Sozialdemokrat

8entralorgan ber Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik

Erscheint mit Ausnahme bes Montag täglich früh/ Einzelpreis 75 Heller Rebaltion u. Berwaltung: Brog XII., Fochova 62- Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub- Berantw. Redakteur i. B.: Zdenko Neuwirth, Prag 18. Jahrgang Donnerstag, 29. September 1938

Ueberraschende Wendung in kritischester Stunde

Seite 4:

Det staatliche Unterhaltsbeitrag

Nr. 229

Vierer- Konferenz in München

Chamberlain, Daladier und Mussolini zu Hitler

Die vorbereitete deutsche Mobilisierung um 24 Stunden verschoben

Prag . Durch die Einberufung einer Vierer- Konferenz zwischen] Nach einer inzwischen dementierten Meldung soll Hitler der Vor­Chamberlain, Daladier , Hitler und Mussolini hat der deutsch- tschecho- schlag gemacht worden sein, das sudetendeutsche Gebiet durch englisch . flowakische Konflikt eine neue Wendung erhalten. Die Einladung zu französische Truppenkontingente zu besetzen. der Besprechung, die heute um 15 Uhr in München beginnt, erging von Der Einberufung der Vierer- Konferenz gingen diplomatische Aktionen Hitler , nachdem Chamberlain an ihn einen legten Appell gerichtet hatte Botschafter Francois Poncet und der englische Botschafter Henderson lange in Rom und Berlin voraus. Im Laufe des Tages hatten der franzöſiſche und Mussolini , dem der britische Botschafter in Rom Lord Perth eine Aussprachen mit Hitler . Der amerikanische Botschafter in Rom übergab Botschaft Chamberlains überbrachte, telephonisch ersucht hatte, Hitler Mussolini eine persönliche Botschaft Roosevelts. Graf Ciano hatte zwei möge seine geplante Attion vertagen. Unterredungen mit Perth .

Brag. Ganz überraschend hat sich die Si­tuation wieder gewandelt. Zum Besseren insofern, als die Tatsache neuer Verhandlungen auch zu neuer Hoffnung berechtigt, zur Hoffnung, daß eine Lösung gefunden wird, die den Frieden rettet, ohne die

opfern Lebensmöglichkeit der Tschechoslowakei zu

Schwebezustand zwischen Hoffen und Bangen dauert an. Mit welcher Sammlung. Ge­fastheit und Nuhe ihn die Bevölkerung unseres Staates erträgt, ist wahrhaft bewundernswert.

Chamberlains Unterhausrede

Bekanntgabe der Vierer- Konferenz in München Das Unterhaus ohne Debatte bis Montag vertagt London. ( Reuter.) Ministerpräsident ter.) Wi Chamberlain wurde von allen Seiten im Unter­haus begrüßt, als er aufſtand, um feine mit Un­geduld erwartete Erklärung über die internatio­nale Lage abzugeben:

Die Einladung zur Viermächte- Konferens ist, mie Premierminister Chamberlain in seiner Rebe vor dem Unterhause mitteilte, von Hitler ausge- Die Situation, in der wir uns im Juli gangen. Gleichzeitig aber teilte Chamberlain mit, befanden, beruht darin, daß die Verhandlungen daf Hitler sich mit einem Aufschub der Mobilifie- zwischen der tschechoslowakischen Regierung und rung um vierundzwanzig Stunden einverstanden den Sudetendeutschen am toten Punkt angelangt erklärt habe. Da Deutschland bereits vor Wochen waren und Befürchtungen bestanden, daß falls mit einer großen Mobilifierung, die als Einberu- dieser tote Punkt nicht rasch überwunden wird, fung zu Manövern nur wenig verschleiert wurde, die deutsche Regierung einschreiten wird. Die begonnen hat, kann es sich bei der jetzt geplanten, britische Regierung hatte drei Wege, zwifchen die um einen Tag verschoben wurde, nur um eine benen sie wählen konnte: Entweder konnten wir allgemeine Mobilisierung gehandelt haben. Hitler drohen, daß wir gegen Deutschland in den Krieg war also zum fofortigen Krieg offenbar entschlof- schen, falls es die Tschechoslowakei überfällt fen. Ob er nicht noch immer genau so entschloffen oder wir konnten zur Seite stehen und den Er. ift, ob nicht die Biermächte- Konferenz, beren Ge- cigniffen ihren Lauf laffen oder wir konnten lingen oder Scheitern ganz in seiner Hand liegt, fchließlich versuchen, eine friedliche Lösung durch ihm nur den Vorwand liefern foll, als friedens- Vermittlung zu finden. bereiter Staatsmann zu erscheinen, der zu einem letzten Versuche bereit war das bleibt dem Be­reiche der Vermutungen überlassen, bis man über Verlauf und Ergebnis der Münchener Beratung Bescheid bekommen wird.

Den ersten Weg haben wir abgelehnt. Wir hatten teinen Vertrag, der und an die Tschecho­flowakei gebunden hätte und wir haben es immer abgelehnt, eine solche Bindung auf uns zu neh­men. Die zweite Möglichkeit widersteht uns eben­falls und so wandten wir uns dem dritten Weg zu, das ist der Aufgabe des Vermittelns.

Hierauf schilderte Chamberlain hie weiteren Vermittlungsbestrebungen Runcimans, denen die ständig auftretenden Zwiſchenfälle im Wege itan den und sagte:

bentrops gegenüber dem britischen Botschafter in Berlin Ausdruck gab, daß die deutsche Regierung ihre Stellung zur Mission Runcimans sich vor­behalte und die Angelegenheit als ein rein briti sches Intereffe betrachtet.

Im weiteren Verlauf der Nede teilte Cham­berlain mit, daß ihn Reichskanzler Hitler für morgen nach München eingeladen habe. Hitler hat auch Muffolini und Daladier eingeladen. Cham­berlain teie auch mit, daß Reichskanzler Hitler sich mit einem Aufschub der Mobili Als Henlein am 2. September nach Berchtes fierung um 24 Stunden einverstanden er­gaden fam, brachte er eine Botschaft Nuncimane flärt habe. Chamberlain fandte einen neuen Appell an Hitler , in welcher der Hoffnung Ausdruck ge- an Hitler , worin er den Antrag stellt, daß er be geben wird daß Hitler die Fortsetzung der Ver- reit ist, wiederum nach Deutschland zu kommen, handlungen genehmigen und unterstüßen werde. wobei er auch an Mussolini appellierte, er möge Senlein gab Nunciman keine direkte Antwort, fich an einer Konferenz beteiligen, die binnen kehrte jedoch mit der Ueberzeugung zurück, das Wochenfrist die Details feſtſchen würde. Cham­Hitler eine friedliche Lösung wünsche. Die Be berlain fagt, es wird mitgeteilt, er habe Hitlers mühungen Lord Runcimans hatten im großen Einladung angenommen. Ich werde fahren, um Maße Erfolg und brachten die Sudetendeutschen zu sehen, was ich als lekte Anstrengung und die tschechoslowakische Regierung näher zu machen kann. Nach diesen Worten standen alle im fammen. Inzwischen machte die Entwicklung der Unterhaus auf, grüßten stürmisch den Miniſter­Ereignisse in Deutschland selbst der britischen Ne- präsidenten und applaudierten begeistert dieser gierung große Sorgen. Am 28. August schrieb Mitteilung.

Hierauf wurde das Unterhaus bis Montag

Lord Halifax Ribbentrop einen persönlichen Brief, worin er sein Bedauern über die Aeußerung Nib- vertagt.

Roosevelts Botschaft

Jede Anwendung von Gewalt ist unberechtigt

Man kann annehmen, daß sich Hitler unter dem Eindruck der neuen Depesche des Präsidenten Chamberlain spendete dann der Tätigkeit Moosevelt zur Einladung Chamberlains, Dala- Runcimans Lob und stellte fest: Wenn Lord Washington. Der Appell Roosevelts| Ungerechtigkeiten, die in der Vergangenheit diers und Muffolinis entschloffen hat, diefe De Runciman zum Schluß doch nicht erfolgreich war, besche Roosevelts ist eines der wahrhaft großen war das nicht sein Fehler. Aber nicht nur wir, an Hitler , der um 3 Uhr in der Nacht auf gestern vorgekommen sind. Es ist dies eine Frage des Schicksals der Welt von heute and menschlichen Dokumente unferer Zeit. Sie spricht sondern ganz Europa muß ihm und feinem Stab erging, lautet: so undiplomatisch menschlich, sie spricht so ergrei- für ihre lange und erschöpfende Bemühung um Ich gestatte mir, die Antwort Euerer Erzel- morgen. Die Welt fordert von uns, die wir fend von der Verantwortung für das Leben jedes den Frieden dankbar sein, während welcher fie lenz auf mein Telegramm vom 26. September in diesen Augenblicken Oberhäupter der Staaten Menschen, der Opfer eines Krieges werden die Achtung und das Vertrauen beider Seiten er zu bestätigen. Ich war überzeugt, daß Sie Ihrer find, die überragende Fähigkeit, fönnte, daß sie von tiefster Wirkung auf jeden worben haben.( Zustimmung.) Chamberlain Sustimmung zu meiner. Ansicht Ausdruck geben um die Geschicke der Völker so zu leiten, daß ihnen menschlich Fühlenden sein mußte. Wenn man auch führte weiter aus, Witte Auguft habe es fich flar werden, die sich über die unvorhergesehenen Fol- nicht die Verkrüppelung oder der Tod von Willio­die derzeitigen deutschen Machthaber nicht zu ihnen gezeigt, daß die Kluft zwischen der Karlsbader igen und über das unermeßliche Unglück aussprach, nen Bürgern aufgezwungen wird. Die Gewalt­zählen kann, fo find fie fich doch im Klaren über Mede Henleins und den Anträgen der tschecho- das durch den Ausbruch eines europäischen Krie- anwendung im Weltkriege hat keine Ruhe gebracht. die Wirkung dieses Appells Roosevelts und über flowakischen Regierung zu tief ift, als daß fie ses über die ganze Welt hereinbrechen würde. Die Sieg und Niederlage sind gleich unfruchtbar. Dicic die Wirkung, die eine absolute Nichtbeachtung ha- Berhandlungen zwischen den Parteien auf diefer Frage, vor der die Welt heute steht, Herr Reids- Lehre follte die Welt bereits zichen. Und darum, ben müßte. Es ist unter diesen Umständen begreif Grundlage gestatten würde. tanzler, ist keine Frage irriger Annahmen of er vor allem aus diesem Grunde, habe ich Euer Er­zellenz, Dr. Benes, Daladier und Chamberlain meine Rundgebung vom 25. September gesandt. ftrittigen Angelegenheiten zwischen der deutschen und der tschechoslowakischen Regierung mit friedlichen Mitteln gelöst werden sollten, und daß 2. die Alternative, die mit der Gewalt­anwendung in einem Maße droht, das wahrschein­ich einen allgemeinen Krieg zur Folge hätte, eben. fo überflüffig wie unberechtigt ist. Es ist also höchst wichtig, daß die Verhandlungen ohne Unterbrechung fortgesetzt werden, soiange

lich, daß die vom englischen Gesandten in Rom

dem Ministerpräsidenten Mussolini vorgetragene

neue

Anregung zu einem lekten Verhandlungsversuch ferenz zu. Auch die Bevölkerung der Tschechoslowa- Sorgen..." Das heißt, daß es ganz ohne Zwei- Ich fuchte zwei Punkte zu betonen: 1. Daß die in Form einer Konferenz zwischen Chamberlain , fei hofft auf Rettung des Friedens, Aber in diefe fel zu einer Lösung des fudetendeutschen Problems Daladier , Hitler und Muffolini, welche Anregung Hoffnungen mischen sich doch auch Besorgniffe. Die im Rahmen des tschechoslowakischen Staates ge­von Mussolini in einem Telephongespräch mit Hit- Besorgniffe, es tönnten unferem Staate wieder fommen wäre, wenn Deutschland eine solche Ter an diesen empfehlend weitergegeben wurde, zu­fung zugelaffen hätte. Deutschland wollte einfach Opfer zugemutet werden... stimmend beantwortet wurde. Im gleichen Sinne Chamberlain hat in seiner Nede vor dem die fudetendeutschen Gebiete und bediente fich der dürften auch der franzöſiſche und der englische Ge. Unterhaufe deutlich, wenn auch in zurückhaltender fudetendeutschen Bevölkerung als Mittel zur Er­fandte in ihren Vorsprachen bei Hitler gewirkt Form, zu verstehen gegeben, daß es zu dem reichung dieses Zieles. Und es wollte und will mehr beutsch- tschechoslowakischen Konflikte gar nicht durch als die Randgebiete unferes Staates: cs will Was von dieser Konferenz zu erwarten ist? den Willen der Sudetendeutschen gekommen fei, freie Bahn nach dem Südosten. Das wird jene nicht eine gerechte und konstruktive Lösung erzielt Niemand vermag es zu sagen. Chamberlain hat auch nicht durch den Willen der SdB ." Die Be- Welt, die immer noch bereit ist, einer Erklärung 18 hatten in in großem Maße des Dritten Reiches Glauben zu schenken, der zum erklärt, er reise nach Berlin , um zu sehen, was mühungen Muncimans er als lekte Anstrengung machen könne. Die Kon- Erfolg und brachten die Sudetendeutschen und die Beispiel, daß es nach Löfung des fudetendeutschen ferens in München ift lehtes Bemühen, in letter tschechoslowakische Regierung einander näher. In- Problems keine territorialen Ansprüche in Europa Stunde den Frieben zu retten. Millionen Menschen zwischen machte aber die Entwicklung der Ereignisse mehr habe, schon noch erfahren, freilich nicht mehr aller Welt wensen ihre Hoffnungen dieser Kon- in Deutschland der britischen Regierung große rechtzeitig.

haben.

wird.

Mögen die gegenwärtigen Gegensätze welche im mer fein und möge deren Wesen wie immer fein wir brauchen darüber kein Urteil auszuspre chenmein Appell sielte lediglich darauf ab,