Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen   sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme bes Montag täglich früh/ Einzelpreis 75 Heller Rebaltion u. Berwaltung: Brag XII., Fochova 62- Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub- Berantw. Rebatteur i. B.: Zdenko Neuwirth, Prag  18. Jahrgang Dienstag, 27. September 1938

Verordnungen nach dem Staatsverteidigungsgesetz:

Oberste Wirtschaftsbehörde

Arbeitspflicht

Die tschechoslowakische Mobilisierung erfolgte auf Rat der Westmächte

Offene Kriegsdrohung

Nr. 227

Daladier, Bonnet und Gamelin   erneut in London  / Chamberlains Sondergesandter Wilson bei Hitler Telegramme Roosevelts an die unmittelbar Beteiligten

C'e Zwelmächte- Konferenz London  . Seit Samstag hielten die Rabi­nette von Paris   und London   fast ohne Unterbre­chung Beratungen ab. Auf Wunsch der englischen Regierung trafen Sonntag Daladier   und Bonnet|

London  . Die beiden letzten Tage standen im Zeichen von politischen Ereignissen, von wel chen sonst ein jedes für sich ausschließliches Recht auf Beachtung hätte fordern können. Zum zwei tenmal binnen kurzer Frist wurden der französische   Ministerpräsident Daladier   und Außenmini­ster Bonnet von der englischen   Regierung nach London   geladen. Die Bedeutung dieses Besuches wurden dann durch die plötzliche telephonische Berufung des französischen   Generalstabschefs Game­

in London ein, nachdem vorher eine Regierungsmarzu den Beratungen in deutlicher Weise unterſtrichen. Geitern erfolgte dann die ebenso uner­

beratung in Paris   den beiden Ministern feste Richtlinien gegeben hatte. Montag früh flog auch der Chef des französischen   Generalstabs General Gamelin nach London  , wo er zu den Beratungen in Downing Street   zugezogen wurde. Gamelin  hatte anschließend eine Besprechung mit dem bri­ tischen   Minister für die Koordinierung der Vertei­fuch Daladiers und Bonnets spricht von voller Nebereinstimmung zwischen beiden Regierungen. Die beiden französischen   Minister verlicken London   Montag mittags.

bigung. Das amtliche Rommuniqué über den Be­

General Gamelin   blieb in London   und hatte gestern nachmittags eine längere Unterredung mit hem Chef des britischen   Generalstabes Gort. Nach­

her hielt er eine Beratung mit den militärischen Fachmännern der franzöſiſchen   Botschaft ab. Erſt

dann ist Gamelin   nach Paris   gestartet.

wartete Entfendung des Sonderbeauftragten Chamberlains, Sir Horace Wilson  , zu Hitler und schließlich der Appell Roosevelts an die europäischen   Staatsmänner, durch welchen sich die Ver­ einigten Staaten   im kritischesten Augenblick in die europäische Politik eingeschaltet haben.

Appell Roosevelts an alle Staaten

Kein Volk könnte den Folgen einer Weltkatastrophe entgehen Washington.( Reuter.) Präsident, die amtlichen Stellen die Lage als so ernst an­Roosevelt sandte an Reichskanzler Hitler  , Präfi- sehen, daß der Präsident die Absendung dieses denten Dr. Beneš, Ministerpräsidenten Daladier   Fricbensappells nicht mehr länger aufschieben und Premierminister Chamberlain   cin Tele- konnte. gramm im Umfange von 500 Worten. In die­fem Telegramm wird u. a. gefagt:

Im Namen der: 130 Millionen Menschen in

Menschheit willen bitte ich Sie ernstlich, die

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Frankreich  

erinnert an den Kellogg- Pakt

Washington.( Havas.) Die Antworten Frankreichs   und Großbritanniens   auf die Bot­schaft des Präsidenten Roosevelt   sind bereits in Washington   eingegangen.

Prag  . Hitlers   Rede im Berliner Sportpalast brachte nicht die schon für heute erwartete endgül tige Entscheidung, aber sie seßte einen Ter min fest. bis zu dem die Tschechoslowakei   die neuen Forderungen Hitlers   zu erfüllen hat, widri genfalls! Was dann geschehen wird, ist auch nicht mit eindeutiger Klarheit gesagt worden, aber hit­ler ließ doch erkennen, es wurde drohend genug zu verstehen gegeben, daß Deutschland   sich die bean­spruchten Gebiete wird holen wollen. Hitler   hat sich in der Besprechung des Godesberger   Memo randums geradezu als nachgiebiger Friedens freund ausgespielt, hat so getan, als sei dieses Memorandum, das die ganze Welt in Erregung ge trieben hat, eigentlich nur Durchführungsbestim mung der Berchtesgadener   Vereinbarungen. Ein für die in der Rede mit neuen Verhöhnungen

fu d. Die heftigen Drohungen aber, mit denen die Rede gespidt war, die Berufung auf Deutsch­ lands   einzigartige Rüstung, soll nochmals die bei

den demokratischen Großmächte unter stärtſten Vereinigten Staaten wird um der ganzen Drud ſegen, sie sollen Einschüchterungsversuch, Berhandlungen um eine friebliche, faire Preſſionsmittel scheweren Stalibers ſein. Auf das und konstruktive Beilegung der strittigen Fra  englische Unterhaus soll dadurch eingewirft wer Dazu teilt die Agentur Havas mit: Die An- gen nicht abzubrechen. In allem Ernst den, es soll, wenn es am Mittwoch zusammentritt, wefenheit General Gamelins bei den Beratungen wiederhole ich, daß, solange Verhandlingen mei- Die französische   Regierung fandte folgende ganz unter dem Eindrucke der deutschen   Drohun­genügt, um die Bedeutung der Besprechungen her- ter gehen, Differenzen beigelegt werden fönnen. Antwort: Ihr eindrucksvoller Appell erreicht mich gen stehen. vorzuheben. Es scheint die Annahme logisch zu sein. Sobald cumal Berhandlungen abgebrochen in London   gerade in dem Augenblick, in dem Hitler versuchte, indem er beteuerte, nur die daß Chamberlain   und Daladier   in erster Linie die werden, schwindet die Vernunft und es kommt die Franfreich in enger Zusammenarbeit mit England Lösung des judetendeutschen Problems zu wollen diplomatische Seite des Problems geprüft haben, Gewalt zu Worte. Und Gewalt bedeutet keine die höchsten Anstrengungen macht, irgendeine allerdings auf seine Art, in der von ihm be­die durch die deutschen   Forderungen gegenüber der Lösung für die Zukunft, für das Wohl und die Möglichkeit der freundschaftlichen Beilegung des stimmten Form, in dem von ihm festgesetzten Ilm­Tschechoslowakei entstanden ist. Zu dem drakoni- Monschlichkeit. Das Telegramm schildert dann Skonfliktes zu retten, der den Frieden bedroht. Ve- fange in Frankreich   und England die Vorstel­schen Charakter der deutschen   Forderungen konnten das furchtbare Bild eines Krieges, der das Le- fondere Bedeutung messe ich dem Umstand bei, daß lung zu erwecken, daß in Europa   endgülitg Ruhe die führenden Londoner   und Pariser   Faktoren nur bon von Millionen Männern und Frauen in unter ihrer hohen moralischen Autorität so feier sein werde, wenn man Hitler   in Mitteleuropa   freic ihre vorbehalt lofe Nicht zu ſt im- iedem Lande fordert und den Zusammenbruch der lich die Ergebenheit des gesamten amerikanischen   Hand laſſe. Hitler   hat die Welt vor ein fer­mung aussprechen. Die Forderungen werden gesellschaftlichen Ordnung bewirkt. Volkes für die Grundsäße in Erinnerung gebracht wiegendes Entweder oder ge­auch von der öffentlichen Meinung der beiden Län Das amerikanische   Volt, fährt das Tele- wird, die von allen Signataren des Kellogg   stellt. Entweder sie läßt ihn gewähren, sie fügt sich der für unaunehmbar gehalten. Es ist demnach gramm Roosevelts fort, ist sich auch der Tatsache Pattes anerkannt und öffentlich besiegelt wur- icinen neuen Forderungen und weicht vor seinen offensichtlich, daß die britische   Regierung auf ihrem bewußt, daß ein Volt den Folgen den. Getreu diesen Verpflichtungen werden wir neuen, wilden Drohungen zurück, dann sichert sie Standpunkt beharrt, den fie bereits eingenommen einer derartigen Weltkata auch weiterhin mit einem Eifer, dem keine Schwie für eine zwar nicht genau feststellbare, aber keines­hat, als sie die deutschen   Forderungen Prag   über strophe entgehen könnte. Wir sind rigkeit den Mut rauben wird, irgendeine Proze wegs lange Zeit den Friedenauf Kosten der reichte. Es ist sicher, daß Großbritannien   Deutsch  - der Ueberzeugung, daß kein Problem so schwierig dur suchen, bei welcher eine Formel der Einigung Cristenzfähigkeit und tatsächlichen Unabhängigkeit land Widerstand leisten will, wenn der deutsche ist, daß es nicht cher auf dem Wege der Ver- mit der Würde und den Lebens der Tschechoslowakei  , und rettet den Frieden, indem Blan die Freiheiten des tschechischen Volkes ver- nunft. als durch rohe Gewalt gelöst werben interessen der Parteien vereinbart ist, um sie Hitler   zum Herrn Mitteleuropas   und bald auch nichten oder einen Teil seines Gebietes gewaltsam könnte. Südosteuropas   werden läßt. Oder sie erkennt, daß annektieren wollte. Gleichzeitig schlägt Chamber­dieser Friede" nur ein Scheinfriede und auch ein lain in dem letzten Bestreben zur Wahrung des solcher nur auf begrenzte Zeit wäre, der den Friedens unzweifelhaft den franzöfifchen Mini­Großmächten die Auseinandersetzung mit dem na­ſtern eine Tette Demarche in Berlin   als letztes tionalsozialistischen Imperialismus nicht erspart, Zugeständnis an die diftatorischen Methoden vor. sondern sie nur aufschiebt, bis für Frankreich   und lehnen, deren Annahme eine Vernichtung des tfche England die Situation unglinſtiger ist. Erfennt choslowakischen Staates bedeuten würde. Groß man das in London   und in Paris  - und vieles London.( Havas.) Das englische Par- britannien müsse sich in bestimmter Weise gegen spricht dafür, daß sich diese Erkenntnis durchsetzt Berlin  . Sir Horace Wilson   ist gestern lament ist für Mittwoch, den 28. d. M., einberu- einen Angriff aussprechen. Icht ist kein Raum für dann wird man, dann muß man sit­Zweifel oder Zögern. nachmittags auf dem Flugplak Tempelhof einge- fen worden. ler Salt gebieten. Es war immer un­Auch Churchill   hatte mit Chamberlain   eine serelleberzeugung, daß eine feste, entschlossene Sal troffen. Er wurde um 17 Uhr von Hitler empfan- Wie das Unterhaus, wurde auch das Ober­haus für diesen Mittwoch einberufen, doch wird Unterredung, die etwa 50 Minuten dauerte. Er tung Englands und Frankreichs   Hitler   schon viel, Wie Neuter mitteilt, hat die Botschaft Cham  - sich das Oberhaus, um feinen Mitgliedern die erließ gestern vormittags eine Proklamation, in viel früher hätte Einhalt gebieten können, daß die berlains an Hitler   den 3wed, einen Appell an Möglichkeit zu geben, von der Tribüne der Pairs der er u. a. ausführt:" Die britische, die franzö- europäische politische Situation nie so gefährlich Hitler mit dem Bestreben, die Tür für den Frieden im Unterhaufe die Rede anzuhören, die Chamber- fische und die sowjetruffische Regierung sollten der geworden wäre. Noch immer ist es nicht zu offen zu laffen, zu vereinigen. Es verlautet, daft lain im Unterhause halten wird, sofort auf Don- deutschen   Reichsregierung entweder gemeinsam t! Noch kann der Friede gerettet werden, oder gleichzeitig eine Note übermitteln, welche eine der wirkliche Friede, wenn die Demokration, fich die Botschaft Chamberlains nicht blonerstag vertagen. feierliche Warnung enthält, daß ein Einfall in die vor allem England, sich zu dem Entschluß durch­auf einen Appell beschränkt. Tschechoslowakei   bei der gegenwärtigen Situation ringen, fest, unmißverständlich, in einer Sprache, als eine Kriegshandlung gegen diefe Mächte an- die Hitler versteht, erklären: bis hierherund gefchen werden würde. nicht weiter!

Sir Wilson bei Hitler

gen.

Teilmobilisierung

Roosevelt und Staatssekretär Hull   arbei­teten den ganzen gestrigen Tag an der Vorbe reitung diefer Depesche. Es wird angedeutet, daß

Morgen englisches Parlament

Attlee und Churchill  

welche es sich handelt. Vertrauensvoll werden wir dem Ideal der Gerechtigkeit und des Friedens bis zum Ende dienen, die beide unsere Völker ver­binden. Gezeichnet: Eduard Daladier  ."

an Chamberlain Hitler hat sich bemüht freilich auf so auch in England Aftfee und Greenwood besuchten gestern ben Mi­London.( Reuter.) Die Oppositionsführer Anrufung des Völkerbundes plumpe Art, daß selbst die vertrauensseligsten und von Frankreich   vorbereitet glaubenswilligsten englischen Politiker, schon gar London.( Savas.) Das Kriegsministe- nisterpräsidenten Chamberlain in Downing nicht aber die einfachen Menschen dadurch nicht be­rium hat eine Verfügung erlaffen, durch welche Street. Gen f.( Neuter.) Die Mitglieder des Völker einflußt werden können im voraus eine Prager  die Offiziere und Mannschaften der Formationen Major Attlee, hatte an den Ministerpräsiden- bundrates wurden Gerſtändigt, daß Frankreich   be- Schuld zu konstruieren. Es ist so einfach: Prag  des Landheeres einberufen werden, die zur Luft- ten Chamberlain   ein Schreiben gerichtet, in wel- abfichtige, den Rat zu ersuchen, die entsprechende braucht nur alles zu akzeptieren, was in Berchtes gbwehr und zum Küstenschutz gehören. In offiziel- chem es heißt: Der Wortlaut des Memorandums Action im Sinne der Paktvorschriften einzuleiten, gaden beſtimmt wird, dann gibt es keinen Strieg. len Kreifen wird bemerkt, daß sich die Mobilifie- Hitlers hat meiner Meinung nach in der britischen   wenn Deutschland   einen Angriff auf tschechoslo- gibt es feine weiteren Sonflitte, ist alles in Ord= rung dieser Einheiten von einer allgemeinen Mobi öffentlichen Meinung eine tiefe Erregung hervor, wakisches Gebiet unternehmen sollte. Der Völker- nung! Dieſe Plumpheit der Argumentation mag lisierung unterscheide, die das gesamte Landheer gerufen. Die tschechoslowakische Negierung kann bundrat würde entweder in Genf   oder in Paris   auf die abgeſtumpften Ohren reichsdeutscher Ver­nights anberes tun, als berartige Forderungen ablaufammentreten, sammlungsbesucher und Rundfunkhörer wirken, jie

unifaffen würde.