hätten, das war wenigstens gedruckt zu lesen. Und einer der Italiener, voll von Bewunderung über die reichverschnürte Pekesche eines Berliners, soll gar ausgerufen haben: Welcher Reichthum und Tlonz unter den deutschen Studenten. Und wie dann bei den Koni- Wersen das schneidige, durchdringende Kommando der sogenannten Chargirten erklang, wie werden die italienischen Gäste erst da vor Ehrfurcht erbebt sein! Welcher Triumph deutschen studentischen Geistes. ES muß besonders erhebend gewesen sein. Von der Echneidigkeit und der straffen Disziplin der Italiener bei Schläger- klirren und Gläserklingen hat kein Wort verlautet. Höchstens hieß es von ihnen, daß einzelne sehr markante, geistvolle Köpfe unter ihnen auffielen. Aber darauf kommt es ja nicht an. In späten Vorfrühling fällt diesmal das Osterfest. Trotzdem der April uns mehr die rauhe, als die freundliche warme Seite seines Wesens gezeigt hat, grünt es lebhaft überall. Auf den Zierplätzen Berlins ist es nicht mehr kahl, und in den Vorgärten der Häuser hat stch bereits Blüthenpracht entfaltet, nicht niehr weit ist es zum Maie». Nicht mit banger Verzagtheit, nicht mit ungewisser Frage a»f den Lippen feiert dann das Prole- tariat fein Frühlingsfest. Die Liebe, die unversiegbare ewige Menschenliebe, die jetzt mit so reichem Wortschwall von den bürgerlichen Klassen erhoben wird, sucht man alsbald zu begraben, wenn das Ostergeläuie verklungen ist. Dann koinmen die Gewalt- androhungcn und die Chikanen wider die Sozialdemokratie und ihre Bekenner wieder zu Ansehen. Wie das Proletariat durch das Liebes« geflenne nicht eingefangen wird, so wird es auch durch die drohende Ge- berde nicht abgeschreckt. Seine Feste haben noch ihren unausgeschöpften Lebensgchalt. Das Proletariat vernimmt den Frühlingsjubel, den» er klingt innerlich in ihm wieder trotz aller Widerwärtigkeiten der Gegenwart. Es darf den Frühling feiern, denn es ist selber noch des Frühlings voll; und es erhofft von seinem Thun Früchte, von seinein Wirken eine freie, menschenverbindende, nicht menschen- trennende Zukunft._ Alpha. Ein Opkergnng. Als der Zug über die Spree ratterte, zerflatterten die letzten Nebelsetzen, und breit legte sich die Sonne auf die glitzernden Wässer. Jetzt tauchten auch die grotesken Giebel und Dächer des Fischerei- gebäudes auf, aber sie erschienen verblaßt, verwaschen wie die ganze vorsommerliche Herrlichkeit. Um so jugendfrischer repräsentirte sich der Park. Eine Symphonie in Grün. Als wäre es mit Pastell- stiften hingestricheu, erscheint das zarte Roth der Schwarzpappel- kätzchen, das helle Grün der Hängebirke, das frischere der Ahorne, das fahle, flauniige der springenden Kastanienknospen, das satte iLrün der schon ganze Ballen und geschlossene Flächen bildenden Büsche und Hecken und Grasflecke. Ich schreite die gepflasterte Hauptstraße hinab, und aller Frnhlingszanber ist verflogen. Zu meiner Rechten«in weites, ödes, von kahlen Bäumen umstandenes Trümmerfeld. Wo im Vorjahr die vier Rieseuesfen qualmten, fußhoher Kalk- und Gipsstaub, ver- mischt mit Sand, Ziegel- und Steinbrocke». Ausgefahrene Wege, in denen der Fuß sich bis über die Knöchel in Sandmehl vergräbt, führen zmn einstigen Bauhof. Einige Spitzbogen, aufgesührt aus Kuustsandstein, und Reste des bunten Töpserci-Gebäudes zeigen noch von früherer Pracht, von dem stillsten und schönsten Winkel, den die vorjährige Ausstellung auswies. Ganze Hausen glasirtcr Ziegel, gebrannter Giebelverzierungen bedecken den Boden, in allen Farben leuchten sie. Wie leicht hatten es hier die Unternehmer mit dem Bauen! Auf den Sand wurde eine Schicht Beton gelegt, Zement darüber gestrichen, dieser geglättet oder mit geometrischen Figuren verziert, die man eindrückte: der Grund war gegeben, über dem sich die Gebäude erhoben. Ich stehe auf dem Platze, über den sich einst die Riesenkuppel des Hauptgebäudes spannte. Jetzt ist's ein Sandberg, zusammen- gehalten von eingerammten Stämmen, die man mit Bretter» ver- dunden. Wo sie laufen, endete einst das Querschiff. Mein Blick schweift nach Westen. Zu taufenden hat man die viereckigen Zementplatten ausgehoben, auf den Kopf gestellt und an einander- gelehnt. Wie ein Eisstoß sieht es aus, dessen Schollen zur Ruhe gekommen. Wüthendes Spatzengeschrei läßt mich umblicken. Auf einigen herumliegenden Kapitälen hat sich ein ganzer Schwärm niedergelassen, zwei Männchen raufen sich, daß die Federn fliege», vor den vergnügt zuschauenden Weibchen. Ich gehe weiter. Kein Schreiten ist es, mehr ein Springen, Turnen, über Löcker, Sand- und Steinhaufen. Da, über dem dreistrahligen Zementfundament erhob sich der Kameel- bronnen des Herrn Schmechten. Jetzt wackelt neben ihm eine windschiefe Bude, die den Abbruchsarbeitern als Kantine dient. Eine zweite, besser gebaute Bude steht hinter ihr, an eine ihrer Wände hat ein Schalk in großen rothen Buchstaben das Wort„Registcred 1897" geschrieben. Vielleicht ist dieses Brettergefüge das Modell zu jenen Baubuden, die die Stadt schon seit langem ihren Arbeitern gewähren soll, und die Geschichte zieht stch nur deshalb so in die Länge, weil der Magistrat erst ein Patent nehmen will. Von der großen Fontäne ist keine Spur mehr vorhanden, und nur ein stinkender Sumpf erinnert»och an das dreischalige Wasserbecken. Auch das Bismarck- Standbild ist verschwunden, nur der Sockel ist geblieben. Echte Größe und wirkliches Verdienst findet aber immer noch seine Werthung: Auf dem rothen Sandstein steht in Kreide- schrist:.Kühnemann sein Sockel". Unwillkürlich sucht der Blick den Wasserthurm. Er ist ver- fchwunden wie das Hauptrestaurant, wie fast alle AusstcflungSbaute� rechts der Hauptstraße. Acht in den Boden gerannme disenschieiieu die oben sich einander nähern, bezeichnen die Stelle, an der selbst der Abriß noch Menschenleben kostete. Das Bayerische Wirthshaus am See steht noch. Etwas verwittert schaut es schoü aus. Adam und Eva haben Farbe gelassen. Jobann von Nepomuk hat de» Kopf verloren. Aber die über den Altan hängenden Halterbub-Hosen sind»och so echt wie vor Jahr und Tag. Heller Sonnenschein liegt auf dem Platze vor dem Gebäude. Von einem Feldstuhl erhebt sich ei» Mann und blickt schmunzelnd bald auf die Schänke, bald auf das Papier, das er in den Händen hält: Er hat das Wirthshaus in Aquarellfarben gemalt, und das Bild ist gelungen. Ich wende mich dem Vorbau zu und lasse mich snieder. Sofort beginnt der Kellner einen Plausch: Wie schön das Wetter, wer der jetzige Pachter sei, und daß das Gebäude hier, ausgeführt in festen Materialien, diesen Sonnner irgendwo in der Umgebung Berlins von neuem erstehen werde. Ich lasse ihn reden. Meine Augen haften an einer Weide, deren voll aufgebrochene Kätzchen den Baum wie eine» gelben Woll- Ballen erscheinen laffen. Und ich lächle und lache: Vor mir tobt die Palm-Schlacht. Vor vielen Jahren war es. In einer katholischen Kirche drängte sich vorn beim Altar eine Schaar von wohl hundert Burschen und Bürschlein. Bauernsöhne waren darunter, Taglöhner- buben und auch jüngere Knechte. Und jeder von ihnen hielt in seiner Linken einen Bündel zusammengeschnürter„Palmzweige", das oft doppelt so lang war als er, in der Rechten aber hatte er eine Weidengerte. Es war Palmsonntag, und die„Palmzweige" sollte» geweiht und gesegnet werde», damit sie nach Ostern zusammen mit Kreuzchen aus„Judasholz" auf die Saalfelder gesteckt werde» konnten. Schon während der„Passion" hatte es unter dem Haufen zu rumoren begonnen. Einige Bauernsöhne wollten sich vordrängen. da sie aber später gekommen waren, wurden sie zurückgestoßen. Jetzt stieg der Pfarrer mit dem Wedel vom Altar herab, um die Weihe-Zercmonie vorzunehmen. Wieder begann das Drängen, Drucken und Stoßen; da schwirrte eine Gerte hernieder, und das Raufen war fertig. Die einen schlugen mit ihren Büschen zu, daß die Kätzchen nach allen Seiten spritzten; andere kehrten die Bündel um»nd gebrauchten den Stock, der dem Buschen als Fuß diente, in den Kirchenstühlen jammerten die Mütter, von den Emporen herab schrieen die Väter. Kreidebleich stand der Pfarrer da, keines Wortes mächtig. Ich war damals fromm wie der Sohn eines Küsters und stand als Ministrant nnt dem Weihwasserkeffel, der gut seine acht Maaß hielt, neben dem Pfarrer. Als aber das Raufen gar nicht aufhören wollte, regte sich auch in mir das Waldfinkenblut. Hinaus zu ihnen konnte ich nicht, das hinderte das Holzgitter. Da faßte ich den Kessel mit beiden Händen und goß feinen Inhalt in den dichtesten Haufen. Die Getroffenen erschienen sofort wie gebadete Mäuse. Ei» Lachen schlug auf— die Schlacht war zu Ende. Wo das Theater Alt-Berlin stand, ragt ein Klamottenhaufen. Mitten unter ihnen trauert«in vertrockneter Riesen-Lorbeerkranz. Es wird ihn wohl Herr Blumenreich vergessen haben. Wen» er Finderlohn zahlt, kann ihm die Stelle angegeben werden. Von Alt- Berlin ist kein Rabitzfetzcn übrig geblieben, aber das Riesen-Fern- rohr, das Urnenhäuschen»nd das Skelett der Thurmbahn kann noch bewundert werden. Das„nasse Viereck" ist sehr trocken ge- worden: Eine Schuttstätte, gleichend dem Mülllagerplatz draußen bei Weißcnsee. Nur der Platz, auf dem der Wohllhäter Abraham hauste, ist frische, grüne Wiese.--- Und nun möchte ich ein paar Worte zur Stadtverwaltung sprechen. Wenn es sich um ein paar Mark rückständiger Steuern handelt, dann weiß die Stadt Berlin den armen Teufel, der sie schuldet, zu finden und zu fassen. Die Stadt Berlin ist die Eigen- thümerin des Treptower Parkes. Der Ausstellungs-Ausschuß hat die Benutzung des Parkes nur unter der Bedingung erhalten, daß er nach der Ausstellung den Park wieder in demselben Zustande übergiebt, wie er ihn erhalten. Seit Schluß der Ausstellung ist ein halbes Jahr verflossen, der Ausschuß hat noch keinen Spatenstich thuen lassen. Versteht die Stadt Berlin ihre Rechte wohl gegen Steuerrückständler, bei denen es sich um einige Mark, nicht aber gegen Kommerzien« und geheime Kommerzienräthe z» wahren, wenn es, wie hier, um weit mehr als um hunderttausend Mark gehl? Wenn der Ausstellungs-Ausschuß Ende April die Offertenausschreibung vornimmt, dann kann leicht der ganze Sommer vergehen, bis die Parkregulirung zu Ende ist. Wenn man den Treptower Park, diese grüne Lunge des Ostens und Südostens, gleich ein ganzes Jahr außer Thätigkeit setzen will, zu was hat man ihn dann geschaffen? Freilich, es handelt sich hier nicht um faules Thiergartenpublikum; nur um Arbeiter und kleine Handwerker. Aber dieses„Kleinzeug" ist auch noch da, und es weiß, was sein Recht ist, und sodert es.— Kleines Feuilleton. — Ter menschliche Bart. Nach Darwin und den»leisten Zoologen ist unser Bart noch eine thierische Bildung. Er ist bei gewissen Thieren entstanden durch geschlechtliche Zuchtwahl, indem die Weibchen solche Männchen, die durch einen schönen Bart ge- schmückt waren, den übrigen vorzogen. Auf die Weibchen wurde er nicht vererbt, weil die Männchen den umgekehrten Geschmack hatten. Von unseren affenähnlichen Vorsahren, die wohl wie die meisten
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14 (18.4.1897) 77
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