Anterhaltungsblatt des Vorwärts
8]
Nr. 72.
Sonntag, den 11. April.
( Nachdruck verboten.)
Ein alter Streik. Roman aus dem bayerischen Volksleben der sechziger Jahre von Wilhelmine v. Hillern.
" Die rennen," höhnen ein paar alte Leute, welche das Haus hüten müssen: Grad als hätten f' g'stohlen!"
-
1897.
geben, bis sie droben den Bann losg'lassen hab'n! Andechs red' Du!"
Herr" Pfarrer ganz allein schuld d'ran ist.' s ſei nimmer " Ja, mei Frau weiß es von der Pfarrerstöchin, daß der zum Aushalten, hat er g'schrieben, sagt mei Alte; d'Köchin hab' sich noch groß damit g'macht!"
Nieder mit dem Pfarrer schlagt' n nieder- wann wir doch Mörder sind, na woll'n mir wenigstens wissen warum!"
In diesem Augenblick läutet's von fern auf Mittag". Wie eine verklungene Sage tönt es durch das Geschrei und Gewühl der Rasenden.
Nein, nicht aus Furcht laufen sie so, sondern weil sie's nicht mehr ertragen, weil der Sturm in ihrem Innern sie treibt, fich auszusprechen, auszutoben und auszuweinen. Sie waren ja alle auf den Bann gefaßt, aber sie waren es nicht auf die Ausdrücke, in denen er gesprochen wurde. Mit einem Schlag sind sie nun entehrt. Zu Mördern und Meineidigen gestempelt. Das ist nicht mehr abzuschütteln nicht mehr gut zu machen- das ist moralischer Tod. Zwei Stunden vom Dorf, an der alten Straße, liegt ein elender, in Abnahme gekommener Ausschant, Bur" Ja- und' 3 Geld! Alles hab' i anbracht. Aber jetzt Wafferscheid" genannt, wo die Haberer ihre Zusammen- laßt uns beten, wir können's brauchen denn das giebt a fünfte haben, wo sie auch am vergangenen Freitag waren. böse Nacht!"
-
Der Habermeister macht das Kreuz: Kommt, laßt uns g'erst beten, daß unser Herrgott sieht, daß wir nit ihn meinen und daß wir doch noch zu ihm halten."
Hast den Kranz auf'm Allmeyer sei Grab g'legt?" unterbricht ihn Lenz.
-
Denn seit eine neue Straße gebaut wurde, ist hier gar Tiefe Stille tritt ein.- Die alte fromme Zucht siegt. feine Einkehr mehr, als dann und wann ein verirrter Die Männer nehmen die Hüte ab und falten die Hände. Der Handwerksbursch oder ein Botenweib, das aus Eigensinn Habermeister betet laut vor und die vor Erregung heiseren halt immer noch den alten Weg" geht. Der Besizer Stimmen sprechen murmelnd das gewohnte Mittagsgebet nach. wäre zu grunde gerichtet gewesen, hätten sich nicht die Haberer Aber all ihre Beschwerden und Klagen legen sie in den hundert feiner angenommen und ihn zu ihrem Wirth gemacht. Deun mal gesprochenen Text, daß er wieder Seele und Leben gedort oben auf der Wasserscheid, wo Wind und Wetter un- winnt. Es ist ein heißes, brünstiges Flehen zu dem, welchem gefesselt ihr Wesen treiben, wo die Steige, besonders im Winter, sie in der Kirche troßig den Rücken gekehrt. Hier steht ja niefaft unpaffirbar ist, da ist der richtige Sammelplatz für die mand mehr zwischen ihm und ihnen. Haberer. Dorthin lenken sie nun ihre Schritte, dort ist auch Lenz verborgen und erwartet fie. Als sie endlich die armselige Dachfammer ihres Schlupfwinkels erreicht, fallen sie sich zuerst wortlos in die Arme, wie es Menschen thun, die ein gemein fames, großes Unglück betroffen hat. Dann aber bricht der Groll los.
s'
-
„ Nein," knirscht der Habermeister: fagen, wann f' uns in Bann thnen thäten Wienschen so herschimpfen das ist z' arg! stellen, als die reinen Verbrecher,- nein, was ist z'viel!"
-
Da ein seltsamer Schrei vom Wald her, wie von einer Weihe. Alles lauscht mit gespanntem Athem. Noch einmal!- Eine wilde Bewegung entsteht, das ist der Kammerloher,- der Vorposten! Gefahr!
„ Schnell hinunter Wirth!" Der fliegt mehr, als er flettert, hinunter. In einem Nu wird die Leiter heraufgezogen, wollt noch nix die Fallthür zugeklappt, verriegelt und vier der schwersten aber ein'n Männer legen sich darauf, so daß die Laft von unten nicht mit Ein'n so hin- der größten Gewalt gehoben werden könnte. ' viel ist, das soll'n Mir sollen zu allem still sei, wie die stummen
" Mir soll'n nit richten,- aber richten laffen, mir uns!"
"
Hund-!"
"
-
Wann hab'n mir' n Mord begangen wann' n Meineid g'schworen, wann? Weil wir unsern Haberereid nit brechen, desweg'n san mir meineidig!? Und wann man in der Nothwehr im Dunkeln wider Willen ein'n trifft, so ist das noch kei Mord. Da thäten sich d' Jäger und Gendarmen bedanken, wenn man s gleich Mörder heißen that, weil amal aus Versehen ein'n derschießen, der sich widersetzt! Wir verwarnen ja auch und unsre Vorposten rufen jeden dreimal an, eh f' anlegen. Wenn man uns in Ruh laßt, thun wir niemand was. Daß wir' n schlechten Kerl d' Wahrheit sag'n, das ist freilich a Verbrechen in dera verlogene Welt. Der Herr Pfarrer fann scho guet Freund sei mit dem Hochbräu, der spielt sei Tarock Jahr aus und Jahr ein mit ihm und trintt sei guat's Bier. Aber wir müssen' n Bissinger sei Gallenbrüh saufen bis wir hin san und wann wir uns wehren, same schamlose Ehrabschneider und Satrilegier." ist z'viel!" wiederholt die
Nein,- was z'viel ist, Schaar, bebend vor Buth.
-
-
-
Ein andrer Trupp tommt jetzt nach der aus Vorsicht bis zum Schluß des Gottesdienstes ausgehalten, weil Ortsangehörige dabei waren, die den Schein meiden mußten, als gehörten sie zu den Haberern. Waren sie aber in der Kirche besonnener als die Fremden, so sind sie jetzt um so schlimmer. Mit geballten Fäusten stürmen sie herein und wie im Fieber glühen die Gefichter.
-
"
-
-
-
Nur still und nit rühren, daß die Dielen nit frachen. Gleichmäßig athemholen, bis i d' Hand aufheb'- dann den Athem anhalten", tommandirt im leisesten Flüsterton der Habermeister. Todtenstill wird's, man könnte eine Maus rascheln hören. Jezt, Schritte auf der Schwelle zum Hausgang, jemand stampft den Schmuh von den Stiefeln: Das ist ein Schandweg da herauf auf die Wasserscheid!" wettert die wohlbekannte Stimme des Kommandanten. Nimmt mich nur Wunder, daß da überhaupt noch ein Mensch r aufkommt in die Wirthschaft! Geht denn da noch a G'schäft he?" O ja, ja Herr Kommandant- g'nug Leut'! Handwerks. burschen, Viehtreiber, Botenweiber, Holzer und b'sonders Touristen, die's da heroben auf der alten Straß romantischer finden", sagt der Wirth schmunzelnd.
"
-
Also könnt's doch b'stehen, he?",
" Ah, dös will i meine! Guat, guat sogar-."
Der Gendarm tritt in die untere Wohnstube und läßt fich nieder:" Da schaut's aber elend leer aus und kalt ist's auch!" er reibt sich unbehaglich die Hände:' n Schnaps!" Der Wirth bringt das Befohlene und ein verstäubtes Glas dazu. Da hat aber auch schon lange niemand mehr brauß ' trunken," bemerkt der gefährliche Gast und pußt es mit dem Sacktuch aus.
"
Der Wirth zuckt die Achseln: Ja mei' um die Jahreszeit geht's freili nit so streng wie im Sommer!"
Nix 3' essen werd auch nit hab'n?"
-
Der Wirth zieht die Achseln noch höher hinauf, so daß der spike Kopf dazwischen steckt, wie in einem spanischen Kragen:" Du lieber Gott, Herr Kommadanti bin grad erft heimkomme, wenn i nur' n Ahnung g'habt hätt'! I " Jetzt wissen wir's, wer uns die G'schicht einbrockt hat," bin halter au in d' Kirch ganga und hab' hören rufen sie den anderen entgegen und schieben einen uralten wollen, wie's d' Haberer kriegen! Mei', da freut sich a Haberer vor sich her: Da, der alt' Andechs bringt uns jeder! Ma muaß ja alleweil in der Angst leben, daß ei'm die Sie Neuigkeit,-wem hab'n wir's zu verdanken? Niemand Reiben nit au' n Strohwisch aufs Dach sehen oder ein'n anders als dem Pfarrer! Der hat ang'schwärzt beim ausg'stopfter an sein'n eignen Brunnen henten, wie sie's Drdinariat er hat die Eingab' g'macht und kei Ruh'' m Megger von Reigersbeuren g'macht haben, mit seine eigne
-
-
-