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etwa eine durch Streichen in Schwingung versetzte Biolinfaite. Die Heuschrecken sind also in dem Feldkonzert die Violin spieler und sie haben vor den menschlichen Geigern noch den Vortheil, daß sie zwei Instrumente zugleich spielen können, sie geigen mit den Hinterbeinen an jeder Seite des Körpers und zwar ziehen sie mit erstaunlicher Schnelligkeit die langen Hinterbeine, die etwas lose vom Körper abgehalten werden, herauf und herunter, abwechselnd erst das rechte, dann das linke Bein. Die Töne, welche die Thiere hervorbringen, sind nun durchaus nicht von einer Höhe und Stärke, sie geigen alle verschieden, und zwar haben die größeren Musikanten einen tieferen Ton als die kleinen, wie man bei gefangenen Exemplaren festgestellt hat.
In der großen Familie der Heuschrecken, besonders bei den ausländischen Arten, ist der Tonapparat auf die verschiedenste Weise ausgebildet. So ist z. B. bei einer südafrikanischen Art Pneumora an jeder Seite des Hinterleibes eine fleine, schräg hervorspringende, mit zahlreichen Einschnitten versehene Leiste vorhanden, gegen welche die Hinterschenkel gerieben werden, außerdem ist bei den Männchen, die allein den Tonapparat besitzen, der ganze Leib zu einer großen Blase aufgetrieben und so zu einem vorzüglichen Resonanzboden umgewandelt.
Ju etwas anderer Weise als die Heuschrecken geigen die Grillen, deren Musik ja ähnlich flingt. Die Feldgrille( Gryllus campestris ) trägt auf der unteren Seite der Flügeldecken eine Alder, die mit un gefähr 130 feinen, erhabenen Querleisten oder Zähnchen besetzt ist. Diese gezahnte Ader, Schrill- Ader genannt, wird nun mit großer Schnelligkeit quer über eine vorspringende, glatte Ader auf der Oberfeite des entgegengesetzten Flügels gerieben und erzeugt auf diese Weise den schrillenden Ton, dabei werden zur Verstärkung des Tones beide Flügel etwas in die Höhe gehoben. Mit breitgestellten Beinen, nach unten gebeugtem Vorderkörper und gehobenen Flügeln steht die Feldgrille vor dem Eingang ihrer kleinen Erdwohnung und siedelt die lustigsten Weisen, um die Weibchen zu rufen und anzulocken, die selbst stumm sind. Mit denselben Jnstrumenten wie die Feldgrille ist ihre nahe Verwandte, die Hausgrille oder das Heimchen, ausgerüstet, und das Konzert, das wir in alten Häusern an ruhigen Abenden oft an der warmen Heerdwand ertönen hören, wird von den Heimchen auf dieselbe Weise hervorgebracht.
Im Süden unseres Erdtheils, sowie in den Tropenländern tritt ein anderes Infekt als Haupttonangeber in den Naturkonzerten auf, es ist die Cifade, auch Singcikade genannt, die wie heute noch bei den Chinesen, früher bei den alten Griechen ihres Gefanges wegen häufig in Käfigen gehalten wurde und in so hohem Ansehen stand, daß sie vielfach in Gedichten verherrlicht wurde; Anakreon widmet ihr sogar eine ganze Ode, in der er das Glück einer Cikade besingt. Die Cifade geigt aber nicht, sondern dieser niedliche Musikant bedient sich kleiner Pauken. Die Thiere, etwa von der Größe eines Maitäfers, haben nämlich am Anfang des Hinterleibes eine kleine, fuglige Höhlung, über die eine zarte Haut, ein Trommelfell gespannt ift, das durch einen Muskel in Bewegung gesetzt wird und wie eine fleine Kesselpauke flingt, allerdings wegen der Winzigkeit des Instrumentes in sehr hohem Tone, der aber nichtsdestoweniger ziemlich laut und weit zu hören ist. Heutzutage wird der Gefang der Cikaden nicht mehr so hoch geschätzt, manche Reisende klagen bitter über den unausstehlichen Lärm, den die Citaden in den Wäldern der Tropen oft hervorbringen.
Außer diesen Paukern weist das große Reich der Jufekten auch Trommler auf, ein solcher ist z. B. der Troßkopf oder Klopstäfer. Gewiß hat mancher Leser schon abends oder in der Stille der Nacht plöglich im Zimmer ein regelmäßiges Klopfen, etwa wie das Ticken einer Uhr, gehört. Dieses Geräusch rührt von dem Klopftäfer her, dem abergläubische Leute den Namen„ Todtenuhr" gegeben haben, da sie in dem Wahne waren, er zeige durch sein Klopfen die letzte Stunde eines Menschen, etwa eines Kranken in dem betreffenden Hause an. Der Käfer flopft aber nur, wie vielfache Versuche er wiesen haben, um andere Genossen, vor allem seine Weibchen herbeizulocken. Wenn man etwa mit einer Nadel, die man gegen den Tisch stößt, den Ton in etwas nachahmt, dann antwortet der Käfer häufig durch wiederholtes Klopfen, das er dadurch hervor: bringt, indem er Fühler und Vorderbeine etwas anzieht und mit dem Kopf und dem vorderen Theile des Halsschildes gegen den Boden schlägt.
Manche Käfer geben, wenn man sie anfaßt, einen Ton von sich, wie man fehr gut an dem großen Zimmerbock, der manchmal mit dem Bauholz in die Häuser gelangt, beobachten kann. Sie reiben den harten, hinteren Theil des Vorderrückens und erzeugen dadurch einen Inarrenden Laut. Unser großer, allerdings ziemlich seltener Nachtschmetterling, der Todtenkopf" giebt einen pfeifenden Ton von sich, wenn man ihn anfaßt, er stößt durch eine enge Spalte im Rüssel Luft aus seinem Iuftaugefüllten Saugmagen heraus, wodurch der pfeifende Ton entsteht. Offenbar geben diese Thiere die Töne von fich, um etwaige Angreifer abzuschrecken.
Aber außer den zuerst genannten nehmen noch andere Thiere theil an dem großen Musikfeste, das im Sommer auf jedem Haag, jeder Wiese gefeiert wird. Außer den Grillen und Heuschrecken eilen die Hummeln, Bienen, Wespen, Horniffe, Fliegen und Müden herbei, um die Musikkapelle vollzählig zu machen. Wer hätte nicht das Brummen der Hummeln und Wespen, das Summen der Fliegen und Mücken in allen Tonarten oft beobachtet! Wohl jeder ist schon gestört worden durch das Gesurr einer zum offenen Fenster hereingeflogenen Wespe, die sich eine
liege oder etwas Zucker bolen wollte und nicht gleich wieder herausfindet, und wohl jeder hat auch schon den feinen, in sehr hohen Tönen gehaltenen Gefang eines Mückenschwarmes vernommen.
Alle diese verschiedenen Stimmen werden zum größten Theil durch die heftig schwingende Bewegung der Flügel hervorgebracht, die ähnlich den Zinten einer Stimmgabel tönen. Die Fliegen und Mücken haben außerdem hinter den Flügeln noch kleine Anhängsel, die sog. Schwingtolben, kleine geftielte Köpfchen, die durch die Bewegung der Flügel mitschwingen und den Ton erzeugen oder verstärken. Wahrschein lich werden die ganz hohen Töne der Mücken durch die Schwingfölbchen allein hervorgebracht. Daß die Stärke und Höhe des Tones von der Größe des Thieres abhängig ist, braucht nicht näher hervorgehoben zu werden. Bei den Hummeln, Bienen, Fliegen und ihren Verwandten kommen bei den musikalischen Leistungen außer der Flügelbewegung noch einige in der Brust liegende Luftröhren in betracht, an deren Ausgang kleine blattförmige Chitinplättchen hängen, die durch die ausströmende Luft in tönende Bewegung gesetzt werden. All das Gesumme, das Brummen und Surren, dient auch bei diesen Insekten offenbar nur dazu, sich bemerklich zu machen, sich gegenseitig zu rufen und zu locken. Haben z. B. mehrere Fliegen einen guten Futterplag gefunden, so rufen sie durch ihr Gesumme immer mehr Kameraden herbei, um sie auch an dem Mahle theilnehmen zu lassen. Einst sah ich an einem warmen Mai- Abend un zählige Maikäfer von allen Seiten sämmtlich in grader Richtung einem tiefer gelegenen Wäldchen zufliegen, das fie sicher nicht sehen konnten, dessen Vorhandensein aber trotz ziemlicher Entfernung durch das Gesumme einer ungebeuren Menge von Maifäfern verrathen wurde, die in großen Massen alle Bäume bedeckten. Durch das Summen herbeigerufen, finden sich auch die Mückenschwärme zusammen, die durch den stetigen Zuzug oft zu einem Umfang anwachsen können, der ihre Züge als Wolfe erscheinen läßt. Die Musik der Insekten steht in einer Beziehung in gewissem Gegensatz zu dem Gefang der Vögel, denn dieser ist Vokalmusik, während die Insekten alle Instrumentalmusik ausüben. Der Zweck beider ist aber derselbe, denn wie der Vogel durch seinen Gesang sein Weibchen herbeilockt, es ruft, unterhält und vergnügt, so dienen auch den Insekten die Töne dazu, sich zu rufen, zu verständigen und zu unterhalten. Wie bei den Vögeln das Weibchen nicht fangesfundig ist, so sind auch bei den musizirenden Insekten die Weibchen stumm, was den alten griechischen Dichter Xenarchos zu dem Ausspruche veranlaßte: Glücklich leben die Cikaden, denn sie haben stumme Weiber."
Kleines Feuilleton.
Ergebnissen der Volkszählung giebt es in Deutschland 34 LandRiesendörfer nud Zwergstädte in Deutschland . Nach den gemeinden, die über 10 000 Einwohner zählen. Es sind nach der Altendorf 40 299, Größe geordnet folgende: Schöneberg 62 684, Rigdorf 59 937, efsen 20 984, Neu- Weißensee 25 048, Herne 19 321, Löbtau 19 106, Borbeck 34 807, Lichtenberg 28 852, AltenBeed 18 800, Baborze 18 395, Schalte 18 328, Bottrop 18 019, Langenbielau 17 613, Steglit 16 522, Buer 16 127, Giebichen Dudweiler 13 467, Sulzbach 13 275, Laurahütte 11 485, Sterkrade stein 15 072, Langendreer 15 057, Alt- Zabrze 14 016, Bredow 13 545,
11 315,
10 225
Bogutschüß 10 779, Reinickendorf 10 667, Weitmar 10 283, Bilich Lechhausen 11 019, Ruda 10 996, Langerfeld 10 898, Diese Riesendörfer liegen, abgesehen von den der Eingemeindung Altwasser 10 212, Nowawes 10 055 , Bensberg 10 006. Stettin ( 1), Halle( 1), Augsburg ( 1) und Dresden ( 1) aus harrenden Vororten von Großstädten, wie um Berlin ( 7),
nahmslos in
falens( 7) und der Rheinproving( 9). Das Gegenbild zu diesen den Bergbaugebieten Oberschlesiens ( 7), WestRiesendörfern sind die ganz kleinen Städte, die noch aus alter Zeit ihnen haben es noch nicht auf 1000 Einwohner gebracht. Die kleinste die Stadtgerechtigkeit erhalten haben. Nicht weniger als 139 von Stadt im Deutschen Reiche ist Hauenstein im badischen Kreis und Amtsbezirk Waldshut, die Hauptstadt" des Hohenlandes: sie zählt 160 Einwohner. Die nächst größeren Zwergstädte sind: Bavelstein Blumenfeld in Baden 350, Lißberg in Hessen - D. 353, Staden in in Württemberg 301, Berneck 343, Fürstenberg in Waldeck 350, Hessen - D. 400, Hering in Hessen - D. 450, Lagow in Branden burg 454, Neufreiftett in Baden 470, Pfirt im Elsaß 485, Waldeck in Waldeck 486, Teichel in Schwarzburg- Rudolstadt 495.
Literarisches.
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er. Goldschmied Leonor: Die Kaufleute". Berlin 1896. August Deubner. Ein zwanzigjähriger Kommis, der sich für einen großen Dichter hält; seine Chefs, zwei Börsenschwindler, die einfältigen Leuten ihre Ersparnisse abnehmen, und ein ehemaliger Kleinstadtkrämer, der Vater des erwähnten Kommis, der aus Aerger über die Dichteritis seines Sohnes plöhlich überschnappt: das sind die Haupthelden dieses in stammelndem Deutsch geschriebenen sozialen Dramas". Der Inhalt ist beinahe noch ftimperhafter als die Form. Je tragischer sich der Verfasser geberdet, um so spaßbafter kommt einem die Geschichte vor, und nur an Ende, wenn der Vater des an Größenwahn leidenden Jünglings sein bischen Verstand verliert, wird man dem Verfasser beistimmen