Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 106.

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Die Gräfin.

Von Hans Röder.

Dienstag, den 1. Juni.

( Nachdruck verboten.)

1897.

hatte auch das harte und blutige Handwerk, welches er betrieb, nichts zu ändern vermocht.

Friedrich Langemat war ein großer Kinderfreund; seine Frau hingegen hatte mit dem Storch nichts im Sinn. Sie war Frau Langemak war 57 Jahr alt. Auf ihrem Kopfe zu sehr Geschäftsfrau; darum hatte sie weder Zeit für ihre zeigten sich die ersten, schmalen Schneefelder. Aber auch die Kinder gehabt, noch verstand sie etwas von deren Wartung Furchen ihrer Stirne fündeten an, daß sie bereits mit dem und Erziehung. Nicht zum wenigften deshalb waren die beiden Abstieg von der Mittagshöhe des Lebens beschäftigt war. Sie Kinder, die ihnen in den ersten fünf Jahren ihrer Ehe ge hatte ihr Lebenlang hinter dem Ladentisch gestanden. Wer boren wurden, nur wenige Monate alt geworden. Natürlich hätte die Heerschaaren von Mett, Blut, Knoblauchs- und war sich das Ehepaar dieses Grundes nicht bewußt, vielmehr Jauerschen Würsten zählen können, die in diesen langen Jahren wußte Frau Langemaz ihrem Gatten einzureden, daß gerade durch ihre Finger gegangen waren und die zumeist die Künstler- die Stadt Pasewalk lediglich die Schuld an ihrem Unglück hände ihres Friße, ihres Gatten und dessen Gesellen mit trage. Dieser Grund schlug endlich bei dem Schlächtermeister schöpferischer Kraft aus dem Chaos von Hackfleisch, Sehnen und durch, weil er so sehr an seinen Kindern gehangen und so Fett in dem großen Fleischbottich ins Dasein gerufen hatten. gern sein Theil dazu beigetragen hätte, daß die Langemäße Glücklicherweise waren alle diese Würste und Bataillone von auch in späteren Jahrhunderten fortlebten. Rinder- und Schweine- Vierteln nicht an ihnen vorübergezogen, Als sich überdies am Ende des Jahres 1866 ein guter ohne sehr deutliche und höchst angenehme goldene Spuren in Käufer für das Geschäft des Schlächtermeisters fand, setzte dem Geldschranke des Herrn Langemat zurückzulassen. Infolge Frau Langemat ihren Willen siegreich durch und das Ehepaar dessen waren die Schlächterei und die Würste ihnen schließlich siedelte nach Berlin über.

wirklich Wurst geworden, nur Frau und Herr Langemat Zuerst hatten sie schwer zu kämpfen. Es tamen Stunden, hatten vorgezogen, den Rest ihres Lebens als Haus- und in denen sogar Frau Langemat heimlich bereute, daß sie Rentenbesizer in Berlin SW. zu beschließen. sich von den Fleischtöpfen Pasewalt's auf das hungrige Pflaster Herr Langemat erschien bedeutend älter als seine Frau, Berlins hinausgewagt hatten. Aber nun hieß es aushalten; obgleich er nur drei Jahre mehr zählte als sie. Er war ein es gab kein zurück. Biegen oder Brechen! Und sie schlugen sich großer, schweigsamer Mann mit ein paar herkulischen Armen, die ersten Jahre kümmerlich durch. Zuerst paßte sich die ge­denen man es immer ansah, daß sie in jüngeren Tagen die wandte Frau den Geschäftsgeheimnissen der Großstadt an. Kraft besessen, auch die größten Ochsen niederzuzwingen. Trotz- Als dann der Krieg im Jahre 1870 tam und mit ihm der dem machte er den Eindruck der Schüchternheit und die Züge große Aufschwung, der Berlin ein treibhausartiges Wachsthum feines Gefichts trugen den Stempel der Gutmüthigkeit. Er brachte, stieg auch das Glück des Ehepaars Langemat mit der hatte nichts von der Verschlagenheit und Redegewandtheit, die aufsteigenden Welle schnell empor. sonst den Schlächtern eigen ist, zumal denen, die das Vieh Friedrich Langemat jedoch blieb ein einfacher Mann, wie von den kleinen Leuten auftaufen, die keine Waagen haben und sehr sich auch die braunen Scheine häuften, die er aus dem die Marktberichte nicht kennen. Trotzdem hatte auch er Wurstkessel herauszuholen verstand. Er war ein unermüdlicher vor 35 Jahren in Pasewalt ganz klein angefangen. Damals, Arbeiter, ihm war am wohlsten in seiner Wurstküche und als ihm seine Emma Hand, Herz und ihr Sparkassenbuch hinter dem Haukloß und darum gehörte er auch zu den über 151 Thaler und 12 Silbergroschen anvertraute, machten wenigen, die es verstanden, ihr Glück festzuhalten. Dieses sie einen ganz kleinen Laden auf und hatten nur ein Hunde- Glück wäre vollkommen gewesen, doch gerade der Wunsch, der fuhrwert, mit welchem der starke junge Mann auf den ihm am meisten am Herzen lag, der Wunsch, die Welt mit schlechten Wegen unverdrossen die Fettschweine in die Stadt kleinen Langemäßen zu bevölkern, dieser blieb ihm versagt. schaffte. Aber das Ehepaar ergänzte sich glücklich. Sie hatte den Geschäftsgeist und die Muskelkraft der Zunge; er dagegen besaß seinen starken Arm, um die vierbeinige Welt an ihren Hörnern zu packen und zu überwinden. Sodann entwickelte er die zäheste Ausdauer und eine große Sauberkeit bei seiner Arbeit und vor allem war er geradezu ein Genie in der ge­heimnißvollen Kunst der Wurstmacherei.

Nach drei Jahren hatten sie glücklich die ersten saueren tausend Thaler hinter sich und nach ferneren zwei Jahren war dieses Kapital bereits verdoppelt.

Das war vor vor 30 Jahren, da wagten sie großen Sprung in's Dunkle, sie siedelten von Basewalt Berlin über.

So kam es, daß der große Schlächtermeister mit den Jahren noch schweigsamer wurde, als er von jeher gewesen und daß er den Eindruck eines Menschen machte, der an seinem Reichthum keine Freude hatte, weil ihm dennoch irgend etwas fehlte. Wenn es allein nach ihm gegangen wäre, hätte er gewiß bis zum letzten Athemzuge hinter dem Wurstkessel aus gehalten, obgleich die rastlose und anstrengende Thätigkeit, sowie die Last der Jahre auch seinen starken Rücken gebeugt und seine Adern gichtig gemacht hatten.

Ganz anders dachte Frau Langemat. Sie hatte die einen Welt nur mit ihrer Zunge bekämpft; sie hatte ihre Schlachten nach auf der Wiegeschale siegreich geschlagen, und diese Schlachten erforderten zwar oft mancherlei Geschicklichkeiten und eine Als die Schlacht von Königgrätz geschlagen war, sagte große Kenntniß der Wünsche und Schwächen der kaufenden Frau Langemat zu ihrem Mann:" Du, Friße, nu is Preußen Menschheit; im übrigen aber war sie bei dieser um ein ganzes Rinderviertel größer geworden; also muß seine Thätigkeit trotz ihrer grauen Haare jung und wohlgemuth Hauptstadt auch größer werden. Dabei ist Geld zu verdienen geblieben. Ueberhaupt, sie hatte nur gearbeitet, um ihr und darum müssen wir sehen, daß wir aus Bajewalt fort- Leben um so besser genießen zu können, und darum tommen." Frige wollte anfangs davon nichts wissen. Ihr Geschäft blühte und er war eine bedächtige Natur. Was sollte er sich in unsichere Unternehmungen stürzen, nachdem er glück­lich wirthschaftlich feste Wurzeln gefaßt und die besten Aus­sichten für die Zukunft hatte.

war sie froh, als sie ihren Frize an seinem 60. Geburtstage endlich dahin gebracht hatte, daß er das Geschäft an ihren Neffen verkaufte, um sich nur noch damit zu beschäftigen, Miethen eins zukassiren, Koupons abzutrennen und den Kurszettel zu lesen.

Schon Jahre vorher hatte die lebhafte Frau fich oftmals in Aber Frau Emma ließ nicht nach; ihr Ehrgeiz und ihre Gedanken ausgemalt, wie herrlich sie sich alles einrichten und wie Unternehmungslust stachelten sie an. Sie fühlte sich in Base- fie ihr Leben genießen wollte, wenn sie erst einmal das Geschäft walk beengt; ihr Geschäft war ihr zu klein; sie wollte Größeres an den Nagel gehängt hätten. Und in der That, ihre Wohnung unternehmen. Unermüdlich ließ sie alle Künste ihrer rede- in dem ersten Stockwerk ihres Hauses war ein Schmuckkästchen. gewaltigen Zunge auf ihren Gatten einwirken. Trotzdem Da lag tein Stäubchen; der Parketfußboden blinkte wie ein prallten ihre Bemühungen an dem unerschütterlichen Gleich- frischgebackener Eierkuchen, die Fensterscheiben waren so durch muth und dem nüchtern wägenden Verstande des Schlächter- fichtig wie Krystall, und die Ofenthüren, Klinken und meisters erfolglos ab. Sicherlich wären sie ihr Lebtag nicht Schlösser gaben dem Glanze des Goldes nichts nach. Gelegents aus Basewalt fortgekommen, hätte die unternehmungsluftige lich wurde das ewige Pußen und Reinmachen sogar dem Frau schließlich nicht verstanden, ihre Rechnung auf das weiche Schlächtermeister zu viel; er pflegte dann zu sagen: Das Gemüth ihres Mannes zu gründen. So groß und start ihr verspreche ich Dir, Anna, wenn Du vor mir stirbst, ein Friz auch war, in der Brust dieses Riesen schlug ein kleines, Staubtuch und einen Scheuerlappen lege ich Dir mit in den weiches Kinderherz, und an diesem Grundzug seines Charakters Sarg."