MnterhaltungsUati des Horwärts Nr. 105. Sonntag, den 30. Mai. 1897. (Nachdruck verboten.) 41l Ein slkev Streik. Roman aus dem bayerischen Volksleben der sechziger Jahre von Wilhelmine v. Hillern. Vater, nehmt Euch z'samm, oder Ihr bringt's so weit, daß i Euch sag', warum der eigene Sohn dem Vater Haber- feld trieben hat!" Bissinger hört keine Silbe mehr. Er ringt nach Worten. Das Gesicht schwillt ihm auf die Augen treten hervor. I Hab' Dir g'sagt, wer bei dem Treiben mitg'macht hat, der kann auf'm Schindanger sterben und wann's der eigene Sohn war'" er hebt die Hand aus, wie zum Schwur oder Fluch,also" Nein, Vater, nit fluchen, nur um Gottes willen dös nit. Ich bitt' Dich noch amal, denk' an Dei letzt's Stündl. Du bist a alter Mann ladt nit noch a Sünd auf Dei G'wissen! Wer nit verzeiht, dem wird nit verziehen. Straf' mich, wie D' willst, enterb' mich, jag' mich ins Elend, aber nit ver- fluchen. Dein eigenes Frisch und Blut," ruft Lenz verzweifelt und zieht ihm mit Gewalt den Arm herunter. Gewalt, Gewalt!" kreischt Bissinger ganz von Sinnen und schleppt sich, über seine Decken und Tücher stolpernd, an Tischen und Stühlen hin zur Thür.Hilfe, Hilfe!" schreit er hinaus.Bräuknecht, Mägd alles'raus helft, rettet! A Haberer, a Haberer! Bindet ihn, schafft ihn fort, Schandarmen her-- aufs Gericht ins Zuchthaus mit ihm, der Lenz, mei Sohn ist a H a b e r e r!" Das Gesind läuft zusammen, alle dringen auf Lenz ein, von dem sie glauben, er wolle seinem Vater etwas anthun. Rührt mich nit an!" schreit Lenz,den ersten, der mir ' z' nah' kommt, schlag' ich nieder!" So gewaltig steht er da, daß niemand wagt, sich ihm zu nähern. Dann wendet er sich zu Bissinger, der immer noch tobt und um Hilfe schreit. Jetzt ist's g'nug, Vater," sagt Lenz mit bleichen Lippen, aber plötzlich ruhig und bestimmt.Ihr wollt's nit anders i geh'. Auf den Schimpf haben wir nix mehr miteinander z'reden. Aber, Gott ist mein Zeuge, d ö s m a l bin i nit schuld. Adje, Vater! Mög's Euch gut gehn!" Ohne sich unizusehen, steigt er die Treppe hinunter. Werft ihm seine Sach'n nach fei Stück bleibt mir im Haus!" keift Bissinger in seiner Wuth. Und kaum ist Lenz unten, da fliegen seine Kleider hinter ihm aus den Fenstern in den Schmutz sogar seine paar Habseligkeiten, wie sie ein reicher Bauernsohn besitzt und werth hält, seine silberbeschlagcuen Pfeifen, seine Preiskrügeln, seine Stutzen, alles fällt klirrend und splitternd auf die Straße. Alle Gäste rennen ans Fenster. Hinter den Scheiben der Gaststube wird geflüstert und gekichert. Bei jeder anderen Gelegenheit hätte Lenz das Blut in den Adern gekocht. Was er heute fühlt, erhebt ihn über das alles. Noch einen Blick voll Thränen wirft er hinauf nach dem Vaterhans, dann geht er weiter. Da kommt ein rascher, dröhnender Schritt ihm nach. Gemming hat in der Wirthsstube alles mit angesehen, ein paar schaden- frohe Bengel, welche lachten, geohrseigt, und ist Lenz nach- gefolgt. Halt, ich komm mit, Lenz!" ruft er.Wo geht's hin? Zwar, was brauch' ich da zu fragen zur tobten Mühl'!" Lenz nickt.Wo sollt' i sonst hin? Für mich gibt's nur zweierlei entweder zur Wiltraud oder m die Klamm, und dös beides ist auf der tobten Mühl'!" Red' nit so dumm! So ein Kerl wie Du, jung, g'sund und unverdienterweis' der Schatz von einem Mädel wie die Wiltraud, was braucht der an die Klamm zu denken, weil ihn'n alter, eigensinniger Narr von Vater'naus g'jagt hat! Der war ja so'n Sohn, wie Du bist, seiner Lebtag nit werth. Aufi g'schaut nit abig'fallen! Da nimm Dir mich zum Beispiel, was Hab' ich auf der Welt und muß auch leben!" Lenz sieht Gemming an und bemerkt, daß er mit Rucksack und Alpstock ausgerüstet ist.Wollt's fort?" Ja,'s ist Zeit, daß ich weiterkomm'. Ihr habt mir hier mei'n ganzen Humor verdorben. So darf's nit bleiben. A Lieutenantspension und kein Humor, da könnt' man sich scho glei a Kugel vor den Kopf schwßcn!" O, um Euch wär's schab', Herr Gemming." Meinst? Ich mein' nit!" sagt Gemming lächelnd.Weißt, ich bin unserem Herrgott nur so auskommen, wie einem a un- überlegt's Wort auskommt, oder a Kegelkugel, bevor man recht zielt hat. Beides ist nix nutz!" Aber Oes habt's doch auch noch viel Gut's im Leben!" sagt Lenz und saßt theilnehmend Gemming's Hand. Hm, no ja,'s Bier schmeckt mir noch, lvann's Bier nit wär', oder wann i wüßt, daß es da drüben auch a Bier gäb', dann hätt' ich's schon lang g'nug, aber so!" Er schweigt eine Weile nachdenklich. Die beiden sind indeß rasch vorwärts geschritten und je näher die todte Mühl' rückt, desto schneller geht Lenz. Als sie den Hang erreichen, wo der Wald vom Straßen- rand kühn ansteigend an der Bergwand emporwächst, wie eine große einsame Seele den Pfad der Alltäglichkeit ver- läßt, hält Gemming an.So, da müssen wir Abschied nehmen." Lenz bleibt stehen.Wollt's z' Berg, Herr Gemming?" Ja! Mir ist's schon wieder zu eng in meiner Haut, ich muß machen, daß ich auf'n Alm komm' und� mir von irgend'ra Sennerin'n Melkkübel an Kopf schmeißen lasfl. Aus die Art kurier ich mich allemal wieder, wann's mir fad wird!" Mögt's nit mit mir zur Wiltraud gehen?" sagt Lenz verlegen. Nein, mein Lieber!" Ein eigcnthümliches Lächeln fliegt über Gemming's Gesicht.Damit wär's Euch nicht gedient und mir nicht! Was Ihr Euch zu sagen habt, das könnt ihr auch ohne mich. Mich brauchen d' Lcut nur zum Dummheiten machen, zum Glücklichsein hat mich noch nie jemand braucht!" B'hüt Gott! Grüß mir die Wiltraud!" Ist es der Thau, der von den Bäumen fällt? Lenz hat an Gemming's Wimpern etwas blinken sehen aber schon ist der Freund ins Waldesdunkel verschwunden.-- Wiltraud hat sich indessen daheim von der fürchterlichen Arbeit der Nacht erholt nnd sonntäglich gekleidet. Sie ist bleich, aber ein seliger Friede verklärt ihr Gesicht. Der wohlbekannte Schritt im Hansflur treibt ihr jetzt neue Lebensröthe auf die Wangen / Die Thür öffnet sich und Lenz tritt in die alte vertraute Stube. Was ist alles, seit er hier an des Freundes Leiche gestanden, in ihm und um ihn vorgegangen! Er hat sich befreit ans dem Bann der Lüge und Schuld, die ihn vor sich selbst und Wiltraud verächtlich machte. Mit seinem Vater ist er nach dem, was ihm heute im Elternhaus widerfuhr, quitt die Reue, die ihn so lange zu der feigen Lüge zwang, ist ab- gestreift und der Schmerz, der an ihre Stelle trat, bürgt dafür, daß er nicht leichtfertig damit gebrochen. So kommt. Lenz nun zu Wiltraud, ein geläuterter, gereifter Mensch. Und wie er so vor ihr steht, mit erhobener Stirn und freiem Blick, da ist's auf einmal, als hätten sie die Rollen gewechselt! Sie neigt demüthig das Haupt vor dem gewaltigen Mann, in dem ihr plötzlich eine große, ebenbürtige Seele gegenüber tritt. Jetzt ist e r der Gnadenspender, sie die Begnadigte. Er braucht nicht mehr um ihre Liebe zu betteln, denn er hat sie sich verdient. Und in der stolzen Seele des Mädchens schmilzt alles Herbe und Strenge hin, sie ist nichts mehr als die liebende Braut, die fast zaghaft harrt, bis er das Wort spricht, das sie erwählen soll zu seinem Weibe. Er sieht es und es überströmt ihn mit der ganzen Macht lange vergebens ersehnter Erfüllung! Er schaut sie an mit einem Blick voll unsäglicher Liebe und zieht sie zu sich auf die Bank nieder, wo einst Sebald saß, als er Lenz seine Hilfe gelobt. Jetzt komm' i zu dem Herzen, was es allein gut mit mir meint aus der ganzen Welt! Wiltraud, willst'n armen wegg'jagtcn Bub'n aufnehmen in Dei Hans und Dei klei's Gütl? I will Dir arbeiten dafür, was es nur werth ist, und's erhalten und in d' Höh' bringen. Jesus , die Seligkeit arbeiten, arbeiten für mei Weib! Und dann o Herrgott am Abend aus der Bank vor der Thür sitzen und'naufschauen, wo i alleweil d' Bäum ' ra g'holt Hab und g'wollt, daß mi einer dcrschlaget, weil i ohne Deiner nimmer leben Hab' mög'n und jetzt schau i dann mit Dir da'naus mit Dir mit Dir! Und steh' auf mit Dir Vr-ifrä&ffiteäis