch eine Gummi« schlauchleitung. mit einem Apparat in Verbin­dung, der je nach dem Zweck eine sehr verschie­dene Form haben kann. Die Druckschtvankungen dec Luft innerhalb der Apparate überträgt sich auf die Trommel, von da auf die Membran und pon ihr aus auf die Spitze mit dem Hebel. Die Schwankungen führen also zu einem genau ent­sprechenden Ausschlag des Hebels. Wird dieser nun mit einer Schreibvorrichtung in Verbindung gebracht, etwa an einer rotierenden Walze mit berußtem Papier vorbeigeführt, dann erhält man eine Kurve, die in allen Einzelheiten genau den Druckschwankungen in der Trommel entspricht. Marey hat sein Leben lang bedauert, daß die lateinische Sprache als internationale wis­senschaftliche Sprache abgeschafft worden ist. Ec wollte in der graphischen Darstellung, in der kur- venmähigen Aufzeichnung von Versuchsergebnis­sen eine neue international verständliche Sprache schaffen, die das Lateinische ersehen sollte. Die graphische Methode hat überdies den Vorzug einer absoluten Objektivität. Mit der graphischen Darstellung des Puls- schlageS, der Herzaktion, der Atmung, der Mus­kelkontraktion beschäftigt, erhielt er Kenntnis von de» photographischen Aufnahmen des Photo­graphen Muybridge aus San Francisco , der di« Bewegung eines laufenden Pferdes im Bilde festhalten konnte. Muybridge seinerseits erklärte, daß die Idee der Bewegungsphotographie seinem Auftraggeber, dem Gouverneur Stanford , bei der Lektüre des berühmte» Werkes von Marey über die graphische Methode gekommen sei. Muybridge arbeitet mit mehreren Objekti­ven; Marey verließ gleich bei seinen ersten Ver­such diese Methode und ersetzte die vielen Objek­tive durch eine mit einem- Fenster versehene Scheib«, die vor dem Objektiv rotierte. Damit war da» Prinzip gefunden, da» heute noch v:i der Konstruktion von Kinoapparaten im Gebrauch ist. Diese Scheib« ermöglicht, hintereinander in schneller Folge Momentaufnahmen mit dem glei­chen Objektiv zu mache». Die Zahl der Fenster ist nur zu vermehren und die UmdrehungSz it zu regeln, um zu einer beliebig großen Anzahl von Aufnahmen in der Sekunde zu kommen. Die photographisch« Glasplatte konnte di'» sein Versuch natürlich nicht gerecht werden, da sie nicht so schnell gewechselt werden konnte und die Reproduktion unmöglich war. Marey nahm also ein Band lichtempfindlichen Papiers anstelle der Platte. Dieses Papier wurde in den ersten Versuchen hinter dem Objektiv abgerollt und mit Hilf« eines Elektromotors ztvanzigmal in der Sekunde belichtet. Am 29. Oktober 1888 führte Etienne Ma­ rey in der Akademie der Wissenschaften in Pari» die ersten Bildstreifen vor. Ein Jahr später er­setzte er bereits das Papier durch einen richtigen Filmstreifen aus Celluloid , der die für die da­maligen Zeiten respektable Länge von 1.40 Meter hatte, und den der Pariser Chemiker Balagnay für ihn herstellte. Marey begleitete die Vorfüh­rung in der Pariser Akademie mit folgender Er­klärung: Zur Vervollständigung der Untersuchun­gen, von denen ich bereits In früheren Sitzungen berichtet habe, zeige ich Ihnen heute einen Strei­fen lichtempfindlichen Papiers, auf dem ich eine Reihe von Bildern festhalten konnte, und zwar 20 Bilder in der Sekunde. Der von mir zu die­sem Zwecke konstruierte Apparat läßt einen Strei, fen lichtempfindlichen Papier» mit einer Ge­schwindigkeit abrollen, die bis zu 1,80 Meter in der Sekunde geht. Wenn man die Aufimhmen macht, während das Papier aürollt, bekonimt man keine klaren Bilder; man kann nur die Veränderung der Hal­tung des Versuchsobjektes fcststellen. Wenn man aber mit einem besonderen auf dem Prinzip de» Elektromagneten aufgebauten Apparat das Pa­pier während der Belichtung anhält, dann erhal­ten die Bilder ganz die gewünschte Klarheit." Im Jahre 1889 nahm der erste internatio­nale Kongreß für Photographie auf Vorschlag von Marey den NamenChronographie" an. um damitalle Verfahren und Methoden zu b-- zeichnen, die es ermöglichen, eine Serie photo­graphischer Aufnahmen in regelinäißg fcstgelea- ten Intervallen zu erhalten". Der Name sollt« also nicht nur für den Marey'schen Apparat gel­ten, sondern für alle späteren Erfindungen dieser Art. Der Name bürgerte sich aber nicht ein und wurde später durch den von Lton Bouly borge« schlagenen NamenCinömatographie" ersetzt. Aus dem Bersuchsstadium der wissenschafr- lichen Untersuchung ging das Verfahren an die Industrie über. Der Chemiker Balagny verkaufte sein Patent an die Fabriken, die sehr bald Film­streifen von beliebiger Länge herstellten. Da» Kino war geboren und trat seinen Siegeslauf an, den es durch die ganze Welt in immer vollkom­menerer Form führt. Die Hoffnungen, die Etienne Marey , der reine Wissenschaftler an seiner Erfindung knüpft«, haben sich in allen Punkten über Er­warten erfüllt. Das Kino ist zu einer internatio­nalen Sprache geworden, die wissenschaftlichen Zwecken ebenso vollkommen dient, wie Unterhai- tungS- und Belehrungszwecken. Dr. E. I.