Anterhaltungsblatt des Vorwärts
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Nr. 71.
Freitag, den 9. April.
( Nachdruck verboten.)
1897.
mahnung von vor drei Jahren das heutige Schreiben, welches ia hiemit zu Eurer Kenntniß zu bringen den hohen Auftrag Wir Gregorius,
Ein alter Streit. Roman aus dem bayerischen Volksleben der sechziger Jahre habe."- Er lieft:
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Die Musik ist heute extra schön. Das Kyrie und Gloria sind vorüber, aber niemand hört d'rauf. Die Kirchthüren mußten offen bleiben, weil man die Menge, die sich darunter staute, weder herein noch heraus schieben konnte.
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durch Gottes Barmherzigkeit und des heiligen apostolischen Stubles Guade, Erzbischof von München- Freising 2c. 2c. entbieten" folgen die üblichen Prämilinarien.
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3u Unserm tiefsten Schmerze mußten Wir es erleben, daß Unser oft und eindringlich gegen den argen, öffentlichen Frevel des Haberfeldtreibens erhobenes, oberhirtliches Wort von einem, wenn auch nur kleinen, Theile der Bevölkerung Unserer Erzdiöcese hartnäckig überhört oder geradezu verachtet wird.
Jetzt endlich ist der Moment gekommen, wo der Geistliche auf die Kanzel steigt. Wie eine heiße Wolfe umfangen ihn da oben die aufsteigenden Dünfte der eingekeilten Massen. Auch ihm glüht der Kopf und die Aufregung zwingt ihn doch, ein paar Sekunden Athem zu schöpfen. Seit tausend Jahren" Wir sehen Uns darum genöthigt, Unseren Mund neuerist er der erste, der an dieser Stelle das Veto der höchsten Ge- dings zu lauter Klage über ein Verbrechen zu öffnen, das, walt gegen Gewalten einlegen soll, die so lang mit dem Schein indem es nicht nur Zucht und Ehrbarkeit verletzt und Eigeneines alten Rechts ihren Terrorismus geübt, durch nichts ein- thum und Leben bedroht, sondern auch im hartnäckigen Trozze geschränkt als den angeborenen braven und rechtlichen Sinn gegen die von Gott gesetzte Obrigkeit sich auflehnt und insdes bayerischen Volks. Was daraus wird, wenn an stelle dieser besondere den fortwährend erneuerten Mahnungen und Bitten freiwilligen Beschränkung, die sich ja bei den Leuten nicht des Oberhirten beharrlichen Ungehorsam öffentlich entgegensetzt, absprechen läßt, plötzlich eine Beschränkung von außen die Grundpfeiler der christlichen Gesellschaft anzugreifen fich tritt? Ob unter der aufgedrungenen äußeren Disziplin erdreistet.
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diese Verantwortung trifft ja nicht ihn sondern seine
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nicht die bisher geübte Selbstdisziplin verloren geht? Es„ Wir beklagen es namentlich aufs tiefste, daß christliche ist einmal ein Kampf, der heraufbeschworen wird, und Eltern ihre kaum dem Knabenalter entwachsenen Söhne von niemand kann sagen, ob die Gewalten unterdrückt oder erst einem Unfuge so schmählicher und verderblicher Art zurückrecht entfesselt werden. Der Pfarrer ist sich der Ver- zuhalten entweder nicht die Kraft oder gar nicht einmal den antwortung eines solchen Schrittes voll bewußt aber Willen mehr haben. Nachdem Wir nun aber durch unsre Hirtenworte vom Obern. Er ist der Diener, der nur zu gehorchen hat, und 8. November 1863, durch Unfre Ordinatserlaffe vom 25. Noso faun er sich ungetrübt dem Gefühl von Ueberlegenheit vember 1864 und 16. Februar 1866 in Ermahnungen und hingeben, welches die M a cht ohne Sebst verantwortung Warnungen Uns erschöpft, und in dem letztgenannten Ausdem Diener verleiht. Er kniet nieder und verrichtet das schreiben auch bereits den größeren Kirchenbann allen Anstiftern Gebet. Dann tritt er an den Rand der Kanzel vor. Da und Theilnehmern genannten Frevels angedroht haben, so steht er eine Weile still den Bogen der Erwartung zum dürfen wir nicht länger mehr fäumen, von der Uns von Gott Berreißen spannend. Aller Augen sind der Kanzel zu verliehenen geistlichen Strafgewalt den nothgedrungenen Gegewendet. Er aber steht unbeweglich und schaut unverrückt brauch zu machen. nach einer Stelle hin. Es sind die fremden Gestalten, die sich„ Im Namen des dreieinigen Gottes des Vaters, des so gewaltthätig auf der Treppe zum Chor postirt. Diese Sohnes und des heiligen Geistes, und Kraft der Uns von firirt er mit einem langen scharfen Blick, und sie erwidern Gott gegebenen Gewalt in Unfrer Erzdiöcese zu binden und diesen Blick mit der ganzen zähen Hartnäckigkeit ihres Volks- zu lösen, verhängen Wir darum hiemit für schlags:„ Wer's am längsten aushält!"-Der Pfarrer die Zukunft über alle Anstifter und Theiltann's nicht so lang aushalten, denn er muß den Hirtenbrief nehmer des sogenannten Haberfeldtreibens verlesen. Der Kampf beginnt. die größere Erfommunikation oder den
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Wie ein Feldmarschall nach dem ersten abgeschlagenen größeren Kirchenbaun!" Angriff das Gros seiner Streitkräfte entfaltet so entfaltet Wie ein leises Murren geht es durch den Raum. nun der Streiter da oben das Blatt, welches die schwerste" Diese kirchliche Strafe soll alle jene treffen, welche den Waffe in den Händen der Kirche, den Bannspruch, enthält.- bezeichneten Frevel durch Wort oder That einleiten, zu den Man hört das Rauschen und Kuistern des Papiers von den Vorbereitungen durch irgend eine That mithelfen, bei der AusWölbungen wiederhallen wie den Flügelschlag eines Ver- führung sich irgendwie betheiligen; sie tritt mit der sündhaften hängnisses. Vor tausend Jahren würde die Gemeinde wie That selbst in fraft und dies auch dann, wenn das frevelhafte gerschmettert auf ihr Antlig niedergesunken sein vor diesem Unternehmen blos versucht, seine Durchführung aber theilweise Flügelschlag aber hente? Die einen Schadenfreude, die oder ganz verhindert wurde. andern Trotz im Herzen das ist das Publikum, was heute zuhört, der Brief fommt um tausend Jahre zu spät! Wer bist Du, der Du einen fremden Knecht richtest? Er steht und fällt seinem Herrn!" beginnt der Pfarrer mit Wer denselben durch eine offenkundig gewordene That der Miene Miene des des allein berufenen Richters. An diese bewirkt hat, darf, wenn er nicht vor seinem Tode noch Worte des Evangeliums anknüpfend, hat sich unser hoch wenigstens deutliche Zeichen der Reue gegeben hat, weder nach würdigster Oberhirt, der Herr Erzbischof Gregorius, schon tirchlichem Gebrauche beerdigt, noch durch einen Seelengottesvor drei Jahren des näheren in einem Hirtenbriefe aus- dienst getröstet werden. gesprochen, der damals nur eine liebevolle Verwarnung enthielt
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" Der größere Kirchenbann beraubt aber alle von ihm Getroffenen des Anrechts auf den Gebrauch der heiligen Sakramente.
Bon dieser größeren Erkommunikation tann endlich
- und leider erfolglos blieb. In jenem, wie uns scheint, fein Priester Unserer Erzdiözese, den Fall der Todesgefahr Längst vergessenen Schreiben hieß es weiter: Unmöglich kann allein ausgenommen, ohne Unfre besonders zu erbittende Boll ein Aergerniß durch ein anderes Mergerniß aufgehoben, eine macht lossprechen. Sünde durch eine andere wieder gut gemacht werden. Das aber Möge der barmherzige Gott Uns wenigstens den wollen diejenigen thun, welche an dem Frevel des sogenannten Trost verleihen, daß, nachdem Unsere väterlichen Mahnungen Haberfeldtreibens sich betheiligen. Rücksichtslos und unbe- und Warnungen bisher den gewünschten, allseitigen Erfolg fümmert um die Folgen stören sie die nächtliche Ruhe ihrer nicht fanden, doch diese unsre gerechte Strafbestimmung und Umgebung. Durch wildes Toben und Lärmen verlegen fie das die, den hartnäckigen Frevlern bevorstehenden, göttlichen Rechts- und Sittlichkeitsgefühl von Alt und Jung, ärgern Strafgerichte die so lange schon ersehnte, heilsame Wirkung und verführen sie die Unschuld durch Ablesen unflätiger thun möchten. Lieder und Sprüche und bringen Menschen in die schreckliche Gefahr, sogar ein Meineidiger oder auch ein Mörder zu werden, um sich dadurch der verdienten Strafe zu entziehen. Die Erfahrung bestätigt dies in traurigster Weise, das ruchlose Treiben besteht fort, und so folgt denn der fruchtlosen Ver
Gegenwärtiges ist in allen Kirchen der Erzdiözese bei Gelegenheit des nächsten sonntäglichen Gottesdienstes zu verkündigen. „ Gegeben zu München am 30. Oftober 1866.
+ Gregorius,