Sozialdemokrat tzentralorgan der Deutsche « sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Grscheiut mit Ausnahme de» Manta,»glich früh F Ginzelpr-i» 7V Heller Redaktionu.Verwaltung: PragXII.,Fochova«2- Telephon 5S077- Herausgeber: Siegfried Taub- Duantworüicher Redakteur:«art Kern, Prag 18. Zahrqang Sonntag, 3V. Oktober 1S38 Aus dem Inhalt: Der Eisenbahnminister über aktuelle Verkehrsfragen 15 Todesopfer des Marseiller Brandes Nr. 256 Böswillige Beschuldisunsen Scharfe Sprache dfr Gewerkschaften gegen Daladier Abgeordneter Brödy verhaftet Der abgehetzte Ministerpräsident von KarpathoruBland Prag. 29. Oktober. (Amtlich.) Der stän­dige Ausschuß der Nationalversammlung hat in seiner letzten Sitzung seine Zustimmung zur Strafverfolgung deS Abgeordneten Andrei Stil b V wegen schwerer Delikte gegen die Si­cherheit deS Staates erteilt. Infolgedessen ist Ab­geordneter Brödy verhaftet und In die Haft de» KreiSstrafgerlchteS in Prag ringeliefert worden. Unterhaus Uber FlUchtlinssprobleme London . Der parlamentarische Kor­respondent derTime»" berichtet, daß daS Unter­haus auf Initiative drrLavourparteiin der kommenden Woche daS Werk der Internatio­nalen Kommission in Berlin , die mit der Grenz­festsetzung zwischen Deutschland und der Tsche­ choslowakei betraut ist, sowie dir Lage brr Flücht­linge aus der Tschechoslowakei eingehend erSrtem wird. Venn In Afrika ein Krieg ausbricht... 1 Bedeutsame Trinksprüche In Lissabon Lissabon , 2V. Oktober.(HavaS.) Auf dem Bankett» daS zu Ehren deS in Lissabon wei­lenden KrirgSminister der Südafrikanischen Union , P i r o w, veranstaltet wurde,«rklSrt« dieser auf den Trinkspruch de» portugiesischen Mniflerprä» sidrnten Salazar: Ich erlaube mir die Hoffnung auSzuspre- chen, daß, wenn elneS Tages in Afrika ein Krieg zum AuSlruch kommt, die portugiesisch» Armee Seit« an Seite mit der Armee der Südafrikanischen Union stehen wird." Minister Pirko wird wahrscheinlich auch mit General Franco und den übrigen Repräsen­tanten der spanischen Nationalregierung zusam­mentreffen, um mit ihnen, tvie verlautet, die Be­dingungen einer modernen Kriegführung und na­mentlich die Erfahrungen bei Luftangriffen gründlich zu studieren. Arbitrage über die magyarischen Gebiete durch Deutschland und Italien Prag. (Tsch. P.-B.) Der ungarische Ge­sandte in Prag Graf W e t t st« i n de Wester­heim stattete SamStag nachmittag Außenminister Dr. llhvalkovskh einen Besuch ab und über­gab ihm die Antwort der ungarische» Regierung auf die Note der tschechoslowakischen Regierung. Die ungarische Regierung teilt in dieser Antwort mit, daß sie sich an die Großmächte gewendet Hot, damit diese die Arbitrage in der Angelegenheit der territorialen Acnderungrn zwischen Ungarn , der Slowakei und Karpathorußland übernehmen. Die tschechoslowakische Regierung hat ihrer­seits die beiden Großmächte Deutschland und Ita­ lien ersucht, in dieser Sache die Arbitrage z« übernehmen. 1 Rom , 29. Oltober. Heute von 18 Uhr bi­halb 17 Uhr fand die letzte Unterredung des ReichSaußenminister Ribbentrop mit dem italienischen Außenminister Grafen T k a n o statt. Nach 17 Uhr empfing Außenminister Graf Ciano den tschechoslowakischen Geschäftsträger Dr. Vla­dimir Brauner. Um 19 Uhr verläßt Ribbentrop Rom mit dem fahrplanmäßigen Schnellzug, um zur Berichterstattung nach München und Berlin zurückzukchren. Ribbentrop erklärte den deutschen Pressever­tretern in Rom , daß die Aussprachen mit Musso­ lini und Eiano, in denen alle gegenwärtigen aktuellen Probleme dec europäischen Politik be­sprochen worden seien, im herzlichsten Enwerneh« men jtattgefunden hätten.> Pari», 29. Oktober. (Tsch. P.-B.) Da» Präsidium de» Allgemeinen ArbeitSvertande» er­klärt zu der donnerstägigen Rede de» Minister­präsidenten Daladier , daß die in der Rede deö Ministerpräsidenten enthaltenen Drohungen nicht der Arbeiterklasse, sondern vor allem denen gelten, welche die ihnen zum Ausbau dr» französischen Flugwesen» zur Brrfügung gestellten Milliarden nicht für die Landesverteidigung zu verwenden vermochten. Da» Präsidium de» allgemeinen ArleitSver- Marseille . Die außenpolitisch, De­batte auf dem Kongreß der radikalsozialistischen Partei war am Freitag Nachmittag durch den großen Brand im Warenhaus Nouvrllr» Gottrie» plötzlich unterbrochen worden. Außenminister Bonnet hielt daher erst-m SamStag feine große Rede, die im AuSzug schon am Freitag auSgrge» ien und in der Presse veröffentlicht worden war. Bonnet gab eine eingehende Darstellung der letzten europäischen Krise bis zum Münchener Ab­kommen. Er erklärte u. a., dar Schicksal der Tsche­choslowakei sei von der Widerstandsfähigkeit Frank­ reichs abgehangen, da» an und für sich durch die große Entfernung in feinen AktionSmöglichkeiten stark beengt gewesen sei. Eine wirksame Unterstüt­zung hätte Frankreich nur mit englischer'Hilf« leisten können. Schließlich sei Frankreich nicht» an­deres übrig geblieben, al» sich den Schlichtunglvor» schlagen Lord Runciman» zu beugen. Frankreich , da» den Grundsatz de» SelbftbestimmungSrechte» in sei­ner Geschichte so oft verteidigt hatte, konnte dessen Anwendung nicht verweigern, wenn ein Schlichter, den da» Land angenommen hatte, die freie Ausübung de» Selbstbestimmung-rechte» empfahl... Wir haben uns für territoriale Konzessionen entschieden. Wir wollten aber auch, daß die Tsche­ choslowakei für das schmerzliche Opfer, in wel, che- sie einwilligen sollte, eine Garantie Englands für ihre neuen Gren­ze n erhalte. Nicht ohne Schwierigkeiten haben wir dies von England erreicht. ES bedurfte lan­ger und schwieriger Beratungen der britischen Minister, die sich von den Beratungen entfernten und untereinander darüber diskutierten, ob sie auch Großbritannien in dieser Hinsicht verpflich­ten könnten oder nicht. Der französisch-englische Plan wurde von der Prager Regierung angenommen. Für dir Tschechoslowakei selbst war eS klar, daß dieser Plan das einzige Mittel bedeutete, um zu verhindern, daß Deutschland zur Gewalt greife. Nicht weni­ger klar war cS, daß eine Ablehnung dieses Planes England dazu gebracht hätte, das Inter­esse an der tschechoslowakischen Frage zu verlieren. Bonnet schloß den historischen Teil seine» ExposöS mit der Feststellung, daß durch daS Mün­ chener Abkommen der Friede gerettet wurde. Der Außenminister wandte sich sodann der künftigen Politik deS Landes zu und sagte u. a.: Der Grundstein der Friedenspolitik ist zu­nächst die französisch-englisch» Entente, die Freundschaft Frankreichs und Wie oon unterrichteter Seit« verlautet, ge­hört zu diese» aktuelle» Problem«, der euro­päische» Politik auch daS von Ungarn und der Tschechoslowakei an Berlin und Rom gerichtet« Angebot, die SchiedSrichterrolle in der zwischen Budapest und Prag schwebenden Streitfrage zu übernehmen. Eine negativ« Stellungnahme zu diesem bereit» seit Tagen tu der Oeffentltchkeit ventilierten Angebot wird in unterrichtete» Krei­se» ausgeschlossen, vorausgesetzt, daß beide Par- teien sich im Vorau » zur Annahme de» deutsch­italienische» Schiedssprüche» verpflichten. Di« Verhandlung«, dürsten sofort auf diplomatischem Wege weitergeführt werden, um dem von Buda ­pest wie von Prag geäußerte» dringlichen Wunsch einer rasche» Lösung entsprech»» zu können. iandcö kann aber die verschiedene» böswil­ligen Beschuldigungen in der Rede de» Ministerpräsidenten gegen die Arbeiterklasse nicht ohne Protest lassen. ES geschieht zum erste» Male in der Geschichte der dritten Republik, heißt e» in der Rote, daß ein Ministerpräsident solche Worte gegen die organisierten Arbeiter vorbringt. DaS Präsidium lehnt derartige Pauschalverdäch- tigungrn der demokratischen Arbeiter ab und sagt, daß solche Methoden nurineinemfaschi- stischenRrgime zulässig sind. Englands. Wir müssen diese Freundschaft in Zu­kunft weiter entwickeln und festigen. Aber jen« eit» dieser traditionellen Freundschaft mit Eng­land ist daS Problem unserer Beziehungen zu den andern Ländern gestellt. ES ist nicht möglich, daß die Böller Europas weiter im gegenwärtigen Zustand der Unsicherheit leben. Wir wünschen zwischen Deutschland undFr ank- reich da» Entstehen einer aufrichtigen Zusam­menarbeit und wir wünschen, daß für beide Völ­ker die Furcht vor einem Konflikt auSgeschaltet werde. Zwischen Frankreich und Italien werden soeben normale Beziehungen«.»geknüpft. Wir freuen uns darüber. Wir wünschen weiter, daß die europäische Entspannung sich auch auf Spanien aurdchnen möge. Wir sind über­zeugt, daß eine Regelung de» Konfliktes, der da» Nachbarvolk zerreißt, an dem Tag möglich sein wird, wo alle ausländischen. Freiwilligen zurück« gesendet sind und die Spanier allein einander gegenüber stehen. Dann wird in wirksamer Weise eine Schlichtung unternommen und der Friede wiederhergestellt werden können. Die» sind die großen Linien des Planes, auf dem sich unsere Diplomatie aufbauen muß. In einer solchen Konzeption ist nichts enthalten, was mit der Verbundenheit Frankreichs zu allen seinen Sondersreundschaften unvereinbar wär«, mit der Sowsetunion insbesondere, ebenso wie mit Polen , Rumänien , Jugoslawien und mit Belgien . Vertrauensvontum für Daladier Marseille, 29. Oltober. Der radikale Kon­greß hat heute abend» um 18 Uhr seine vier­tägige Tagung abgeschlossen und mit allen gegen zehn Stimmen die Schlußresolution angenom­men, in welcher e» heißt: Rach den tragischen Ereignisse», welch« daS Land durchlebt hat, bringt der Kongreß dem Ministerpräsideuten und der Regierung sein vol­le» Vertrauen und seine Ergebenheit zum Ausdruck. Er billigt voll ihre Außenpolitik eine« Frieden» in Würde und ihre Innenpolitik in republikanischer Ordnung. Er billigt voll ihr mutige» Streben nach Erneuerung der Arbeit »nd der Achtung vor ihr. Er bedauert, daß diese» für da» Heil der Ration unerläßliche Werk de» Frieden» und der Arbeit durch den Standpunkt der Kommu­nisten, durch unbesonnene Gesten sogenannter Nationaler und durch gewalttätige Angriffe offe­ner Gegner der Republik bedroht»der erschwert wurde. Er konstatiert, daß die kommunistische Par­tei durch ihre Agitationen im Land« und durch die Schwierigkeiten, welche sie allen Regierungen feit dem Jahr, 193« bereitete, sowie durch ihre ag­gressive Opposition und durch die Schmähkam­pagne in den letzten Monaten die Solidarität, welche sie mit den übrigen Parteien der Bolls» gemeinfihaft verband, gebrachen hat. Der Kom­teß beauftragt seine Delegierten in der Sitzung per' BolkSgemrinkchast diese Trennung be­kannt zu geben. Der Kongreß empfiehlt ferner, fein» bisherige Mehrheits.Wahlsystem zu ändern und durch da» System der verhältnismäßigen Vertretung zu er­setzen. Der Kongreß erwartet, daß die Regierung verschiedene Maßnahmen zur Besserung der wirt­schaftlichen und finanzielle» Lage de» Lande» in demokratische» Geiste durchführe» wirb. Rückzug hinter die Maginot-Linie Der gegenwärtig in Marseille ftattfindciidr Parteitag der Radikalsozialistischen Partei Franl- eichs, dessen Ablauf durch eine» Ricsenbrand ge­kört wurde, hat Aufmerksamkeit nicht nur inner­halb der Partei und de» Landes, sondern weit über Frankreich hinaus erweckt, weil die dort ge­haltenen Referate ebenso die Politik der Radikal« sozialistischen Partei wie diejenige Frankreich » icstimmen. Gehört doch der französische Mini- kcrpräsidcnt der Partei ebenso an wie die wich« iigsten Ressortminister und die Tatsache, daß die Radikalsozialisten nur eine Minderheit in der ranzösischen Kammer sind, beeinträchtigt die Be-, deutung der Verhandlungen de» Parteitage» von, Marseille nur wenig, weil e» der Regierung Daladier bisher vor allem nach den Mün­ chener Vereinbarungen gelungen ist, sich für ihre Politik die Mehrheit der Kammer zu sichern« Die Referenten auf dem Parteitag haben sich sowohl mit der inneren, wie auch mit der aus­wärtigen Politik Frankreichs beschäftig:. Den Schlüssel zur französischen Innenpolitik liefert augenblicklich die Lage der französischen Staatsfinanzen. In dieser Hinsicht war, wa» der französische Ministerpräsident Da­ ladier in seiner Marseiller Rede vorgebracht hat» ebenso aufklärend, wie es für alle Freunde Frank­ reich » erschreckend war.- Wie der Ministerpräsident sagte, betragen die StaatSauSgaben de» Landes ür das nächste Rechnungsjahr 102 Milliarden Francs, welchen Ausgaben Einnahmen von nur üü Milliarden gegenüberstehen, so daß sich ein Fehlbetrag von öS Milliarden ergibt. Wa»«ine Ausgabenziffer von 102 Milliarden bedeutet, geht erst daraus hervor, daß das gesamte Bolls­einkommen Frankreichs 220 Milliarden beträgt» so daß die Ausgaben eines Jahres fast die Hälfte de» gesamte» Nationaleinkommens beanspruchen. Da» ist sicher auf die Dauer ein unmöglicher Zu- tand und e» bleiben nur zwei Wege offen: ent­weder werden die Ausgaben kleiner oder da» Nationaleinkommen wird größer, das heißt, ent­weder schränkt Frankreich radikal seine Ausgaben ein und reorganisiert seine Verwaltung oder-S muß mit allen Kräften bestrebt sein, die Ergie­bigkeit seiner Wirtschaft zu fördern. Das erfor­dert schon die Rücksichtnahme auf die Währung bei der bekannten Sparsamkeit des Durchschnitts- ftanzosen ist die WährungSsrage von großer Be­deutung, eine Erschütterung der Währung würde eine Gefährdung der Lage der französischen Sparer bedeuten, wa» von unabsehbaren poli­tischen Folgen begleitet sein könnte. Die großen Ausgaben nun, Ivelche Frank­reich aus dem Gebiete der Staatsfinanzen und seiner Wirtschaft gestellt sind, werden in ihrer Durchführung auch sonst von sozialen Folgewirkungen begleitet sein. Die Ne­gierung Blum hatte insbesondere in ihrer ersten Amtsperiode ein großes Gebäude sozialer Refor­men aufgebaut und das nachgeholt, was bürger­liche französische Regierungen durch Jahrzehnte versäumt haben. Die Herstellung des Gleich­gewichte» im französischen Staatshaushalt Ivird naturgemäß die bürgerlich orientierte Negierung Daladier und die französischen Rechtsparteien dazu verleiten, den Gesundungsprozeß in einem Abbau der Sozialpolitik zu suchen, das heißt in einer Beseitigung sozialer Reforme.,, einer Ver­längerung der Arbeitszeit und einer Herabsetzung der Lebenshaltung der arbeitenden Bevölkerung. Da» kann soziale Kämpfe zur Folge haben, welche nicht ohne innerpolitische Auswirkungen bleiben können. Die französische Sozialdemokratie würde, wenn die Regierung Daladier die sozialen Re­formen des Jahres 198« abzubauen versuchen sollte, diesem Bestreben entgegcntreten, was einen j Bruch mit der Radikalsozialistischen Partei und da» definitive Ende der Volksfront bedeuten würde. Das Bündnis zwischen Radikalsozialisten, Sozialdemokraten und Kommunisten, welche» zu dem großen Erfolg bei den letzten Wahlen geführt hat, ist ja ohnehin schon durch den Trennungs­strich, welcher auf dem Marseiller Kongreß zwi­schen den Radikalsozialisten und den Kommunisten gezogen wurde, ins Wanken geraten. Was dieauSwärtigePolitik Frank­ reichs betrifft, so wird man e» verstehen, daß der Ministerpräsident ebenso wie der Außenminister den Vertrag von München verteidigt haben. Diese Rechtjertiggng tzex jravzöjischen Außenpolitik in Der deutsch -italienische Schiedsspruch Ribbentrops Verhandlungen in Rom beendet Bonnets Rechtfertigung Berufung auf Runcimans Schiedsspruch