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" Ja sehr schlimm!" feufzte sie.

Aber dann ist Deine Ruh wohl zu Hause..." " Ja, wenn's nur so wäre, aber wir haben keine Kuh mehr. Sie stürzte im vorigen Frühjahr!"

Sie sagte das mit erwachender bitterer Schadenfreude. Er sah sie erstaunt und zweifelnd an, als wollte er sagen: ,, Aha, steht die Sache so!" Aber dann fügte Johann schnell hinzu: " Da seht Ihr ja das eine Horn davon." Er zeigte ihm das Wurmborn, das an einer Schnur neben der Thür hing.

Das war nun eine Enttäuschung! Ter Exekutor hatte Ordre aufzuräumen, so daß der Landhändler die Stube ordentlich aus gefehrt fand, wenn er tam, um das Seinige einzutreiben. Und er hatte sich darauf eingerichtet, die Kuh im Vordersteven mit sich heimzuführen; er hatte noch ein Paar alte Auktionsgegenstände das zu, drei Ziegen und einen Kupfertessel.

Der Lensmann fab sich in der Stube um; hier war nicht grade viel zu holen; das meiste waren zerlumpte Ueberbleibsel und total werthloses Gerümpel! Das sah mißlich aus; hier war schon vor­her ausgefegt" worden.

Ein Sechsruderer mit dazu gehörenden Rudern, Segeln und Geräthschaften" schrieb er in sein Protokoll.

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Tobias'jens Boot!" hohulachte die Frau mit funkelnden Augen, mit dem er weit draußen auf dem Meer segelt. Das werdet Ihr wohl nicht friegen!"

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Der Arm des Gesetzes reicht weit, Frau!" Er schrieb und schrieb.

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Endlich war das Exekutionsgeschäft zu Ende. Es war, als wenn ein Mühlstein von Martha Malvina's Brust fiel.

Dann räusperte sich der Lange mit dem Wollshawl und erhob sich, und die beiden Zeugen erhoben sich mit ihm. Er nahm ein Papier aus dem Protokoll heraus.

Sie faltete andächtig die Hände, so lange er vorlas; aber was es war, begriff sie eigentlich erst, als er darauf zur Verdeut­lichung und Erklärung begann:

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Das heißt so viel, als daß Ihr Euern Kontrakt gebrochen habt und zum Ziebtag ausziehen müßt. Infolge mangelnder Erlegung der Pacht im dritten Jahr," fügte er mit stärkerer Stimme hinzu, da sie keine Antwort gab.

Ihr wurde in den Knien schwach, so daß sie sich auf den Schemel setzen mußte. Die Stube begann um sie zu tanzen; es war, als wenn sie im nächsten Augenblick alle zusammen draußen auf dem Schneehügel sigen würden! Ihr Herz begann laut in ihrer Brust zu klopfen, wie das eines Thieres, das das Messer sieht und ge­schlachtet werden soll.

Ab und zu glühte es in ihren Augen auf; sie biß die Zähne zusammen, um nicht überzukochen und loszubrechen; denn es fragte sich noch, ob sie die Ziegen mitnehmen würden.

Andres saß mit dem Kleinsten abgewandt an der Mauer und weinte, und allmälig legten auch die andern, der Reihe nach, los. Plötzlich erhob sie sich. Sie stand mit zusammengepreßtem Munde da und sah zu.

Als der Exekutor das Tintenfaß vom Tisch nahm, brach sie in ein Hohngelächter aus:

Worüber lacht Ihr, Weib?"

Sie wollte wissen, rief sie, wie weit sie den Menschen treiben fönnten! Und ob es nicht Recht und Gesetz gäbe- außer für den

Lensmann und Landhändler?

Recht und Gesetz!... Seid Ihr die Summe vielleicht nicht schuldig?"

Ha, ha, ha! schuldig?" schrie sie außer sich. Den Gidervogel plündern sie nur dreimal aus... Nehmt uns doch gleich auch das

elende Leben!"

Still, still, Frau! Redet nicht irre! Damals, als Ihr Euch gleichsam in die Armenkasse hinein verheirathet hattet, da flang es nicht so! Ihr hättet Euch vorsehen sollen, ehe Ihr in das Unglück hinauswatetet!"

Als der Lensmann vom Landungsplatz abfuhr, ragten zwei von den Ziegen mit ihren Hörnern hoch im Vorderschott hinaus und meckerten nach dem Lande hin. Die dritte, die sie zurückgelassen hatten, meckerte wieder auf dem Berge zu ihren Kameraden hinüber.

Wenn es ein wahres Wort ist, daß es dünne Weihnachten im leeren Haus giebt, dann wurde es nun so für Tobias den langen Schwarzen Winter hindurch.

Einen Ausweg mußte es ja geben, daran zweifelte er nicht. Aber gestern hatte auch nicht ein Fisch draußen vor der Kje spite angebissen und so hatten sie denn davon gelebt, daß Malvina etwas Mehl und Salz im Topf zusammenrührte, und ein paar Schluck Ziegenmilch den drei Kleinsten gab.

Tobias lag in dem oberen Bett, das fest an der Wand stand, mit einem kleinen dreijährigen, unruhigen, schwarzäugigen Mädchen im Arm. Die ganze Nacht grübelte er darüber nach, daß er fieben Kinder unter allerhand Felldecken und Ueberkleidern ringsum in der Hütte herumliegen hatte und die elende Frau mit ihrem Säugling an der Brust!

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Die Kleine schob sich immer wieder mit dem Rücken an seiner Brust empor. Aber wenn sie nun am, Morgen erwachte, wenn die ganze Schaar erwachte, und die Frage nach Essen entstand von der armen Martha Malvina, die dort lag und halb im Traum das Kleinfte zu beruhigen suchte, bis auf all' die Großen ja, was follte dann geschehen?... ( Fortsetzung folgt.)

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Kleines Feuilleton.

Bildung und Besitz im Wiener Gemeinderathe. In N. Fr. Pr." findet sich eine Zusammenstellung von Aus­sprüchen früherer und jetziger Gemeinderaths- Mitglieder. Die Rede­blüthen stammen von Liberalen und Antisemiten, von wohlhabenden, reichen und sehr reichen Leuten. Hier sind sie:

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Nennen wir die Gasse Petrarcagaffe", es is ja so nur a ganz a elendiges Gassel. Was liegt denn dran? Was? Tillygasse wollen Sie die Gasse nennen? Und Sie wollen liberale Bürger sein? Wissen Sie denn nicht, daß dieser Tilly der Urheber der sizilianischen Vesper gewesen ist? Diese Frage liegt wie erotischer Block schon seit vielen Jahren in der ein zweiten Sektion. Ich sag' Ihnen, meine Herren, diese Akten durchzuftudiren war eine wahre Viechsarbeit. Nur ein Fachmann Wenn die Schulen erst in der Neuzeit hat sie bewältigen können. gut geworden sind und die Kinder erst in den letzten paar Jahren was Ordentliches gelernt haben, dann sind Sie ja lauter Gsel! In Gott's Namen! Wenn Sie auf das Desinfiziren was halten, so schütten Sie halt a paarmal hunderttausend Gulden in die Kanäle. Nutt's nichts, so schadt's nichts! Und wenn ich auch damals nirgends dabei war, stolz bin ich Meine doch darauf, daß ich ein Achtundvierziger bin. Herren! Ich sag' es noch einmal, daß die bestehenden Leichenkammern unzurechnungsfähig sind. Der Mann hat sich durch todesverächt liche Tapferkeit ausgezeichnet, und als er starb, seine Frau als Es hat so viel Deprimirendes, die Armen­Wittwe hinterlassen. büchsen einzufammeln, auch findet man oft den Schlüssel nicht dazu. -Die Wagen fahren dort nicht nur her und hin, sondern auch hin und Wie kann ein Referent Anträge stellen, wenn er nicht her. uniformirt( informirt) ist? Wir haben das Recht, zu verlangen, daß ein Referent doch mindestens uniformirt sei. Das Eine müssen Sie wenigstens zugeben, meine Herren, daß die Beschorner'schen Särge die gesündesten sind.- Unser Pflaster ist so schlecht, daß ein Welchen Nachtheil das Loch dem anderen die Hand reichen kann. vorzeitige Schlachten für die jungen Kälber hat, brauche ich nicht auseinanderzusetzen. Meine Herren, in einer vierstöckigen Schule ist es ebenerdig viel finsterer, als in einer dreistöckigen. Wir haben Fälle erlebt, daß es in vierstöckigen Schulen so finster war, daß die Schüler Brillen aufsetzen mußten, um lesen zu können.

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Eine Dr. Eisenbart Kur. In einem alten holländischen Medizinbüchlein aus dem 16. Jahrhundert finden sich, wie man der Tägl. Rundsch." schreibt, die folgenden Rezepte: Sobald ein Mensch durch einen tollen Hund gebissen worden ist, muß man ihn in ein volles Wasserfaß werfen, in welchem man zuvor vier Hände voll Salz herumgerührt hat. Man taucht den Gebiffenen neuu Mal so tief unter, daß man nichts mehr von ihm sieht und wäscht ihn schließlich gut ab. Alsdann wird er nicht toll werden. Oder man läßt den Gebissenen einen Eierkuchen essen, in welchen ein Stückchen Papier eingebacken ist, worauf die folgenden Worte stehen: Y Ram Qvi Ram Cafram Cafratrem Cafratrosque".

Schulzustände in Portugal . Als vor einigen Monaten ein Regierungskommissar das Schulgebäude von Junqueira, im Kirch­spiel von Oliveira de Azemeis, inspizirte, berichtete er darüber, daß der Zimmerboden vollständig durchnäßt und verschimmelt sei, da das Dach keinen Schutz gegen den Regen gewähre, daß die Wände nicht geweißt und voller Löcher seien u. s. w., und verlangte schließ­lich schleunigste Reparatur, damit das Gebäude seinen Zweck er­füllen könne. Trotzdem scheinen sich die Schulverhältnisse nicht gebessert zu haben; denn neuerdings macht ein Schreiben des unglücklichen Lehrers die Runde durch die Presse, in dem wir den Schulmann mit dem Regenschirm bewaffnet Klasse halten sehen, während seine Schüler sich in den landesüblichen Strohmänteln präsentiren, um den Un­bilden der Witterung Troy bieten zu können. Der Klageruf des Lehrers schließt mit den Worten: Während ich diese Zeilen nieder­schreibe, ist alles in der Schule mit Wasser bedeckt. Der Regen, vom Sturme gepeitscht, geht mit gleicher Gewalt im Innern des Gebäudes nieder wie im Freien, und wenn ich versuchen wollte, diesen Brief im Schulraum zu schreiben, dürfte sich dies als unmög­lich erweisen, da nicht nur die Stühle und der Tisch vollständig durchnäßt sind, sondern auch überhaupt kein trockenes Pläßchen im ganzen Haus zu finden ist. Trotzdem habe ich morgen mit meinen Der Schul 74 Schülern fünf Stunden lang Klasse zu halten". patron scheint ein Agrarier zu sein..

Theater.

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Das Gastspiel der französischen Schauspieler hat im Lessing Theater am Montag begonnen. Es ist nun nichts Neues mehr, daß französische Schauspielertruppen Berlin be= suchen. Herr Antoine hat den Anfang gemacht und diesmal steht Herr Antoine, der Gründer der Freien Bühne in Paris , geistig wenigstens im Mittelpunkt der Gesellschaft. Die Rundreise der Franzosen betitelt sich freilich nach Madame Marcelle Joffet, einer Französin, die in Petersburg wirkt; allein Antoine hat als Regisseur die Proben geleitet und das Ensemble geschaffen.

Und auf das Ensemble muß man diesmal achten. Denn es sind nicht Künstler ersten Ranges, Schauspieler von besonderer Quali fikation, die zu uns herübergekommen sind. Auch Frau Joffet, der " Stern" der Gesellschaft, ist teine Schauspielerin großen Stils. Aber die französischen Durchschnittsbegabungen sind so tüchtig erzogen, daß insbesondere die Aufführung von Maurice Donnay's