Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh Einzelpreis 75 Hellert

Rebaltion u. Berwaltung: Prag XII., Fochova 62- Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub- Berantwortlicher Redakteur: Rarl Kern, Prag

18. Jahrgang

Freitag, 28. Oktober 1938

Daladier verteidigt sich gegen den Vorwurf der Kapitulation

Aus dem Inhalt:

Die ersten Flüchtlings­transporte ins Ausland Deutsche Landeskulturräte aufgelassen

Ungarn beharrt auf

der Plebiszitforderung

Ab Montag Bahnverkehr mit Deutschland Tschechische Volkspartei bleibt selbständig

Nr. 254

Zwanzig Jahre Vergangenheit

und Gegenwart

Zwanzig Jahre sind es heute, da am 28. Ofstige Gewalt Triumphe feierte. Die kapitalistische tober 1918 das alte Oesterreich- Ungarn kapitu- Gesellschaft hatte den Menschen von den Seg­In München sei kein Ultimatum gestellt worden liert hat und in Prag die Tschechoslowakische Re- nungen friedlichen wirtschaftlichen Vordringens, publit ausgerufen wurde. von dem Eroberungszug des Kaufmannes um die Marseille , 27. Oktober. Ministerpräsident Daladier hielt heute nachmittag am radi- Nach dem, was sich Ende September und Welt erzählt, Schrapnells und Granaten, Minen­falsozialistischen Parteitag eine Rede, die von allen staatlichen Sendern übertragen wurde. Anfang Oktober ereignet hat, erscheint uns heute, werfer und Maschinengewehre waren zu laut, um Daladier eröffnete seine Rede mit einer der einstellen wird, aber es wird dies eine Frucht päischen Politit, alles, was vorher gewesen war, des Sparens gesprochen und den Sparern zer­wenige Tage nach dem Umsturz in der euro - überhört zu werden. Man hatte von der Tugend weitläufigen Darstellung der internationalen angestrengter und geduldiger Arbeit fein. Das weit entrüdt. Schien uns vorher die Welt vor rann das Gels in der Hand oder in der Bank­politischen Fragen. Ich habe es vor dem Parla- Land wird gerettet werden, aber es wird sein Heil dem großen Kriege verklungen und vertan, so st die Entwertung des Geldes war ein Hohn auf die mente dargelegt, daß ich das innere Drama, wel- feineswegs dem plöglichen Auftreten irgendeines es heute dasselbe mit einer Vergangenheit, die Sparsamkeit jener, die für das Alter oder die ches sich im Verlauf dieser Krise im Gewissen unerwarteten Retters danken, sondern es wird sich gestern noch leibhaftige Gegenwart gewesen ist. Familie vorsorgen wollten, die Moral eines eines jeden Franzosen abgespielt hat, voll und selbst durch die Bemühungen aller seiner Söhne Die Welt vor 1914! Es ist, als wäre sie Jahrhunderts wurde mit dem Gelde entwertet. ganz verstehe, da ich es miterlebte. Aber ich kann retten. Frankreich ist ein Volk von Bauern, die nie gewesen, sie ist dem heute lebenden Geschlecht der Glaube an eine beſtändige Welt fant dahin. heute nicht zulassen, daß jemand von einer Rapi- ihre natürlichen Fähigkeiten kennen. Sie wissen, Geschichte geworden, die jüngere Generation hat Nach dem Weltkriege schien es eine Zeitlang. tulation Frankreichs spricht. Ich kenne die Folgen daß der Ernte die Bearbeitung des Feldes und die teine lebendige Vorstellung von ihr. Betrachten als würden aus dem Feuer des Krieges neue des Münchner Abkommens und kann sie ermeffen. Saat vorausgehen muß. Wir müssen also heute wir welches Gebiet immer, das kulturelle Leben, Ideale geboren und die Welt, gewißigt durch das Ich weiß, daß ich mich nicht einem Drude gebeugt das Feld bestellen, morgen werden wir fäen. Die Literatur, die Moral, die Politit, die Wirt- Entsetzen der viereinhalb Leidensjahre, glüd­habe und daß ich, wenn ich in München vor ein Schüßen wir unsere Felder gegen alle Schäd- schaft, die Gesellschaft jener Beit, es ist alles fo licheren Beiter entgegengehen. Ein Bund der Ultimatum gestellt worden wäre, nicht gezaubert linge, welche die Jahreszeiten mit sich bringen hätte, mein Wort zu sagen und auf dem Boden und gegen Schäden, welche die Stürme verurfa- schaft intensiv und ertensiv im Wachsen, die wieder sollte Gott Mars durch Europa dahin ganz anders geworden. Die kapitalistische Wirt Völker sollte alle wie eine Familie einen, nie der Gleichberechtigung zu diskutieren. Ich wäre chen. Dann wird bald die Ernte kommen können. Daseinsmöglichkeiten für die Menschen im Lande ziehen, Tod und Vernichtung verbreitend, ein nach Paris zurückgekehrt und hätte das franzö­immer günstiger werdend, die Welt jenseits des neues, beſſeres, glücklicheres Europa sollte_ent= fische Volk zum Widerstand aufgefordert. Das Heute Antwort Blums Ozeans schier ungemessen aufnahmsfähig, so war stehen. Wieder glaubten die Menschen, um wieder Wert von München war eine Tat des Verstandes. es. In dieser Umwelt gedieh der Glaube an die enttäuscht zu werden. Völkerbund , Locarno , Set Daladier polemijierte gegen die Kommuni­Menschlichkeit, an die alles regelnde menschliche loggpatt, Briand und Stresemann am Genfer sten, die als einzige seine Politik bekämpften, Vernunft, an den allgemeinen Fortschritt, an den See Europa Frieden spendend und Eintracht leh­und fuhr dann fort: Sieg des Rechtes über die Gewalt, ein zukunfts- rendwie alles erscheint uns dies so weit, so freudiger Optimismus erfüllte die Jugend, die weltenweit, ir geradezu unwahrscheinlich. Eine alle Tore ins Leben offen sah und mit dem Mar- verklungene Welt! Ebenso erscheinen uns heute. In Pariser Linkskreisen hat die heutige Rede schallstab im Tornister in die Zukunft marschierte. da wir noch immer Oftober 1938 schreiben, da entsprechen und sich je nach Bedarf der neuen Lage Daladiers große Verwunderung hervorgerufen. Die Zeit schien nahe, da der Mensch sich die noch nicht e in Monat ſeit der Münchener Tagung anpassen. Das grundlegendste Intereſſe Frank Es wird offen erklärt, daß seit der bekannten Natur endgültig unterworfen hatte. der vier europäischen Staatsmänner verflossen ist. reich it be the herbeit nicht nur auf der Rebe Doumergues im Herbſt des Jahres 19034 gegen die Kommunisten und Maglite belage faujasenie am blande aber von 1871 bis 1014 bis 1938, in den erſten zwanzig Jahren der Re­In friedliche Welt, in der sich Kriege die Probleme, mit denen wir hierzulande 1918 territorialen Integrität ſeiner fontinentalen die Ablehnung der Zusammenarbeit der Radi- nicht im Herzen der europäischen Welt abgespielt publik gerungen und die unser ganzes Denken in Grenzen. Sie ist im Gegenteil durch die Freiheit kalen mit der Regierung Doumergués und einen hatten, brach das Grauen eines Weltbrandes her Anspruch genommen haben, als hätten wir sie Kolonialreiche bedingt. Das Beispiel Frankreichs aroßen Linksrud zur Folge hatte, kein fran- ein, in welchem sich eine Generation verblutete nie durchdacht, Geschichte ist uns geworden, was zösischer Ministerpräsident eine so scharfe Rede und in welcher die Ueberlebenden den Glauben an noch vor kurzer Zeit Leben und Blut gehabt hat. das Recht verloren in einer Welt, in der die blu- vergilbte Dokumente das Papier, das wir mit gegen die Linke gehalten hat. unseren Sorgen beschrieben und dem wir unseres Denkens Ergebnisse anvertraut haben.

Wir haben den Frieden und die Würde Frankreichs gerettet. Unsere Politik wird den grundlegenden Interessen unseres Vaterlandes

muß weithin auch außerhalb seiner Grenzen leuchten. Frankreich wird überall anwesend sein und wird sich überall den Bemühungen derer an schließen, die Gerechtigkeit und Frieben wollen.

Die Grundlage der französischen Diplomatic beruht vor allem auf der engen Zusammenarbeit Frankreichs und Großbritanniens . Es ist dies eine freigewählte, auf der Gemeinsamkeit ber Ideale und Interessen beruhende Zusammen­arbeit, eine Zusammenarbeit bei gegenseitiger

Paris , 27. Oftober. Der Sozialistenführer und ehemalige Ministerpräsident Leon Blum wird morgen in Bourbonne eine Rede halten, in der er auf die heutige Programmrede des Ministerpräsi­denten Daladier in Marseille zu antworten ge­denkt.

Friede, der auf Angst beruht,

Rede Roosevelts kann nicht dauernd sein

Washington, 27. Oftober.( Havas.) Prä- lichen und sozialen Erneuerung dienen sollten, Respektierung absoluter Gleichberechtigung. Dieſe ſident Roosevelt sprach gestern im Rundfunt, einem immer erhöhteren Rüstungswett. Zusammenarbeit richtet sich gegen niemanden.

wobei er u. a. erklärte:

I auf dienen, der notwendigerweise die Verdäch tigungen und Befürchtungen erhöht und die wirt­fchaftliche Entfaltung aller Länder gefährdet.

Jedem, der in diesem Lande von 1918 bis 1938 gelebt un sich mit den Aufgaben, die es den Menschen politisch gestellt, abgemüht hat, er­scheint diese Epoche abgeschlossen, das Buch dieser Geschichtsperiode kann zugeschlagen werden. Viele Vertrauensmänner der sudetendeutschen Sozial­demokratie, welche in den zwanzig Jahren für Volf und Heimat, für Staat und Menschheit ihr Bestes hergegeben, aus lauterſtem Idealismus und Menschenliebe Tag und Nacht geopfert haben, schließen in diesen Tagen ihre öffentliche Wirt­samkeit ab, sie verlassen die Heimat, ziehen in unbekannte Fernen, einem unsicheren Schicksal entgegen. In anderer Umwelt, in anderer Le= benssphäre werden sie leben und wirken und alles selbst getan haben, wird von dem Nebelstreif be­was hier in den zwanzig Jahren geschah, was sie deckt sein, mit dem die Geschichte alles Vergan gene beschattet, nur gleich einem verirrten Sons nenstrahl wird die Erinnerung hier und da eini­golden. Bis die erste Enttäuschung über die trau rigen Geschehnisse der letzten Wochen gewichen sein wird und wenn erst unsere braven tapferen Stämpfer wieder den festen Boden einer Eriſtenz unter den Füßen spüren werden – dann wird

Als ich in München das Herz des deutschen Alle, die die schweren Stunden des vergan­Volkes schlagen hörte, konnte ich mich des Gedan­lens nicht erwehren, der mich übrigens während genen Monats durchlebt haben, können bereits an dem warmen Wunsch der Völker nicht zweifeln, Roosevelt führte sodann weiter aus, daß des Krieges auch in Verdun befiel, daß es zwis schen dem Volte Frankreichs und dem deutschen daß endlich ein dauernder Friede gesichert werde. auch die Vereinigten Staaten gezwungen sind, Das Ziel der Vereinigten Staaten ist heute, diesen ihre Rüstungen fortzusetzen. Unser Ziel, sagte Wolfe trotz aller Schwierigkeiten mächtige Gründe Wunsch zur Festsetzung von Prinzipien zu be Roosevelt , sind gute Beziehungen zu den Nach­gibt, die gebieten, daß die beiden Völker einander nüßen, die einzig und allein die Grundlage eines barn. Wir anerkennen heute, daß die ganze achten und rasch zu einer loyalen Zusammenar dauernder. Friedens find. Es ist immer Welt unser Nach bar ist, aber die beit gelangen. Ich empfand stets einen starken Wunsch nach dieser Zusammenarbeit. Mögen die flarer, daß der Friede, der infolge Ang ft er- Grundsäße guter Nachbarschaft enthalten auch be­stimmte wechselseitige Verpflichtungen: met ich, albei Böller, bie einander so oft auf als ein Friede, der mit den Waffen erzielt wurde. Nämlich den Wunsch, die politiſchen Aenderungen, ges ins Licht rüden und wir hoffen es- ver­Unterschiede des politischen Regimes welche im Bielt wurde, keinen dauernderen Charakter hat den Schlachtfeldern gegenüberstanden, müssen be- Es kann keinen Frieden geben, wenn die Politik die infolge der Aenderung der wirtschaftlichen Bedürfnisse notwendig sind, auf friedlichem Wege greifen, daß in der modernen Zeit der Krieg nie einiger Staaten bewußt Krieg 3drohun. zu lösen, ferner die Achtung vor den Verträgen eine Lösung bedeutet und daß durch eine loyale Ben als ihr Instrument benützt und wenn Millionen Berfolgter, jeglicher und die Ablassung von der Einschüchterungspolitik. Werben men. 2as iſt eine Methode, welche die Bilfe entbehrend, durch die ganze Welt wandern. Man kann nicht die Zivilisation auf militärischer Verständigung der Völker alle Probleme geregelt Erhaltung des Friedens ermöglichen muß. Damit Es kann feinen Frieden geben, wenn die Men­dieser Friede erhalten werde, haben wir Opfern schen nicht frei denten, nicht frei ihr Ge­fühl, nicht einmal ihr Gebet zu Gott äußern zugestimmt.

Bajis organisieren.

Mit alldem, schloß Roosevelt seine Erklä­rung, will ich neuerdings den Glauben des ame­

Daladier betonte zum Schluß, daß er nicht können. Es kann keinen Frieden geben, wenn die die Absicht habe, die sozialen Errungenschaften wirtſchaftlichen Reſourcen, die zur wirtſchaft-| rikaniſchen Volkes an die Demokratie hervorheben.

Ungarische Antwort überreicht

Ungarn beharrt auf der Plebiszitforderung

doch hin und wieder ein Gefühl der Genugtuung in den Herzen der sudetendeutschen Freiheits­fämpfer Platz finden, die in der ganzen Welt verstreut, mit einem naffen Auge an die verlorene

Heimat und die zerstreuten Mitstreiter denken und Gesetze anzutasten, daß jedoch die Arbeiter­werden. Nichts wird in der Welt umsonst getan laffe den Ernst der Lage erkennen und dem höch­-und so habet auch Ihr, die Ihr nun Emigran ften Interesse des Staates und der Nation gehor= ten geworden seid, nicht umsonst gelebt. Eine Zeit wird kommen, die Euer Wirken einschäßen und chen müsse. Es ist notwendig, daß sich in allen Franzosen der Gedanke festige, daß ein gewisser es wird nicht das schlechteste Blatt der Geschichte grundfählicher Umschwung notwendig ist. Das sein, das Kunde von Guerem Leben und Wirken Deutschland Hitlers, das faschistische Italien und Prag , 27. Oftober. Der ungarische Ge- das von einer unstrittigen ungarischen Mehrheit geben wird. Mag der Sturm die Saaten ver­das kommunistische Nußland verbieten auf ihrem Boden die demokratische Propaganda. Das ist ihr fandte in Prag Graf Wettstein de Westerheimb bewohnte Gebiet von der Arbitrage ausgenommen wüsten, es kommt die Sonne wieder, die alles Mecht als souveräne Staaten. Die Republik fuchte heute abends um 18.30 Uhr den Miniſter werde. Sonst nimmt die ungarische Negierung mit zum Reifen bringen wird! Frankreich , deren Geduld vielleicht zulange des Aeußern Dr. Chvalkovsky auf und überreichte Genugtuung zur Kenntnis, daß die tschechoslo­bauerte, wird darüber wachen, um jedes Unter- ihm die Antwort der ungarischen Regierung auf walische Regierung ebenso wie die ungarische müſſen jene leven, die im Lande geblieben sind nehmen unmöglich zu machen, das die Grundfesten die tschechoslowakische Note vom 26. Oktober Regierung von dem Wunsche durchdrungen ist, zu und es muß das Land leben, dessen Freiheit wir bes Vaterlandes antasten möchte, Frankreich ch ist dieses Jahres.

einem aufrichtigen, raschen und vollen Einver­in nehmen zu gelangen.

Die Geschichte wird aber weitergehen, es

verteidigt haben. Es mag manche Tschechen geben. die nicht einschäßen, wie treu wir für Freiheit und

Demokratie gekämpft haben— auch da wird die Nachwelt das Urteil der Mitwelt richtigstellen.

Die ungarische Regierung rcpoſlowatiſche Die Note ber ungarischen Regierung macht und bleibt das Land der Menschenrechte, die von der großen Revolution verkündet wurden. Alle ihrer Antwort dagegen, daß die tschechoslowakische feine Bürger ohne Unterschieb der Herkunft oder Regierung in ihrer Note vom gestrigen Tage kei. einige Anregungen hinsichtlich der beabsichtigten des Glaubens oder der Nasse sind einander vor nen positiven Standpunkt zur Frage eines Ple- Arbitrage. blit, eine mannhafte Demokratie, fähig, gegen Minderheiten eingenommen hat, die angeblich flowakischen Antwort wird ein neuer Beschluß die Voraussetzungen zu einem anderen Leben, dem Gesetze gleich. Wir wollen eine starke Repubiszites der flowakischen und tarpathorussischen Angriffe zu fiegen, die segen fic geri htet werden ein Plebiscit reklamieren. In der Antwort der der tschechoslowakischen Regierung notwendig aber doch zu einem Staat, der für seine Bürger

Zum Zwecke der Vorbereitung der tschecho

Die Tschechoslowakei , in der noch immer Hundert tausende von Deutschen leben, besteht und sie hat

Schuh und Schirm sein kann

und wie wie