Nr. 194 Freitag, IS. August 1938 18. Sahrgaag Spaltung das deutschen   Katholizismus Dis Franco-Truppen am Ebro   dezimiert Lion Blum Uber die deutschen   Manöver Engländer in Wien   verhaftet Um die Nachfolge Hllnkas Sozialdemokrat ge«tralo-san der Deutsche  « so-raldemokratische« ArLeiterpartei w der rschechoslowakischen Republik Grschetut mit«usuahme de» Moutag tLglich seSH/«i»,el»ret» 7» Heller Nrdaktion u.Verwaltung: PmgXll., Fochova 62- Telephon 58077- Herausgeber: Siegfried Taub  - Verantwortlicher Redakteur: Karl«er«. Prag  Koossvsit gegen Deutschland  Zügellose Gewalttätigkeiten der Feinde der Demokratie Wir könnten von Wirren in Uebersee   nicht unberührt bleiben" Prag  . Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Roosevelt hat gestern selbst das Wort zu einer ernsten Warnung an die Diktaturstaaten ergriffen. Vor drei Tagen erst ist Staatssekretär Hüll in einer Rede gegen die Länder, die den Weg der Gewalt gehen wollen, aufgetreten, und er verkündete, daß die Mer« wältigende Mehrheit der Menschheit entschlossen ist, die Anarchie nicht zu dulden und dem Gesetz den Vorrang zu verschaffen. Diese Rede Hüll« hat in Deutschland   erklärlichen Widerspruch ge- Amerika   wird eine Zitadelle der Zivilisation bleiben Wir können nicht verhindern, sagte Roo­ sevelt  , daß sich unsere Nation ein Urteil Mer die zügellosen Gewalttätigkeiten bilde, die in der Welt geschehen, sowie über die Angriffe auf die Demokratie, die Verletzung anerkannter Rechte des Indi­viduums und die Leide«, denen schutz­lose Nationen ausgesetzt sind." Mit diese« Worten, die selbst schon ein Urteil sind, wies Roosevelt   die nazistischen Berwahrun» «en gegen, ihre. Kritiker zurück. Er bekannte. sich zu dm Idem der Zivilisation und der Bildung, die«ine Grenze zwischen dm Ratimen kennen, und«andte sich damit direkt gegen die nationol« sozialistische Doktrin» welche solche Grenzen zieht. Auf rein politisches Gebiet übergehend, sagte er dann: ,H« Amerika   leben wir nicht mehr ans einem Lodgman widerlegt Henlein  eine vernichtende Kritik en den natlonelpolltlschen Gesetzentwürfen der SdP welchem sein Mitarbeiter im Feuer der nazisti­schen Presse steht, ist sicher von größter Bedeu­tung. Nichts unterstreicht aber das Gewicht sei. ner Worte so sehr wie die Tatsache, die von allen Beobachtern Amerikas   in den letzten Jah­ren fcstgestellt wurde: ES ist die Meinung de« amerikanischen Volkes, welche die Erklärung m der Staatsführer diktiert. Ein Volk von 120 Millionen reiht sich entschlossen in die Froill der Demokratie ein. Die Erklürungm Roosevelt« erfolgte» an­läßlich seiner Promotion zum Ehrmdokwr der Universität von Kingston:. Der Präsident tagte einleitend, daß die Vereinigten Staatm nicht un­tätig zusehen würden, wenn Kanada   von einer anderen Macht bedroht wäre.Sie in Kanada  ", sagte er,und wir in den Bereinigten Staatm können zum Glück mit klarer Aussicht alle Mög­lichkeiten erwägen, entschlossen, keinen Weg un ­versucht und keinen technischen Zweig unmtwickelt zu lassen, wa«, wenn sich unsere Hoffnungen er­füllen, zur Festigung deS Weltfrieden  « beitrage« kann. Aber selbst wenn wir in unseren Hoffaun- gm getäuscht werden, könne» wi^wenigsten« sicher sei«, daß diese Hemisphäre eine starke Zita­delle bleib« wird, wo die Zivilisation sich zum allgemeinm Wohl entfalten kann." Soweit die Rede Kanada   betrifft» wird sie von Wafhingtoner Stellen al« eine Ausdehnung der Monroe-Doktrin   auf Kanada   interpretiert. Prag  . DieBolkS-Jllustrierte" hat als erste« Blatt ein Gutachtm veröffentlicht, daS der bekannte frühere Politiker Dr. Rudolf Lodgman- Aum über die BolkSschuhgesehe der SdP verfaßt hat. Die Information derBolkS-Jllustriertm" ist durch photographierte Dokumente einwandfrei belegt und so ist die Erklärung Lodgman  « al« ge­radezu sensationell zu werten. Denn dieser Mann kann umt der SdP nicht mit dem Schlag­wortBolkSverräter" abgetan werden, mit dem sie alle Vernünftigen abzutun versucht. Lodgman  hat sich sein Ansehen alS entschieden völkischer Po­litiker schon im alten Oesterreich erworben und sein Wirken als LandeShauptmmm in der sudeten­ deutschen   RevolutionSregierung ist noch in guter Erinnerung. Lodgman« Bedeutung liegt aber nicht nur in feiner entschieden völkischen Haltung, son» dem auch in seiner Besonnenheit, seiner umfassen­den Bildung und in der Klarheit seine« politischen Denk«». Wenn ein solcher Mann wir er die Volksschuhgesetze der SdP, tyen Unsinnigkeit durch die Karlsbader Forderungm noch übertrof­fen wird, als Humbug und Dilettantenarbeit ab- tut, wird sie mit ihnm vor denkendm und erfah­renen Mmschm in Hinkunft noch weniger Staat zu machen vermögm alS bisher. Dr. Lodgman weist in seinem Gutachten in den sechsundsiebzig Paragraphen der SdP-Ent- würfe nicht weniger al« einhundert« lech« Fehler'gegen die Logik, gegen die Sprache und gegen die j u r i st i s ch e S y- stemattk nach. Er beurteilt die SdP-Entwürfe vom strengen Standpunkt der Rechtswissenschaft und lehnt fast alle Bestimmungen der BolkSschutz- gesehe ab. Insbesondere beschäftigt sich Dr. Lodg­man mit jenem Begriff der.Volksgemeinschaft", mit dem die SdP-Politik operiert: dieser Begriff beruht auf dem Zwang, der dem einzelnen Bolls- genossen für das Bekenntnis zurVolksgemein­schaft" auferlegt werden soll, Das Bekenntnis zur Volksgemeinschaft soll nach den Volksschuh­gesehen der SdP in nationalen Katastern festge ­funden. Auch dort hat man begriffen, daß Hülle Mahnung in erster Reihe dem Dritten Reick galt, das sich iiber alle moralischen Gesetze der Welt hinwegsehen zu können glaubt. Nun hat Roosevelt   die Gedanken, die schon h HullS Rede enthalten waren, in noch schärfe- rer Form wiederholt. Daß sich der Repräsentant des mächtigsten Staates der Welt eine« Lande» mit 120 Millionen Einwohnern und mit uner- schöpslichcn Kraftreserven: gerade in einem Augenblick zu dieser Erklärung entschloß, in entferntere» Festlande, da« von Wirrm in Uebersee   oder von Konflikt« unberührt blei­be« könnte. Im Gegenteil. Wir sind ein Gegen- stand deS Interesse« für die P r o p a g a n d a- zentrale und die Generalstäbe.n Uebersee  . Durch unsere unermeßlichen Raturschähe, die große Ausdehnung unsere« Han­del« und durch unsere gewaltigen Berteidigüng«- kräfte«erden wir, ob wir wollen oder nicht, zu einem wesentlichen Faktor deS Weltfrieden  «." - Diese Stelle der Rede ist deutlich auf Deutschland   gemünzt, über dessen eben enthüllte Propagandatätigkeit und Spionageor- ganisation in den Brreinigtrn Staaten die ameri­ kanische   Orffentlichkeit auf» äußerste erbittert ist. ES wird immer deutlicher, daß die Kluft zwischen den totalitären Staate« und dem demokratische« Amerika   sich täglich erweitert. legt werden. Darüber sagt nun Dr. Lodgman: «Soll da» Bekenntnis" wahrhaftig sei«, so mutz eS wirklich au» freiem Willen abgegeben werden. Dann ist e« auch überflüssig, e« al»Pflicht" fest- zulegen, sondern e» bleibe ein Recht de« Staatsbür­ger«, in dem inhaltlich fei« ganze« Wesen, feine Persönlichkeit, seine Treue zu einer Idee ringe- schloffen sein sollen." Ist die Behauptung, Staat und Böller, hätte« einen Anspruch darauf, daß diese« Bekenntni« wahr­haft und unabänderlich sei, ein Widerspruch in sich selbst. Soll nämlich da« Beöenntni»wahrhaft" sein, dann mutz e» dem W t l l e n de»Bekennenden" entsprech« und e« mutz sich auch /ändern kön­nen, wenn sich dieser Wille geändert hat; soll e« aber unabänderlich" fein, dann ist e« nicht mehrwahr­haft",»venu sich der Wille tatsächlich geändert bat." «Die Fassung dr« Par. 1<Da» Recht und die Pflicht") ist unmöglich:«tweder hat der Staats­bürger da« R e ch t, ein Bekenntnis abzulegen, oder er hat die P f l i ch t dazn; eine» schließt da« an­dere an«." ... atgesehm davon, daß sich solche Bestim­mung« geg« die anhänglichstenBolkSgenoss«" au«wirk« können, wodurch sie und ihre Nachkommen­schaft für immerwähr«de Zeit« in eine ihn« see­lisch fremde Volksgemeinschaft-ineingepreftt werd« können, bestimmt noch der Par. 81 Strass,lg« und stempelt tat Staatsbürger und Volksgenossen unter Umständ« zum Verbrecher. Wozu?" Zu dem SdP«Antrag über die Entnationa­lisierung sagt Dr. Lodgman, daß er, wenn er Ge­setz würde, unabsehbare Folgen hätte. Auch zu den SdP-Anträgen, die die Selbstverwaltung der BolkSgruppenverbände betreffen, äußert sich Dr. Lodgman entschieden ablehnend, indem er sagt: ES ist auch unmöglich, der national« Bertre- tnngSkörperschaft, wie die« in d« Paragraphen 4 bi« S geschehe, die Gründung von Pslichweriänd« anzu­vertrauen(von Selbstverwaltung«-, Interessent» er- bändm und ander«). Da» ist C h a Zu de« Paragraphen 3 und 4 äußert sich Dr. Lodgman noch wie folgt: ES ist nicht schwer zu erk«nen, daß. diese Be­stimmung da« Wirtschaftsleben.lahm­legen würde. Bei jede« Saus und verkauf, bei jeder Besetzung einer Arbeitsstelle würde eine Panik entsteh«. da niemand sicher wäre, bis wohin Unbe- ruf«e eingreifm werden." DaS zusammenfassende Urteil LodgmanS Mer die BolkSschuhgesehe der SdP lautet: «ES ist a u S g e s ch 1 o s s e n, datz ein geord­neter Staat eine solche Verwaltung einführen könnte, und eS besteht tatsächlich die Gefahr, daß eS der RegierungSkoalitlon nicht schwer fallen wird, die europäische Oeffentlichkeit zu überzeug«, daß ein Antrag einer solch« Verwaltung nicht eine Rege­lung der Nationalitätenprobleme bedeutet, son­dern in daS Chaos führt, und e» ist des­halb unmöglich, daß er angenommen wird." Man muß sich vor Augen halten, daß die SdP seinerzeit init ihren Volksschutzgesetzen eine wüste Agitation betrieben hat und sie als die einzig mögliche Lösung' der Nationalitätenfrage in der Tschechoslowakischen Republik bezeichnete. Man muß aber auch bedenken, daß die Karls­bader Forderungen Henleins den Inhalt der Volksschuhgesetze der SdP noch erweitern und ihren faschistischen Zwangscharakter noch vertiefen. Wenn nun ein Mann von dem Rang Dr. Lodgman«, der sich zudem auf eine reiche Erfahrung in notionalpolitischen Dingen stützen kann, schon die Volksschuhgesetze der SdP als unmöglich und die Vorstufe zum staatlichen Chaos beurteilt, um wieviel mehr sind dann jene Grundgedanken der Karlsbader Forderun­gen abzulehnen, die die Irrtümer der Volks- schlltzgesetze noch erweitern! Aber eS ist wohl richtig, daß die SdP sowohl die VolkSschutzge- setze, als auch die Karlsbader Forderungen nicht zu dem Zwecke ausgestellt hat, die Situation des Sudetendeutschtums zu verbessern,' sondern zu dem Zweck, die auf die Zerschlagung der demo- kratischen Tschechoslowakischen Republik gerich- tcte Macht- und Kriegspolitik des rcichsdeut- fchen Rationalsozialismus zu unterstützen. Nurwohlwollende Neutralität So wahr eS ist, daß die Politik autoritärer Staaten keineswegs ausschließlich oder auch nur hauptsächlich von den tatsächlichen Interessen von Volk und Land bestimmt wird, daß Meinungen, Stimmungen, Nerven der Diktatoren Entschei­dungen herbeiführen können, die normalerweise nicht zu erwarten wären, so daß die Möglichkeit von Ueberraschungen die Staatsmänner der ande­ren Länder zu steter Wachsamkeit zwingt man muß doch versuchen, die Wahrscheinlichkeit der näch­sten politischen Aktionen der Diktaturstaaten zu errechnen. Das ist deshalb kein ganz müßige» Be­ginnen, weil auch die autoritärsten Staatsober­häupter nicht ganz allein die Politik bestimmen, weil auch sie auf Ratgeber hören müssen, weil auch sie, mögen sie noch so sehr von ihrem Allwissen und ihrer Wegsicherheit überzeugt sein, ja doch Vorschläge, Rat, Warnungen hören, weil auch an sie die Meinungen verschiedener Interessengruppen herangetragen werden. Liegt auch die Entschei­dung Mer Krieg und Frieden bei ihnen, so wer­den sie doch gerade deshalb, weil sie so militär­gläubig sind, vor solchen Entscheidungen die Diei­nungen der militärischen Führer hören. Man kann als gewiß annehmen, und das ist auch die Auffassung der Politiker aller Länder, daß die gegenwärtigen deutschen   Manöver hoch­politische Bedeutung haben. Man braucht aber deshalb noch keineswegs der Meinung zu sein, daß sie schon die Bereitschaft zum Angriff sind. Sie sollen wohl, meint mit Recht Lion Blum, Druck­mittel sein. Aber eS wird ebenso von der Ruhe und Festigkeit der Tschechoslowakei   wie von der Hal­tung der Kabinette von Pari» und London   abhän­gen, ob die mit diesen Manöver« bezweckte Wir­kung auch erreicht wird. Daß au« den Manöver» mehr wird als kriegsmäßige Uebung, kann man aus mancherlei Gründen für unwahrscheinlich halten. Am 21. Mai hat sich nicht nur gezeigt, daß die Tschechoslowakei   abwehrbereit ist, sondern auch und zwar als unmittelbare Folge dieser Ab­wehrbereitschaft, daß Paris, Moskau und Lon­ don   einem Angriff auf die Tschechoslolvakei keines­wegs untätig zusehen würden. Und noch etwa» anderes hat sich gezeigt: daß Deutschlands  Freunde, daß Italien   und Polen   keine Lust hat­ten, sich anders als neutral zu verhalten. Hat sich seither an der Haltung Polens   und Italiens   etwas geändert? Gewiß steht Polens   Regierung der Tschecho­ slowakei   nicht mit Mermäßiger Freundschaft ge­genüber. Aber eS ist doch deutlich sichtbar, daß der polnische Außenminister Beck eifrig bemüht ist, einen Wall von Staaten zu schaffen, die in einem etwaigen kommenden Kriege neutral bleiben wol­len. Und die nicht nur ungeschlvächte, sondern zu­sehends erstarkende Bauern- und Arbeiteropposi­tion in Posen ist unbedingt und unbeirrbar demo» kratischl Man könnte nicht daS Land gegen den Willen der großen Massen der Bauern und Ar­beiter in einen Kamps für einen Diktaturstaat führen.. Polen   al« Verbündeter Deutschland  » in einem Kriege gegen die Tschechoslowakei   da» ist kaum vorstellbar. Italien   aber! Es ist doch mit Deutschland  eng befreundet, von beiden Seiten lvird immer wieder die Achse Rom-Berlin als politische Rea­lität gerühmt! Und dann sind beide Staaten noch mit Japan   im Antikomintern-Pakt zusammenge­schlossen l Drei große Militärmächte! Aber erst kürzlich, während des russisch  -japa­nischen Grenzkonfliktes, hat sich, wohl sehr zur Enttäuschung Japans  , erwiesen, daß dieses Anti­komintern-Dreieck mehr eine ideologische als eine politisch-reale Sache ist. Und was Deutschland   im Falle eine» Krieges gegen die Tschechoslolvakei von seinem Freunde südlich des Brenner zu erwarten hätte, hat sehr schön in einem in der Zeitschrift der Hitler-Jugend  Wille und Macht" veröffentlichten Aufsatz Gayda, der Direktor desGiornale d'Jtalia", gesagt. Gayda, der als Sprachrohr Mussolinis gilt, hat zwar allerlei Ungünstige» über die Tschechoslowakei   gesagt, auch behauptet, daß sie sich gegen Italien   kait und feindselig ver­halte und daß sie allein an der mitteleuropäischen Spannung schuld sei. Aber da» sind Freundlich­keiten für Berlin  , die nichts ändern an der fol­genden Erklärung, daß Deutschland   im Falle eine» Kriege« gegen die Tschechoslowakei   n i ch t a u f Italien  » Waffenhilfe rechnen darf. Gayda schrieb: