Nr- LS2
Mittwoch, 21. September 1038
Sille S
und SoMpMik
Streiks im August Prag . Laut Mitteilung dcS Statistischen StaatSamte» gab eS im August 23 Streiks lim Juli 88), davon waren 13(29) Eingelstreiks und 4(6) Gruppenstreiks in 46(68) Betrieben. In den betroffenen Betrieben waren 16.249(6674) Arbeitnehmer, von denen 2820(8210) streikten und 808(161)'infolge Streiks feierten. JnSge- amt betrug der Verlust an Arbeitszeit bei den Streiks 21.974(28.878) Arbeitstage und der Lohnverlust 488.887(827.264) XL. Nach Gewerbeklassen entfallen sieben Streiks auf die Stein« und Erden-Industrie(1820 versäumte Arbeitstage), sechs Streiks auf die Baugewerbe(11.049), drei Streiks auf die Glasindustrie(1889), fe zwei'Streiks auf den Bergbau (79), die Holzindustrie(8844), die BcklcidungS« und Schuhindustrie(417) und ein Streik auf die Textilindustrie(88). Die Forderungen: Bei einem Streik wurde
die Nichtktirzung der Löhne(83) verlangt, bei 18 Streiks eine Lohnerhöhung(14.209), drei Streiks hatten sonstige Lohnforderungen(146), fünf Streiks verschiedene andere Forderungen'(6138) als Ursache und eine Forderung ist bisher noch nicht bekannt(80). Das Ergebnis war für die Arbeitnehmer in sechs Fällen ein voller Erfolg(1037), in fünfzehn Fällen ein Teilerfolg(14.089) und in zwei Fällen ist das Ergebnis nicht bekannt(8430). Auf Böhmen entfallen 13 Streiks(8844), auf Mähren und Schlesien drei Streiks(2040), auf die Slowakei fünf Streiks(9384) und auf Karpathorußland zwei Streiks(818). Aussperrungen gab es im August nicht.
Die LandeSbank für Böhmen wird vom 27. September 1938 angefangen an Werktagen die Oktober-Coupons Nr, 48 ihrer 4.8 Prozent Kom« I mnnal-Schuldschcine, Nr. 26 ihrer 4.8 Prozent l Meliorationsscheine, Nr. 97 ihrer vierprozcntigen Fondsschuldschcine in Guldenwährung, Nr. 61 ihrer vicrprozentigen Fondsschuldscheine in Kro- ncnwährung, an ihren Kasten in Prag , Preßburg und UZHorod einlösen.
Sommerliche Indiskretionen
Die Kleinbauern und HKusler beim Landwirtschaftsminister Prag . Am 20. Septcinber sprachen Per« bandsobmannstellvertrcter Rupprecht und Sekretär Fleischer beim Minister für Landwirtschaft, Dr. Josef Zadina, vor, um ihn über aktuelle Fragen der sudetendeutschen Landwirtschaft zu informieren. Sie verwiesen auf einige Probleme in den Randgebieten, die einer dringenden Lösung bedürfen.' Der Minister teilte mit, daß in dieser Richtung bereits Bestrebungen im Gange sind und er weitere Schritte unternehmen werde, um die deutsche demokratische bäuerliche Bevölkerung vor Schaden zu bewahren. Die Deputation verwies auf die Tatsache, daß. sich alle anderen deutschen landwirtschaftlichen Bcrbäude der Henleiiwewc- gung unterstellt haben, während der Zentralver« band der deutschen Kleinbauern und Häusler als alleinige demokratisch gebliebene bäuerliche Organisation dem Ansturm der Henleinbewegung standhielt und ihre Mitglieder nach wie vor treue Wacht im Grenzgebiete halten. Es wäre deshalb nur recht und billig, wenn der Forderung des Verbandes nach Gleichberechtigung entsprochen würde. Ter Minister anerkannte die Berechtigung dieser Forderung. Die Deputation verwies weiteres darauf, daß das Landwirtschaftsministerium durch eine großzügige Aktion für die sudetendeutsche Landwirtschaft einen wertvollen Beitrag zur Wiederfindung der Nationen in diesem Staate leisten könnte. Der Minister stimmte dem zu und erklärte, dir. Verhandlungen über die einzelnen darauf sich beziehenden Maßnahmen, die in einem ihm überreichten Memorandum zusammengefaßt sind, nach Entscheidung der Kardinalfragen aufzunehmen..
Höhere Steuereinnahmen Die bisherige steigende Tendenz des Bruttoertrages der Steuer nnd Gebühren hält auch im August 1988 weiter an. Die Einnahmen betrugen im August(in 1000 Kronen): Direkte Steuern 269,421, Umsatzsteuern 887,618, Zölle 88,919, Berbrauch»- stcucrn 246,886, Gebühren 189,788, Monopole 8,381, insgesamt 1.097,918. In den Monaten Jänner bis August betrugen sie.(in 1000 Kronen): Direkte Steuern 2.894,999, Umsatzsteuern 1.984,781, Zölle 483,480, Verbrauchssteuern 1.704,791, Gebühren 1.188,313, Monopole 48,884, insgesamt 7.706,868. Der GesamtzuwachS für August 1988 gegenüber August 1987 beträgt rund 274 Millionen Xö, d.£ 88.8 Prozent und für den Zeitraum Jänner bis August 1988 gegenüber derselben Periode des Jahres 1987 beträgt er zirka 1286 Millionen Xi-, d. f. 19.1 Prozent. Den größten Zuwachs weisen wiederum dir direkten Steuern aus, und zwar gegenüber August 1987 um zirka 137 Millionen XL und gegenüber der Periode Jänner bis August 1937 um zirka 663 Millionen XL. Es folgt sodann die Umsatzsteuer und Luru», steuer mit einem Zuwachs von 84 Millionen Xi, refp. 288 Millionen XL, weiters die Verbrauchssteuern mit einem Zuwachs um zirka 40 Millionen XL, resp. 201 Millionen XL. Die Gebühren mit einem Zuwachs um 44 Millionen XL, refp. 167 Millionen Xi und die Monopole mit einem Gc- samtzuwachs um 8.8 Millionen XL. - Nur die Zölle weisen einen Rückgang auf, und zwar im August 1988 um zirka 1.8 Millionen XL und in der Periode Jänner bis August 1938 um rund 83.8 Millionen XL. AuS den angeführten Daten ist ersichtlich, daß die Einkommenwirtschaft dcS Staates sich bisher sehr günstig entwickelt und daß das Ergebnis als sehr zufriedenstellend angesehen werden kann.
Godesberg Selbst geographisch hervorragend bewanderte Zeitgenoffen werden bisher kaum gewußt haben, daß es einen Ort mit Namen Godesberg überhaupt gibt, oder mindestens werden sie nicht in der Lage sein, aus dem Kopf heraus genau anzugeben, wo GodeSbepg, das plötzlich in den Mittelpunkt des WeltintereffeS gerückt ist, eigentlich liegt. Nur Freunde der Rhein -Romantik, die vielleicht einmal eine Fahrt auf dem Rhein so von Bonn bis Koblenz gemacht haben, werden in ihren Erinnerungen neben den Namen Bingen , Mäusetuvm, Loreley vielleicht auch noch den Namen Godesberg im Gedächtnis haben. Jene Zeitgenoffen, die ihre Bildung aus den Kreuzworträtseln schöpfen, werden schon eher anzugeben vermögen, daß Godesberg ein Dorf und Badeort im Regierungsbezirk Köln / Landkreis Bonn , ist. ■ Und wenn man nun noch gar ein Konversationslexikon zu Hilf« nimmt, so kann man dort in drei Teilen nachlesen, daß Godesberg annähernd 9000 Einwohner, eine eisenhaltige Quelle, drei, katholische, eine evangelische Kirche und eine Synagoge hat.. Die evangelische Kirche und die Synagoge sind für die, nach godeSbergisch- amtlicher Statistik festgestellten, jährlich eintreffenden 6000 Fremden bestimmt, denen-auch das eisenhaltige Mineralwaffer reserviert ist. Die Rheinländer jedoch sprechen den Namen
Lieber Freund I Heute fragte ich die zlvölfjährige Susi, was eigentlich der Unterschied zwischen einem Stier und einem Ochsen in der Land-, bzw. Biehwirtschast ist. Die Sufi, eine goldene kleine echte Frau, wurde ein bißchen verlegen und suchte nach einer paffenden Art, mir das Wesentliche auSeinanderzufetzcn. Dann kam die Antwort:.Wissen Sie, bei Blumen ist das ... also ich meine: ES gibt eine Blüte, die hat Staubfäden und Fruchtblätter... und das ist der Ochs". Ich habe das hierhergeschrieben, nicht um meinen Brief mit einer Pointe einzuleiten; es hat sich wiÄlich ereignet, weil ich einfach den Unterschied nicht kannte. Und ich wollte Ihnen das nicht vorenthalten. Ich fürchte, Sie haben fo wenig Vertrauen zu meinen diesbezüglichen Kenntnissen, daß Sie mir ohne weitere Verficherungen diese Sach« glauben. Und das war noch nicht einmal die erste Blamage, die ich mir geholt habe. Ein Glück, daß ich von den beiden Kindern gar nicht erst großen Respekt (diese Art äußerlichen Respektes, wie etwa alte» Tanten gegenüber) verlangte. Man tut gut daran, feine eigenen Grenzen zu kennen, besonder» dann, wenn man. so wie ich, gan- plötzlich zwei neuen Lebens- und WirkuNgSgebieten gegenvbergestellt ist: dem ständigen Zusammensein mit Kindern und dem Lande, fern von feder Stadt.• Wenn die Kinder ahnten, was für eine Angst" ich hatte, ehe ich zu ihnen kamt Wie di« Angst sich steigerte mit jeder Stunde, die mich meinem Ziel näherbrachte l Im Zug fiel mir ein, wa» alles an pädagogischen Werken ich eigentlich hätte studieren müssen, angefangen etwa von der Rouffeauschen Heloise. Nicht» hatte ich studiert. Und nicht» weiter wußte ich,, al» daß die beiden Mädel» 12 und 18 Jahre alt sind und äußer ungarisch, slowakisch und tschechisch auch deutsch sprechen. Und daß ich dort zwei Monate Bast sein sollte mit der Ausgabe, di« Kinder zu betreuen und mit ihnen Englisch zu lernen und Gymnastik zu treiben. Und nicht» hatte ich dazu studiert... E» geht alle» gut. E» geht sogar ausgezeichnet. Da» Leben hat mich ganz zufällig mit einigen Dingen aulgestattet, die mir sehr zu Hilfe gekommen find. Für die meisten davon kann ich nicht». E» ist nicht mein Verdienst, daß die zahllosen.Kinderfräulein»". die mir vorangingen, lauter alte Schachteln waren, gegen die meine immerhin nicht abzuleugnende Jugend(Sie widersprechen doch nicht?!) vorteilhaft«cksticht. E» ist ferner ein reiner Zufall, daß ich mich in der Welt der Filmlieblinge einigermaßen gut auitenne und so mit der heftig auto» grammsammelnden 18jährigen Eva beinahe wissenschaftlich fachsimpeln kann. Ich segne heute die
Godesberg mit einem verklärten Gesicht aus. Denn im ganzen Rheinland ist Godesberg dafür berühmt, daß eS dort angeblich die meisten und hübschesten Mädchen gibt, was viel sagen will, da der Ruf der Rheinländerinnen in bezug auf Schönheit dank der emsigen Tätigkeit romantisch veranlagter Dichterlinge längst überall in der Welt bekannt ist. Tatsächlich hat Godesberg eine größere Zahl von Mädchcnpensionaten. In diesem Punkt ähnelt der neue europäische Konferenzort also der Völkerbundstadt Genf , die ebenfallllS dank der dort vorhandenen Mädchen« pensionate in den Ruf gekommen ist, die schönsten Mädchen der ganzen Schweiz zu beherbergen. Wenn die Schönheit der Mädchen in Godesberg zu den Ergebnissen der Diplomatenkonferenz da» gleiche Verhältnis erlangen soll wie das Verhältnis zwischen der Politik in Genf und den dortigen Mädchenschönheiten, so darf man den Ergebnissen von Godesberg mit einem getviffen Mißtrauen und größtem Pessimismus entgegen sehen. Hoffen wir. daß wenigstens in diesem Punkte das- alte Sprichwort zutrifft: Andre Länder— andre Sitten, und daß der Anblick der fchönen, jungen Mädchen die Herzen der Diplcunaten weich und für menschliche Regungen zugänglich macht. Möge nicht Mars, sondern Venus über Godesberg in diesen Tagen regieren. Politischen Ehrgeiz hat Godesberg bisher eigentlich niemals erkennen lassen. Erzbischof
Energie meiner Mutter, die mich immer in die Bym- nastikstunden trieb, und bilde mich täglich und stündlich zur Heldin aus in Anbetracht meiner seit geraumer Zeit untrainiert gewesenen Muskeln; Sie glauben gar nicht, was für einen Ehrgeiz die arg kritischen Blicke der Kinder und die gefährlich üppige Kost in einem wachrufen können! Und die englischen Stunden, die ich in den letzten Jahren nahm— ein wahre» Glück! Oh, ich entdecke lauter neue Talente in mir, lieber Freund! Ich kann ja sogar Phantastetänze nach Grammophonplatten machen! Ich kann ja au» dem Lehm, den wir un» gleich neben dem Hau» in der Grube selbst stechen, die komischesten Dinge modellieren! Ich kann ja sogar»Mensch, ärgere dich nicht!" spielen und mich furchtbar ärgern, wenn ich verliere— und ich verliere fast immer! Und ich kann auch den Mund halten und mit großem Ernst den kindlichen langwierigen Erzählungen zuhören, so wie einem Kolleg über Philosophie— und ich darf Ihnen verraten, daß e» manchmal interessanter und philosophischer dlchei zugeht. Bor allem aber weiß ich jetzt eins: Daß man gar keine pädagogischen Werke studiert haben muß, um mit Kindern umgehen zu können. Liebhaben muß man sie, nicht» al» die». Dann findet man ganz von selbst den richttgen Ton, mit ihnen zu sprechen— dann überwindet, bzw. verbirgt man auch gern seine Angst sowohl vor ihren neugierigen Blicken(die natürlich nicht» mit der häßlichen Indiskretion unter un» Erwachsenen.zu Inn haben!) wie'auch die Angst vor-den Bürsten, Kletten, wassergefüllten Schüsseln und ähnlichen Dingen, deren Bestimmung eS ist, unter dem Leintuch de» Bette» ein kurze» Abenteurerdasein zu führen, bi» sie einem ganz überraschend alle Müdigkeit der nächtlichen Stunde vertrieben haben. Nur durch Lächeln, Lachen und selten ein ernstgesproche- ne» Wort und außerdem durch Brücke(von oben!), Handstand, Deitsprung Wer- vier Meter, durch gelegentliche» nichtsalonfähige» Meloneneffen und dergleichen kann man Kindern imponieren— wenn Sie wollen, können Sie da» erfreuliche Resultat, da» sich dann Im Zusammenleben zeigt, auch Respekt nennen. Ich habe in dieser Beziehung einigermaßen meine Anschauungen revidiert. Und e» geht mir gut dabei und den Kindern auch und da» ist schließlich aus- schlaggevend. Haben Sie keine Angst, daß ich diese meine neuen Erfahrungen in Ver» oder Prosa nun zu einem pädagogischen Werk aurbauen würde. Ich unierlaffe da» nicht nur au» Rücksicht auf Ihre Wertschätzung, an der mir gelegen ist, sondern vor allem deshalb: Ich glaube, daß jede wirkliche Frau im Bedarfsfall« ohne Anleitungen auf diese einfachsten, menschlichsten und schönsten Erziehung»- methoden kommen wird. DaS also ist mein neue» Lebenigebiet. Da» andere ist da» Land. Dazu könnte ich sagen: Ich
Dietrich I. ließ in den Jahren 1208 bi» 1218 das prächtige Schloß Godesberg erbauen, nachdem der Ort, der sich erst später entwickelt«, seinen Namen bekam. Dieses Schloß stand genau 870 Jahre, in den Bauern- und Religionskriegen wurde cs 1683 von banrischcn Aufständischen zerstört. Uebrig geblieben ist nur der dreißig Meter hohe Rundturin, der heute als eine Ruine mehr am Rhein steht und die Rhein - Reisenden in Entzücken und Dichter gar in Ekstase versetzt, so daß sie nicht umhin können, sofort den Bleistift oder Füllfederhalter zu zücken und drauf loszudichten. In GodeSherg soll Heinrich Heine , als er dort einmal unfreiwillig übernachten muhte, seine„Loreley " gedichtet haben, das Lied mit den Anfangsworten:„Ich weiß nicht, was soll«S bedeuten, daß ich so traurig bin...", jenes Lied, das die Deutfchen immer dann singen, wenn sie am lustigsten find. Der Name des Autors darf im Neuen Deutschland allerdings nicht mehr genannt»werden. Mit dieser Feststellung begeben wir uns aber bereits wieder in das Gebiet der hohen Politik, was in diesein Zusammenhang unbedingt zu vermeiden ist, da die hohe Politik in Godesberg in diesen Tagen ausschließlich jenen Herren referviert ist, die in dem romantischen Rheinort über das Wohl und Wehe von Millionen Menschen, Männer, Frauen und Kinder auf der ganzen Welt zu entscheiden haben-«, Erich R o s e ck.
Man erhalt für
KL
100 Reichsmark
503.—
Markmünzen....
755.—
100 rumänische Lei...»
17.00
100 polnische Zloty...
553.50
100 ungarische Pengö...
578.50
606.—
100 französische Franc»..
80.45
1 englische» Pfund...
143.—
1 amerikanischer Dollar..
29—
100 italienische Lire...
134.40
100 hoNändische Gulden..
1587.—
100 jugoslawisch» Dinar«.■
64.80
100 Belga»....■■
491.—
100 dänische Kronen««,
• 633.—
100 schwedisch« Kronen,»
738.—
habe bisher nicht gewußt, wie städtisch ich war— und da» ist kein Kompliment. Meiner Ochsenanekdote vom Anfang de» Briefe» möchte ich in einer Regung fanatischer Ehrlichkeit noch hinzufügen: Neulich habe ich gegen Eva eine Wette verloren. Da» kam so: Im Garten liefen einige Hühner herum. Ich gab meiner Verwunderung über diese Hühnerrasse Ausdruck, die am linken Flügel unter all dem braunen Gefieder jeweils eine hellblaue Feder hat. Eva zeigte in einem Triumphlachen ihre starken weißen Zähne und sagte mir dann, da» wäre«in blauer Fetzen, den man den Hühnern al» Erkennungszeichen dorthin gebunden habe. Ich bin aber im Besitze guter Augen und eine» beträchtlichen Starrsinn» und erklärte, ich sähe deutlich, daß da» Blau « Federn sind. Wir wetteten um eine Tafel Schokolade(haben Sie Kinder schon um wa» andere» wetten gehört?), Eva fing eine Henne ein— und au» der Nähe erkenne ich, daß der blaue Fetzen noch dazu weiße Tupfen hatte... Diese und ähnliche Begebenheiten(die ich schamvoll verschweige) hatten zur Folge, daß ich außerhalb de» Hause» ziemlich schtveigsam geworden bin und meist meine Ansichten für mich behalte. Da» ist auch für etwa» gut. Man genießt all da» Neue viel mehr. Da» Gut hier liegt in einer fruchtbaren Pußtalandschaft, ganz nahe der ungarischen Grenze. Die Felder mit Getreide, Tabak, Kukuruz (Sie nennen e», glaube ich, Mai») und Paprika reichen bi» zum Horizont. Wir fahren mit einem kleinen leichten Pferdewagen auf schmalen Degen dazwischen herum. Jetzt ist der Drusch beendet, aber al» er noch dauerte, standen wir stundenlang neben den Maschinen und lernten au» eigener Anschauung, wa» da» ist: Die Spreu vom Weize sondern. Mit weiß« bestäubten Köpfen kamen wir heim. Vor wenigen Tagen war da» Erntefest. Ungarische Schnitter brachten im Sonntagsstaat einen herrlichen Erntekranz, ein Bauernmädchen trug unter schrecklicher Aufregung stotternd ein Bedicht vor und dann wurde im Hof getanzt. Esarda», mein Freund! Ich führte mit meinem.Herrn", einem zwei Meter großen Schnitter, ein Ballgespräch, da» au» meinen drei ersten ungarischen Worten bestand:.Schön— Liebe — ich verstehe nicht". Glauben Sie mir: ich hab« mich selten so gut unterhalten— und mein Tänzer wahrscheinlich auch; bei diesen Worten ist ja die Reihenfolge wichtig, in der man sie immer wiederholt; ich weiß sie nicht mehr genau... Einen Pfau haben wir im Barten, er heißt Laci und die Kinder behaupten, er kennt seinen Namen. In den Ställen sind hunderte von Tieren; mir imponieren am meisten die ungarischen Ochsen, weißgrau, mit riesigen, herrlich geschwungenen Hörnern und einem ganz leichten, wiegenden Bang. E» ist wunderbar, lieber Freund, ein Brot zu essen, da» man selbst mit au» dem Backofen schieben half; der Roggen dazu ist von den eigenen Feldern. Gestern haben wir mit den singenden slowakischen Mädchen Tomaten gepackt, die in die fernen großen Städte geschickt wurden: jede» einzelne Stück muß gut obgewischt werden, sie müssen fest aneinander, ohne Zwischenräume, in den hölzernen Steigen geschichtet werden. Dann gingen wir durch eine der riesigen Tabatscheunen, die schon von unten bi» dicht unter da» Dach gefüllt sind mit aufgefädelten Tabakblättern, die dort zum Trocknen hängen; ein Duft ist in solcher Scheune, dessen Reinheit und Stärke ich Ihnen kaum beschreiben kann. Und die mühsame Arbeit wie vieler Hände steckt hinter all diesen Dingen! In kurzer Zeit wird der Hof rot sein von der Paprikamühle her. Dann beginnt auch di« Weinlese... So freuen wir un» über jeden Tag und auf jeden kommenden und bilden un» zwischendurch zu Metereologen au », die immer den Blick nach oben oder gegen den Horizont gerichtet haben und gerade da» Wetter prophezeien, da» am zuträglichsten wäre. Da aber z. B. für den Tabak die Hitze schlecht ist, die die Tomaten brauchen und der Regen, nach dem der Paprika verlangt, den Melonen nicht sehr gut täte — deshalb ist da» Wetter doch schließlich immer ganz gut fo, wie der liebe Himmel e» schickt. Wenn wir erst unter un» Menschen einmal zu ähnlichen weisen Erkenntnissen gelangt wären... aber ich will hier doch keine angewandte Philosophie treiben! Ich wollte Ihnen, lieber Freund, nur«in wenig von den hiesigen Tagen erzählen, die so schön und voll von " neuem Erleben für mich find. Und dann manchmal, wenn solch Tag vorüber ist, wenn die Kinder schlafen und vor den Fenstern nur die«^endliche Stille lebt, dann seht man sich hin und liest und hört Musil — oder schreibt sich au» seinem vollen Herzen in einem Brief alle» oder einen Teil dessen herunter, woran man einen Menschen noch teilhaben lassen möchte— so gut da» mit den nüchternen schwarzen Buchstaben al» Vermittlern möglich ist. Wegen dieser freundlichen Absicht verzeihen Sie mir da» vermutliche Durcheinander de» Berichte» und seien Sie herzlich gegrüßtl Rente T y l.-