Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen   sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erſcheint mit Ausnahme des Montag täglich früh/ Einzelpreis 75 Heller

Redaktion u. Verwaltung: Prog XII., Fodova 62- Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub- Verantwortlice: Redakteur: Karl Kern, reg 18. Jahrgang Mittwoch, 31. Auguſt 1938

Aus dem Inhalt:

Kriegsfurcht

in Deutsch  - Oberschlesien  Neue republikanische Erfolge in Estremadura

Aus dem österreichischen Paradies

Neue Industrieabwanderung

Nr. 204

Vor der Entscheidung Das Verbrechen

Kabinettsrat in London   und Paris  - SdP- Delegation bei Beneš

,, Der Nazismus verrechnet sich!"

Einmütigkeit der englischen Presse

der Kriegstreiber

Kriegsgefahr und Kulturzerstörung stehen. Es gilt. die Schuldigen festzustellen. Das ist diesmal weit weniger schwer als es 1914 gewesen ist. In der deutokratischen Welt diesseits und jenseits des Atlantischen Ozeans   wird es niemandem einfallen, zu glauben, daß die Tsche deflowakei das Deutsche   Reich angreifen will, sondern umgekehrt sieht jeder die Gefahr, die für den Weltfrieden beſteht darin, daß Deutschland  die Tschechoſlowakei   überfallen will. Schon deute ist also die Kriegsschuld des Dritten Reiches   feft­fischen Deutschlands  , die Situation herbeigeführt gestellt, und nicht nur das: die Schuld des fichi zu haben, in der wir uns befinden.

In der ganzen Welt steht man unter dem Eindrud, daß die Lage Europas   ſeit der Beendi Frag. Der außerordentliche Ernst der poli- müffe. Die Abhängigkeit Henleins von Berlin   standen ist. Die Verantwortung für die Frage gung des großen Wolfermerdens im Jahre 1918 tiſchen Situation ist gefennzeichnet durch die liegt auf der Hand, und es ist nun die Frage. Krieg oder Frieden liegt bei der EDV: es ban- nie so tritisch gewesen ist wie heute. Alle Staats. politischen und militärischen Maßnahmen der ob die SdV in der von Henlein   eingeschlagenen telt fich um die Verantwortung für das Sid. männer, die sich zu den Idealen der Demokratie Weſtmächte und der Vereinigten Staaten   von Laftit der Verantwortungslosigkeit fortfahren fal des judetendeutschen Belfes und feines Sted. und der Humanitat bekennen, die das Glük der Amerifa. In London   tagte am Dienstag das und in Befolgung der Berliner   Aufträge einen lungsgebietes. Die Haltung der Westmachte und Wolfer im Fortſchritt der Kultur ſeben, find raft­Kabinett. Von den 22 Mitgliedern der Regie ermiten Ronflift provozieren oder den Weg der der Sowjetunion   läßt erkennen, daß der bis 1914 andernd miterlebt haben, vorzubeugen los tätig, der Wiederholung des Unbeils, das wir rung nahmen achtzehn an der Beratung teil, die Verständigung geben will. Die unverminderte von der SdV zur Schau getragene Zufionis und wir begen auch beute die fefte poffnung, daß mehr als drei Stunden dauerte. Es wurde aus. Deze der reichsdeutschen Vreſſe gegen dieTichece mus unberechtigt ist. So ſtark die Verſtändis gelingen wird, das furchtbare Unglud von der fchließlich über die tschechoslowakische Frage be- flowakei läßt nicht darauf schließen, daß Berlin   gungsbereitschaft der tiecollematischen Regu Sulturmenschheit abzuwenden. raten, bzw. über die Absichten Deutschlands  . An verständigungsbereit ist. Gleichzeitig aber la rung ist, fo groß ist die Bereitschaft aller Dems. Dennod gilt es schon beute, festzuſtellen. de: Sisung nahm auch der britiſche   Botschafter die Bresse der Sdy erkennen, daß fie mit der fratien, die Souveränität der Tiedoſlowafiwer die Welt in einen solchen Zuſtand hineinges in Berlin  , Henderson, teil, der die Kabinetts außerordentlich gefährlichen gege der national- fchen Republik   gegen einen Angriff mit allen trieben hat, in dem wir bart am Abgrund der mitglieder über die Stimmung in Deutschland   ſozialistischen Breſſezentrale vollkommen einvermochtpolitischen Witteln zu verteidigen. und über die Maßnahmen der nationalsozialiſti Shen Regierung unterrichtete und Instruktio nen für das weitere Vorgehen bekam. Gleich­seitig tagte das Porifer   Kabinett unter deut Vorsiz des Präsidenten der Republik  . Es nahm einen Bericht Bonnets entgegen und billigte ein London  . In der Bresse wird allgemein die! it, das Hebertreibung ein jomases mütig die vorgeſchlagenen Maßnahmen. Nid Ansicht ausgesprochen, daß die Zeit gekommen istift für die Weldungen, wie fie in der geringere Aufmerkſamkeit als die Kabinettsbera zu einer Darlegung des britischen   Standpunktes. Stunden Breffe aufgezogen werden, indem die es tung erregen die großen Manöver der franzöfi- die leinen Zweifel bestehen laffen würde. Nur deutung von Streitigkeiten und Susammenitößen schen Armee an der Schweizer   Grenze, deren Daily Mail" schreibt, daß die Regierung bereit ring waren und von denen einige fich überhaupt übertrieben wird, die ihrem Ursprung nas sehr gt Aufgabe es iſt, die Offenſivkraft des franzöfifein könnte, noch einige Tage zu warten, ehe fie nicht sugetragen haben. schen Heeres zu erproben. In Washington   mit träftigen Worten ihren Standpunkt äußern fonferierte der Präfident der Vereinigten Staa- würde, und zwar deshalb, weil sie der deutschen   Erläuterung der Politik Englands nicht heuten, die Gefahr eines neuerlichen Welt Wenn man die Schuldigen kennt, die fich ten von Amerifa, Roosevelt  , mit dem Staats- Beschuldigung aus dem Wege geben will, daß fie London  . Heber den britischen   Standpunkt frieges atut zu machen, darf man auch Herrn fefretär für Aeußeres, Hull   und mit Morgen­Hinsichtlich des fichechoslowakischen Problemes vers genlein und die Seinen nicht vergessen. Erst bieg thau, den amerikanischen   Sondergesandten, det offentlicht das Neuter Büro folgenden Beef in der Flüſterpropaganda. Die von der Sy eben von einer Reise durch Europa   zurückgefehti right: Das in Downing Street   ausgegebene Kom ausgeht, die Sudetendeutsche Wariei werde ihr ift. Nicht minder wichtig ist die Tatsache, daß Henderson nach Berlin   muniquee spricht von früheren Aktionen und von Siel obne Krieg erreichen. Deutschland   werde die Sowjetunion   einen halben Jahrgang zu den London  . Der Premierminister Chamber. der fünftigen Politik der britischen   Regierung. ebenso in Reichenberg  , Terlik und Karlsbad   ein Fahnen gerufen und Truppen an ſeiner West- lain hat sich nach der Beratung des Kabinetts Stellen darauf hingewiesen, daß die britische   einmaraschiert ist. Seit dem 21. Mai aber mein In diesem Zusammenhange wird an maßgeblichen marschieren, wie es in Salzburg  , Linz   und Wien  grenze maſſiert hat. Die Wichtigkeit dr zum König begeben, um ihm ausführlich Bericht Regierung alle Bemühungen die judetendeutsche Bevölkerung, wiſſen es ſelbſt Regierungsberatungen im Westen wird noch zu erstatten über die geplanten Maßnahmen der entfaltet habe, um eine friedliche de Anhanger der Sdy, daß die Tschechoslowakei  terſtrichen durch die lebhafte diplomatiſche Täti3. Regierung. Gleichzeitig wird bekannt, daß der öfung des fepflomatif den nicht Defterreich iſt. Sie erzählen daher, daß es feit, die den ganzen Dienstag über in London  und Varis zu beobachten war. So war der Ge englische Botschafter in Berlin  , Henderson, Mitt- oblem berbeizuführen, in trop des Widerstandes der Tschechoslowakei   für welchem Sinne auch Lord Runciman auf das deutsche Heer ein Leichtes sein werde, den fandte Maſaryk zweimal im Londoner   Außenwoch nach Berlin   fliegen und dort den Stand- beide Warteien in der Tschechoslowakei einzuwir- Spaziergang nach Prag   zu unternehmen. Wir amt, ebenso nahm der amerikanische Botschafter punkt der britiſchen   Regierung interpretieren ten bemüht ist. Die britiſche   Regierung hoff: haben schon einmal eine solche hraje gehört. in London  , Kennedy  , Fühlung mit der engliſchen wird. Es verlautet, daß England noch einmal ständig und glaubt, daß Aussichtenbenämlich 1914, als die Herren in Wien   von einem Regierung. Der Londoner Botschafter Frank den Versuch unternehmen wird, Hitler zur Ver- feben, daß aber alles von dem Umfang Spaziergang nach Belgrad   sprachen. Es wurde ein reichs, Corbin, befindet sich mit Inſtruktionen ſtändigung zu veranlaſſen, gleichzeitig aber mitionen, welmedie timechoslowa und der Realität der Kon jeiner Regierung auf der Reise nach London  . teilen wird, es werde bei einem Angriff Deutsch  - Iische Regierung made und zu Aber auch in Prag   war man nicht müßig. lands auf die Tschechoslowakei   nicht neutral blei- ma en entiloffen ist sowie von dem Die Mission Runcimans hat ihre informatorisce ben können. Umfang und dem Charakter des von außen her Arbeit fortgesezt und am Dienstag die Vertreter auf die Sudetendeutschen   ausgeübten Einfluſſes der deutschen   freien Gewerkschaften und der und von dem Standpunkte abbänge, Deutschdemokratischen Freiheitspartei empfan- für die tschechoslowakische Regierung gegen die gen. Besonderes Interesse hat die Tatsache er. Sudetendeutschen Partei nimmt, doch führt das regt, daß Abg. Kundt und Dr. Sebekovſfy in langer privater Unterredung beim Präsidenten Dr. Benes   weilten, und daß nach gleichzeitig befanntgewordenen Berichten der englischen Preſſe die ſonntägige Unterredung Lord Run cimans mit Henlein vollkommen negativ ver­laufen ist, da Henlein   zu feiner konkreten Frage fonfret Stellung nahm, sondern sich immer wieder darauf ausredete, daß er sich erst berat.n

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Der englische Ministerrat

Chamberlain zum König.

tungen kommen ſollte, unparteiiſch handeln wird. England fordert Klarheit

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Blatt mit Recht vermerkt hat. Diese Gefahr be Spaziergang ins Grab, wie jüngſt ein tſchechiſches ficht auch für das Dritte Reich und seine Gebieter, wenn auch dieses Grab jenseits eines Meeres von Blut und Tränen sein wird.

Die SDV versucht jest, die unsinnige Auf­faffung zu verbreiten, bei einem Krieg werde den en die Sudetendeutschen   ge= Anhängern der SdP nichts geschehen, alles werde genüber den Anträgen dertsches segen die Tschechen und Juden gehen. Als ob die Blatt ſelbſt aus, daß diese Verzögerungspolitik in oslomatischen Regierung ein Kanonen sich als ihr Ziel nur das Bejistum von Regierungsfreiſen feine Unterſtüßung findet. Rehmen   werden. In London   wurde mit Bes Tschechen und Juden aussuchen könnten, und nicht friedigung fonstatiert, daß nach der fudetendeut­Andererseits wird mit großem Nachdruck die Haus, Hof und Heim der Sudetendeutschen  ! Als Notwendigkeit betont, daß Groß- joen Aufforderung zur Selbstwehr doch die Diszi­britannien ohne Verzug seine ob man aus 2000 bis 3000 Meter Höhe Bom plin von if he choslowakischer Seite ben nur auf die Köpfe von Tschechen   und Sozial­Politik mit Worten belenne, die nicht gebrochen wurde. Mit Vertrauen erwartet demokraten fallen lassen könnte und nicht unters eine Zweifel übrig lassen.- In man, daß die Vrager Regierung alles tun wird, schnedslos auf die Häupter sudetendeutscher Män der übrigen Presse wird allgemein die Anjichi was in ihrer Madt liegt. um Zwiſchenfälle zu ausgesprochen, die in einem Sonderartikel des vermeiden und daß sie, falls es doch zu Ausschreiner, Frauen und Kinder! Haben jene, die mit dem Gedanken eines Krieges spielen, nicht bedacht, Daily Telegraph  " Abg. Boothby nach seiner daß ein kommender Weltbrand alles hinter sich Rüdtehr aus der Tschechoslowakei   ausgesprochen lassen würde, was wir in den viereinhalb entfes bat, worin es heißt: Die Deutschen   fagen oft: lichen Jahren von 1914 bis 1918 erlebt haben? Wenn sie vorher gewußt hätten, was die britische  London  . Die öffentliche Meinung beschäfs Haben jene Verbrecher, die an einen Krieg denken, Regierung im Jahre 1914 tun wird, wären sie tigt jich hauptsächlich mit der Frage, was weis bedacht, was die neuen chemischen und lufttech­nicht in den Krieg gegangen. Es ist richtig, daß er geschehen soll. Berichten der Abend niſchen Waffen für die Sudetendeutschen   bedeu ſie das Risiko kennen, das sie auf sich klätter zufolge wird Sir Neville Henderson   ten? Während sich der lezte Weltkrieg fern von nehmen, wenn ſie ſtatt einer friedlichen eine bei seiner Rückkehr nach Berlin   die im Miniſter unserer Heimat abgespielt hat und wir davon nur Kriegsaftion wählen. Dieſes Riſiko iſt um nichts rat vereinbarten Instruktionen mitnehmen, in den Zeitungen lajen oder als Soldaten auf geringer, als ein bewaffneter Konflikt mit Ruß- deren Inhalt mit den Worten weitere Bestre- den Kriegsschaupläßen selbst erlebten, wie Bel­land, Frankreich   und dem britischen   Reiche, unter bungen um den Frieden verbunden mit Wachsam gien und Nordfrankreich, wie Polen   und Italien  In Nummer zehn Downing Street   wurde stützt von der ungeheuren moralischen und mate- feit, falls sich die Situation verschlechtern sollte" verwüstet wurden, würde diesmal unsere Heimat heute um elf Uhr eine Ministerbesprechung abge­riellen Kraft der Vereinigten Staaten  . Wenn die zusammengefaßt werden kann. ein noch viel ärgeres Flandern  , Polen  , Italien  halten, bei der folgende Minister anwesend waren: Nazistenführer auf eine französische und britische Der politische Korrespondent Star" meldet, und Serbien   werden. Im Weltkriege waren es ( Es folgen die Namen von 18 Ministeru.) Der Untätigkeit gegenüber einem deutschen   Angriff daß Henderson Hitler   eine Botschaft überreichen gerade die deutschböhmischen Regimenter, die am britische   Botschafter in Berlin   Sir Neville Hen verson war ebenfalls anwesend. Der Außenmini- auf die Tschechoslowakei   hoffen, verrechnen sie fich werbe, in der die britische   Regierung Hitler   um meisten geblutet haben, gerade unter der jungen fter gab einen vollständigen Bericht über die in- furchtbar und dieſer Irrtum muß richtiggestellt die Mitwirkung Deutschlands   bei der Erhaltung Generation der Sudetendeutschen   hat der Tod am des europäischen   Friedens ersucht und in der meisten gewütet. In einem kommenden Krieg Diese Kampagne der deutschen   Presse gründet gleichzeitig die Warnung ausgesprochen wird, daß würde nicht nur der wehrhafte Teil der judeten­sich auf angebliche Brutalität der tschechoslowakischen Großbritannien   nicht neutral bleiben könnte, falls deutschen   Bevölkerung bluten, sondern auch alles, Regierung, welche, wie es heißt, die Sudeiens deutschen   nicht erivagen fönnen. Die britische   Regie- wakei erfolgen sollte. Weiter wird angedeutet, daß Frauen und Kinder. Furchtbar und unvorstellbar 11 ein Angriff auf die Integrität der Tschechoslo- was zu Hause geblieben ist, einschließlich der rung ließ es sich, wie die englischen Blätter berich ien, sehr angelegen sein, die angeführten Zwischen- Deutschland wahrscheinlich aufgefordert wird, die ist also das kriegerische Gewitter, das sich gerne fälle zu untersuchen und sie erhält eingehende Nach- nach der Beſehung Desterreichs abgegebene Er- über unserer sudetendeutschen Heimat entladen richten von den britischen   Beobachtern. Ihr Wesen flärung zu wiederholen. ¡ und unser Volk treffen würde.

London  . Die Miniſterbeſprechung im Foreign Lifice war Dienstag um 1.40 Uhr beendet. Sie bat aljp zwei Stunden und 40 Minuten gedauert. lleber die Besprechung wurde lediglich folgendes

amtliche Kommuniquee ausgegeben:

ternationale Lage und bei Abschluß der Sigung| erklärten die Minister, daß sie die bisheri sen Handlungen voll billigten fowiefernerbie Politik, diein3u tunft verfolgt werden soll. Es ift feine weitere zufammenkunft vorgesehen, aber bie Minister werden in erreichbarer Nähe Londons  

berbleiben.

werden, ehe es zu spät ist.