Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 107.

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Die Gräfin.

Von Hans Röder.

Mittwoch, den 2. Juni.

1897.

( Nachdruck verboten.) mußt Stadtverordneter oder Bezirksvorsteher werden, damit wir bekannt werden und Dein Name auch in die Zeitungen tommt."

Der alte Langemag hatte seine Frau groß angesehen, dann hatte er ganz gelassen gesagt:" Du, Emma, höre mal, was ist eigentlich jetzt mit Dir los, willst Du etwa auf Deine alten Tage noch nach Dalldorf?"

Während so der alte Langemat das Talent entwickelte, den Abend seines Lebens in seiner Art in aller Gemüthsruhe zu genießen, hatte die Freude der Frau Langemat an ihrem thaten­losen Dasein bald ein Ende. Sie hatte sich in dem Glück des Du bist ein alter Bauer," hatte Frau Langemat schnippisch Rentierlebens getäuscht, das sie sich früher so oft in den lächelndsten zur Antwort gegeben, andere Männer, die soviel haben wie Farben ausgemalt; denn sie besaß nicht die Gabe stiller Be- wir, die bekomnien Orden und Titel und die werden wer weiß schaulichkeit. Wenn sie nun auch in ihrer Wohnung noch was, aber mit Dir kann man die Wände einrennen." öfter wie früher alles auf den Kopf stellte, schauern, klopfen Na, denn renne man, ich renne auch," hatte er zur Ant­und bürsten ließ, als einige Monate vergangen waren wort gegeben und war dann gegangen, um wie immer an und der Reiz des Neuen sich verwischt hatte, empfand die feinem Stammtisch in der Nachbarschaft einen Stat zu spielen. lebhafte Frau plötzlich das verhängnißvolle Gefühl der Aber Frau Langemat ließ sich nicht so leicht irre machen, Langeweile. wenn sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte.

und

In den langen Jahren, in denen sie hinter dem Laden- Wußte sie nun auch, daß sie bei ihrem Frize nichts ausrichten tisch geftanden, hatte sie es ganz verlernt, sich selbst zu be- würde, denn wenn der einmal nein gesagt hatte, dann blieb schäftigen. Dazu hatte ihr das Geschäft gar keine Zeit gelassen. es auch dabei, so konnte sie im übrigen doch thun und lassen, Da waren alle Tage tausend Dinge zu bedenken gewesen. Das was ihr beliebte; in ihre Sachen redete er ihr nicht hinein. Bersonal mußte beaufsichtigt werden und dann hatte Frau Nun gerade wollte sie ihm beweisen, wie man zu Ansehen und Langemaß die delikate Aufgabe gehabt, die diplomatischen Be Würde kommt. Sie war zwar von Hause aus eine sehr spar­ziehungen zu den verschiedenen Köchinnen zu unterhalten und fame Frau; aber nicht lange nach diesem Auftritt mit ihrem zu pflegen. Das allein schon war eine sehr figliche Beschäfti- Manne fonnte man ihren Namen mit großen Schrift. gung gewesen, die viel Takt, große Menschenkenntniß, mitunter zügen in allen möglichen Listen von Kollekten aber auch eine gehörige Portion Energie erforderte, um gar zu dergleichen lesen. Dabei zeichnete sie immer ein paar weit gehende Ansprüche zurückzuhalten und dabei doch das Mart mehr als der Geheimrath, der schräg über Geschäftsinteresse zu wahren. Hierin jedoch war Frau wohnte. Plöglich fing fie fogar an, Sonntags in die Kirche Langematz gerade in ihrem Element gewesen; sie hatte zu gehen, obgleich sie das seit undenklichen Zeiten nicht mehr es jedem Kunden an der Nasenspize angesehen, wie gethan hatte, denn dazu hatte sie gar keine Zeit gehabt in den furz sie ihm ihm das Stück Wurst abschneiden durfte, langen Jahren ihrer Geschäftsthätigkeit. Der alte Langemat ohne dabei ihren Ruf schädigen. Auch hatte schüttelte darüber den Kopf. Zu seinen Bekannten sagte er: fie es vortrefflich verstanden, ihren bewährten Klientinnen Bei meiner Alten is eine Schraube locker, die wird fromm, fogar in Herzensangelegenheiten und anderen wichtigen Dingen obgleich sie ihr Lebelang soviel geglaubt hat, wie die Spazen diskret und taktvoll Rathschläge zu ertheilen. glauben, wenn sie auch auf'n Lustgarten im Dom ihre Eier legen, brüten und schlafen geh'n."

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Frau Langemat ärgerte sich und stellte ihre Kirchenbesuche wieder ein. Da geschah es, daß eine zufällige Verkettung von e baß eine Umständen ihrem Leben eine neue Wendung gab, und ihre Eitelkeit befriedigt wurde. Eines Tages las sie eine Annonce: 20 000 Mart sofort bei hohen Zinsen auf Hypothet gesucht, Offerten Graf 3 postlagernd Westend." Sie schrieb dahin und bat um nähere Angaben.

In diesem bewegten Treiben waren die Jahre vergangen. Ganze Generationen von Köchinnen und Kunden waren Auf diese Weise wurde die Schlächterfrau eine ganze während dessen an Frau Langemat vorübergezogen und Menge Geld los; denn an willigen Nehmern fehlte es nicht, hatten dafür gesorgt, daß daß die Schlächterfrau teinen und sie wurde von allen möglichen Leuten um Beiträge für Augenblick dazu gekommen war, sich zu langweilen. fromme und milde Zwecke angebettelt. Anfangs fühlte sie sich Nun war das anders. Nähen, Stricken, Häkeln waren geehrt, wenn irgend ein Pastor oder sonst eine einflußreiche der ehemaligen Geschäftsfrau böhmische Dörfer und auch Persönlichkeit sie deshalb aufsuchte, und sie that ihr Portes von der edlen Kunst des Lesens hielt sie grade nicht monnaie weit auf. Als praktische Frau wollte sie aber auch viel. Außer im Kourszettel und Juferatentheil der Erfolge sehen und sie merkte bald, daß sie bei allebem wohl Zeitungen war sie nur gewöhnt, in dem großen Buche des einen schönen Dank und gelegentlich einen Händedruck erntete; wirklichen Lebens zu lesen, in welchem statt der schwarzen im übrigen aber verhielten sich gerade die einflußreichen und Buchstaben und Worte die Menschen ihre schwarzen Gedanken feinen Leute, auf die sie es doch vor allem abgesehen hatte, und Thaten höchstselbst verzeichnen. Die gewöhnliche Drucker- fühl und abweisend gegen sie, sobald sie ihr ihr Geld ab­schwärze hatte deshalb hauptsächlich nur insofern Werth und genommen hatten. Interesse für fie, als dieses edle Gemisch von Schmiere und Ruß dazu beigetragen, ihr auf die denkbar billigste Weise das nöthige Papier für ihre Würfte zu liefern. Endlich staub­wischen, was sie so gern that und auch aus dem ff verstand, fonnte sie doch nicht den ganzen Tag. Wenn auch eine gütige Vorsehung dafür sorgte, daß immer wieder Staub vom Himmel herunterfiel, ce tam trotzdem an jedem Vormittage der Augenblick, wo Frau Langemat das letzte Atom eines Stäubchens hinter ihrem Ofen aufgefischt und aus ihrem Fenster über die ahnungslosen Fußgänger ausgeschüttelt hatte So geschah es, daß die Langeweile der Frau Langemaz auf ihren Lorbeeren feine Ruhe ließ, sondern sie dazu trieb, sich alle möglichen Gedanken zu machen. Sie war immer eine ehrgeizige Frau gewesen, die im Leben etwas hatte erwerben und vorstellen wollen. Wenn sie nun darüber nachdachte, was andere Leute vorstellten und für Orden und Titel hatten, die doch lange nicht das besaßen, Die Gräfin Matuschka war verwittwet. Sie befand sich was sie und ihr Frize sich erworben hatten, so tam sie zu der in dem Alter der Frau Langematz und hatte eine erwachsene Ueberzeugung, daß da doch etwas in der Welt war, was von Tochter und einen Sohn, der Soldat war. Von ihrem ehemals rechts wegen ganz anders hätte sein müssen. Kurz, fie fagte sich: beträchtlichen Vermögen besaß sie nichts mehr als die Villa in was die und die können, das können wir zehnmal. Hatten Westend   bei Berlin  , in der sie wohnte. Sie hatte dieselbe sie nicht drei Häuser und ein Einkommen, wie es höchstens so noch glücklich aus dem Ronkurse, der bei dem Tode ihres ein Minister bezog?! Das wurmte sie, das mußte anders Mannes über sie hereingebrochen war, für sich herauszufischen werden, und darüber sann Frau Langemat oft und lange nach. verstanden. Der erste Stock der Villa war vermiethet, sie Zuerst versuchte fie, ihren Friße aufzustacheln. Mann," selbst bewohnte mit ihrer Tochter das Parterre; hiervon hatte sagte sie, Du hast doch Zeit, und Geld haben wir auch, Du sie noch zwei Zimmer an einen Major von Beust, einen mußt ein Amt annehmen und Dich verdient machen. Du pensionirten Militär, abgegeben. Dieser war ein Jugenfreund

Bald darauf erhielt sie einen eleganten parfümirten Brief mit Wappen, der die Bitte enthielt, eine Besichtigung des Grundstücks, auf das die Hypothet aufgenommen werden sollte, vorzunehmen. Das Schreiben war unterzeichnet Gisela, Gräfin Matuschka geb. Freiin von Hülsheim. Gleich am Nach mittage saß Frau Langemat in ihrem Wagen, um nach Weft. end hinaus zu fahren, die Billa  , auf die das Geld gesucht wurde, zu besichtigen und mit der Gräfin persönlich zu vers handeln.