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Es war die Freude und der Stolz der Frau Langemat, I an der Ecke des Plazes emporragt, jene tiefere Beachtung, die es Dieses dieses ihr Königreich immer wieder ihren Bekannten und auch vom fulturhistorischen Standpunkt aus doch verbient. denen zu zeigen, die öfter in Geschäften bei ihr zu thun hatten. mächtige, hochstöckige Haus, von dessen breiten Pfeilern die Bilder Bei solchen Gelegenheiten wurde alles gewissenhaft durch über dessen stattlicher Fassade in flämischer Sprache das„ Arbeiter von Fourier und Owen, von Jean Volders und Mary herabschauen, gegangen, die Schlafftube mit den beiden breiten eichen( Verklieden) aller Länder, vereinigt Euch!" eingegraben ist, es ist geschnitten Bettstellen, über die diskret zwei feine seidene der Hauptsitz der größten sozialistischen Genossenschaft Belgiens , der Decken gebreitet lagen; auch die Badestube mit der stolzen Hauptsiz des„ Vooruit". Kupferwanne und sogar die stille Klause mit einem blizblanken Eine breite Kluft trennt die sozialistischen Kooperationen Belgiens Deckel und einer sauberen Rolle schmiegsamen Papiers. von unseren deutschen Konsumgenossenschaften, die, wenn wir das Bei allen größeren Stücken ihrer Einrichtung vergaß die Bild im großen betrachten, ihren Ursprung der Anregung von Schlächterfrau niemals den Preis hinzuzufügen, und man Schulze- Deligsch verdanken und im Geifte Schulze- Delitzsch's geleitet merkte es ihr an, wie es ihrem Herzen wohlthat, wenn sie ab, die sich zum großen Theil in sozialistischen Händen befinden, aber und geführt werden. Sehen wir von den sächsischen Konsumvereinen sagen konnte: Massiv eichen, foftet 1700 Mark." Die bei vortrefflichem geschäftlichen Gedeihen doch nicht die ArbeiterZimmer waren derart mit Möbeln überfüllt, daß man sich organisation in ihrer vollen Wichtigkeit und Verantwortlichkeit benur mühsam bewegen konnte. Es waren lauter theure, aber tonen, so haben wir in der Genossenschaftsbewegung Deutschlands sehr verschnörkelte und mit bunten Stoffen drapirte bis heute eine Bewegung des Mittelstandes vor uns. Organisationen Stücke. Nur an Teppichen war Mangel, aber das im Geifte der belgischen macht uns schon das deutsche Genossenschaftstam daher, daß Frau Langemat gerade auf ihren gesetz unmöglich. Um so interessanter dürfte es sein, auf jene Parquet Fußboden besonders stolz war und es deshalb Schöpfungen einen Blick zu werfen, deren bisheriges Gedeihen wohl empfunden hätte, gewissermaßen als eine Beleidigung in gleichem Maße einer gesunden ökonomischen Grundlage wie der wenn derselbe verdeckt worden wäre. Hatte sie doch den größten glühenden Begeisterung für die politischen Ideale zu danken ift. Seit 1878 bestand in Gent eine Genossenschaft De Beije Theil ihres Lebeus nur auf Schauerdielen zugebracht. Bakkers", die ursprünglich von Veteranen der Internationale geschaffen ward. Aber als nach und nach die Schöpfung das Ge= präge dieses Ursprunges trok den Bemühungen mehrerer Mitglieder verlor, traten diese aus und gründeten im Jahre 1880 mit Hilfe des Fachvereins der Weber eine neue, ausgesprochen sozialistische Wie die übrigen Rooperationen Genossenschaft, den Vooruit". Belgiens , denen er als Vorbild diente, muß der Vooruit" Er ist in Besitz als Konsumgenossenschaft betrachtet werden. und Leitung der konsumirenden Mitglieder; gleichwohl aber begann er- und dies ist in ökonomischer Hinsicht der wesentliche unähnlich den englischen Einrichtungen mit einem Produktionszweig, Punkt bei der Betrachtung der belgischen Konsumgenossenschaften- der Bäckerei. Die Organisation der Konsumenten bildet mit ihrer sicheren Abfahkundschaft und ihrer demokratischen Verwaltung die gesunde Grundlage. Aber es erwies sich in Belgien als praktisch, zunächst nicht einen viele Gebrauchsartikel umfassenden Laden zu eröffnen, sondern auf ein einziges, auch für den Aermften unumgäng lich nothwendiges Bedürfniß den Blick zu richten und seine ver hältnißmäßig einfache Befriedigung durch eine eigene Produktivstätte zu besorgen.
So fehlte während der ersten Monate, in denen sie von ihren Thaten ausruhten, an dem Glücke der Frau Langemat nichts; sie fühlte sich behaglich wie eine Glucke, die ihre Kükel vollzählig ausgebracht. Bumal nachmittags, wenn sie in ihrem eleganten Einspänner die Linden hinunter nach dem Thiergarten fuhr, dann schien das Maß ihres Glückes voll gemessen, so voll, wie sie sich niemals hätte träumen lassen und wie sie in ihrer langen Geschäftsthätigkeit sicher nie gemessen hatte, es sei denn, daß sie für sich selbst ein Stück Wurst ab geschnitten. Frau Langemat pflegte dann in den Zelten einzukehren und Kaffee zu trinken. Zuvor holte sie immer eine ihrer Freundinnen ab, die sie begleiten mußte. Die Zahl dieser war sehr groß; denn mit dem Reichthum des Hauses Langemat hatten sich auch die Freundinnen der Schlächterfrau stetig vermehrt.
Biel weniger sagte das Rentierleben anfangs Herrn Friedrich Langemat zu. Er hatte sich nie in der feinen Wohnung seiner Frau behaglich gefühlt. So lange er noch im Geschäft thätig gewesen, war er faum eher als am Abend, um schlafen zu gehen, hinauf gekommen, und hatte er ja einmal etwas anders zu thun gehabt, dann zog er immer seine Stiefel mit den großen Nägeln aus und ging auf Filzschuhen, um den Parquetboden zu schonen. So wollte es seine Frau, und ihm selbst schien es ein Gebot der Sparsamkeit; aber unbequem war ihm das doch. Nun sollte er den ganzen lieben Tag zwischen den feinen Möbeln herumkriechen, da fam er sich vor wie in einem Affenkäfig; er genirte sich förmlich, sich auf die feinen Polster zu setzen, und wenn er seine Pfeife rauchte, machte seine Frau Lärm wegen ihrer guten weißen Gardinen.
Diese Geschichten wurden ihm bald zu dumm; denn wenn er auch sehr gutmüthig war, er wußte doch ganz genau, was er wollte. So zog er denn auch als Rentier vor, den größten Theil des Tages außerhalb seiner vier Pfähle zu verbringen. Seiner alten Gewohnheit gemäß fuhr er nach dem Viehhof hinaus. Dort begrüßte er seine alten Bekannten; er ging wohl auch seinem Neffen und Geschäftsnachfolger mit Rath und That zur Hand und freute sich, wenn er dem jungen Manne zu einem guten Kauf verhelfen konnte. Dann zog er sich in die Restauration zurück, ließ sich eine Weiße geben, unterhielt sich oder machte noch einen kleinen Stat. Das alles trug dazu bei, den alten Langemat schließlich doch mit dem Rentierleben auszusöhnen. An den verschiedenen Stammtischen, an denen er bald ein regelmäßiger Gast geworden, verging ihm die Zeit. ( Fortsetzung folgt.)
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In einem gemietheten Keller mit einem einzigen Backofen begann man 1880; schon nach wenigen Wochen aber mußte ein zweiter hinzugefügt werden. Und die Genoffenschaft gedieh so trefflich, daß bereits 1883 im Mittelpunkt der Stadt in einem alten Fabrif gebäude eine große, vervollkommnete Bäckerei mit WarmwasserBacköfen, mechanischen Backtrögen u. f. w. eingerichtet ward. Ein großer Versammlungssaal, ein Café, Verkaufsläden, ein Theater, eine Bibliothek wurden hinzugefügt und mit der Bäckerei in einem Gebäude vereinigt. Sinnfällig verkörpert sich uns hier der ganze Charakter des Booruit, der nicht etwa nur bestimmt war, billiges Brot" an die Mitglieder zu verkaufen, sondern den Menschen in seiner ganzen Wesenheit zu erfassen und für seine höchsten wie für seine rein materiellen Bedürfnisse zu sorgen. Von nun an sehen wir in der Entwickelung des Vooruit einen schnellen und ununterbrochenen Fortschritt. 1885 schuf die Genossenschaft ihre erste Boltsapotheke, 1887 ein großes Schnittwaaren- Geschäft; gleichzeitig wird ein neues Grundstück gekauft, auf dem man nun auch eine Kohlenverkaufsstelle eröffnet und wohin die Bäckerei verlegt wird. Und wenn wir den Vooruit in seinen heutigen Einrichtungen betrachten, die sich an vier verschiedenen Stellen Gents befinden, so muß uns ein Gefühl der Bewunderung für die unermüdlichen Gründer überkommen, die aus der Arbeiterklasse hervorgegangen sind und die höchste Begeisterung für ihre politischen Ideale mit praktischem Sinn vereinten.
Eine sozialistische Genossenschaft. Diese verdienen wohl, daß man sie genauer ins Auge faßt. Ge
Wenn der Reisende Gent besucht, die Kathedrale, den berühmten van Eyck gesehen, vielleicht auch in der schönen, melancholischen Abtei von Sankt Bavo verweilt hat und nun ein allgemeines Bild der immer noch interessanten Stadt gewinnen will, so streift er auf feiner Wanderung auch den alterthümlichen Freitagsmarkt, wo ihm bas foloffale Standbild Jakobs van Artevelde entgegenblickt. Schwerlich aber schenkt er dem großen, vielfenftrigen Gebäude, daß
*) Unsere Leser wissen aus den Telegrammen der Sonntagsnummer, daß ein Theil des Genter Vooruit" am Sonnabend ein Raub der Flammen geworden ist. Aus diesem Anlasse wird vor ftehende Schilderung des Vooruit", die in einem früheren Hefte der " Bukunft" erschienen ist, unsere Lefer doppelt intereffiren.
des Vooruit, der große, elegante Laden, das Louvre der Proving". Am Freitagsmarkt befindet sich, wie schon erwähnt, der Hauptfit In weiten, stattlichen Räumen, die sich mit denen der Berliner Ge schäfte messen können, findet unten der Verkauf von Schuhwaaren, Kleibern, Weißwaaren 2c. statt. Vielleicht vermißt das verwöhnte Auge den Hauch des raffinirten Luxus, aber die Waaren sind ansprechend und gediegen gearbeitet, die Auswahl ist reichlich, die Be dienung gewandt und entgegenkommend. Im Keller sind die ausgedehnten Lagerräume, in den oberen Stockwerken die Werkstätten. radezu überraschend wirkt die ununterbrochene Rührigkeit, die man hier beobachten tann, überraschend und erfreuend wirkten auch die heiteren Mienen, die sich von der Arbeit zu uns emporrichten. Der frohe Fleiß der dort Beschäftigten vereinigt sich zu einem harmonischen Gesammt. bild mit der ganzen Beschaffenheit dieser hohen, luftigen Arbeit räume, in denen bis zum fleinsten den hygienischen Anforderungen entsprochen ist. Die Plätteisen werden durch Elektrizität erwärmt, die Fußräder der Nähmaschinen durch Elektrizität getrieben. qualvolle Temperatur Temperatur herrscht hier; nirgends bei den Ar beiterinnen jene gesundheitsmörderische Haltung des Unterkörpers, die in den Reihen dieser Armen zahllose Unterleibsleiden verschuldet und die verheirathete Frau die Frucht in ihrem Schooß nicht normal austragen läßt.
Reine