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unglückliche Rind sah sich vollständig mittellos. Damals verschaffte| sie ist sonst ein so liebes Kind!... Na, übrigens, das hat sie mit ihm sein Onkel Hubert Grivet eine Stelle im Ministerium. sich auszumachen.

Der Onkel Grivet hatte glücklich spekulirt, nun war er reich Herr Raysbach kann noch lange so fortsprechen, ohne eine und hatte zugleich mit seinem Vermögen einen gewiffen Einfluß Unterbrechung zu befürchten, Bater Grivet denkt nicht daran, gewonnen, den er zu gunsten seines Neffen geltend machte. ihm etwas zu antworten.

Doch that er dies nicht aus Wohlwollen zu Jean, persönlich fümmerte er sich herzlich wenig um ihn, es war ihm ungelegen, daß sich ein Grivet in offener Nothlage befände, er fürchtete, dies tönne feinem Ansehen schaden und ihm Aerger verursachen, deshalb verwendete er sich für seinen Neffen.

Sobald Herr Hubert Grivet Jean dem tiefsten Elend entriffen, glaubte er genug gethan zu haben und vermied gefliffentlich, seinen Neffen wieder zu begegnen. Letterer sprach zu wiederholten Malen bei seinem Onkel vor, besonders um ihm zu danken, dann, als er niemals angenommen wurde, schien er zu begreifen und ging nicht mehr hin. Dieses offenkundige Zurückziehen seiner Verwandten tränkte ihn mehr, als er sich eingestehen wollte. Er hätte ebenso gern seinem Onkel eine tiefe Zuneigung bekundet, wie seiner hübschen Cousine, der kleinen Geneviève.

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Seit jener Zeit bemüht sich Water Grivet, nicht mehr an seine Familie zu denken: wenn sie seine Liebe und Dankbarkeit ver­schmäht wenn sie nichts mehr von ihm hören und wissen will schön!... dann wird er sie eben auch vergessen!... Das sagt er und glaubt er und denkt ohn' Unterlaß au sie. Der arme Junge hat ja niemanden, den er lieb haben kann! Er ist zu arm, um zu heirathen; er sieht sich verdammt, allein in seiner Dach­tammer zu leben, ohne daß seine Gedanken einen Augenblick bei einem geliebten Wesen weilen könnten.

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Zuweilen trifft es sich, daß er auf der Straße seinen Onkel und seine schöne Cousine Geneviève begegnet. Dann Klopft ihm das Herz zum Zerspringen, er läuft nach der anderen Seite der Straße, geht auf dem Trottoir weiter und sieht ihnen lange nach. Er denkt nicht daran, ihnen böse zu sein. Das Unglück hat ihn nicht bitter gemacht, ja er sucht sie zu entschuldigen, indem er sich allein an allem die Schuld giebt: wenn sie ihn sehen würden, be­grüßten sie ihn gewiß, er aber wollte nicht gesehen werden, denn er ist dürftig gekleidet, er würde sich schämen... Water Grivet blickt melancholisch auf seinen dunklen fadenscheinigen aber ordent­lich gehaltenen Ueberrock! Armes Kleidungsstück!

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ist so abgenutzt, daß es in Stücke gehen würde, wenn ein einziger Faden risse.

Wenn der Subalternbeamte am Tage seinen Onkel oder seine Cousine getroffen hat, kehrt er abends noch trauriger als gewöhnlich gestimmt in seine Mansarde zurück und fühlt sich verlassener denn je. Sein Herz kann sich von den schlechten Menschen, die von ihm

nichts mehr wissen wollen, nicht losreißen.

Jede Woche bringt ihm Herr Raysbach, ein alter Freund seines Baters, Nachrichten über die Familie Grivet; der Unglückliche hört es nicht gern und doch ist er nicht zufrieden, wenn er nicht diesen Besuch regelmäßig erhalten hat.

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Herr Raysbach bemerkt dies wohl und wundert sich auch nicht sonderlich darüber, nur fürchtet er schließlich einen vertraulichen Herzenserguß. Um dieſem auszuweichen, steht er auf und ver abschiedet sich.

Bater Grivet bleibt lange, den Kopf auf die Hände gestützt; bisher hat er alles willig erduldet, alles ertragen; jetzt zum ersten Male lehnt er sich dagegen auf. Jit es etwa nicht genug, daß man ihm die Thür verschlossen hat, daß sein Onkel über ihn erröthet und seine Verwandtschaft verleugnet; nein, Herr Hubert Grivet verheirathet seine Tochter, ohne auch nur daran zu denken, ihm, dem Sohne seines Bruders, Mittheilung davon zu machen!. Ein Fremder muß dies thun! Aber er hat ja nicht einmal das Recht, sich zu beklagen, ist er denn nicht seinem Onkel zu Dank verpflichtet? Den Subalternposten, der ihn vorm Verhungern schüßt, verdankt er dem Bater Geneviève's! Gewiß, er weiß genau, daß man ihm diesen Knochen nur zugeworfen hat, um ihn loszuwerden; diese Ueber­zeugung entbindet ihn aber nicht einer Art von Verpflichtung, unter der er schwer leidet. Am liebsten würde er alles, was er von dieser Familie, für die er nicht mehr existirt, erhalten, weit von sich werfen. Der bloße Schein empfangener Wohlthaten lastet auf ihn und erdrückt ihn! Geneviève heirathet einen alten, franken, häßlichen Menschen; fie will Gräfin werden, ficher wird sie unglücklich werden, aber

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er beklagt sie nicht, sie soll thun, was sie will.

Bater Grivet ist ein anderer geworden, er fühlt sich jeder zärt. lichen Regung, jedes Mitleids unfähig; man hat ihn betrogen, nun liebt er niemand mehr. Das verächtliche Schweigen seiner Vers wandten hat ihn kurirt.

Als der arme Subalternbeamte eines Morgens ins Ministerium kommt, findet er einen Brief auf seinem Schreibtisch, er wirft einen Blick auf die Adresse, erkennt die Handschrift und erbleicht. Dann zerreißt er das Couvert und lieft langsam die folgenden Zeilen: Paris  , den 3. November 1880.

Mein lieber Junge!

Ich bin unserm Freunde Raysbach böse, er hat mir das Ver gnügen, Dir die Hochzeit Deiner Cousine Geneviève mit dem Grafen anzuzeigen, genommen. Uebrigens bist Du auch ein wenig Schuld daran, wenn Du Dich nicht so selten machtest, würdest Du Man sieht durch uns allein diese gute Nachricht erhalten haben. Schicksal anklagen, das unsere Wege nie zusammengeführt bat. Dich aber nicht. Na, darüber muß man sich trösten und das Die Feier findet in der St. Augustin- Kirche pünktlich um 12 Uhr mittags Freitag den 13. November statt. Und nun auf Wiedersehen, lieber Junge, ich wollte Dir teine gedruckte Anzeige schicken und zog es vor, Dir persönlich zu schreiben, um Dir wieder einmal einen Beweis von der wahrhaften Zuneigung Deines Onkels zu geben. Hubert Grivet.

( Schluß folgt.)

Kleines Feuilleton.

Herr Raysbach ficht Hubert Grivet alle Tage; gemeinsame Inter­essen führen die beiden zusammen. Dieser Mann hat viel Hoch­achtung und Freundschaft für Jeau; doch würde er es nie über sich gewinnen, zu dessen gunsten zu sprechen. Die kleinste Unbequemlich­feit schreckt ihn ab, seine Ruhe ist ihm viel zu lieb, als daß er je etwas beginnen würde, was ihm Unannehmlichkeiten bereiten könnte. Man hat ihm keine Vertraulichkeiten gesagt, Sarüber ist er entzückt, ie. Eine genaue Messung der Fluggeschwindigkeit wilder er will nichts wissen, das ist viel bequemer. So kann er bei dem Enten. Die Geschwindigkeit des Vogelfluges ist im allgemeinen Onkel wie bei dem Neffen mit einem Freimuth glänzen, der ganz nur nach Schätzungen bekannt; es ist ein höchft seltener und gewiß nach seinem Geschmacke ist. Uebrigens hat Bater Grivet nie verwerthvoller Fall, wenn dieselbe einmal mittels genauer wissenschaft­sucht, ihn zu behelligen, ganz im Gegentheil. Glücklich lauscht er den Worten Haysbach's und wird nie müde, jenem zuzuhören, wenn er von Geneviève spricht. Das Kind, so scheint es, ist herangewachsen; sie ist jetzt ein großes junges Mädchen von achtzehn Jahren. Wie doch die Zeit vergeht! Bater Grivet erinnert sich noch, wie er sie einmal in der Rue de la Paix ge­troffen hat. Damals hingen ihr die Lockenhaare auf die Schultern herab, eine hübsche Puppe trug sie unter dem Arm, wahrhaftig, es ist ihm, als ob es gestern gewesen wäre und doch sind zehn Jahre darüber vergangen.

Eines Morgens kommt Herr Raysbach früher als gewöhnlich ins Ministerium und geht direkt in das Bureau Vater Grivel's. Dieser arbeitet und sieht ihn nicht eintreten.

Bist Du einen Augenblick zu sprechen? fragt ihn Raysbach, indem er ihn mit der Hand leicht auf die Schulter tlopft.

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Ich stehe Ihnen natürlich zur Verfügung. Was ist denn geschehen? ruft der alte Beamte mit erstaunter Miene. Was fagst Du zu der großen Neuigkeit?

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Zu welcher Neuigkeit?

Zu der Heirath Deiner Cousine, Donnerwetter! Geneviève heirathet?

Ja... wußtest Du es denn nicht?

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Nein, stammelt der arme Mensch. Im ersten Augenblick wird man mich offenbar vergessen haben, sehen Sie, man wird es mir später mittheilen... und, wen heirathet sie denn? Herrn von X einen Adligen. Sein Titel ist das einzige Verdienst, das er meines Wissens nach besitzt. Dieser Herr ist über fünfzig Jahre alt, er leidet an unzähligen Gebrechen und ist abscheulich häßlich. Die Kleine nimmt ihn augenscheinlich nur, um Gräfin zu werden. Schade! die hätte etwas Besseres verdient,

licher Instrumente festgestellt werden kann. Dies geschah an einem Dezembertage des vorigen Jahres zufällig auf dem Meteorologischen Observatorium auf dem Blauen Hügel( Blue Hill) bei der Stadt Boston   in Amerika  . Man beschäftigte sich auf dieser Station wie auf vielen anderen in dem letzten Jahre mit der Messung der Höhe und der Geschwindigkeit von Wolken; es waren zu diesem Zwecke an zwei etwa 21/2 Kilometer auseinander gelegenen Punkten Theo­doliten aufgestellt, an denen zwei Meteorologen für die Wolkens postirt waren. Plötzlich kreuzte eine lebendige beobachtung Wolfe, nämlich ein Schwarm wilder Enten, die Be= und zufällig zufällig benutzten beide Meteorologen obachtungslinie, Die Gelegenheit, gleichzeitig Meffungen anzustellen, aus denen sowohl die Höhe als die Geschwindigkeit des Fluges berechnet werden fonnte. Die Höhe betrug 958 Fuß über der unteren Station, über die die Enten hinflogen; die Fluggeschwindigkeit ergab sich zut 761/2 Kilometer pro Stunde, also gleich der Geschwindigkeit eines tüchtigen Schnellzuges. Dabei ist noch in Rechnung zu bringen, daß der Wind sehr schwach war( nur 3 Kilometer pro Stunde) und aus Nord wehte, während die Enten aus Nordost kamen.

Thenere Münzen. In London   wurde dieser Tage die Montagu'sche Münzsammlung versteigert. Dabei wurde eine Tetras drachme der ersten Ausgabe Alexanders des Großen, von der beute nur noch zwei andere Exemplare bekannt sind, auf 49 2. 10 Schilling getrieben. Eine freisförmige Medaille mit dem Bildnisse desselben Herrschers brachte 31 2. Eine filberne Tetradrachme von Agrigent  ging zu 15 2. 10 Schilling ab, und Syrakuser Tetradrachmen gingen auf 16 2., 15 2. 5 Schilling und 17 2. 10 Schilling, eine silberne Syratufer Dekadrachme von Euoinetos auf 30 2., eine zweite auf 23 2. 10 Schilling. Ein Goldstater von Philipp II.  wurde zu 12 2. 10 Schilling und ein goldener Doppelstater vou Alexander dem Großen zu 14 2. 10 Schilling zugeschlagen.-