Rr. 286 Freitag, 7. Oktober 1V3S Sette S kine Million für die Flüchtlinge Teilergebnis einer englischen Sammlung Prag . Die Direktion des Blattes»News <5 h r o»i c l e" hat dem Präsidenten Dr. Edvard B r n e i telegraphisch bekanntgegeben, daß sie zu feiner persönlichen Disposition bei der Anglo- tschechoslowakischen Bank 7200 Pfund Sterling (etwa eine Million XL) alS erste Teilzahlung auS der Sammlung der Leser dcS BlatteS zu­gunsten der Flüchtlinge ans dem Sudetengebiet erlegt hat. Präsident Dr. Benei gab dem Minister für soziale Fürsorge Dr. Zenkl sofort dir An­regung zur Gründung«ine- Fonds, der zu­gunsten der bei der Aufteilung dcS Gebietes und der Evakuierung der Bevölkerung entstandenen sozialen Probleme verwendet werden würde. Gleichzeitig' dankte er durch Vermittlung deS tschechoslowakischen Gesandten in London der Di­rektion deS Blattes»News llhronicle" in herz­licher Weife für diese edle Tat und ersuchte sie, auch den Lesern deS Blatte- seinen Dank zum Ausdruck zn bringen. London , 5. Oktober. Der Lordmayor von London eröffnete heute in Anwesenheit dcS tsche­choslowakischen Gesandten JanMasaryk «ine Reichssammlung für die Flüchtlinge auS dem S u d e t en­ge b i e L Gesandter Masaryk und der Lord» manor empfingen hierauf im Rathaus die Ver­treter der Presse. Gesandter Masaryk schilderte die Leiden der Flüchtlinge und erklärte augen­blickliche Hilfe für notlvendig. Man erwartet, daß die Sammlung einen großen Erfolg haben wird, da schon vor ihrer Eröffnung beim Lord­mayor und anderen autonomen Aemtcrn Geld­sendungen einliefen, die sich in den letzten Tagen ständig vermehrten. News Chronicle" gründete bereits vorher einen' Fonds für die tschechoslowakischen Flücht­linge. DerStar" schreibt: Säcke von Briefen, die Beiträge für den tschechoslowakischen Hilfs­fonds enthalten, wurden heute in der Redaktion desNeivS Chronicle" abgegeben.(DerStar" hat den gleichen Herausgeber wieNew- Chronicle".) Der erste Brief, der geöffnet wurde, enthielt einen Scheck auf 250 Pfund. Ein wei­terer Brief enthielt Postmarken im Werte von sechs Pence. Die Gefühle, von denen diese Bei­träge geleistet waren, waren jedoch dieselben. Eine Spenderin sandte einen Frauenring im Werte von ungefähr 40 Pfund. Das Geschenk ist von einem Brief einbegleitet, in welchem es heißt: Das Opfer der Tschechen hat mir den Sohn erhalten, mein einziges Kind, aber ich bin mir allzu klar dessen bewußt, daß seine Freiheit Fesseln auf andere Füße und seine Sicherheit den Verrat anderer bedeutet. Jetzt haben sie Mitgefühl! Pari-, 6. Oktober. Der hervorragende fran­ zösische VolkSwirtschastler Charles Rist , Mitglied des Instituts, sandte der Redaktion deSTcnipS" ein Schreiben, in dem er seine Zustimmung zu der vomTempS" am 3. Oktober veröffent­lichten Anregung ausspricht. ES ist notwendig, schreibt Rist, daß außer den Anleihen für die Tschechoslowakei , die England und Frankreich ver­wirklichen werden, öffentliche Sammlungen aus­geschrieben werden, die eS allen, die mit der Tschechoslowakei fühlen, ermöglichen würden, ihre Gefühle in die Tat umzusetzen. Der Ertrag die­ser Sammlungen soll tschechischen Familien ge­widmet werden, die gezwungen sein werden, ihre alten Wohnorte zu verlassen und in den verklei­nerten Grenzen deS Vaterlandes neue Wohnort« zu suchen. Die Redaktion des»TempS" ist be­reit, diese Sammlung zu organisieren. Geldsammlungen In Frankreich Pari-, 6. Oktober. Die LinkSllättrr in Frankreich organisieren eine Sammlung für die deutschen und die tschechischen Sozialdemokraten im Randgebiet. Die Sammlung erbrachte bis­her 173.278 Franken. Der deutsche Flüchtlings- auSschuß in Prag sandte der französischen Anion der Syndikate rin Telegramm, da- in dem Blatt »Le Soir " abgedruckt ist und da- lautet:»Sen­det telegraphisch Geld, unser Ausschuß ist ohne Mittel, die Flüchtlinge sind obdachlos und hungrig." Die Link-blätter fordern zur Beschleu­nigung weiterer Sammlungen auf. 200 Sek­tionen haben Sammelbögen angefordrrt. Demobilisierung beginnt Zwei Jahrgänge sofort entlassen Auf Grund der Bestimmungen deS 8 60 der BerfassungSurkunde ordnet die Regierung der Tschechoslowakischen Republik gemäß 8 23, Ab­satz 3, deS Wehrgesetzes» dir Demobilisierung an. Zwei Jahrgänge der Reserve wer­den augenblicklich auS dem aktiven Dienst ent­lassen. Die übrigen infolge der Mobilisierung zum aktiven Dienst einberufenen Personen wer­den etappenweise nach den Bedürfnissen der Militärverwaltung auS dem aktiven Dienst entlasse«. In Bersolg diese- Beschlüsse- hat da- Mi­nisterium für Nationalverteidigung die entspre­chenden DurchsührungSerläffe herauSgrgeben. Frankreichs Demobilisierung Paris , 6. Oktober. Die Demobilisierung der französischen Reservisten schreitet in raschem Tempo fort. Täglich werden zahlreiche einberusene Sol­daten entlassen. Wie heute daS Nationalvertcidi» gungSministcrium miieilt, werden sich sämtliche Reservisten am 11. Oktober wiederum in ihren HeiwatSorten befinden. Beginnend mit dem morgigen Abend werden die Pariser Straßen, deren Beleuchtung stark gedämpft war, wieder normal beleuchtet werden. Nach getaner Arbeit? London.(Havas.) Zu Beginn der weiteren Debatte über die außenpolitische Lage im Unter­haus wurde mit 313 gegen 150 Stimmen die RegierungSresolution angenommen, die vor­schlägt, daß nach Beendigung der Debatte, d. i. heute, das Unterhaus sich bis zum 1. November vertagt. London .'(Havas.) Premierminister Cham­berlain erklärte im Unterhaus, daß in England weder regelmäßige Assentierungen, noch die Mills tärdienstpflicht werden eingeführt werden. Auslandsreisen erschwert Prag , 6. Oktober. In der Sammlung der Gesetze und Verordnungen vom 5. d. M. ist eine Verordnung über die Beschränkung des Reisever­kehrs in daS Ausland enthalten. Zu Reisen nach dem Ausland berechtigt ein ordentlich ausgestellter tschechoslowakischer Paß nur dann, wenn er mit einem besonderen Vermerk des LandeSamtcS ver­sehen ist, der den Paßinhaber berechtigt, ein oder mehreremale die staatlichen Grenzen an einem bestimmten, direkt angeführten Grenzübcrgang zu überschreiten. Das gleiche gilt für Legitimatio­nen an Stelle eines Reisepasses, die die inner­staatlichen' Organe auSgcben.' Zur Rückkehr aus dem Ausland berechtigt ein ordentlicher tschecho­slowakischer Paß, der von einem innerstaatlichen Amte oder von den tschechoslowakischen Vertrc- tvngSbchördcn ausgestellt tvurde und dies auch ohne den oben angeführten Vermerk des LandeS- amteS. Jene Legitimationen, die an Stelle eines Passes von innerstaatlichen Aemtern oder von den tschechoslowakischen VeriretungSbehörden den im AuSlande weilenden Personen ausgestellt wurden, gelten für die Rückkehr aus dem AuSlande, wenn sie mit dem Vermerk des LandeSamtcS oder einem ähnlichen Vermerk der tschechoslowakischen Ver­tretungsbehörden versehen sind. Personen männ­lichen Geschlechtes, die der Wehrpflicht gemäß dem Wehrgcsctz unterliegen, oder Personen, auf die sich daS Staatsverteidigungsgesetz bezieht, kann das LandeSamt im Einvernehmen mit dem zuständi­gen Korpskommando nur in außergewöhnlichen und besonders berücksichtigungswerten Fällen den Vermerk gewähren. Die Regierungsverordnung vom 23. September 1038 Nr. 194 über die Ein­schränkung deS Reiseverkehrs nach dem Auslande bleibt in Kraft. Diese Verordnung tritt mit dem 5. Oktober in Kraft. kill eine föderalistische Zusammenarbeit der Kleinstaaten Bukarest . Eine beachtenswerte grundsätzliche Feststellung macht imArgus" der bekannte ru­mänische Publizist Corteanu. Er geht von der Feststellung aus, daß die kleinen Nationalstaaten auS dem kämpferischen Gegensatz zwischen na­tionaler Konzentration und übernationalen Staa­ten(wie Oesterreich-Ungarn , Rußland und der Türkei ) hcrvorgegangen sind. Im Namen deS gleichen nationalen Prinzips findet heute eine totale Wendung statt: Eine Großmacht verlangt die Zerstückelung eines Kleinstaates. DaS be­weist, meint der Autor, daß die Wirksamkeit dcS nationalen Prinzips ihrem Ende zuneigt. Seine weitere, bis zu den äußersten Konsequenzen durchgeführte Anwendung kann nicht mehr staatenbildend wirken, sondern nur noch zersetzend und die Gefahr von Krie­gen und Anarchien heraufbefchwören. Die seit Jahrhunderten bestehende SiedlungSverschach« telung der Nationen in Mittel» und Osteuropa gestattet nicht die rigorose Anwendung deS na­tionalen Prinzips, ohne die Gefahr der Schwä­chung, wenn nicht der Zerstörung der Klein­staaten durch gegenseitige Animositäten so wett Deutscher Amerika -Export um 40 Prozent gesunken I New Dork. Der New Norker jüdische Ar­beitsausschuß(Jewish Labor Committee) er­örterte in einer besonderen Versammlung die Wirksamkeit deS Boykotts deutscher Waren in den Bereinigten Staaten. AuS den angeführ­ten Ziffern geht hervor, daß in den ersten acht Monaten dieses Jahre- die Einfuhr deutscher Waren nach den Bereinigten Staaten 33,900.000 Dollar au-machte, gegen 56 Mil­lionen 200.000 Dollar in dem gleichen Zeit­raum de» Jahre- 1937? da- bedeutet ein« Ber- niinderung um 40 Prozent. Verfassungs-Revision In Dänemark Kopenhagen . Im Folketing wurde vom StaatSniinister Stauning der Entwurf zu einer Revision der Staat-Verfassung eingebracht, dessen Beratung als eine der Hauptaufgaben der Win­tertagung des Parlamentes bezeichnet worden ist. Die Vorlage bringt im wesentlichen eine Herabsetzung dcS Wahlalters auf 23 Jahre, die Umbildung des bisherigen Zweikammersystems, die Schafsung eines Reichstages mit zwei Ab­teilungen und die Möglichkeit einer Bolls« aüstimmung. Stimmungs-Umschwung In Polen Warschau . Die dramatischen Ereignisse der verflossenen Tage führten auch in jenem Teile der polnischen Oeffentlichkeit, der gegenüber der Tschechoslowakei bisher eine durchaus unfreund­liche Haltung eingenommen hatte, einen gewissen StinunungSumschwung herbei. Nach der Be - zu treiben, daß die Intervention einer außen­stehenden Macht geradezu«ine europäische Not­wendigkeit wird. Den Ausweg auS dieser düsteren Lage erblickt der Autor in einer föderalistischen Zusammenfassung der nationalen Kleinstaaten etwa nach dem Muster der Schweiz . Eine der­artige Zusammenfassung im föderalistischen Sinne der neuen Tschechoslowakei, Ungarn -, Rumäniens , Jugoslawiens und Bulgariens könnte, wenn sich die Staaten alle notwendigen und vernünftigen Konzessionen zum Schuhe der Existenz und Pro­sperität der einzelnen Nationen machen, durch Zoll« und Währungvunion eine starke wirtschaft­liche Einheit werden. Gleichzeitig könnten sie einen einheitlichen politischen Organi-muö bilden, der stark genug wäre, um in seinen äußeren Be­ziehungen alle Versuche der Nachbarn zurückzu« weisen, sich durch Aufstachelung der nationalen Leidenschaften in diesem Teile Europa - Vorteile zu sichern. Indem jeder zugunsten der anderen Opfer bringt, würden alle Staaten zur vollen Befriedigung ihrer Würde und ihrer Interessen gelangen, keiner aber auch nur den Gedanken einer Hegemonie über die anderen fassen. reinigung de- Konfliktes um das Teschener Ge­biet ist sich die breite polnische Oeffentlichkeit darin einig, baß nunmehr die engste Verständi­gung zwischen den beiden slawischen Nationen möglich sei. Der Ruf nach dieser Verständigung mit der Tschechoslowakei wird immer stärker und findet seinen Ausdruck selbst in den Regierungs­organen wie z. B. in der offiziellenGazeta Polska", in derPolska Zbrojna" und in ande­ren Regierungsblättern. Der Vollzugsausschuß der polnischen so- zialistischen Partei hielt eine Beratung ab, die der durch die Angliederung Olsa-Schlesien- an Polen geschossenen Lage gewidmet war. In der Beratung wurde eine Entschließung gefaßt, in der es u. a. heißt, daß die weiteren Beziehun­gen zwischen Polen und der Tschechoslowakei zu eng st er Zusammenarbeit auSgc» baut werden müssen. Die Tschechoslowakei , so heißt eS in der Entschließung weiter, dürfe nicht in ein Vasallenverhältnis zum Dritten Reiche geraten. Amerikanische Hilfsaktion New SJotf. lHavas.) Mittwoch abend ver­sammelten sich auf dem Madison Square 12.000 Personen, um den zweiten Jahrc-tag der Grün­dung des nordamerikanischen Ausschusses für da- demokratische Spanien zu feiern. Die Versamm­lung hörte eine Rundfunkkundgebung von Alva« rez del B a Y o in englischer Sprache. Zahlreiche amerikanische Redner sprachen dafür, daß da- Verbot der Waffenausfuhr nach Spa­ nien aufgehoben werde. Wie mitgeteilt wurde, ist der DampferEric" gemietet worden, der gegen Ende Oktober Getreide, Nahrungsmittel, Kleider und Arzneien nach dem republikanischen Spanien bringen soll. Abschied Wir werden nie mehr die lieben, geliebten kleinen sudetendeutschen Städte sehen. Nie mehr werden wir den Böhmerwald durchwandern, nie mehr die dunklen Wälder des JsergebirgeS, nie mehr zur Schneekoppe hinaussteigen. Das Alt­ vatergebirge wird im Auslande sein und das Erzgebirge . Unsere Heimat und wir haben nicht nur die oder jene Stadt, den oder jenen Landstrich, wir haben daS ganze Sudetengebiet als unsere Heimat geliebt ist uns dadurch, daß eine Besprechung von vier Staatsoberhäuptern sie einem anderen Staate zuteilte, für immer verlorengegangen. Denk an das alte Eger! Wie gern haben wir es durchwandert I Ehrfürchtig standen wir vor dem Hause, an dem eine Tafel verkündet, daß hier ein Deutscher gewohnt, der die Freiheit liebte, wie wir sie lieben, daß hier Schiller weilte, als er Studien für seinenWallenstein " machte. Und dann waren wir im alten Rathaus und be­wunderten das schätzereiche Archiv, die Goethe- Erinnerungen, und standen schweigend in Wallen­steins Sterbezimmer. An Tcplitz-Schönau denk! An die Stadt, in der ein heute Vergessener ruht, Seume , vergessen deshalb, weil er ein Tyrannenfeind war. Und denkst du noch daran, wie zauberhaft der Schloßplatz im Mondenlichte ist? Erinnere dich an die Konzerte im Schloß, gartest! Du wirst nie mehr dort ein Konzert hören, du wirst nie niehr im Schloßpark herum­schlendern, denn dort, wo einst Beethoven cs wagen konnte, sich nicht vor Fürstlichkeiten zu beugen, wird kein Mann mehr sein Haupt auf­recht tragen dürfen... An den Schreckenstein denk und an die Schäferwand bei Bodenbach und denk auch gleich an diese Industrie- und Handelsstädte und nimm im Geiste Abschied von ihnen! Du wirst sie nie mehr sehen, nie mehr! Erinnerst du dich an die Laubengänge in Trautenau und Hohenelbe? Wir haben sie oft durchschritten, plaudernd oder in Schweigen ver­sunken. Und wenn wir schwiegen» lauschten wir der Stimme der alten Häuser, di« so viel zu er­zählen wußten. Wir waren auf dem Kapellen­berg bei Trautenau , standen stumm vor den Denkmälern der Toten des Krieges von acht- zehnhundertsechundsechzig, und: erinnerst du dich noch: um eines der Kreuze schlang sich ein schmales, vom Wetter schon arg mitgenommenes Band mit der Inschrift:Von deiner Tochter Juli 1923." Sechzig Jahre nach dem öster­reichisch-preußischen Kriege band eine zitternde Greisinnenhand dieses Band der Erinnerung um das Kreuz, das ihre- Vaters Grabstätte bezeich­nete. Ein Kind war sie, als sie den Vater ver­lor. Vielleicht war gerade deshalb der Schmerz um den Frühverlorenen so groß, weil sie ihn kaum gekannt... Erinnere dich mit mir an den Roten Paß bei Freiwaldau , an jene stille Nacht, in de» wir stundenlang im Finstern saßen und dem Rühren der Hirsche lauschten! Erinnere dich... Ach, es bcdarf keiner Mahnung! Wie könnte es anders sein, als daß gerade jetzt, jetzt, da unsere Heimat für immer verloren ist, die Erinnerungen so übermächtig auf dich einstürmen wie auf mich! Du hast Sonntag für Sonntag, im Winter wie im Gommer, die Heimat durchwandert, bist auf unsere Berge gestiegen, hast im Schatten unserer Wälder geruht und die Tränen steigen dir in 1 die Augen, denkst du an die stillen Täler, an die I weiten Fichtenwälder, an die sturmgebeugten Bogelbeer"-Bäume auf dem Kamm des Erz­gebirges. Die Tränen steigen dir in die Augen, denn du weißt, daß du nie, nie wieder die Heimat sehen wirst. Du wirst sie nie wieder sehen, weil du eine andere als di« nun auch für die Sudetendeutschen vorgeschriebene Weltanschauung hast. Du und ich und viele andere wir dürfen nicht mehr unsere Heimat sehen, wir sind von ihr aus­geschlossen. Warum? Nur weil wir über da- Deutschtum ander- dachten, als jetzt vorgeschrieben ist, weil wir den Staat, in dem seit jeher Deutsche und Tschechen beisammen leben, als unseren Staat ansahen und ihm treu ergeben waren. Der Staat, das, was die Großmächte von diesem Staate bestehen ließen, ist auch unö ge­blieben. Aber verhehlen wir es uns nicht: wir Deutschen in Prag und Brünn und die wenigen, die sich au- den abgetretenen Gebieten retten konn­ten,»vir werden im tschechoslowakischen Staate anders gewertet werden als bisher. So sehr auch wir demokratischen Deutschen mit den Tschechen fühlen, mit ihnen leiden, so sehr wir ihr Unglück als unseres empfinden. Im Uebermaße ihres Schmerzes können sie ja, wir begreifen es, nicht verstehen, daß Ivir, die verbliebenen demokra­tischen Deutschen , so arm geworden sind wie sic und manche noch armer. Wellwog. Das heutige Polen und das Selbstbestimmungsrecht Der diplomatische Redakteur des Pariser Figaro" d'O r m e s s o n schrieb an die Adresse Polens :Die Art und Weise, in welcher Polen , ein großer Staat, sich mit militärischen Maß­nahmen auf seinen weniger starken Nachbarn in der Stunde dessen größten Leides stürzte, zeugt von einem Mangel an Takt und Art, der uns schmerzlich überrascht..." In der nüchternen Sprache der Ziffern ist die Situation Polens bei der Durchsetzung deck Selbstbestimmungsrechtes folgende: Polen ist ein slawischer Staat mit 34 Mil­lionen Einwohnern. Davon sieben Millionen Ukrainer , drei Millionen Juden, einer Million Weißrussen und einer Million Deutsche . Ueber- dicü entfaltet Polen unter den Slowaken eine planmäßige Agitation. An der Nachbarschaft deS deutschen 80-Millioncn-Staates, der das Selbst­bestimmungsrecht für alle Deutschen proklamiert- in einer Zeit, da Verträge über die gegenseitige Hilfeleistung für den Schwächeren und Bedrohten bloße Fetzen Papier sind, stellt sich die Lage Polens folgendermaßen dar: Es handelt sich um ein 34-Millionenvolk mit 12 Millionen anders­sprachigen Minderheiten. Dies ist ein schlechtere- Verhältnis als das, welches bei der Durchführung deS Selbstbestimmungsrechtes die heutige Lage in der Tschechoslowakei herbeigesührt hat. Denn, wenn schon das Prinzip der Selbstbestimmung, dann auch für alle, für die Deutschen und für die Ukrainer. Die Ereignisse reisen in solchen Fällen ungewöhnlich schnell heran.