Anterhaltungsblatt des Vorwärts
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Nr. 65.
Donnerstag, den 1. April.
( Nachdruck verboten.)
Ein alter Streit.
"
1897.
Dir einfallen- daß wir noch' n Bostwagen umschmeißeten und Menschenleben auf'm G'wissen hätten will i denn „ Scht! Jesus , feid's doch nit so dumm- an, daß kei Unglück passirt. Der kriegt nachdem noch a gut's Trinkgeld dazu und lacht sich ins Fäuftl."
Roman aus dem bayerischen Volksleben der sechziger Jahre dös? Wann wir fertig sind, geht einer hin und zeigt's von Wilhelmine v. Hillern.
Schnee.
' s heißt ja, wir kommen in Bann!"
"
Wer sagt's?"
"
" Ja, a Trinkgeldhöhnt ein andrer, den sie den Hiesel nennen, wannst ebba3 anstellt, daß sich einer' n Har'n verstaucht, oder thuft' n ung'schickten Fahrer mit'm Messer, daß - nachd' kriegst a Jahr Zuchthauswannst aber' n ganzen Eisenbahnzug rett 'st mit alle Passagier drin, nachd' ist's Dei verfluchte Schuldigkeit g'wesen und kannst Dir tei Halbe Bier dafür kaufen!"
" Der Pfarrer hat's heut den Feiertagsschülern ankünd't,' s a bißl schweißt daß wir's wissen."
„ Das wär' nit aus-"
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" Ja, morgen kommt der Hirtenbrief und wird er verlesen wer jetzt noch treibt, der ist Ah bah, solang der Brief uit verlesen ist " 3'Müntcha ist er's ja schon! Drum hat's g'sagt, daß nix mehr g'schieht, jetzt sind wir verwarnt uns danach richten."
am Sonntag schon drin!" gilt's nit." der Pfarrer und können Woher nit gar, dös kunnt' a jeder sagen, der Pfarrer droht halt-!"
nach."
Naa, a Telegramm hat er kriegt und der Brief tummt
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" Ah was, solang wir' n nit mit eigene Ohren g'hört haben, geht uns dös nig an!"
So viel ist g'wiß, was g'schehu soll muß bald
g'schehn."
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Amal, jedenfalls vor der Brief verlesen ist-" So geht ein leises Gemurmel wie das Rauschen einer Es zwischen Felsen erstickten Brandung durch den Raum. ist eng und heiß auf dem qualmigen Tanzboden", wo die Flüsternden versammelt sind.
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#!
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Der Tanzboden ist ein unbenützter abgesperrter Speicherraum, ohne Treppe, mit einer Fallthür und nur über eine Leiter erreichbar. Die festgeschlossenen Läden und ein großer alter Rachelofen, der heuer zum ersten Mal wieder angeheizt ist und dicke Rauchwolfen herausbläst, machen schon an sich heißdann und wann spritzen fuisternde Funken aus dem Ofen und müssen mit den schweren Nagelschuhen ausgetreten werden, daß die Sohlen brenzlig riechen.' s Bier ist warm alles schlecht und nun auch noch diese Nachricht! Die steigt den Leuten zu Kopf, daß ihnen die Schläfen pochen und die Kehlen trocken werden. Jetzt, was thun-?"
Wir wissen nig wir wollen nig wissen."
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" Dadrauf kommt's nit an," rügt der Habermeister;„ die Hauptfach ist die, daß wir unser G'wissen rein halten-" " Ja freilich, ja freilich, was anders woll'n wir ja auch etliche nit. Aber so ganz schlecht wär' der Vorschlag nit Tag wär' halt doch die Postverbindung abg'schnitten und wir hätten Zeit g'womne!"
"
-OO
Das ist eine heikle Sach', die braucht wohl überlegen-!" sagt der Habermeister topfschüttelnd.
Dmei! Ueberlegen und mit lauter Ueberlegen kommen wir z'legt zu gar nir!"
"
Wenn sich der Marlrainer bis jetzt so dagegen g'wehrt hat ändert er seine Meinung über Nacht auch nit. Wir müss'n halt ohne ihn z'thun komme!"
" Ja, ja" murmeln die übrigen leidenschaftlich durch, einander, und was sie nicht mit Schreien auslassen dürfen, sammelt seine Kraft um so mehr im Innern. Wann er nit derbei sein will, na soll er's bleiben lassen!"
"
Ruhi bitt' Euch!" mahnt der Habermeister. Wir fönnen ohne sei Zustimmung nig machen in der Sach'! Ihr wißt's, was der Marlrainer für a Hiziger ist! Der ist im stand, aus Zorn geht er hin und zeigt's an, daß wir alle mit'nand' aufs G'richt kommen!"
"
Dös kann er nita Haberer, der sein Eid bricht- dös giebt's nit!"
"
Er hätt' ja tei Stund' kein Ruh' mehr vor uns- auf Kind und Kindeskind!"
"
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bis
und' 3 Aber jedermann draußen giebt ihm recht wird heißen, wir sind gottlose Leut, daß wir den Bub'n zwingen woll'n, da mitz'thun!"
Dös woll'n mir ja nit-" unterbricht ihn einer.„ Wer
Was fümmert uns das G'schwät von die Feiertags- verlangt denn, daß er selm derbei ist? Er soll's blos nit
Schüler."
"
Wir warten den Hirtenbrief ab."
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" Nein, grad den warten wir nit ab da müss'n wir die Sach schon vorher loslassen."
Können wir denn, wenn der Marlrainer- Graf nicht mitthut" sagt ein großer schöner Mann, der bisher geschwiegen, mit überlegener Ruhe aber in seinen Augen blißt es düster auf, als sie über die Versammlung hinschweifen:" Wir können ja tein' Beschluß fassen, wenn einer fehlt."
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Aber Habermeister! Seit drei Wochen ziehen wir jetzt an der G'schicht' rum ob oder nit- jezt haben wir richtig ' rum- ob so lang g'macht, bis wir noch in' n Bann' neinkomme und exkommunizirt werd'n," schreit ein Hiziger ungeduldig und schlägt mit der Faust auf den Tisch.
Stnit so laut!" rügt der Habermeister; wannst D' nit still reden kannst, na mußt tei Haberer nit werden. Wir können nur b'sonnene Leut' brauchen, die sich in der G'walt haben und a Sach' heimlich betreiben, bis' s losgeht nachher kannst schreien, so viel D' magst!"
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Währenddessen haben ein paar vorsichtig ausgeschaut, ob niemand in der Nähe auf der Hausflur oder unten in der Wirthsstube war, der die laute Rede gehört hätte aber alles ist in Ordnung.
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Ein plumper Bursche mit verwegenem Ausdruck zupft seine Nachbarn am Aermel:„ Wenn wir den Hirtenbrief aufhalten kunnten?"
Ja, wie dös?"
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Uebermorgen ist Sonntag wenn wir uns drüber macheten und heut Nacht a Brucken zwischen Bichl und Penz berg abrissen nachher funnt morgen früh d' Post nit durch und keine Brief bringe
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" Du Sakramentslump, Du, so was Schlecht's fann nur
hindern und andre Leut' ihr Recht lassen!"
"
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"
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„ Er wird's aber hindern erwidert der Haber meister. Er hat's g'jagt, er laßt's nit angehn! Und kei Christenmensch kann ihm das verübeln in dem Fall!" " Freili, freili!' s wär' ja gegen' 3 vierte Gebot-!" " Drum eben sollten wir's heimlich thun, ohne daß er's inne wird nachd' trifft ihn keine Schuld!" raunt der Hinsel andern zu.
dem
wir
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Wenn ich Euch doch sag', daß er mir droht hat, bald das hinter seiner thun, steht er für nix-!"
Und derweil tönne wir uns von dem alten Ruach sei'm G'söff vergiften lassen," meint einer, der eben sein Halbetrügl von sich schiebt.
"
Wir sollen halt noch anmal die Anzeig' beim Bezirksamt gegen ihn machen!"
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Ah mei Bezirksamt! Na schicken s' wieder a Rom mission wie die vorig, und derweil kriegt er Wind, wie selb's, mal, und schütt'' n ganzen Sud aus, daß drei Tag lang alle Bäch' nach Bier schmecken und wenn d' Kommission kummt, da ist alles voller Hopfen, daß' s a Freud' ist und d' Herbstzeitlosen sind wie vom Erdboden verschwunden! Ein solchener, Reicher- der hat ja überall seine Leut' an der Hand- wie wollt's denn so ei'm beikomme-!"
" Da muß ma sich selber helfen! Was anders gibt's nit!" " Und was is's nachd' weiter? Drin in der Stadt, da dürf'n d' Bürger und d' Bauern mitrichten und amten, da haben's d' Schöffen und G'schworene eing'führt, weil sie' s ohne ' s Volk doch nimmer mach'n tönnt' haben und wir hier, wir soll'n nit richten und mitreden?"
"
Wir sind grad so g'scheit, wie die drin, wir sind unsre eignen G'schwornen und können so gut Schuldig sprechen wie die!"