Anterhaltungsblatt des Vorwärts
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Nr. 30.
Donnerstag, den 11. Februar.
( Nachdruck verboten.)
Jakob der Lehte.
Eine Waldbauerngeschichte aus unseren Tagen. Von Peter Rosegger .
Da, leset!" der Fremde überreichte den Bogen. " Oh, zum Lesen was," sagte der Waldstuber, ich kann nicht lesen,"
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So! na, das ist ja wieder einmal recht erfreulich." Mein Vater hat immer gesagt, der Bauer kriegt nicht viel Schönes zum lesen, er sollt's lieber gar nicht lernen." „ Stenerrückstände!" brummte der fremde Herr, denn es war der Steuerbote aus Krebsau.
" Hab' mir's gedacht," murmelte der Bauer, hab' mir's gleich gedacht. Wie viel denn?"
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Fünfundzwanzig Gulden dreiundneunzig Kreuzer." " Oh, wie so denn?" fuhr der Bauer erschrocken auf. Und fünfzehn Gulden einundfünfzig Kreuzer Zuschläge." " Ei, doch nicht, doch nicht!" rief der Bauer entsetzt. " Wacht zusammen einundvierzig Gulden vierundvierzig Kreuzer, welcher Betrag binnen drei Tagen bei sonstiger Pfändung im Steueramt zu bezahlen ist."
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Der Guldeisner fällt.
1897.
Unten an der Sandach, wenn man gegen Sandeben hinausging, das letzte Haus hieß der Steppenhof. Es war der statta lichsten eines in Altenmoos. Es hatte ein großes Gehöfte, welches aber zum theil leer stand. An der glatten Wand des Hauses, deren Zimmerbäume nicht mit Aeyten behanen, sondern mit der Brettersäge geschnitten worden, waren große längliche Fenster mit hellen Glastafeln, blau angestrichenen Balfen und Fensterkreuzen. Es hatte große Stuben, wovon eine sogar mit Eschenholz ausgetäfelt, braun und mit rothen Falzrändern bemalt war. An der äußeren Seite der Thür stand oben als schlauer Herbergsspruch:" Herr, bleib' bei uns, denn es mill Abend werden!" an der inneren Seite, gerade über dem Weihbrunngefäß, war zu lesen:" Heute zahlen, borgen morgen," worunter allerdings ein Gast mit Kreide die Verbesserung angebracht hatte: Heute borgen, zahlen morgen."
Der Steppenhof war nämlich ein Wirthshaus. Er hatte ja ursprünglich, wie jedes andere Haus zu Altenmoos, seine Felder, Wiesen und Waldbestände gehabt, aber weil er gar se nahe am Wege stand und so bequem am Wasser, so war allmälig ein Wirthshaus daraus geworden. Da mußte der Stepper bei den Gäften fizzen, oder in anderen Wirths häusern zu Sandeben selbst Gast sein, damit die Wirthe ge= Der Waldstuber schwieg, ging aber mit über dem Rücken legentlich wieder bei ihm einkehren sollten. Und so ward gelegten Armen rasch die enge Stube auf und ab, einmal vor lauter Wirthlauter Wirth- und Gastsein der Baueruwirthschaft das eine, einmal das andere Kind mit den Füßen von sich vergessen. Also gab's im Steppenhause nun Apfelmost, stoßend. Branntwein und sogar zwei Gattungen echten Traubenveines, " Himmel gottverflucht!" stieß er plötzlich hervor und wovon die eine Gattung der Ordinari", die andere„ der begann ein schauderhaftes Schelten und Wettern gegen die Beffere" genannt wurde. Jeden Gast, der Wein verlangte, Bauernabtrenner und besonders gegen den Steuerboten, der fragte der Wirth: Einen Besseren?" und wenn das ja zu manches scharfe Wort schon gewohnt, verblüfft stillschwieg und zuhörte.
,, Kann ich dafür?" versetzte er endlich. Glaubt Ihr, es ist mir ein Vergnügen, zu den Nestern im Gebirg herumzutlettern und Grobheiten einzustecken? Ich habe Kinder da heim, wie Ihr, aber schaut sie einmal an, ob sie so gefund und vollwangig sind, wie die Euren. Wir vom Amt sind die selben armen Teufel, wie Ihr oder ärmer! ärmer! Die Boshaften von uns haben wenigsten den Trost, daß sie andere ums Geld bringen können."
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meist von den sparsamen Altenmoosern verneint wurde, so hatten diese sich alle Schuld selber beizumessen. Judeß hatte selbst der Ordinari" feine weiteren Untugenden, als daß er eben ehrlich sauer war. Auch Eierspeise und Kaffee konnte man haben beim Steppenwirth, und an Sonn- und Feier tagen Hammel-, Hafen- oder gar Schweinsbraten. Einer oder der andere der guten Altenmooser saß in der Wirthstube und trant, rauchte oder„ duselte". Wenn's zu Hause Verdruß gegeben, war es hier höllisch fein zu sitzen. Und wenn zu Hause alles gut ging, sah mancher nicht ein, warum er sich nicht ein „ Höllvermaledeite Zustände das!" schrie der Waldstuber, Seidel gunnen" solle. War ein vortheilhafter Bichhandel und sein Haar sträubte sich auf, und seine Wangen waren abgeschlossen, so saß sich's wie angegossen am Ahorntisch. erdfahl, ich hab' das Geld nicht. Ich muß Wiehl kaufen, und hatte einer Holz oder Hafer verkauft, so war daß wir was zu effen haben, den Kindern Gewand kaufen, gewiß die trockengeredete Kehle aufenchtungsbedürftig. Auch den Arzt bezahlen, das Steueramt soll warten. Jch lap gab es in Altenmoos Quartal- Lumpen; das waren solche, bitten!" setzte er kleinlaut bei. welche monatelang brav zu Hause blieben und arbeiteten, wenn sie endlich aber einmal ins Wirthshaus kamen, dann hockten sie tagelang darin fest, schliefen den einen Rausch auf der Ofenbant aus und tranten den anderen am Tische, bis ihr Geld, ihre Sackuhr und oftmals auch ihr Hock verthan war. Dann kehrten sie heim, und war ihnen wieder wohl auf ein Vierteljahr.
Der Bote schüttelte die Achseln. er, der Kloiber- Franz in Sandeben so, ist gestern vergantet worden."
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Nichts zu machen ,,, fagte hat auch so geredet, just
Der Bauer schlug zum Boten gewendet die Hände zu sammen und rief: Seid Ihr denn nicht auch Menschen?" " Wie fo?" fragte der Steuerbote. Wir sind Staatsbeamte."
Und der Staat?"
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ist kein Mensch."
Der Teufel hol's!" schrie der Bauer.
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In diesem Augenblicke trat der Waldmeister Ladislaus ein, um zu sehen, worüber denn hier so scharf gestritten würde. Als er die Sache begriff, und er begriff sie bald, fagte er lächelnd zum Waldstuber:" Du mußt heute andächtig zu Deinem Schutzengel gebetet haben."
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Warum das wieder?" fuhr der Bauer, der sich gehöhnt glaubte, drein.
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An den Sonntagen Nachmittags waren die drei Tische der Gaststube stets voller Leute. Der Stepper hatte seine weiße Schürze umgebunden, sein grünes Sammtkäppchen auf die Kopfglaze gestülpt mud fein Gesicht zu einer behaglichen Gemüthlichkeit auseinanderzogen da war der Wirth fertig. War er bei Humor, so brachte er allerlei Sprüchlein und Schaltheiten vor, mit denen er bisweilen andere, öfter aber sich selbst verspottete. So fagte er: Nachbar! hautschlechter Mensch! Für Dich ist das frisch Wasser viel zu gut, Du mußt heute Steppenwirths Wein trinken, damit Du Deine Sünden abbüßeft." Oder: Nein, Brüderl, gesoffen wird nicht, aber trinken, so viel Du magst." Dder: Müller, Schneider und
Weil er Dir einen Retter schickt zu rechter Beit," sagte der Waldmeister, und hielt ihm seine Brieftasche hin: Da Wirthe werden nicht gehenkt, sonst ginge das Gewerbe leer drinnen find Deine fünfhundert Gulden."
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Der Bauer trat erschrocken einen Schritt zurück und starrte auf die Ledertasche, die der Waldmeister vor ihm hinhielt.
Nimm's nur," sagte er freundlich, nimm's, es gehört Dir. Der Kampelherr schickt Dir's für Dein Haus und Grund." Igilid
Jn Gottesnamen!" sagte der Waldstuber und nahm das Geld. D Da war er fremd in dem Hause seiner Bäter.
aus." Oder:" Geh', gunn Dir ein Stündel Raft bei mir, beffer müßig gehen, als nicht arbeiten." Wenn einer seinen Rock auszog, fo eilte der Stepper dienstfertig herbei und sagte: „ Laß mich dazu. Das Leutausziehen können wir Wirthe am besten."
Der Dreisam tommt, ein braver Mann, Christenheit ausgenommen!" Mit diesen Worten grüßte er an unjevem Sonn tage den Genannten, der heute langsam, mie unentschlossen in die Stube trottete. Was magft, Dreifam?"
Heut' fragft Du mich umsonst, Wirth," sagte der Ein