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Sonntag, 4. September 1838

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Japans Schwierigkeiten

Die dem Achsenpartner sicher wohlwollend gcgenüberstehende»Frankfurter Zeitung " befaßt sich dieser Tage ausführlich mit der Lage Japans . Sie kam zu keinem imponierenden Urteil. Wenn auch in der von uns zitierten Stelle von kriegs­wirtschaftlichenRätseln" nur unter Anfüh­rungsstrichen geschrieben wird, geht doch aus der ganzen Darstellung hervor, daß diese genug Kopf­zerbrechen machen: Die entschlossene Ausführung der Devisen­maßnahmen muß gerade für Japans Versorgung bedeutsame Folgen haben. Bon 66 industriellen Rohstoffen(Nahrungsmittel, in denen Japan dem Auslände unabhängig ist, sind ausgenom­men) deckt Japan selbst in Friedenszeiten nur den Bedarf von neun ausreichend. Dabei handelt es sich bei diesen wenigen reichlich vorhandenen Rohstoffen, mit Ausnahme von Kohle, um kriegs­wirtschaftlich nicht allzu wichtige, wie Silber, Schwefel, Pfefferminze, Kampfer, Rohseide. Bei allen anderen industriellen Rohstoffen reicht die Eigenproduktion schon nicht zur Deckung des Frie­densbedarfes aus, sie bleibt bei manchen wichtigen Rohstoffen sogar unter zehn Prozent dieses Be­darfes. So muß sich die von Jkeda schroff durch­geführte Sparpolitik in einer nahtzu alle indu­striellen Erzeugnisse umfassenden Kontrolle, in Einschränkungen und Sperrung des Verbrauches für alle nicht kriegswichtigen Verwendungen aus- wirken. Damit ist die Tätigkeit der Industrie für den inneren nicht kriegswichtigen Bedarf stark eingeschränkt. Die Eingriffe machen auch nicht mehr vor der bisher stark bevorzugten Export« nidustrie halt, die ja Devisen hereirchringen soll. Die neuesten kriegswirtschaftlichen Maßnahmen schränken die Ausfuhr nach dem Mandschureich, Nordchina und anderen japanisch besetzten Teilen Ehinas ein, soweit diese der Den-Währung ange­schlossen sind. Japan entdeckt heute, daß die mit Waffengewalt eroberten Absatzmärkte(und die Schaffung solcher monopolartig beherrschten Märkte war einer der Gründe für die Bildung

des Mandschureiches und des neuen Nordchinas) zu einemInneren Markt" Japans geworden sind, deren Bedarf zu einer Gefahr für die erfolg­reiche Fortsetzung der Politik in China geworden ist. Die japanische Wirtschaft mutz sich mit diesem so unerwarteten Widerspruch der angeblich neue Absatzmärkte schaffenden Expansionspolitik ab­finden. Inzwischen war es gelungen, die Einfuhr Japans etwa um ein Drittel zu verringern und sie überwiegend auf kriegswichtige Einfichr zu be­schränken. Doch damit fiel auch die Ausfuhr; oberflächlich gesehen zwar nur um etwa zwanzig Prozent, die heute für Japan einzig werwolle devisenbringende Ausfuhr aber um fast 40 Pro­zent. Diese Tatsache bedeutet für die japanische Kriegswirtschaftspolitik, die jede Devise festhalten will, eine neue Lage. Von der achthundert Millio­nen Den betragenden Währungsdeckung mußten dreihundert Millionen für die Finanzierung und Rohstoffversorgung der valutabringenden Ausfuhr freigegeben werden. Rein theoretisch sollte diese eiserne Reserve" Japans nicht verlorengehen; es muß sich zeigen, ob die erwartete Vermehrung der Ausfuhr diese Balutaauslage wieder in vol­lem Umfange einbringen wird. Denn viele Gründe haben die Senkung der Ausfuhr japa­nischer Waren hervorgetufen, nicht allein die Knappheit an ausländischen Rohstoffen. So zeigt die japanische Kriegswirtschaft in ihrem neuesten Radium eigenartige Widersprüche. Der innere Markt ist zum Teil lahmgelegt, gleich­zeitig dehnt sich das zum inneren Markt gehörende Gebiet aus, die Arbeitslosigkeit nimmt zu trotz weitgehender Mobilmachung und Hochkonjunktur in der Kriegswirtschaft, ein Teil der Goldreserve muß trotz schärfiter Devisensparsamkeit zur Schaf» fimg neuer Devisenv«räte ausgeführt werden. Die Auflösung aller dieser kriegswirtschaftlichen Rätsel" ist natürlich von großer Wichtigkeit für die erfolgreiche Durchführung der heutigen japa­nischen Außenpolitik."

Vie Inilustrleprocluktlon Der für die Ermittlungen der industriellen Tätigkeit in der Tschechoslowakei maßgebende Pro­duktionsindex des»Obzor Närodohospodarskh" spiegelt die in diesem Jahre gegenüber dem Bor« jcchr zu verzeichnende Abschwächung der wirtschaft- lichen Konjunktur wider. Während im ersten Bier- teljahr ein Rückgang des Produktionsindex festge- stellt.werden konnte, hat sich seit dem April die monatliche Indexziffer der industriellen Gesamt­produktion wieder erhöht, so daß sich im Juni ein wesentlich geringerer Abstand von der Ziffer des gleichen Vorjahrsmonats ergibt, als daß im März und April der Fall war. Der Gesamtindex der industriellen Produktion betrug;(1929 ist gleich 100): 1938 1937 Jänner 89.4 92.6 Feber..... 84.9 92.1 März.. 81.8 93.5 April..... 84.7 96.7 Mai88.6 99.8 Juni,,... 90.1 98.7 Nir Juli liegt die Indexziffer noch nicht vor. Aber die Entwicklung in den einzelnen Industriezwei­gen läßt doch darauf schließen, daß die industrielle! Gesamttätigkeit im Juli gegenüber dem Vormonat einen Rückschlag erlitten hat. ES ist also mit einer erneuten Abnahme der Indexziffer zu rechnen.

Amerikanisches Komitee für den Handel mit der Tschechoslowakei In New Dork wurde eine Institution für die Steigerung des amerikanischen Imports aus der Tschechoflotvakei(American Czechoflovak Commit­tee for Raprochement and Englightment) gegrün­det. Dem Komitee gehören außer maßgebenden tschechoslowakischen Persönlichkeiten auch führende amerikanische Wirtschastsverbände an, Die Propa­ganda der tschechoslowakischen Erzeugnisse erfolgt unter der Devise»Save Czechoslovakia" und man verspricht sich namentlich jetzt und im Verein Mit der New Dorker Weltausstellung eine wesentliche Steigerung der Bezüge aus der Tschechoslowakei , wodurch die enttäuschenden Ergebnisse des neuen tschechoslowakisch-amerikanischen Handelsabkom­mens einigermaßen wettgemacht werden dürften.

Exportumsätze auf der Messe Prag . Der zweite Tag der Exportmesse stand bereits im Zeichen der Geschäfte. Allerdings ist vorauszuschicken, daß der Verlauf nicht einheit­lich war. Während einige Aussteller bereits größere Exportaufträge buchen konnten, mußten sich andere mtt Probeaufträgen zuftiedenstellen. In Anbetracht der Verhältnisse ist das Auslands­geschäft der Messe für einige Firmen besser als erwartet. Die anwesenden Ausländer, unter denen sich die Einkäufer großer Jmporthäuser be­finden, vergeben im gewohnten Umfang Aufträge;

nur ausnahmswefie ist eine Zurückhaltung festzu­stellen. Zahlenmäßig steht der Besuch der Messe etwas hinter dem Vorjahre zurück; zum größten Tell ist dies jedoch darauf zurückzuführen, daß Heuer die ausländischenSehleute" in Wegfall gekommen sind. Wer die Reise nach Prag dies­mal angetreten hat, ist Wittlicher Interessent und vergibt auch Aufträge. Der A u S l a n d S b e f u d> hat sich am zweften Messetage gehoben. Zahlenmäßig waren am stärksten die Nachbarstaaten zugegen. Bemer­kenswert ist die gute Beteiligung Polens und Rumäniens . Auch Italien ist stärker als im Vorjahre vertreten, was sich auch bereits in geschäftlicher Hinsicht äußerte. Aus don W e st- st a a t e n ist der Besuch aus Holland , der Schweiz und Belgien gut; dagegen liegt Frankreich im Vergleich zum Vorjahre zurück. Was die N o r d- st a a t e n anbetrifft, so ist Schweden schwächer, Norwegen besser anwesend. Gut ist der Besuch aus den ballischen Ländern. Unter den Uebersee- besuchern, die bereits aus 15 Ländern stammen, wog gestern Aegypten und Australien vor. Der Jnlandsbesuch hat sich gleichfalls ver« stärkt./

Oie Anbauflächen der wichtigsten Feldfrüchte Das Statistische Staatsamt veröffentlicht die endgültigen Ergebnisse der Anbauflächenerhebung der wichtigsten Feldflüchte. Züm Vergleich sind in der Klammer auch die entsprechenden endgülttgen Daten für das Jahr 1937 angeführt.(In« tar): Winterweizen (einschließlich Spelz)' 800.590(807.135), Sommerweizen 37.093 (45.757), Winterroggen 998.323(954.373), Sommerroggen 17.335(22.083), Wintergerste 8986(7498), Sommergerste 650.989 (664.82), Hafer 769.642(778.885), Mais 109.638(96.771); Sveisebohnen 5196(5762), Erbsen 12.618(14.835), Linsen 4624(5487), Samenwicke 21.245(24.109), Pferdebohnen 3153(3860); Ravs und Rüben 8544(6016), Mohn 14.492(13.397), Flach« 15.992 (19.345), Hanf 7285(7204), Hopsen 11.552 (11.547), Tabak 9456(9950); Frühkartoffeln 41.096(41.959), Spätkartoffeln 722.259 (732.400), Zichorie 3571(3344), Zuckerrübe 165.200(181.252), Futterrübe 147.458 (146.339)'; Kopffraut 21.904(21.757): Klee- schläae aller Art 806.150(787.879), Grünfut- ter 92.539(110.417), Wechselwiesen 28.018 (27.301).

Riesioe Goldverschiffunqen nach den Vereinigten Staaten New Dork'(HavaS.)' Die Beurteilung über die Lage in Europa spiegelt sich Freitag auch in zahlreichen- Goldsendungen von London nach den Vereinigten Staaten wider. Die Federal Reserve- Bank erbieü in den letzten Tagen auS London Gold im Werte von 6,100.000 Dollar, davon vier Millionen allein am gestrigen Tag. Die Goldsen­dungen in der letzten Woche erreichten 33 Mil­lionen Dollar, die höchste Summe seit Jull 1937. Die Spannung in Europa kam auch in einem Sinken der europäischen Valuten zum Ausdruck. Das Pfund Sterling notterte bei Börsenschluß mit 4.26*4 und der Franc mit 2.72*4.

Britischer Gewerkschaftsbund fünf Millionen Mitglieder! (JGB) Im Tätigkeitsbericht an den dies­jährigen Kongreß des Brittschcn Gewerkschafts­bundes(TUE), der in der Woche des 5. Septem­ber in Blackpool stattfinden wird, will das Se­kretariat des TUE mit, daß wieder beträchtliche Mitgliedergetvinne zu verzeichnen sind. Der letzt­jährige Kongreß meldete 394.000 neue Mitglie­der und eine Gesamtmitgliederzahl von über vier

Millionen. Auf dem diesjährigen Kongreß wer­den fünf Millionen Mitglieder vertreten sein!

Günstige Lage Mexikos Mexiko . In dem der Kammer Donnerstag borgelegten Jahresbericht des Präsidenten der Republik Cardenas wird die Finanz- und Wirtschaftslage des Landes als nicht ungünstig bezeichnet, wenn auch gewisse Schwierigkeiten vorhanden seien. Im außenpolitischen Teil des Jahresberichtes wird die amerikanische Forderung abgelehnt, monatlich eine bestimmte Summe zur Abdeckung der Entschädigung für die Landenteig­nung in einem von beiden Regierungen zu be­stimmenden Institut zu deponieren. Große Län­der, heißt es in dem Bericht,. haben Präzedenz­fälle geschaffen, die die mexikanischen Enteig­nungen rechtfertigen. Di e L a n d r« f o r m sei eine der wertvollsten Er­rungenschaften der mexikanischen Revolution und könne nicht auf­gehalten werden. Zu der Enteignung der Oelgesellschaften wird mitgeteill, daß die Ent­schädigung hiefür aus dem Erlös der Oelproduk- tion sowohl der enteigneten, als auch der bereits früher in der Hand des Staates befindlichen Quellen bezahll werden sollen. Eine Ensschädi« gung werde lediglich für Investitionen geleistet, da Bodenschätze nach der Verfassung Staats­betrieb seien. Die ausländischen Oelgesellschaften hätten ihre Konzessionen wegen ihrer Widerspen­stigkeit verloren. Zum Schluß wird ein Gesetz angekündigt, das die Gewährung derartiger Kon­zessionen an Ausländer unmöglich macht.

Am aller Welt Lloyd George als Kameramann. Nächst Ame­ rika scheint England das Land zu sein, in dem das private Filmen mit Hilfe kleiner Aufnahmeapparate sich am meisten durchgosetzt hat. Selbst-prominente Persönlichkeiten sind bekannt für ihre Filmleiden­schaft, die sich darin ausdrückt, daß sie überall, wo sie sich aushalten, gleichzeitig mit ihren Aufnahme­apparaten Bilder drohen. Natürlich besitzen sie dann zu Haus eigene Projektionsapparate. Einer der größten Enthusiasten auf diesem Gebiete ist Lloyd Geoyge, der sogar jetzt Farbenfilme für sich herftellt, und dessen Filme von der Riviera und von seinen Weltreisen Kenner als ausgesprochen« kleine Mei­sterwerke loben. Auch König Georg VI. ist ein lei­denschaftlicher Kameramann. Er nimmt fast täg­lich Bilder von seiner Familie auf, und er besitzt einen Projekttonsappavat, der auch Tonfilme Vor­führen kann. Ei« ganz modernes Nudisten-Camp. Die Nu« distenbewegung hat in manchen Gegenden der USA einen so großen Umfang angenommen, daß man be- gimnen hat, sich mit der Angelegenheit.wissenschaft­lich" zu befassen. Das größte Lager, genannt»Ely- s-um-Kolonie",- befindet sich in Kalifornien . Das Camp bedeckt ein großes, sanft ansteigendes Ter­rain, und der wissenschaftliche Leiter hat dieses Ter­rain jetzt in einzelne Abteilungen eingeteill. Diese Einteilung entspricht einer neuen Theorie über den Nudismus, nach der-er gewöhnliche Mensch sich nur ganz allmählich daran gewöhnt, ohne Kleider zu wandeln. So kommen in di« erste Abteilung jene, die zunächst kaum wagen, ein Kleidungsstück abzu­legen; in dem Maße, in dem sie sich an di« neue Lebensform akklimatisieren, dürfen sie in höhere Abteilungen aufiteigen, bis sie zum Schluß auf der Spitze des Hügels von Elysium landen, wo die dort Lebenden überhaupt nicht mehr wissen, was Kleider sir-d. Wer soweit nicht gehen will, kann auf Lebens­zeit in einer der unteren Regionen verbleiben und je nach der Abteilung, der er angehött, die Zahl und Art der Kleidungsstücke tragen, die hier erlaubt sind. Das Ganze nennt sich»RudiSmuS in Stufen" und findet offenbar großen Anklang, denn die Ko­lonie ist übrrfilllt, und Bewerber müssen ein hallbes Jahr Watten, bis sie ausgenommen werden können.

kleine Geschichte» vom großen Los MTP Belgrad. Bei der vorletzten Ziehung der jugoslawischen Klaffenlotterie erhiell den Hauptgewinn ein Gastwitt aus Skoplje, der die Auswahl unter den ihm angebotenen Losen durch seinen Esel hatten treffen lassen. Genau eine Mil­lion Dinar entfiel auf den Anteil des Gewinners, der im ersten Ueberschwang jedermann versicherte, sein Esel werde eS bei ihm so gut haben» wie es! noch niemals zuvor ein Esel gehabt hätte. Einige^ Wochm später ließ es sich der Gastwirt aber ein­fallen, den Glücksesel für einen enorm hohen Preis an einen Freund' zu verkaufen. Am nächsten Taz wurde seine Frau überfahren; die Gastwirtschaft, die nicht versichert war, brannte ab und bei den LöschmkhSarbeiten erlitt der Gastwitt eine Rück- gratverletzung, die ihn für den Rest seines Lebens ans Bett fesseln wird. ES giht nur wenige Geschichten vom Gro­ßen LoS, die nicht von einer ähnlich dramatischen Begleitmusik umgeben sind. Entweder hat der Ge­winner die glückbringende Zahl geträumt, oder er hat ein Gelübde getan, oder er hat, wie im Falle deS Gastwirts, schließlich sein Versprechen nicht gehalten. Der Zufall waltet blind, aber er findet doch noch Zeit, die irdische, ausgleichende Gerech- ftglfit nicht zu kurz kommen zu lassen. Wer sein Wort nicht hält, ist des Großen Loses nicht wert; wer ehrlich ist, wird belohnt. Wie jener Angle» aus Warschau , der am Flußrand laß und n*it der

Angel eine sonst leere Damenhandtasche herauS- zog, in-er sich nur ein Lottettelos befand. Er hatte nichts Eiligeres zu tun, als eine entspre- chende Anzeige in die Zeitung einrücken zu lassen; niemand meldete sich, und das Los kam nur mit einer Niete heraus. Aber der Angler hatte trotz seines Mißerfolgs Gefallen am Lotteriespiel ge­funden, und siehe da, er ward belohnt. Schon bei der nächsten Ziehung sielen ihm 150.000 Zloty zu. Ueber das Große Los sind schon zahlreiche Abhandlungen geschrieben worden. Finanzwiffen- schastler erklären mit Recht, daß die Gesamtheit der Spieler immer gegen den Staat verlieren muß, und wäre es nicht so, so würde ja kein Staa» Lotterien veranstalten oder zulasten. Die über­legenden Spieler geben das auch zu, sie wollen sich jedoch nur eine Chance sichern, nämlich die, für ihren geringen Einsatz einen großen Gewinn davonzutragen. Dann aber hört die Vernunft völ­lig auf. Es gibt keinen Spieler, der nicht auf irgendwelche Umstände schwürt, hie er für glück­bringend hält. Bei den einen hilft das Traum­buch, bei den anderen gelangen LieblingSzahlen zur Anwendung. Und da, wie es ja gar nicht an­ders sein kann, von Zeit zu Zeit doch einer der Abergläubisches gewinnen muß- verkündet er, nur die richtige Deutung des Traums habe ihm zum Großen LoS verhalfen. Damit macht er die beste Propaganda für die Veranstalter, denn ungezählte Nichtspieler analysieren jetzt ihre Träume und fin­den Glückszahlen heraus. Glückbttngende Lose sind schon geangelt, ge­stohlen, gefunden und errechnet worden; mit auf­fallender Zähigkeit scheint sich das. Glück an Pie

Fersen der Besitzer solcher Lose zu heften, die das Papier von einem anderen erworben haben. Be­kannt ist der Prozeß, der gegenwärtig zwischen zwei italienischen Soldaten schwebt, von denen der eine, angeblich mit dem Gelde des anderen, das Los am Hauptschalter des Postamtes von Addis Abeba erworben hatte. Völlig abenteuerlich ist die Geschichte, die aus Durban (Südafrika ) berichtet wird. Ein Fischer brachte mehrere Haifische ans Ufer; er weidete sie aus und fand in dem Magen des einen von ihnen ein halbverdautes Lederpor­temonnaie mit einer vollständigen Pfundnote. Für das Geld kaufte er sich ein Los; das LoS machte ihn zum reichen Mann. Er erwarb eine Dacht, fiel über Bord und wurde vor den Augen seiner Gäste von einem Haifisch verschlungen. Der Hauptgewinner einer früheren Ziehung der ftanzössschen Nationallotterie kaufte sich sofort einen Luxuswagen. Bei der zweiten oder dritten Ausfahtt überfuhr er einen Passanten und hatte an die Hinterbliebenen einen Schadenersatz zu lei­sten, dessen Höhe seine» Gewinn um 20.000 Francs überstieg. Er hatte sich nicht haftpflichtver- sichett und die Folgen dieses Leichtsinns damit zu büßen, daß er durch den Hauptgewinn um 20.000 Francs ärmer war als zu der Zeit, bevor er ge­wonnen hatte. * Was machen sonst die Gewinner? Geht es ihnen wie den SchönhettSköniginnen, die nach einem kurzen Glück wieder in das frühere Elend zurücksinken oder gar noch in ttefere Not geraten? Keine Statistik gibt hierüber Ausschluß, nur zahl­lose Geschichten kursieren in der Welt, deren Echt­heit im Einzelfalle unendlich schwer nachzuprufen ist. Tatsächlich wissen viele mit ihrem neuen Reich-,

tum nichts anzufangen. Sie kaufen sich unsinnige Sachen, lassen sich auf Spekulationen ein, die sie nicht verstehen, und haben in kürzester Zeit wieder ihr Geld unter die Leute gebracht. Begreiflicher­weise hört man weniger von denen, die ihren Ge­winn vernünftig verwalten. Tragisch ist der verbürgte Bericht über ein Mitglied der englischen Hocharistokratte, einen alten, längst verarmten Baronett, der in der irischen Lotterie 20.000 Pfund gewonnen hatte. Er vergrub seinen Schatz in einer Kassette im Garten, wurde vor Angst darum ständig geplagt und ging jede Nacht hinaus, um nachzusehen, ob der Schatz noch da wäre. Dabei wurde er von Landstreichern überrascht, die ihn niederschlugen und die Kassette mit dem Geld raubten. Vollends grotesk aber ist das Schicksal eines Ehepaares aus Belgrad , das bei einem Preisaus­schreiben den ersten Preis gewann, der nicht in Geld, sondern aus einer Luxusvilla bestand. Die­ses Ehepaar hatte bisher in dürftigsten Verhält­nissen im Armenviertel gelebt; die Villa steht im feinsten Wohnviertel, ganz in der Nähe des könig­lichen Schlosses. Die Leute übersiedelten dorthin, aber sie hatten keine Möbel, um sich einzurichten» kein Geld, um auch nur die Heizung oder das Licht zu bezahlen. Sie leben noch heute in einer einzigen Kammer, die an die Küche anstößt, sind froh, daß sie keine Miete zu bezahlen haben, suchen vergeblich die Villa zu vermieten, find beide arbeitslos und wenn nicht andere Billenb»fitzer aus der Nachbarschaft ihnen regelmäßig Essen schicken würden, würden sie glatt verhungern. S. Behrendt.