„Mauika" hatte über Schmerzen geklagt und sich in ihremBette unruhig hin und hergeworfen.„Meine lieben Kleinen! meinelieben Kleine»!" hatte sie gerufen; dann hatte sie plötzlich die Augengeschlossen, als wenn sie schliefe und war ganz still geworden...Aber Mamka schlief nicht, sie war todt. Sie wird nie wiedererwachen und sich nie wieder erheben.--An der Lichtung des Waldes kam ein Muschik in einem Leiter-wagen an ihnen vorübergefahren. Er fuhr langsam, dann drehte ersich wie zufällig um, hielt sein Pferd an und wartete auf Prov unddie Kinder.„Du kommst vom Kirchhof, Prov„Ja. vom Kirchhof!"„Sie ist begraben?"„Ja, begraben!"„Die Aermste!... Setz Dich! Ich werde Dich nach Hausefahren!"Unentschlossen blieb Prov stehen. Dann hob er Petka in dieöhe, setzte ihn in den Wagen und nahm selbst nebe» Paragukalatz. Das Pferd zog an.„Welch schreckliches Unglück!" rief der Muschik, sich den Halskratzend und die Mütze über die Augen ziehend; dann peitschte erauf das Pferd los, ohne zu wissen, warum.Prov schwieg und blickte mit düsterer Miene um sich.„Ja, Bruder, es ist Gottes Wille!" sagte der Muschik vonneuem und schob mit einer Haudbewegung die Mütze zurechl.„Du willst Hol, hole», Sila?"„Ja, ich will Reisig sammeln. Der Winter ist zu hart, manbraucht viel Feuerung."Er steckte seine Pfeife an, that ein paar Züge, spie ans undgab sie dann Prow.„Was seblte ihr?"„Sie hatte es innerlich."„Meine Frau ist auch krank gewesen. Vor ungefähr einemMonat. Ich bin zum Apotheker gegangen, und er hat mir ei»kleines Fläschche» gegeben, davon ist sie gesund geworden."Prov wandle sich ab.„Was erzählt er da?" stand i» seinemGesicht geschrieben; als wenn der Apotheker dazu etivas könnte!"„Die Kinder sind daran schuld!" sagte der Muschik.„Wieso?"„Wegen der Kinder, sage ich, sind die Babas(Frauen) krank."Prov schmieg.„Es ist wohl eher der Hunger," dachte erbei sich.Sie hatten die Mitte des Waldes erreicht. Rechts und linksbreiteten große, niit Schnee bedeckte Fichte», ihre Zweige aus. DerSchnee ging dem Pferde bis zum Bauch; und der Wagen sankmehrmals ein. Auf einem kleinen Hügel erschien eine alte, halbzerfallene Jsba. Prov stieg vom Wagen herab, nahm Petkaherunter und wandte sich der Jsba zu, nachdem er dem Muschik«inen flüchligeu Gruß zugerufen. Paraguka folgte Hinterdrei».--Es war düster und traurig in der Jsba. Rur mit Mühedrang das Licht durch das einzige Fenster; in kleine» Strahle»fiel es auf die kleinen Holzstückche», die von dem Sarge abgefallenwaren und aus der Erde lagen; an zwei Haken hing eine Wiege.—in der ein einjähriges Kind weinte. Paraguka wiegle das Kleine,doch das Kind schrie noch immer.Die Schatten wurden düsterer.In dem entgegengesetzten Winkel bemerkte man an einemschlecht zusauimengehauenen Tische die hohe Gestalt Prov's. Er saßda, die türme ans den Tisch gelehnt und mit den Fingern in seine»dichten, schwarzen Haaren ivühlend. Sei» langer, schwarzerBart zeichnete sich deutlich von der weißen Oberfläche des Tischesab. Seine großen, boshaften Augen waren ziellos in das Leeregerichtet.Woran dachte er?Aus seinem düstereu Gesicht konnte man schwer etwas heraus-lesen.Wer den Waldhüter kannte, konnte ihn sich nicht anders vor-stelle». In der Umgegend nannte»m» ihn: den Manu der Wälder.Und in der That verdiente er nach seinem Lebe», das er fast voll-ständig im Walee verbracht hatte, ohne jemanden zu sehen, diesenTitel mit recht. Alle beklagten die arme PraSkovja, als sie ihnheiratbele und alle prophezeiten ihr ein ebenso kurzes als Unglück-liches Dasein. Und so kam es auch; die junge, kräftige Frau wurdeplötzlich, ohne Ursache, krank und starb. Prov war ein großerTrunkenbold; man behauptete, daß er im berauschten Znstande seineFrau dänsig schlüge, und jeder wußte, daß Prov kräftige Fäuste halte.„Schla— a— f, mein Kindlein schlafe!" summte Paraguka undbemühte sich, Waßjuia einzuschläfern. Das Kind schrie»och immer.Prov schlug mit der Faust auf de» Tisch.„Stecke ihm doch etwas in den Mund. Wo ist der Lutsch-beutet?"Paraguka suchte de» Lutschbeutel und fand ihn bald.„Es ist kein Brot mehr darin."Prov zog die Schublade des Tisches auf. nahm ei» letztes StückBrot heraus und warf es seiner Tochter zu, die sich beeilte, dasBrot zu kauen, es in den Lutschbeutel legte und diese» dem Kindein den Mund steckte.Man hörte i» der Dunkelheit«in gieriges Lutschen. Das Kindschwieg. Paraguka setzte sich aus ihren Scheinet neben der Wiege;das war ihr geivöhnlicher Platz, seitdem die Mutter sich ins Bettgelegt hatte. Pelka legte sich in einem Winkel bei dem Ofen nieder.Tiefe Stille herrschte. Mau hörte nur noch das Knabbern derMäuse und den Wind, der im Schornstein heulte.Endlich erhob sich Prov, richtete sich zu seiner vollen Höhe aufund warf einen Blick auf die Wiege. Alles ivar ruhig auf dieserSeite. Paraguka schlief jedenfalls; Petka that das gleiche. Nurging er in den Winkel und nahm den Sarafan(Mantel) seinerFrau, der dort an einem Nagel hing.Der Sarafan war noch nicht allzu schäbig; auf jeden Fall gabman ihm einen halben Liter dafür; ja, er hatte schon lange Durst,und zwar großen Durst. Trinken! Ja, trinken! Daran hatte erschon auf dem Kirchhofe gedacht, aber er hatte kein Geld; jetztbrauchte er nur den Sarafan zu verkaufen, und die Frage war schnellund einfach gelöst.Das waren Prov's Gedanken, als er den Sarafan prüfendhin- und herwandte. Plötzlich schoß ihm etwas unangenehmes durchden Kopf, gerade, als wenn das Gewissen in ihm gesprochen hätte.Er erinnerte sich an die Kinder, die vor Hunger umkamen. Schnellthat er eine Bewegung, um den Sarafan wieder an seinen Platzzu hängen; aber sofort kehrte er wieder zu seiner erste» Absichtzurück; rasch, mit einer dumpfen Wuth machte er ein Packet undsteckte dasselbe in die Brust.„Aber Brot! es ist ja kein Brot da!" sagte er sich von neuem,als er schon auf der Schwelle stand.Rasch kehrte er um, bückte sich und zog unter der Bank dieSchuhe seiner Frau hervor.„Das ist für Brod!" lächelte er in sich hinein. Auf jeden Fallkann sie keiner mehr tragen. Wer braucht sie denn jetzt?... Unddie Nacht gehört mir... Es sind drei Werst von hier bis zumDorfe; die habe ich bald zurückgelegt...Ich will trinke»! Ja, ich will trinken! Aber tüchtig!...Ach, was kümmert mich alles andere!... Doch, ich muß die Kindereinschließe», damit ihnen nichts zustößt!"Er fand das Vorlegeschloß, verließ die Jsba, verschloß sie zwei-mal, und ging, von dem Gedanken, er werde trinken, entzückt, durchdie düstereu Schatten der Fichten dem Dorfe zu.---Ein Strahl des Mondes fiel durch das Fenster. Die Leinen-decke, die über die Wiege gebreitet war, erschien wie ein weißerFleck.In dem Schweigen der Nacht vernahm man das regelmäßigeAthmen der Kinder.Plötzlich fing der Kleine zu weinen an.„Paraguuschka!" rief— so kam es dem kleinen Mädchen imSchlafe vor— die schwache Stimme der Mutter—„Paraguuschka,wiege das Kind!"Paraguka erwachte, setzte sich auf und lauschte...Das Kind weinte. Man hörte nur sein Schreien; kein Husten.keine Seufzer... Sie streckte die Hand nach dem Ueberbett ausund betastete dasselbe; es war leer.Nun eriinierte sie sich... Mamka im Grabe, die Kirche, dieKerzen, der Dust des Weihrauchs, der alte, kleine, graue Popemit den mageren Händen, und dies gräßliche tiefe Loch...„Todt!"Einen Augenblick fühlte sie sich wie niedergeschmettert, aber derSchmerz war stärker, als der Schreck. Ihre Auge» füllte» sichwieder mit Thränen, und das salzige Naß floß ihr die Wange»herab. Aber vor Furcht, der Vater könnte sie hören und wiederausschelten, verbarg sie ihr Gesicht in dem Bettstroh und weinte,weinte lange Zeit... Dabei schaukelte sie aber mit einer Handdie Wiege, denn das Kleine schwieg noch immer nicht...Vom Weinen müde, verfiel sie endlich in einen liefen, schwerenSchlaf, in dem rasch aus einander folgende Träume sie schreckten.Vl eines Feuilleton.— Aus Kant:„Zum ctvigc» Frieden!"„Daß Königephilosophire». ober Philosophen Könige würde», ist nicht zu er-warten, aber auch nicht zu wünschen, weil der Besitz der Gewalt dasfreie Urtheil der Vernunft unvermeidlich verdirbt."—~—„Schiinhcitöbädcr". Reiche, faule Weiber haben in Pariseinen Klub gegründet, um ihre Schönheit zu konserviren. DieterKlub ist eigentlich«in Badeklub. Die Bäder sollen»ach alten, be-rühmten Rezepten hergestellt werden, z. B. aus Eselsmilch, in dersich die Königin Jsabella von Bayern mit Vorliebe badete. DemSaft von Melonen, Rosenwasser, Mekka- Balsam, den man in dieBäder giebl, rühmt man einen sehr wohlthuenden Einfluß ans dieHaut nach, da er diese zart und sammetweich mache. AromalischeKräuter mit Salz vermischt, � wie es Marie Antoinelteliebte, auch«ine Zusammenstellung von Majoran, Thy-mian. Reis und Gerste, wird man zweifellos im neuenBadeklub zu bereite» verstehen. Gewisse Frauen sind inder Wahl ihres Bades von jeher inehr oder weniger exzentrisch ge-wesen. Marie Czewertinowska. die„Freundin" Kaiser Alexanders I.von Rußland, ließ� jeden Morgen ein Faß Malagawein in einesilberne Wanne schütten; das Bad der Niuon de l'Enclos bestandaus Milch, lauwarme», Regenwasser, Soda, Salz und drei PfundHonig, und die Madame Tallien, die wührnd der groben Revolutioneine hervorragende Rolle spielte, ließ ihr Bad aus 20 Pfund Erd-beeren und zwei Pfund Himbeere» herstellen, die zu einem Brei zer-drückt und dann mit Wasser und Milch gemischt wurde». DieseBäder werden nun wieder Mode und sollen den Mitglieder» desKlubs je»ach Wunsch geliefert werden.—