Major E. R. Attlee: Sozialdemokrat Zentralorga« der De «tschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei fa der Tschechefl»«akische« Republik Grscheiat mit«asaahme de» Montag täglich frSH/«injetprei» 75-eller Redaktion u. Verwaltung: Prag XL, Fochova 82- Telephon S3077- Herausgeber: Siegfried Taub — Verantwortlicher Redakteur: Karl Ker«, Prag Kapitulation führt nicht zum Frieden 18. Zahrganfl Sonntag, 4. September 1938 Nr. 208 „Es kommt der Tag!“ Von Wenzel Jaksch Kriegsflotte der USA näher zu Europa Nur Hoffnungen Abbruch der Verhandlungen vermieden In der vergangenen Woche waren alle ver- fassungsmäßigen Faktoren der Reputlik, wir auch die Mitglieder der Mission Runciman in voller Permanenz. Bon Seite der Regierung aus wurde» neue Präpositionen vorgelegt und somit der EdP die Möglichkeit geboten, eine Stellungnahme >u beziehen. Ein Abbruch der Berhandlungcn ist vermieden worden, eö wird weiter verhandelt und da« ist doch ein gewisser Fortschritt. Obzwar der Mission Rnncima« die Ergebnisse der Aussprache zwischen Henlein nnd Hitler nicht bekannt find, ist die Hoffnung, daß es gelingen werde, eine An- Washington. Präsident Roosevelt hat sich mit Rücksicht auf die europäische Lage, die«|* als schwierig bezeichnete, entschlossen, über daS Wochenende in der Rähe Washingtons zu bleiben, do» zuständigen Stelle» wird hierzu gemeldet: Präsident Roosevelt will sich dadurch die Möglichkeit sichern, im Falle ernster Ereignisse in Europa den Kongreß zu einer außerordentlichen Sitzung rinzubernfen, falls dies notwendig sein sollte. I« diesem Eventualfälle würde der Präsident Len Kongreß ersuchen, sich mit einer Aenderung des 7?«?t-,sität?zesetzr? befasse.:, eventuell dasselbe «nverzüglich aufzubebe». DaS ReutralitätSgrsetz läuft bekanntlich unter allen Umstände« automatisch im Mai 1939 ab. Amerika hat feine Kriegsflotte wieder in dem Atlantischen Ozean gruppiert. Seit der ostasiatischen Krise im Jahre 1931 war bisher die gesamte amerikanisch« Flotte im Stillen Ozean konzentriert. Präsident Roosevelt hat »«geordnet, daß eine besondere Kommission binnen zwei Monaten einen Plan für die Verbindung von 15 Munitionszentrrn durch Starkstromleitungen fertigstellt. Das bedeutet, daß im Falle eines Krieges sofort die allergrößten Kraftquellen a» der Hand wären. Rach den eigenen Worten des Präsidenten, wird das Amerika so stark wachen,„daß keine Ration sie behelligen wird". Diese Maßnahmen werden so aufgefaßt» daß die Vereinigten Staaten andeuten wollen, daß sie z« den europäischen Demokratien halten und den Angreifer warnen. Bei der Pressekonferenz im Weißen Haus « gab Roosevelt zu, daß er die London.(Ag. Esp.) Der soeben ver äffentlichte Bericht der britischen Offizierskom- miffion über ihre Untersuchung von Flugangrif sen auf Alieante, Barrrlona und Ter- r e v i e j a bestätigt, daß es brutale und beab sichtigte Angriffe auf die Zivilbevölkerung gewesen find. Die spanisch« Regierung— so führt der Bericht aus— hat die Kommission ersucht, 46 Asigrifft auf Alicante zu untersuchen. Die Kommission ist.zu dem Ergebnis gekommen, dass von» Standpunkt der Sicherheit der Bevölkerung die Lage des Hafens von Alicante sehr ungünstig ist. Immerhin betont die Kommission, daß die drei Bahnhöfe dieser Stadt, die bombardiert worden sind, Kriegsmaterialvorräte weder enthalten haben noch enthalten. Der Bericht stellt dann fest, daß leine Fabrik in Alicante Kriegsmaterial herstellt, auch kein Kriegsmateriallager und keine Truppen in dieser Stadt vorhanden sind. Ucber einzeM Angriffe wird oeurteilt: 25. Mai: 90 Bomben, 273 Tote, 224 Ber- letzte:„Beabsichtigter Angriff auf eine Zivil- rone". 25. Juli: 60 Bomben, 13 Tote, 23 Ber- wundete:.Angriff entweder beabsichtigt gegen Zivilbevölkerung gerichtet oder schlecht geführter Näherung der Standpunkte zu erzielen, nicht auf. gegeben. Die Situation ist ernst, aber es besteht doch dir Möglichkeit, eine kriegerische Katastrophe zu vermeiden. Der Vorsitzende der Regierung, Dr. Hodza, hatte Samstag vormittag Konferenzen mit Fachleuten auf dem Gebiete des Rechts und der Selbst. Verwaltung, nachmittags eine Besprechung mit dem Innenminister Dr. Eernh. Die Meldungen aus den: Ausland find gekennzeichnet durch die allgemeine Bereitschaft, für alle Möglichkeiten gerüstet zu sein. Lage für kritisch ansehe und daß er seine Pläne so getroffen habe, um niemals mehr als einige Stunden von Washington entfernt zn sein. London wartet jetzt ab London . Halbamtlich wird hier mitge- teilt: London will nunmehr Informationen über das Ergebnis der Aussprache zwischen Hitler und Henlein abwarten, bevor versucht weB>en wird, die Wirkungen dieser Aussprache auf die internationale Lage abzuschätze». Samstag sind vjv' noch keine Informationen darüber ringelangt, ob es den Tatsachen entspricht, daß Henlein mit ko«- treten Anträgen in die Tschechoslowakei zu- rückgekehrt sei. Zu der Zusammenkunft zwischen Henderfva und Ribbentrop wird hier erklärt: Henderson kam auf Einladung Ribbentrops. Henderson hatte keine Botschaft zu überbringen, er war jedoch in der Lagei dem deutschen Außenminister seinen persönlichen Eindruck über die Stimmung in London zu verdolmetschen. Der diplomatische Berichterstatter der„Daily Mail" sagt, daß das Gespräch äußerst offenherzig war» daß aber Ribbentrop keine klare Vorstellung von der Politik der deutschen Regierung gab. Sir Henderson wird erst bei dem nationalsozialistischen Parteikongreß in Nürnberg Gelegenheit haben» mtt Hitler zu sprechen. Außenminister Lord Halifax wird Sonntag von Norkshire nach London zurückkehren. Angriff eines ungeschickten Geschwaders auf Hafen und Hafenzone". 6. August: 1 Toter» 11 Verwundete:„Angriff durch zielsicheres Abwehrfeuer abgelenkt. Bomben zufällig oder aber beabsichtigt auf bevölkerte Zone außerhalb der Stadt abgeworfen." 10. August: 1000 Bomben:„Beabsichtigter Angriff auf eine Zivilzone". Hefter den'Angriff auf Barcelona am 10. August, dessen Augenzeuge die beiden Offiziere waren, sagen sie:„Die Nacht war klar, der Mond schien und die Sicht war ausgezeichnet. Aus 3000 Meter Höhe wurden sehr starke Sprengbomben größtenteils auf die Straßen der Altstadt aftgeworfen, die am allerdichtesten besiedelt, sehr eng und deren Häuser allerstärkstens bevölkert sind. Es gab 24 Tote und 84 Verletzte. Die Kommission hat festgestellt, daß in der bombardierten Zone keinerlei militärische Ziele, Fabriken oder Lager sich befinden: Das Bombardement von S i t g e S am 8. August hat, nach dem Bericht der Kommission» einen»Badeort betroffen, wo 3000 Flüchtlingskinder und im Hospital 400 verwundete Soldaten leben, die Bevölkerung normalevweis« 7000 beträgt, keinerlei Flugabwehr vorhanden ist." Das Bombardement hat drei Todesopfer und fünf 3. September 1938. Lange genug haben die Anhänger Henleins den Tag herbeigewünscht, der das Schicksal der Vernichtung über ihre politischen Gegner verhängen sollte. Nun, der Zeiger des Geschehens, der schon„fünf Minuten vor zwölf" stand, ist weiter vorgerückt und es ist möglich, daß bald die Stunde großer Enffcheidungen schlägt. Aber die Entscheidung geht nicht Mehr um die Zukunft der deutschen Arbeiterbewegung dieses Landes und um das Leben ihrer Anhänger, sondern um die Existenz der Nation selbst. Politik ohne Risiko? Politik ohne Risiko gibt eS nicht. Auch auf das einseitige Risiko der Gegenspieler läßt sich keine Politik aufbauen. Vor diesen einfachen Wahrheiten wird sich nun die Führung der SdP beugen müssen. Seit fünf Jahren hat sie dahingelebt, wie Hans im Glück. Große Erfolge sind ihr wohlfeil in den Schoß gefallen. Nach der Parteienauflösung hat sie das Erbe der K r e b S und Jung, der Lodgman und Kallina einfach okkupiert. Später trieben die Fehler der tschechischen Politik, die Kriegsdrohungen des Faschismus und das Schwanken der westlichen Demokratien der SdP-Fühung die Hasen in die Küche. Krise und soziale Volksnot waren freiwillige Helfer ihrer Agitation. Man wird in der Geschichte der politischen Parteien ckgum riu.Beispiel i i'ii.-x.vu'.Ni ogn i unt»Popu larität mit einem solchen Minimum an eigener Leistung erkauft werden konnte. Aber es kommt der Tag, an dem alle Politischen GeltungSan- sprüche und aller Führer-Ruhm auf die Waagschale einer geschichtlichen Prüfung geworfen werden. Erfolg und Verantwortlichkeit Durch den ungestümen Lauf der Ereignisse ist die Führung der SdP in den PrüfungSsaal der europäischen Geschichte gedrängt worden. Alle Scheinwerfer der Weltöffentlichkeit sind auf sie gerichtet. Vorbei die schönen Zeiten einer frischfröhlichen Agitation I Bor Jahresfrist konnten die Herren Kundt und Frank und S e b e k o v- s k y und Peters in den Versammlungen so ziemlich erzählen, was sie wollten. Ihnen fiel die leichte Rolle des Anklägers zu. Auf jeden Borwurf gegen die Tschechen, auf jeden Hohn gegen die deutschen Aktivisten war rauschender Beifall sicher. Die SdP präsentierte sich als Arzt mit dem Wun- Verletzte zur Folge gehabt. Die Kommission stellt fest, daß die Bomben auf eine Zivilzone aftgeworfen worden sind. Zum Schluß beschäftigt sich der Kommissionsbericht mit dein Angriff auf Torkevieja am 25. August mit 17 Toten und 70 Verwundeten. Die Kommission ist der Ansicht, daß der Angriff dem Bahnhof, dem dortigen Salzwerk oder der Bahnlinie, die zum Hafen führt, gegolten hat. Alle diese Gebäude und Anlagen könnten aber nur mißverständlich als militärische Einrichtungen aufgefaßt werden. Infolge der geringen Höhe, aus der der Angriff erfolgte und der ausgezeichneten atmosphärischen Verhältnisse muß angenommen werden, daß die bombardierten Oftjrite tatsächlich die gewollten Ziele des Angriffs gewesen sind. Aus diesem Bericht von Oberst Smith- Pigott und Major Lejeunr hat der GoedbelSfunk eine Rechtfertigung deS faschistische» FlngmordS gemacht! I« Wien wird Flrisch rationiert Wien . Alle Wiener Fleischhauer und Selcher haben von nun an ihren wöchentlichen Bedarf an Rind-, Schweine- und Kalbfleisch bis zum Dienstag für die übernächste Woche bei der Marktge- meinschast für Schlachtviehverivertung in St. Marx anzmnelden, wodurch ein einwandfreier Ueberblick über den Bedarf am Wiener Platz gewonnen werden soll. Meldungen zur Anlage eines Vorrates sind nicht zulässig. derrezept für alle Schmerzen der Sudetendeut schen . Sie verhieß eine rasche vollständige, die kühnsten Träume erfüllende Lösung der sudeten deutschen Lebensfragen, eine Lösung ohne Risiko. Das Volk brauchte nur Henlein zu folgen und auf Hitler zu bauen; das Risiko hätten allein die Tschechen, die Aktivisten und Sozialisten zu tragen. So verstanden die Massen die Heilsbotschaft der SdP. Und sie folgten ihr in hellen Haufen. Nach dem Falle Oesterreichs beeilten sich auch viele Land- bündler und Christlichsoziale, den Anschluß an die lachenden Gewinner einer historischen Partie zu finden. Die Würfel schienen bereits gefallen. Die Anbeter Hitlers glaubten schon den Sieg in der Tasche zu haben. Alle Volksgenossen, die anderer Ueberzeuguug waren, wurden als aus der Nation ausgestoßen erklärt und zu den Verlorenen— nicht nur im politischen, oft auch im physischen Sinne des Wortes— gezählt. Nach den letzten Gemeindewahlen rühmte sich die SdP 90 Prozent der sudetendeutschen Bevölkerung zu vertreten. Es waren nur 84 Prozent, aber immerhin: soviel St immen, soviel Verantwortlichkeit! Mit dieser Verantwortung beladen stehen die Führer der SdP nunmehr vor dem Tribunal der Weltöffentlichkeit. In dem aufregendsten Prozeß, der seit den Augusttagen 1914 abgeführt wurde, spielen sie eine tragende Rolle. Es geht wieder um Krieg oder Frieden! In den Volksversammlungen konnten die SdP-Redner an dieser schicksalhaften Problematik vorbeireden. Im Verhoudlv"gSzimmer werden die. propagandisti- Zwischen den Tatsachen Und den-Erwartungen, welche die Führung der SdP gecheckt hat, besteht eine„unüberbrückbare Kluft." Sudetendeutsche Partei oder Filiale der Berliner Kriegspartei? Wäre die Führung der SdP unabhängig, dann könnte sie— ob verdient oder unverdient, das bleibe unerörtert— Hauptteilhaberin eines respektablen nationalpolitischen Erfolges werden. Nichts könnte zwar die unvergänglichen Verdienste des sozialdemokratischen Rechtskampfes auslöschen, wahr blecht jedoch, daß die tschechische Poli- tik erst des Anstoßes akuter Staatsbedrohung" bedurfte, um die Notwendigkeit innerer Befriedung der deutschen Mitbürger im vollen Umfange zu begreifen. Das ist ein Fehler, der leider der Politik aller Siegervölker anhaftete und der deutscher Freiheitsgesinnung die schwersten Wunden schlug. Bor der Kapitulation des deutschbürgerlichen Akti- vismüs konnte man jedenfalls"das Argument hören, daß die Sudetendeutschen durch eine Politik der Drohung mehr erreichen können, als durch stets betonte Verständigungsbereitschaft. Soweit, so gut. Eine große Zahl enttäuschter Aktivisten glaubte, in der SdP einen Stock gefunden zu haben, den man nur zu schlvingen brauche, um die tschechischen Politiker nachgiebig zu stimmen. Jeder Stock hat aber bekanntlich zwei Enden. Eine Politik der Drohungen kann sich von einem bestimmten Punkte an auch gegen die Urheber wenden. Sie wird über kurz oder lang vor das unerbittliche Entweder— Oder gestellt. Soweit ist nun die SdP. Will sie den Weg der Staatsbedrohung zu Ende gehen, dann mündet er in den gesamteuropäischen Krieg. Entscheidet sich die SdP doch für innere Verständigung, dann muß sie sich der Waffe der Drohung begeben. Für«ine sudetendeutsche Partei könnte in solcher Enffcheidung nur bestimmend sein, was in der Linie offenkundiger sudetendeutscher Lebensinteressen liegt. Sind nationale Gleichberechttgung und soziale Existenzsicherung mit friedlichen Mitteln erreichbar, dann ist die Spekulation auf kriegerische Eventualitäten ein glattes Verbrechen. Darf man der Führung der SdP diese Einsicht noch zumuten? Ist sie eine Vertreterin sudetendeutscher Interessen, dann muß sie sich für die friedliche Lösung entscheiden. Entscheidet sie gegen den Frieden, dann deklariert sie sich offen als eine Filiale der Berliner Kriegspartei, welche bereit ist, Leben und Zukunft nicht nut der Sudetendeutschen als Einsatz in ihr impe- r'alistisches Hasardspiel zu werfen. Marionetten und Männer So unwahrscheinlich es klingt, es ist so, daß der Führung der SdP heute ein Stück Entscheidung über das gesamtdeutsche Schicksal in die Hand koosevelt erwägt Aufhebung des Neutralitätsgesetzes Die Flugangriffe Francos: Bewußte Tötung von Zivilpersonen Die Feststellungen der englischen Kommission
Ausgabe
18 (4.9.1938) 208
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