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griechischen Volkes ist der Ackerbau. Die Fläche des angebauten Daß Griechenland   in den letzten Jahrzehnten in günftiger wirth Landes ist verhältnißmäßig sehr gering, nur 18 bis 19 pCt., und schaftlicher Entwickelung begriffen ist, die durch den unseligen noch geringer ist das wirklich fruchtbare angebaute Land der Ebenen. Staatsbankrott und die Korinthenfrise wohl nur vorübergehend Große Strecken gerade der fruchtbaren Niederungen, namentlich beeinträchtigt wird, zeigt sich in dem stetigen starken Wachsthum Theffaliens, liegen noch als Weideland brach, während umgekehrt in seiner Bevölkerung. Die Bevölkerung des Staates, in den Grenzen den Gebirgen und auf den Inseln meist jedes brauchbare Fleckchen vor 1881, nahm von 1879 bis 1889 von 1654 000 auf 1843 000 zu Erde ausgenutzt ist. Meist wird der Ackerbau, namentlich der Ge- alfo um 1,14 pet. jährlich; der ganze Staat vom Frühjahr 1889 treide- und Weinbau, noch in der extensivsten und rohesten Weise bis Herbst 1896 von 2187 000 auf 2418 000, also um 1,4 pt. betrieben. jährlich, eine Zunahme, die unter den europäischen   Staaten nur noch Die Bauern sind meist freie Eigenthümer des Bodens, große Serbien   erreicht. Starkes Wachsthum zeigt vor allem die Hauptstadt Güter sind selten, ebenso allzu starke Parzellirung. Ein Proletariat Athen  , die sich aus einem kleinen Landstädtchen heute zu einer statt­giebt es nicht, eine zudringliche Bettelei, wie in Italien   und Spanien  , lichen, ja man fann fagen glänzenden Großstadt entwickelt hat, wo ist nicht vorhanden. Wenn das griechische Volk durchaus nicht reich sich das geistige Leben des Hellenismus   konzentrirt. ist, so kann von einer eigentlichen Armuth gar nicht die Rede sein. Die wirthschaftlichen Fortschritte des Landes würden noch viel Eine Schattenfeite ist freilich der schlechte Zustand des Kredit: bedeutender fein, wenn die Verkehrswege sich in besserem wesens, der unglaublich hohe Binsfuß, der Meliorationen ganz un Bustande befänden. Trotz ungezählter Millionen, die für Fahr­möglich macht. firaßen ausgegeben sind, giebt es doch nur wenige Linien, die wirk­lich fahrbar sind, und auch diese sind meist im Zustande großer Vernachlässigung. Ueberall im Lande trifft man planlos angefangene und unvollendet gelassene oder wieder verfallene Stücke von Fahr­straßen, die, zu Wahlzwecken begonnen, vom nächsten Ministerium wieder liegen gelassen worden sind. Aehnlich verhält es sich mit den Brücken- und Hafenbauten und sogar zum theil mit den Eisenbahnen. Das Eisenbahnueß ist noch sehr unentwickelt. Im ganzen find jetzt erst 938 Kilometer in Betrieb, außer der Lotalbahn Athen  - Biräus alles Schmalspurbahnen. Die große normal­ipurige Nordbahn Athen  - Larissa, die später nach Salonit zum An schluß an das europäische Eisenbahnnetz fortgeführt werden sollte, ist mitten im Bau stecken geblieben, nachdem ein großer Theil der Arbeit gethan war, ohne daß auch nur eine Theilstrecke in Betrieb genommen werden konnte. Die fast fertigen Strecken ver fallen wieder.

Ganz anders ist es allerdings in den Niederungen Nord­griechenlands. Hier herrscht noch das türkische Tzifliksystem, wenn auch jetzt meist mit griechischen Grundherren; die Bauern sind nur Pächter, die in der drückendsten Abhängigkeit von den Latifundien­besitzern stehen. Die Bevölkerung ist auf dem reichen Boden förper­lich und moralisch verkommen und armselig. Die Zustände erinnern fehr an Sizilien und sind hier wie dort die Hauptursache des un ausrottbaren Brigantenthums. Neuerdings hat man die Besserung der thessalischen Agrarverhältnisse ernstlich in Angriff genommen.

Das wichtigste Erzeugniß Griechenlands   ist die Rorintbe, die auf den Ebenen und Hügelländern des nördlichen und westlichen Peloponnes  , Aetoliens und der ionischen Inseln gedeiht. Meilen weit dehnen sich die Korinthenfelder aus, unterbrochen von statt­lichen reichen Dörfern. Die Korinthengegenden sind die reichsten und in stärkster Volksvermehrung begriffenen Landschaften Griechen­ lands  . In den letzten Jahren ist allerdings infolge geringeren Ver­brauchs Frankreichs   und Ueberproduktion ein starter Preissall ein getreten, der viele fleinere Besizer ruinirt hat.

Die zweitwichtigste Frucht ist der Wein, der in Griechenland  in großer Masse erzeugt, aber auch verbraucht wird, da er das tägliche Getränk des Volkes bildet. Der Weinausfuhr steht eine große Zukunft bevor, ja man tanu annehmen, daß der materielle Fortschritt Griechenlands   sich im wesentlichen auf den Weinbau gründen wird.

Desto entwickelter ist der Seeverkehr. Zahlreiche Dampfer ver­fehren regelmäßig zwischen allen Jufeln und Rüstenorten Griechens lands. Auch das Post- und Telegrapheuwelen ist genügend aus­gebildet und arbeitet sicher und verhältnißmäßig schnell.

Ganz Hervorragendes leistet Griechenland  , im Verhältniß zu dem im allgemeinen noch niedrigen Kulturzustande und der vielfach dünnen und ärmlichen Bevölkerung, im Elementarunterricht. Nicht nur die Zahl der Schulen, sondern auch die Tüchtigkeit der Lehrer, der Umfang des Lehrstoffes und sogar die Lehrmittel sind, in anbetracht Auch für den Delbaum ist Griechenland   vorzüglich geeignet, der Umstände, nur zu rühmen. Freilich ist der Schulbesuch und die doch leidet auch die Delausfuhr unter der schlechten Bearbeitung. Bahl der Analphabeten in den verschiedenen Landschaften sehr ver­Die im Mittelalter so wichtige Seidenzucht( füdlicher Pelo- fchieden, da kein Schulzwang besteht. Das weibliche Geschlecht ponnes. Thessalien) ist sehr zurückgegangen. Die eigentlichen Süd- steht in der Bildung noch sehr weit zurück. Die höhere Schul. Gymnasien", namentlich in den Ileinen früchte, außer Feigen, kommen nur in verhältnißmäßig geringer bildung in den Menge zur Ausfuhr, am meisten noch von den Inseln. Noch ist Provinz Anstalten, ist aber eine sehr dürftige und daher das ferner die Baumwolle zu erwähnen, die in den Ebenen Böotiens Wissen der sogenannten gebildeten Stände im allgemeinen un= und Theffaliens angebaut wird, aber nur einen Theil des Bedarfes befriedigend. Der Zudrang zu den gelebrten" Berufen ist infolge dieser Griechenlands   deckt. geringen Ansprüche, die man an das Wissen derselben stellt, ein un­geheurer. Die Zahl der Aerzte und Rechtsanwälte ist ganz außer­ordentlich; ihre Qualität steht dafür meist im umgekehrten Ver­hältniß zu ihrer Zahl. Dadurch wird ein gelehrtes Proletariat von Stellenjägern großgezogen, welches mit eine Hauptursache der un­glücklichen politischen Verhältnisse des Landes ist. Es ist durchaus nichts Auffallendes, in einem Gendarm oder einem Kellner einen Mann zu entdecken, der die juristischen Examina absolvirt hat. Meist ist, mit geringzähligen Ausnahmen, nach Abschluß der Studien von einer Weiterbildung oder auch nur von ernster Lektüre wenig die Rede. Das Politifiren, das Zeitunglesen und Kaffeehausleben nimmt alle Mußestunden in Anspruch.

Der Getreides und Maisban, der durch die genannten Früchte vonl dem besten Boden verdrängt ist, vermag den Bedarf Griechenlands   nicht zu befriedigen. Nur Thessalien  , dessen Ebenen vorwiegend Cerealien tragen, giebt Brotfrucht ab und eine Anzahl Gebirge erzeugen den eigenen Bedarf. Dagegen find die Korinthen und Wein bauenden Gegenden wie die Echiffer­orte auf die Einfuhr von der Türkei   und Rußland   angewiesen. Griechenland   bezog 1895 für 27,6 Millionen Frants Getreide vom Auslande. Erfreulicherweise nimmt diese Einfuhr ab, ein gutes Zeichen für den Fortschritt der griechischen Landwirthschaft. Nächst dem Ackerbau ist die Kleinviehzucht für die Voltsernährung von der größten Bedeutung. Aber trotz der großen Flächen, die sie in Anspruch nimmt, trotz der Verwüstung, die sie in den Wäldern anrichtet, muß Griechenland   alljährlich einen bedeutenden Zuschuß an thierischen Produkten vom Ausland beziehen.

Dies alles gilt hauptsächlich von den Provinzen. In Athen   da­gegen sind sowohl die Bildungsanstalten besser als die Strebsamfeit weit größer. Hier vereinigt sich das ganze wissenschaftliche, schön­geistige und politische Leben nicht nur Griechenlands  , sondern des Die Bedingungen für die Industrie sind in Griechenland   sehr gesammten Hellenismus; hier lebt die geistige Führerschaft der ungünstig. Baumwoll- und Wollspinnereien und auch Webereien, griechischen Nation, darunter eine große Zahl von Persönlichkeiten Gerbereien 1. a. m. bestehen im Piräus  , in Livadia  , Syra  , Patras   hervorragenden Geistes und Charakters. Eine beträchtliche Zahl und Chalkis; Seidenspinnereien in Sparta   und Kalamata  ; wissenschaftlicher, künstlerischer und gemeinnütziger Anstalten erhebt Spirituosenfabriken im Piräus   und in Euböa. Doch bleibt Griechen- sich in der schmucken, sich immer mehr europäiſirenden Stadt. Diese land nach wie vor auf die europäische Industrie angewiesen. Nicht Anstalten sind zumeist Privatstiftungen reicher im Ausland lebender unbeträchtlich ist auf dem Lande das kleine Handwerk und die Haus- Griechen. Der Athener   spielt schon jetzt in Griechenland   eine ähn industrie der Frauen, die beide noch heute einen großen Theil liche Rolle, wie der Pariser   in Frankreich  , der Berliner   in Nord­der Kleidung und des Hausgeräths der ländlichen Bevölkerung er- deutschland. zeugen.

Der Bedarf Griechenlands   an europäischen   Industrie Erzeug­nissen und an Nahrungsmitteln veranlaßt eine sehr starke Ein­fuhr, welche durch die Ausfuhr nicht ganz gedeckt wird( 1888 Einfuhr 109,1, Ausfuhr 95,7 Millionen Franks; 1895, infolge der Rorinthenkrisis, 106,8 bez. 71,2). An der Einfuhr von Fabrikaten betheiligt sich Deutschland   in hervorragendem, stets steigendem Maße, was aus der offiziellen Statistik nicht genügend erhellt, da die deutschen   Waaren meist über Genua   und Triest   verschifft werden. Der Außenhandel Griechenlands   übertrifft bedeutend den des gleich­großen Serbien   und auch den des größeren Bulgarien  .

Die griechische Handelsflotte ist heute wieder eine der bedeutendsten des Mittelmeeres und, besonders die Dampferflotte, noch in der Zunahme begriffen. Sie zählte 1892 5894 Schiffe ( darunter 162 Dampfer) mit 311 550 Tons und 22 440 Mann Be satzung, zum theil allerdings gan; tieine Segler von 6-12 Tons, welche die griechischen Gewässer kaum verlassen.

Die Kirche übt, so bigott auch die Mehrzahl der Griechen ist, im öffentlichen Leben Griechenlands   nur eine geringe Wirksamkeit aus. Die Unbildung und Armseligkeit des niederen Klerus ist der artig, daß sein Einfluß gleich Null ist; von einer geistlichen Leitung des Volkes fann, wenigstens auf dem Lande, keine Rede sein.

Wenn man alle diese Verhältnisse, dazu auch die politischen, ins Auge faßt, so tommt man zu dem Gesammturtheil: Griechen= land kann nie wieder eine große Bedeutung auf dem Weltmarkt, in der Weltpolitik und Weltkultur erlangen, aber es kann nnter forg­samer und verständiger Weiterentwickelung seiner natürlichen Gaben eine erfreuliche Wohlhabenheit und eine ansehnliche Kulturstufe er= reichen.

Kleines Feuilleton.

t. Der Verbranch alkoholischer Getränke in Großbritannien  und Irland war im Jahre 1896 um einen Betrag von nicht