Anterhaltungsblatt des Vorwärts Nr. 83. Mittwoch, den 23. April. 1897. 19] (Nachdruck verboten) Ein nlkev Skreii. Roman auS dem bayerischen Volksleben der sechziger Jahre von Wilhelmine   v. Hillern. Ja, i thu' g'wiß alles pünktlich," sagt Wiltraud bedrückt. Aber, Herr Doktor, eins muß i Enk sagen, dös Häusl g'hört ja nimmer mei. Oes werd's Enk erinnern vom Vater sein' Tod her?' Ja, ja, ich weiß!' Bis in a paar Täg kommt der G'richtsvollzieher, und wenn der Bissinger hört, daß dös der Habermeister ist, der, wo ihm trieben hat, da laßt er'n scho gar nit drin.' Darüber kann ich Sie beruhigen, Wiltraud,' sagt der Doktor.Bissinger ist gegenwärtig nicht in der Verfassung, irgend welche Maßnahmen zu treffen. Ich wurde heute zu ihm gerufen und fand ihn in einem Zustand völliger Nervenzerrüttung. Dabei ist seine Angst so groß wie sein Haß, und es dürfte nicht schwer sein, ihn zu überzeugen, daß er nie mehr sicher vor den Haberern ist, wenn er Sie aus Ihrem väterlichen Haus jagt. Da lassen Sie nur mich sorgen. Ich mische mich sonst nicht in Privatsachen, aber wo es der Zustand eines Patienten erfordert, da ist es meine Pflicht. Adieu!' Ter Doktor grüßt eilig, wie alle Aerzte, und geht. Wil  traud sieht ihm nach.Den hat's heut' scho' auch mitg'nomma wann er sich's glei' nit ankenne laßt. So a Kranker, wie der da droben, der muß ein'n ja dauern. Jesus  , lieber Gott, wie wird's erst dem seiner Frau sein, wann sie ihren Mann so wiedersieht!' Wiltraud geht an ihre Arbeit und zündet Feuer auf dem Herd an. Sie hat von dem Geld der Habercr gestern etwas Vorrath angeschafft, wie sie meinte, für ihren Bruder und sich, das kommt jetzt einem Fremden zu gute. Einem Fremden? Nein ein Unglücklicher ist kein Fremder! Aber, wenn der Kranke kräftige Suppen braucht wo nimmt sie jetzt das Geld her, um Fleisch zu kaufen, nachdem sie alles dem Sebald mitgegeben? Sie steht rathlos vor dieser Frage. Dirndl, was hast?" fragt Gemming, der soeben von droben kommt, es ist seine Gewohnheit alle Leute, die er gern hat, ohne weiteres zu dutzen.Wem sinnst nach dem Lenz?' O mei, dös kann i scho bald nimmer erinnern, daß i de» k e n n', so lang ist's her!' sagt Wiltraud herb. Was? Hast ihn denn nit heut morgen g'sehen? Die Haberer haben mi's ja erzählt die Kerl werden alles inne" Ja richtig heut früh! I hätt' g'meint's war scho viel länger!' Hast recht's liegt zu viel dazwischen" Ja,' sagt Wiltraud mit seltsamer Betonung langsam das Wort wiederholend's liegt z' viel dazwischen!' Gemming streift sie mit einem raschen Blick. Hm! Da ist auch nit alles, wie's sein soll.' Er will Wiltraud die Tasse mit der Milch für den Kranken abnehmen, aber sie wehrt ab:I bring's ihm scho selber.' Wiltraud, das sag' i Dir, wenn der Bub' nit gegen Dich ist, wie sich's g'hört, na kriegt er's mit mir zu thun!' Ach, Herr Gemming, laßt's doch den aus'm Spiel, i Hab'n ganz andern Kummer,' sagt Wiltraud absichtlich trocken und derb. Ja, was denn?' Kei Geld Hab' i für a Fleisch z'holen, wann der Kranke eins essen soll, und da Hab' i drüber nachdenkt, wen i drum ansprechen soll?' Mich!' sagt Gemming. O mei, Oes habt's ja selber kein's!' Aber krieg'n kann ich's gleich! Wer mit den Haberern zu thun hat, kommt nie in Verlegenheit.' Recht habt's, Herr Lieutenant", sagt eine Stimme unten an der Treppe. Der Rugmeister kehrt soeben aus dem Dorf zurück.Was braucht die Jungfer?" Nur so viel, daß i für die nächste Zeit unserm kranken Pcschinger was z' essen geben kann!" Da hast derweil zehn Gulden. Ich Hab grad nit mehr bei mir. Aber bis übermorgen kommt wieder ein's!" Dank schön," sagt Wiltraud:I thät's g'wiß nit nehma, aber i Hab' kein Kreuzer im Haus." Du brauchst Dich nit z'entschuldigen, Dein Bruder büßt für den Lenz wir wissen alles und wer für'n Haberer was thut, für den thun d' Haberer au was und unser Geld ist sein Geld! Solang einer sitzt, kriegt er alle Tag vom Orden einen Gulden fünfundvierzig Kreuzer Unterstützung. Die zahlen wir vorläufig Dir aus. Da brauchst Dich nit z' be» danken, dös ist so G'setz bei uns dös kriegt a jeder. Und außerdem zahlt der Orden's   Kostgeld für den Ver- mundeten." Dös braucht's nachher nit, dös war' ja viel z'oiel," sagt Wiltraud beschämt.Aber i muß zu mei'm Kranken und ihm sein Milch bringa, sonst wird er mir z' schwach!' Damit verschwindet sie in die Kammer. Gemming will ihr nach aber der Rugmeister winkt ihm zu bleiben. Grad ist mir der Doktor verkemma und da Hab' i 'n g'fragt, weg'm Tenner. Er sagt, drei Wochen mindestens ging's, bis er transportabel wär'! Wir müss'n also was thun, weger dem Häusl. Der Lenz hat mir g'sagt, er will sein' Vätern dazu bringen, daß er die todte Mühl' verkauft und er, der Lenz kauft sie selber wir soll'» ihm nur's Geld vorstrecken und'n Scheinkäufer stellen er will's der Wiltraud bardn erhalten, aber sie dürft nie erfahren, daß er derhinter steckt. Jetzt leihen wir ihm's Kapital, bis der Alte ihm's G'schäst übergiebt, nachher kann er's uns z'ruckzahlen,'s ist nit theuer. Der Allmeyer war ihm halt fünfhundert Gulden drauf schuldig uud's ganz Anwesen ist keine achthundert werth. Der Lenz will ihm's doppelte bieten, sonst laßt er's nit her. Der Doktor thut auch derzu helfen. Jetzt wär' nur die Frag, wo'n Scheiukäufcr finden? Und nachher müss'n ma erst noch dem Madl weismachen wir hätten's ihr kauft und nit der Lenz. Die Liebsleut, die hab'n halt so extrige Sachen." Ja, da ist guter Rath theuer," brummt Gemming in den Bart.Ich thät' Euch gleich den Strohmann machen, aber mir würo' ja kein Mensch zutrauen, daß ich so viel Geld hätt', d' Leut' würden meinen, ich hab's g'stohlen!" Der Rugmeister nimmt eine Prise Tabak und nickt zu« stimmend:Ja freili'!' Ich müßt eben fort und einen unter meinen Bekannten in der Umgegend suchen' Ja, dös wär' scho' recht. aber wir brauchen Jhna halt hier auch wegen'm Lüagen!' Wegen was?" fragt Gemming. Ja mei! Wenn d' Gendarme Wind kriegeten und käma, wer soll ihnen denn was vorlüagen, wann Sie nit da sind?" Hm! Das hat was Wahres!" Dös Madl, dös weißt'm ja nit z' helfen, wann ff'n Poschinger da finden. Ma muß sagen,'s sei a Göd von ihm, oder so was und hätt' d' Mühl'n ang'schaut und hätt' sich derfall'n in der Schlucht! Meine S' nit?" Ja, ja, so was könnt' man sag'n, wenn sie's glauben!" O Jhna scho, Herr Gemming. So versteht ja kei Mensch s' Leutaführen wie Sie, und wenn Sie's im Spaß so gut könna nachd' könna Sie's im Ernst auch!" Ja, mein Lieber, das ist a heikle Sach: Im Spaß lügen, ist was anders, als im Ernst! Da giebt's halt so Ansichten. Indessen für'nen Freund wie der Tenner geht alles, da lüg' ich'm Teufel ein Ohr weg. Der Mann soll mir nit auch noch ins Zuchthaus   der hat so schon g'nug!" Gelt's, dös Unglück! Wann ma denkt,'n Arm verlieren noch dazu den rechten. No, er ist a Wohlhabender, er hat z' leben. Aber für den ist'S nit g'lebt, wann's nit g'arbeitet ist. Will sehen wie dös geht--!" Er schüttelt kummervoll das Haupt. Ist sonst noch jemand gefangen worden etwa der Florian Mayer?" Ach warum nit gar, a Haberer ist nit so leicht