Nnterhaltungsblatt des Horivürts Nr. 77. Sonntag, den 18. April. 1897. 13, (Nachdruck v-rboteu.) Ein alkev Streit. Roman aus dem bayerischen Volksleben der sechziger Jahre von Wilhelmine v. Hillern. Mit einem Schlag ist das ganze Bild verändert, denn dem größeren Feind gegenüber müssen die kleineren'Feinde zusammenhalten, das Elenient versöhnt die Elemente.— Waffen- stillstand! Und nun sind's wieder die alten, echten Haberer, die braven Söhne eines braven Volks,— denn, statt zu fliehen und den Moment zu benützen, bilden sie in ihren Höllen- masken Kette mit den Gendarmen und helfen löschen. Andre dringen mit keckem Muth durch den Rauch und das Funkengestöber ins Haus und retten die Fahrniß. Der Pfarrer jammert nur um seine kostbare Bibliothek, sein einziger unersetzlicher Besitz. Gleich steht ein Vermummter oben unter den brennenden Balken wie ein Feuerteufel und wirst Buch um Buch zum Fenster heraus, als handle sich's um ein lustiges Ballspiel und die Bände flattern aufgeblättert wie Tauben aus dem brennenden Schlag.— Unten fängt der Pfarrer sie auf und nicht eher will der Retter auslassen, bis das letzte Buch drunten wäre. Alles ruft ihm zu— es sieht so gefährlich aus. Man richtet die Spritzen aus ihn, der Wasser- strahl ist aber ebenso gefährlich für ihn— denn er wäscht ihm die Schwärze vom Gesicht. Der Pfarrer bittet und befiehlt, herab- zukommen,— umsonst. In der Dienstbeflissenheit derselbe eigen- sinnige Ungehorsam, wie in der Auflehnung. Der Pfarrer schüttelt den Kopf.»Mau kann nichts thun, als sie gehen lassen/ sagt er nachdenklich— und der Worte Sinn tief ist!— Ein Poltern und Krachen im Innern des Hauses,— die Treppe ist eingefallen,— der kühne Waghals da oben ist unrettbar den Flammen überliefert— es handelt sich um Sekunden. Alles blickt in atheniloser Spannung hinaus und ruft durch einander:„Leitern— legt d' Leitern an— er kann ja nimmer'runter— Jesus Maria, er brennt scho." Die große Perrücke von Werg, die den Haberer noch unkenntlich gemacht, fängt jetzt Feuer. Er muß sie abreißen und einer der schönsten und reichsten Bauernsöhne des Jsarthals kommt zum Vorschein, umleuchtet von Glanz des wüthenden Elements. —„Im Namen des Gesetzes beseht' ich Dir runter zu kommen, eh' die Leiter Feuer sangt!" schreit der Kommandant hinaus. „ I pfeif' Enk was auf Enker G'setz,— jetzt kimm i scho selber," antwortet der Bursch', und behend wie eine Katze schwingt er sich aus die Sprossen und klettert herunter, noch einen Pack der letzten gefährdeten Bücher im Arm.„Da Herr Pfarrer," lacht er gutmüthig,„san Enkere Schätz!" „Ich weiß in der That nicht, wie ich Ihnen danken soll," sagt der Pfarrer verlegen. Der Gendarm lehrt es ihn, indem er dem Retter die Hand auf die Schulter legt. „Im Namen des Gesetzes,— auf was Du pfeifen thuft— verHaft ich Dich, Florian Mayer!" „So— aa no—!" sagt der Barsch mit unverwüst- licker Laune und schaut auf seine versengten Hände und Kleider. „No, nur zu— aber z'erst derf i no löschen helfen, gelt? Und nachher kannst ja schauen, ob D' mi kriegst!" „'s Nachbarhaus brennt— schützt's Nachbarhans," ertönt eine neue Hiobsbotschaft— und ehe der Gendarm sich's ver- sieht, sitzt der„Teufelskerl" auch schon rittlings auf dem glimmenden Dach, dirigirt die Spritze auf die gefährdeten Stellen und ruft lachend herunter:„Hol mi!" „Lassen Sie ihn!" wehrt der Pfarrer den» Kommandanten, der zornig in das Hans stürzen will,„die Sache muß anders ausgetragen werden? Ich kann den Menschen, der mir meine Bücher mit Lebensgefahr dem Feuer entriß, nicht verhaften lassen." Er sieht sich um und überblickt die Massen der seltsamen Spnkgestalten, s die mit todesverachtendem Eifer werk arbeiten.„Der Fall liegt nicht so Gewalt ist da nicht viel zu machen, das und.mehr." „Bravo Pfarrer," schreit der Bursch von oben herunter; „jetzt samer wieder guat!" „Aber wir find nit guat mit cinand!" schreit der Kom- Mandant hinauf und kommt dem Gendarm zu Hilfe.„Für am Rettunas- einfach! Mit seh' ich mehr Narren halten lassen wir uns nit. Der Kerl wird dingfest g'macht— kost's, was es will! Drauf!" Mit dem Gewehrkolben schlagen sie nun die verschlossene Thür des angesengten Hauses ein. Aber im selben Moment sind sie auch schon umringt von einem Schwärm der un» kenntlichen Larven, die sich zwischen sie und das Haus stellen.„Nix da— wir lassen kein'm von die Unsrigen was g'schehen! Dös wär' noch schöner! Da derfür helfen mir euch löschen, daß ma uns wegsangt mitten in der Arbeit? So hab'n wir nit g'wettet— Bruderl! Weg'n uns kann dös ganz Pfarrhaus niederbrenne—'s ist eh' Staatseigenthum und g'schicht niemand kei Schaden—!" „Z'rnck!"— Die Gendarmen werden von der Wucht des neuanwachsenden Aufstands zurückgeschoben, immer mehr lassen vom Rettungswerk ab und gesellen sich zu den anderen. Die Gendarmen kommen ins Gedräng.—„Scharf laden!" komman- dirt der Wachtmeister. Ein Wnthschrei antwortet ihm. Nun reißen die Haberer auch die Büchsen von den Schultern und stehen schußfertig da.—-„Aus Leben und Tod!" ruft der Habermeister entschlossen. „Gebr die Thür frei oder ich lass' den Platz säubern!" verwarnt der Kommandant. Erneutes Wuthgchml, aber keinen Fuß breit geben sie nach. „Ich forder' Euch zum zweiten Mal auf, den Platz gut- willig zu verlassen." „Gutwillig! Was kann ma von uns noch gutwillig verlangen, nachdem ma uns anfeindet und verfolgt, jähre- lang, als wollt' ma uns ausrotten, uns und unfern alten Brauch? Was hab'n denn wir gethan, daß ma auf uns zielen darf, wie auf tolle Hund? Jetzt ist's Maß voll!— Mehr geht nimmer, werd's wie's will!" „Also Ihr gebt nicht nach? Ich frag' zum dritten Mal!" „Nein— und zum hundertsten Mal: Nein!" Die Menge steht wie festgemauert,— Aug' im Auge mit dem Feind,— die Büchsen angelegt zum Schuß. Eine lange schwüle Pause.— das Unglück naht, die Saat ist reif.— Ein Schuß fällt. Jener erste Schuß, von dem nie jemand weiß, wer ihn gethan? „Feuer!" lautet darauf das Kommando. Und:„Feuer!" antwortet das rasende, einst so gut- artige Volk. Die Salven knattern herüber, hinüber. Hier und dort stürzen Leute. Und abermals wird geladen und abermals abgedrückt. Die Haberer sind in der Ueberzahl. Die Gendarmen beginnen nach rückwärts zu weichen. „Für unser gut's Recht!" ruft der Habermeister, in ge- waltigem Anlauf vorstoßend. Da saust pfeifend eine Kugel durch die Lust und schlägt dumpf in einen weichen Gegenstand, — ein gebrochener Wehelaut:„Jetzt ist's g'sehlt!"— Der Habermeister sinkt zusammen.— Ein Schmerzeusschrei ringsum. Ist Bester— ihr Führer ist gefallen,— nun ist der Widerstand gebrochen!— Mit Donuergetös stürzt der Dachstuhl vom Pfarrhaus ein— die Haberer achten nicht mehr darauf,— eine neue Salbe überschüttet sie mit heißem Blei, mitten unter dem Kugelregen heben sie den Körper des Meisters auf— und ihre letzten Waffen sind nur noch Flüche auf die Häupter ihrer Verfolger. Groß ist die Zahl der Gefallenen, die sie zu bergen Hab en und doch geht alles mit Gedankenschnelle.— Der Pfarr- Hof verlodert ungelöscht— die Habcrer sind in die Nacht ver- 'chwunden. Der Falsche. Von alle dem hat Lenz nichts mehr gehört und gesehen. Gleich beim Beginn des Handgemenges hat er sich davon ge- chlichen. Nicht aus Feigheit, nicht vor dem Feind, sondern zor seinem eigenen Gewissen. Er will zu Baldl, um sich dort einer Maske zu entledigen und den Ruß abzuwaschen, damit er so schnell wie möglich zum Vater heim kann und keine Spur seines Thuns ihn verräth.— Aber ein paar Gendarmen haben ihn wegschleichen sehen»ud verfolgt.— Eine Jagd hat nun begonnen. —„Steh, oder wir schießen,"— stehen bleiben, sich■fangen lassen und entdeckt werden,— daß der alte elende Mann erfährt,
Ausgabe
14 (18.4.1897) 77
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