Anterhaltungsblatt des Vorwärts
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Nr. 88.
Ein alter Streit.
Mittwoch, den 5. Mai.
1897.
( Nahdruck verboten.) sein der Unglückliche an der Seite des brutalen Weibes ent gegen geht. " Schade um den Mann!" sagt der Doktor- und das
Roman aus dem bayerischen Volksleben der sechziger Jahre wird natürlich immer schlimmer, denn solchen Weibern im ponirt nur physische Kraft. Das Geistige in dem Mann ist ba verloren."
„ Aber ich thu's nit- ös könnt's machen, was' s wollts. -Da spring i eher in d' Klamm' nunter!' s wär' überhaupt' s beste, was i thun könnt' na wär' a Ruh!" fügt sie bitter hinzu und blickt auf ihre gerungenen, abgearbeiteten Hände herunter.
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Die Gendarmen stehen unschlüssig. Mit Gewalt ist da schwer was machen!" sagen sie untereinander. Und gutwillig geht die nie! Man kann sie doch nit binden oder gar schlagen und stoßen, ein anständiges Frauenzimmer!" Da kommt jemand rasch durch den Hausflur:„ Gott sei Dank, der Doktor!"
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" Was giebt's da? Wo ist der Patient?" fragt der Arzt schon auf der Treppe.
Fort, sei Frau hat ihn g'holt, und jetzt wollen f' mich verhaften weil i' n beherbergt hab'!"
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Wenn dös nur a gutes End' nimmt?" fagt Wiltraud. Der Arzt zuckt die Achseln: Ich fürchte sehr für ihn. Ich hab' seinem geistigen Zustand schon nicht mehr recht getraut! Der Verlust des Armes und wenn dazu noch die Umgebung es ihn recht unzart fühlen läßt-". Der Doktor schüttelt den Kopf. Da ist halt auch wieder ein Mensch ganz unnöthig ruinirt." Na, ich werde mich schon noch um Hals und Kragen reden!"
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Er geht. Adieu, Wiltraud! Ruhen Sie sich gut aus, Sie können's auch brauchen."
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A braver Mann der Doktor!" Wiltraud sieht ihm lang nach. Wenn's uns den nur lassen, weil er so gut ift. Sie geht in das verödete Haus zurück. Wie schauerlich einsam ist es jetzt. Sie geht hinauf in die Kammer und räumt auf. Sie meint, der Kranke müsse noch dort auf dem Bett liegen und sie mit seinen traurig bittenden Augen anschauen. Das leere Schmerzenslager ist ihr ganz unheimlich. Sie geht wieder hinunter in die Küche. Es hat schon Mittag geläutet, und noch brennt kein Feuer auf dem Herd. Für wen koch' i jetzt?" fragt sie sich. Für mich? O mei! dös war der Müh'
o Herr Doktor, und durch's Dorf führen, „ Seien Sie ruhig, Wiltraud- in der Sache bin nur ich verantwortlich und ich werde mich verantworten." Er wendet sich an die Gendarmen: Ich bitte, das Mädchen unbehelligt zu laffen. Ich hatte es übernommen, die Behörden zu verständigen und ich unterließ dies in Rücksicht auf werth!" die Person und das Befinden meines Kranken.- Ich stehe jeden Augenblick dem Herrn Untersuchungsrichter zur Verfügung und behalte mir das weitere bis dahin vor. Für die Wiltraud Allmeyer bürge ich. Mein Name und meine Eigenschaft als Arzt dürften wohl Sicherheit genug sein?"
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Ganz gewiß, Herr Doktor", sagt der Kommandant verbindlich.
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Also, meine Herrn, dann ist der Fall erledigt?" Wie Herr Doktor wünschen. Ich darf aber über das eben Gesprochene Bericht erstatten?"
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Darf ich
Sie seht sich auf die kalte Herdplatte und trinkt etwas Milch. Dann schneidet sie ein paar Brocken Brot in den Rest und ist es aus. Was thut sie nun? Die Abende sind fo lang im Winter, und sie war noch nie allein. Denn gleich nach der Verhaftung des Bruders tam ja der Habermeister ins Haus. Ach Gott, wie wird dös werden. Wann i alleweil strid', oder spinn', aber nig redt und nig hör, da muß i ja' s Reden verlerna."
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War es nicht eben, als höre sie einen ganz leisen, zag haften Schritt? Wiltraud erschrickt fast. Ach nein, es war ja nur in ihrem aufgeregten Kopf. Wer sollte denn' rumgehen? Geister giebt es ja bei Tag feine! Aber jetzt flopft es wirklich an die Küchenthür. Nur ' rein!" ruft Wiltraud.
Natürlich alles was Ihre Pflicht ist!" Der Kommandant schreibt eifrig in sein Buch. Herrn Doktor bitten, wenn Sie nur so gefällig wären, das hier zu Protokoll Gegebene zu unterzeichnen!" Recht gern!" Der Doktor unterschreibt. " Dante gehorsamst!" sagte der Kommandant. Habe die halbgeöffnete Thür.
Ehre!"
Guten Morgen!"
So!"
Die Gendarmen grüßen militärisch und verlassen das Haus. Wiltraud reicht dem Arzt die Hand: dank' halt vielmals, Herr Doktor, dös war a Wohlthat. I hätt' mir ja nit z'helfen g'wußt ohne Ihna !"
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Bitte, war ja nur Menschen- und Freundespflicht." Wann nur jetzt Sie nit in Ung'legenheiten kommen?" meint Wiltraud bekümmert.
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Ein bleiches schüchternes Mädchengesicht schaut durch die
Wiltraud springt auf und läuft ihr entgegen: Jesus , Du arm's Leut Liesen, bist es Du wirklich? O mei Seel, wie D' mi Du dauerst!"
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,, Dös is schön von Dir Traudl, daß D' mi nit a' naus stoßt, wie mir's die andern drin im Dorf thun!"
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" Ja, wär' nit aus wann ma bei so an Unglück kei Mitleid hätt'! Komm doch eini und sit her. I mach' Dir g'schwind a Feuer weißt in b' Stuben mag i gar nimmer, feit alles draus wegg'storben und wegg'holt worden ist." Sie " Das lassen Sie sich nicht grämen mir fönnen sie nicht schnigelt Spähne, während sie spricht, und rasch prasselt ein an, und im schlimmsten Fall zahl' ich eine Ordnungsstrafe. wärmendes Feuer auf dem Herd. So, fetz Di her," fie rückt Ich habe es durchaus kein Hehl, daß ich diese Haberjagd ihr einen Schemel zurecht. Da gleitet ihr Blick erschrocken nicht billige. Ich sagte es den Herrn von der Kommission über die Gestalt des Mädchens hin. Jesus , so steht's bereits, ich finde dieses Aufpauschen der Sache zu einer Ge- mit Dir?" fahr für Staat und Kirche einfach lächerlich. Man soll doch den Bauern ihre Sündenregister ablesen lassen, rauhe Steine schleifen sich untereinander ab. Das schadet ihnen gar nichts." Du unglücklichs Leut! Jetzt ift's ja ganz g'fehlt!" Im Gegentheil, mancher nimmt sich doch mehr in acht! O Wiltraud, Du kannst Dir fein Begriff machen- was So etwas ist Privat- und Gemeinde- Angelegenheit. Und ist dös ist! 3'erst hat's der alt Mayer nit zugeben woll'n, weil Nachd' der Randal dabei bäuerisch roh, so ist er ja auch nur er mein Vater nit mag. für Bauernohren bestimmt, die halten's schon aus! Die hat's der Florian doch durchg'setzt. ganze Geschichte ist nichts als eine Maskerade, bei welcher die wir Hochzeit g'macht und jetzt, Mastirten den Unmaskirten wie auf jeder Redoute, un auf d' Welt kommt, tein' Vater und i hab' die Schand!" angenehme Wahrheiten sagen. Eine zu moralischen Zwecken" Arm's Liesen! Und was sagt denn der Herr Pfarrer? etwas gröblich ausgeübte Mastenfreiheit! Das ist kein Steht Dir der nit a bißl bei?" Grund, sonst friedlichen Bürgern den Charakter von Aufrührern und Religionsverächtern anzudichten respektive sie durch Zwangsmaßregeln dazu zu machen."
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" D, Herr Doktor, aber ös seid's g'scheidt!" sagt Wiltraud bewundernd.
„ Aber jetzt fagen Sie mir, Wiltraud, was ist aus unserm Freund geworden?"
Wiltraud erzählt nun alles und welch' qualvollem Da
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weil's halt so war, In drei Wochen hätt'n hat mei Kind, wann's
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O mei! Der sagt halt,' s sei die Straf Gottes für mein Wann hätt' denn der je a guats Leichtsinn und mei Sünd! Wort für ein'n?"
" Nein, g'wiß nit!" murmelt Wiltraud. Der mag fein' Menschen und ihn mag aber auch niemand!"
Siehst, Wiltraud- a diamal mein' i grad, i müßt' aus der Welt lauf'n vor Angst! Und da hab' i denkt, jetzt geh' i zu Dir außi- vielleicht wird's mir daheroben bei Dir