than haben, wenn es einen Toast ans das Kaiserreich gegolten hätte. Ich wünschte, Cigarren zu kaufen. Der Brigadier be- zeichnete mir einen Laden in der Nähe. Ich begab mich ganz allein hin, ohne Handschellen. Die Verkäuferin ahnte nicht, daß ich ein Gefangener war— ich fühlte etwas wie Stolz. Als ich auf die Straße trat, erwartete ich, mindestens einen Gendarmen vor der Thür zu finden— es war niemand da. Ich sah mich um und entdeckte den Brigadier, der mir den Rücken kehrte und sich nicht rührte. Starke Versuchung! Gleich zu meiner Linken war eine Straßenecke, und es war Nacht! Warum das Glück nicht versuchen, den Sprung ins Unbekannte wagen? Ich that es nickt und habe es hinterdrein bitter bereut. Mir fehlte die Erfahrung des Gefangenen. Die Volksvertretung, dachte ich, würde sich bald auflösen, die Gefängnisse würden sich leeren; eine solche Krisis könne nicht lange dauern. Es fehlten mir Zeitungen, und falsche Berichte nährten meine Illusionen. Ich kehrte zu meinem Gendarmen zurück, der nicht das mindeste Mißtrauen zu erkennen gab. (Fortsetzung folgt.) «4s Jakob dev Uetzke. Eine Waldbauerngeschichte aus unseren Tagen. Von Peter Rosegge r. (Schluß.) Im Gottesfrieden. Jakob legte sich in derselben Nacht wohl zu Bette, aber die Lider sanken ihm nicht. Am nächsten Morgen, als der Guldeisner im Hofe umher- stolperte und knurrend nach dem Reuthofer fragte, um ihm noch einmal zu sagen, daß er ein dummer Bauer sei, war der Jakob nicht zu finden. Ter alte Sauertopf, dem die Welt heute lange wieder nicht so drollig vorkam als gestern bei dem Apfelwein, mußte unverrichteter Sache weiter ziehen und den„dummen Bauern" in seinem eigenen Kopf verschimmeln lassen. Der Jakob war auch nicht zu finden, als der Ratz die Ochsen an den Pflug spannte, um damit auf die Herbstbrache zu fahren. Der Jakob that, als wäre auch heute noch Feier- tag, er strich an den Rainen hin, ging in den Schachen und auf die Au und wieder zurück am Rain, die Hände hatte er am Rücken und das Gesicht hielt er zu Boden gewendet. Voller Temuth in Freud ' wie in Kummer! Um die Mittagszeit saß er auf dem Steinbaufen und schaute sinnend den tanzenden Mücken zu. Zwischen dem Ahorn und dem Sauerdorn quer durch fiel ein Sonnenstrahl und in demselben tummelte sich kreisrund ein Mückenschwarm. Ein kaum hörbares Summen war, sonst alles in tiefster Ruh'. Ueber der Gegend lag ein blauer wässeriger Sonnenäther, durch den die Bergzüge nur in blassen Umrissen schimmerten und der jeden Augenblick bereit schien, sich in Herbstnebel zu verdichten. Ueber einige Bergkänime wälzten sich in der That bleigraue Nebelhallen herein.— Kein Luflhauch, kein Vogel- sang, kein Zirpen der Heimchen. Daß es gar so still sein mag in solchen verlorenen Herbsttagen! Gar so herz- beklemmend still! Der Natz sah den Jakob sitzen und ging hinauf. Ist Dir was, Bruder?" redete er ihn an. Der Jakob überhörte die Frage. „Ist's nicht, daß wir die Ochsen aus die Eicht(Futtcrweide) treiben sollen? fragte der Natz. „Die Ochsen verkaufe ich," antwortete der Jakob. „Und spannen wir Zwei uns nachher selben an den Pflug?" „Der Pflug kann stehen bleiben," sagte der Jakob. „Was soll denn das werden?" fragte der Natz. „Ich reise nach Amerika, " antwortete der Jakob. Der Natz blickte diesen erschrocken an und wußte lauge nicht, was da zu sagen war. „Bruder Jakob," sagte er endlich ganz weich und zärtlich. „Du gefällst mir nicht die letzte Zeit her. Du sollst einen Arzt fragen." ' Da las ihm der Jakob den Brief vor und als dieser zu Ende war, saß der Natz mit gefalteten Händen da und war ganz blaß. „Ich reise hinüber," sagte der Jakob. Der Natz saß da mit gefalteten Händen. Eine lange Weile so, dann räusperte er sich und sagte:„Jakob, wenn D>» ins Amerika gehst— dort wirst nit lang leben." „Ich will ja nicht dort bleiben. Ich will nur meine Leute herüberholen in das Alteumoos." „Herüberholen? Das müßte man wohl gut überlegen. Etwan geht es ihnen drüben besser als uns herüben. Dort geht's aufwärts, bei uns geht's abwärts." „Und ich hole sie doch herüber," sagte der Jakob.„Es ist eine Schickung Gottes. Es kann nicht sein, daß das Alten- moos ganz sollt' zu gründe gehen müssen, es kann nicht sein." „Wenn ein Gott im Himmel ist, so kann er Dein festes Glauben und Vertrauen auf Altenmoos nicht zu schänden werden lassen," sprach der Natz. „Es ist ein Gott im Himmel!" sagte der Jakob. Der Natz war still. Sein Auge richtete sich auf das Feld hinaus. Dort mitten im reifen Haferfeld graste ein Reh. „Pst! Bruder, rühr' Dich nicht!" flüsterte er mit gehobenem Finger. Unten im Hofe mußte es auch schon bemerkt worden sein. Von dort herauf schlich hinter den Büschen niit gekrümmtem Rücken der Ferdinand und brachte das Schußgewchr. „Ist es geladen?" fragte der Jakob, nach der Flinte langend. „Scharf," sagte der Ferdinand und hastete wieder hinter den Büschen davon. Der Jakob schlich an. Am Feldrain ließ er sich auf ein Knie nieder, richtete das Rohr zwischen den Halmen durch auf das Thier, welches ahnungslos im Hafer stand und die Rispen von den Halmen biß. „Halt!" rief es vom Erlenstrauch her.„Bauer, jetzt Hab' ich Dich!" Der Waldmeister Ladislaus kauerte dort und fuhr mit dem Schafte seines Toppelstutzeus gegen die Wange. Der Jakob hielt seine Flinte fest und als er sah, daß gegen ihn gezielt wurde, wendete er sein Rohr. „Das Gewehr weg!" schrie der Waldmeister. „Thust Du's, so thu ich's auch," antwortete der Jakob und blieb in seiner Stellung. „Das Gewehr weg oder ich brenne Dich nieder." „Ich wehre mich," sagte der Jakob und beide Feuerrohre waren gegeneinander gerichtet. „Reuthofer!" rief der Oberförster,„es ekelt mich. Dich zu tödten und ich rathe Dir gut. Mein Gewehr hat zwei Läufe!" „Das meinige hat einen," entgegnete der Jakob und sein Auge hatte einen seltsamen Glanz. „Ergieb Dich!" „Lieber sterben!" sagte der Jakob; hart an seiner Wange pfiff die Kugel vorüber— er drückte los. Mit einem gellen- den Schrei sprang der Waldmeister Ladislaus aus— und stürzte mitten im Gebüsche zu Boden. „So. Jetzt bin ich fertig," sagte der Jakob, warf die Flinte weg und faßte mit beiden Händen sein Haupt, als ob er es vom Rumpfe reißen wollte.—„Mörder!" Mörder!" schrie er mit greller Stimme.„So muß es enden! Zum Ge- richt! An den Galgen! S o muß es enden!" Jetzt war auf bebenden Füßen der Natz herbeigeeilt, um den davoustürnieuden Jakob zu halten. Dieser versetzte ihm mit der Faust einen Schlag und Hub an zn springen— zu springen wie ein verfolgter Hirsch. Am Rain sprang er hin, am Feldhaug sprang er hin, über die Matte sprang er ab- wärts gegen die Waldschlucht. Der Natz eilte ihm nach und rief:„Jakob! Jakob! So bleib' doch stehen, ich bin ja der Natz." Jener blieb nicht stehen. An den Ufern der Sandach— einmal am rechten, einmal am linken, oder auch mitten im Bache — liefen sie dahin. Noch sah der Natz den Fliehenden zwischen Busch und Baum, bald entschwand er ihm und der Alte brach endlich vor Erregung und Erschöpfung zusammen. Nach einer Weile kam er wieder zu sich.„Ist es?" fragte er sich,„oder ist es nicht? Der Jakob hat den Wald- meister erschossen."— Er raffte sich auf, um dem Flüchtling neuerdings nachzueilen. Zwischen Haselnußgebüsche mußte er sich winden, zwischen Erleustauden, zwischen Himbecr- und Bronibeersträucher. Sand- und Steinhalden kamen und auf dem Sande die Spur eines Menschenfußes. Der Natz rief und rief nach dem Jakob, bis er heiser war. Und schritt weiter und wankte und schritt weiter. Große Felsblöcke, von den Bergen niedergebrochen, lagen in der Schlucht und waren von Wildfarren und Schierling umwuchert. Die Augen des Ray suchten, ob er nicht irgendwo sitze. Jetzt galt's den Steinwall zu überklettern, der Alte lhat's, dann kam der stille Grund,
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14 (19.3.1897) 56
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