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sie sehe etwas in ihrem Brunnen, was nicht natürlich wäre. Ein Nachbar hätte offenbar Strohbündel hineingeworfen, um sich zu rächen.

Ich wollte auch nachsehen, da ich hoffte, daß ich es besser unter scheiden könnte, und neigte mich über den Rand. Ich sah undeutlich etwas Weißes. Aber was? Ich hatte gleich die Idee, eine Laterne an dem Seil herabzulaffen. Das gelbliche Licht tanzte auf der Steinumrahmung und verkleinerte sich zusehends. Wir hatten uns alle vier über die Deffnung gebeugt, denn Sapeur und Célefte waren dazugekommen. Die Laterne hielt über einer undeutlichen, schwarz und weißen, eigenthümlichen unbegreiflichen Masse. Sapeur meinte: S' is'n Pferd. Ich siech den Huf. S' wird in dera Nacht rin gefallen sei, nachdems von der Wiesen entwischt is."

"

Doch plößlich erzitterte ich bis ins Mark. Ich hatte einen Fuß, dann ein ausgestrecktes Bein erkannt, der übrige Körper und der andere Fuß verschwanden unter dem Wasser.

Ich stammelte faum hörbar und zitterte so heftig, daß die Laterne wie verloren über dem Schuh tanzte: Es ist eine Frau... da drin... Miß

Harriet."

da

Sapeur zudte mit keiner Wimper. Er hate so viele in Afrika  so gesehen.

Mutter Lecacheur und Céleste stießen durchdringende Schreie aus und flüchteten, so schnell sie konnten.

Man mußte die Todte bergen. Ich befestigte haltbar den Knecht um die Hüften und ließ ihn mittels der Winde langsam herab. Ich fah, wie er im Dunkel verschwand. In der Hand hatte er die Laterne und ein anderes Seil. Bald ertönte seine Stimme, die aus dem Zentrum der Erde zu kommen schien," Halt", und ich sah, wie er nach etwas im Wasser fischte.

Jch zog ihn herauf, aber ich fühlte mich in den Armen wie zerschlagen, die Muskeln abgespannt und fürchtete, die Kurbel nicht halten zu können und den Mann herabfallen zu lassen. Als er am Rande erschien, fragte ich ihn:" Nun?", als ob ich erwartete, er würde mir etwas Neues über sie, die da in der Tiefe lag, sagen.

Wir stiegen beide zu der Winde hinauf und begannen über die Deffnung gebeugt, den Körper heraufzuheben.

Wir trugen sie in ihr Zimmer und da die beiden Frauen nicht erschienen, brachte ich ihre Leichengewandung mit dem Stallfnecht in Ordnung.

Ich wusch ihr armes, verunstaltetes Gesicht. Unter meinem Finger öffnete sich ein Auge ein wenig, das mich blaß, mit faltem Blick, mit dem schrecklichen Blick der Leichname ansah, der mir von jenseits des Lebens zu kommen scheint. Ich ordnete so gut ich fonnte mit meinen ungeschickten Händen ihr aufgelöstes Haar und brachte auf ihrer Stirn eine neue eigenthümliche Frisur zu stande.

Dann ging ich Blumen suchen, Klatschrosen, Kornblumen, Gänseblümchen und frische duftende Kräuter, mit denen ich ihr Todtenbett bedeckte.

Dann mußte ich die gewöhnlichen Formalitäten vornehmen nachdem ich allein mit ihr geblieben war. Ein Brief, den ich in ihrer Tasche fand und der im letzten Augenblick geschrieben war, bestimmte, man solle sie in dem Dorfe, in dem sie ihre letzten Tage verbracht hatte, begraben.

Ein schrecklicher Gedanke schnürte mir das Herz zusammen. Wollte sie etwa meinethalben an diesem Orte bleiben? Gegen Abend tamen die Gevatterinnen der Mutter Lecacheur aus dem Dorfe, um sich die Verblichene anzusehen. Ich wehrte ihnen aber den Eintritt und wollte allein bleiben. So wachte ich die ganze Nacht.

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röthe, dann glitt ein rother Strahl bis zu dem Bett und warf einen feurigen Streifen auf die Decken und ihre Hände. Das war die Stunde, die sie so sehr liebte. Die Vögel sangen erwacht auf den Bäumen.

Ich öffnete das große Fenster und schob die Vorhänge zur Seite, damit der ganze Himmel uns fah. Dann neigte ich mich über den erstarrten Körper, nahm ihr verunstaltetes Geficht in beide Hände und drückte ohne Furcht und Abscheu langsam einen Kuß, einen langen Ruß auf die Lippen, die nie einen empfangen hatten.

Léon Chenal verftummte. Die Frauen weinten. Man hörte, wie sich auf dem Bock der Graf d'Etraille mehrmals schnaubte. Nur der Kutscher   war eingeschlafen. Und die Pferde, die nicht mehr die Peitsche fühlten, hatten ihren Schritt verlangsamt und zogen läffig. Und mühsam troch der Break vorwärts, er war plötzlich schwer­fällig geworden, als ob Kummer auch ihn drückte.

Internationale Kunkkausstellung

zu Berlin  .

auf jeden Mitbewerb im größeren Stil verzichtet. München   und Die Berliner   Künstlerschaft hat in diesem Jahr von vornherein Dresden   werden diesmal die reicheren, deutschen   Kunstausstellungen beherbergen. Die Berliner   Ausstellung, die am Sonnabend feierlich eröffnet wird, kann nur als lofales Ereigniß betrachtet werden. Diefen Eindruck gewinnt man nach flüchtiger Borbesichtigung. tann man sie am allerwenigsten gelten laffen. Denn unter den Als internationale Kunstausstellung, wie sie sich nennt, die da zu sehen sind, 2080 Kunstwerken- so viele sind ihrer leider entfällt weitaus der größte Theil auf Berlin  . Von fremdländischen Nationen fehlt fast alle Kunstproduktion. Weder die modernen Franzosen, noch die Engländer und Schotten find vertreten, nur Billegas, der vielgeschätzte Spanier, der in Rom   schafft, hat eine Sonderausstellung seiner Werke veranstaltet.

Die wenigen Sonderausstellungen sind überhaupt fast das einzige charakteristische der Kunstschau in Moabit  . Von älteren Malern hat Karl Becker so einen Saal mit seinen Gemälden gefüllt. Sein Schaffen gehört bereits der Geschichte berlinischer Malerei an. Er hatte in Beiten graner Ernüchterung wiederum etwas Farbenfreude nach das wesentliche Verdienst dieses Berlin   gebracht. Das war Novellen- und Anekdotenmalers, daß er foloristische Empfindung wecken half. Neben Becker ist es der jüngere Max Liebermann  , der kraftvolle ausstellung seiner Gemälde veranstaltete. Im übrigen herrscht Naturalist, der eine dankenswerthe Sammel in der Berliner   Kunst ein wahlloses Durcheinander. ift, als wäre eine heftige Erschlaffung eingetreten. Kein Kampf, tein Ringen mehr; im ganzen eine Genügsam­feit, die eine verdammte Aehnlichkeit mit Stillstand

Es

befißt. Bom phantastischen Zug, dem man noch vor ein paar Jahren ergeben war, findet man nur bei Hendrich etwa und bei einzelnen anderen wenig Spuren mehr. So sehr ist das meiste auf glattes Mittelmaß eingerichtet, daß sich schon die gediegene, gesunde, aber durchaus nicht geniale Porträtkunst Koner's vom Durchschnitt lebhaft abhebt. Bei den Berlinern findet man auch das Kolossal­Die Hochzeit von Cana" von Brandis   wieder. Man gemälde ber Noth gehorchen und konnte die Säle mußte diesmal nicht nach einem bestimmten Plan gruppiren. Nur das stille Düsseldorf  , von dessen ruhig gehaltenen Gemälden die Kriegshistorie, 1812" von Arthur Kämpf, ein Triumphgesang über die Niederlage des Erbfeinds", anspruchsvoll absticht, und die ftrebende arbeitstüchtige Rünstlerschaft von Karlsruhe   mit der markanten Persönlichkeit Leopold Ralfreuth's haben einige geschlossene Säle für sich erhalten. Das hängt eben damit zusammen: München  , Wien   und Dresden   fehlen beinahe gänzlich. Zenbach hat wieder ein neues Bismarckbild gesandt; eine Porträtstudie mit landschaft. ihrlichem Hintergrund. Im sogenannten Ehrensaal sind ein paar breite Deklamationen von Werner Schuch   und ein Kolossalbild Moltke's Leichenfeier von Westphalen aufgestellt.

Ich sah beim Kerzenscheine die armselige, allen unbekannte Frau, die so fern in so beklagenswerther Weise gestorben war. Hinterließ sie Freunde, Verwandte?

Wie war ihre Kindheit, wie ihr Leben gewesen? Woher kam sie so ganz allein umherirrend wie ein Hund, man von der Thür weggejagt hat?

den

dem

Welch Geheimniß von Leiden und Verzweiflung war in häßlichen Körper eingeschlossen, dem Körper, den sie schamvoll ganzes Dasein durch wie eine Laft getragen hatte, eine Umhüllung, die jede Zuneigung und Liebe verscheucht hatte?

Was für unglückliche Wesen es doch giebt! Ich fühlte auf diesem menschlichen Geschöpf die ewige ungerechtigkeit der unverföhnlichen Natur laften! Für sie war es zu Ende gegangen, ohne daß fie vielleicht je die Hoffnung, die die Enterbtesten des Glückes aufrecht hält, gehabt hätte, einmal noch geliebt zu werden! Denn warum verbarg sie sich sonst so, warum slob sie die andern? Warum liebte sie mit so leidenschaftlicher Inbrunst alle Dinge und

lebenden Wesen, nur nicht die Menschen?

Und ich begriff, fie glaubte an Gott und hatte in einem andern Leben auf einen Entgelt für ihre Leiden gehofft. Sie wird sich jetzt umwandeln und eine Blume werden. Sie wird im hellen Sonnen­licht blühen, von den Kühen abgeweidet werden, als Korn von den Vöglein verspeist werden und als Fleisch von Thieren wieder ein menschlicher Leib werden.

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Ueber die Stulptur Abtheilung läßt sich noch nicht berichten. manches ist noch nicht ausgepackt, manches wird erst aufgestellt. Es scheint auch hier das Armliche vorzuwiegen.

Alles in allem: zum Gloriarufen scheint wirklich kein Anlaß zu ſein; und wenn man schon eine Nothausstellung zu stande bringen mußte, warum wird dann der große Rahmen beibehalten und warum die überflüssig hohe Zahl von mehr als zweitausend Kunst­objekten?-

Kleines Feuilleton.

- Das Juftitut für Pflanzenphyfiologie und Pflanzen schutz an der Berliner   landwirthschaftlichen Hoch= schule wird, um den unmittelbaren Bedürfnissen der praktischen Landwirthe in erhöhtem Maße zu dienen, noch mehr als bisher, der Aber was man Seele nennt, daß war im Grunde des schwarzen Erforschung der Krankheiten der Kulturpflanzen und deren Gegen­Brunnens geblieben, ausgetilgt. Sie wird nicht mehr leiden. Sie mittel feine Aufmerksamkeit schenken. Jeder Landwirth  , bei dem eine hat ihr Leben gegen andere Leben, die sie entstehen lassen wird, Beschädigung oder Erkrankung der Kulturpflanzen auftritt, soll von getauscht. jetzt ab nach Einsendung einer Probe der franken Pflanzen an dieses Die Stunden vergingen ernst und schweigend bei diesem Zu- Institut( Berlin   N., Invalidenstr. 42) vollständig unentgeltlich mög= fammenfein. lichst raschen Bescheid erhalten. In solchen Fällen, wo ein allgemeines Ein bleiches Licht fündete das Nahen der Morgen: Interesse die Untersuchung des Feldschadens an Ort und Stelle