Unterhaltungsblatt des Vorwäris

Nr. 113.

Freitag, den 11. Juni.

( Nachdruck verboten.)

4 Gottlieb Adler und Sohn.

4]

Von Boleslav Prus  .

Autorisirte Uebersehung aus dem Polnischen von J. Land.

Der alte Adler war erstaunt ob diesen Ernstes, der Auf­richtigkeit und Ueberzeugungsfestigkeit seines Sohnes, und Böhme gab zu, daß die Besserung Ferdinand's, die sich im Auslande anscheinend vollzog, mehr als 70000 Rubel werth sei. Nach einiger Zeit setzte sich der Pastor mit seinem Freunde und deffen Frau zu Tische; man trank eine Flasche Wein und sprach von den Kindern.

Weißt Du, Gottlieb," sagte Böhme, ich beginne, Deinen Ferdinand zu bewundern. Aus diesem Taugenichts ist, wie ich fehe, ein wahrer Mann geworden. Er denkt sehr vernünftig, hat gesunde Ansichten...."

" O ja," versetzte die Frau Pastor, er erinnert jetzt ganz an unsern Josef. Erinnerst Du Dich, Martin, wie der voriges Jahr unter den Ferien da war, da schwärmite er ebenso von den Engländern."

Ferdinand ging inzwischen mit Anna, der schönen achtzehn­jährigen Tochter des Paftors Böhme, im Garten spazieren. Beide kannten sich von Kind auf. Sie unterhielten sich eine Stunde vielleicht, da es aber noch immer sehr heiß war, be tam Anna heftige Kopfschmerzen und mußte sich auf ihr Zimmer zurückziehen, und Ferdinand kehrte zur Gesellschaft zurück. Er sprach jetzt sehr wenig und war sichtlich schlecht gelannt, was aber niemand wunderte, da ihm doch selbstverständlich die Gesellschaft eines schönen, jungen Mädchens angenehmer sein mußte als die der alten Leute.

Als die Adlers nach Haus zurückkehrten, sagte Ferdinand dem Vater, er müßte morgen nach Warschau   fahren. Wozu?!" schrie der Alte, ist Dir denn nach 18 Stunden schon das Haus zum Ekel geworden!"

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Dnein, vergiß aber nicht, daß ich mir Wäsche und Kleider faufen muß und einen neuen Wagen, in dem ich Besuche ab­statten kann."

Dies alles überzeugte aber den Vater nicht. Er sagte, einen Wagen würde er bei einem bekannten Fabrikanten schon selbst besorgen; Wäsche und Kleider könnte man auch brieflich bestellen, und es würde genügen, wenn man einen Anzug und ein Hemde nach Warschau   als Größenmuster schickte.

Ferdinand ließ aber nicht ganz von seiner Ansicht ab. Wenn schon nicht nach Warschau  , so wollte er wenigstens in das nächstgelegene Städtchen fahren, um sich die unumgänglich nothwendigen Sachen auzuschaffen.

Und er fuhr auch wirklich am nächsten Tage schon um zehn Uhr früh fort. Kurz nachher erschien im Arbeitszimmer des alten Adler Paftor Böhme. Er war ungewöhnlich auf geregt. ft Dein Ferdinand da?" rief er, sobald er ins Zimmer trat.

Adler erstaunte; er bemerkte, daß Böhme's Stimme zitterte. Was willst Du von meinem Ferdinand?" fragte er. " Er ist ein Lump, ein Bharijäer!... Weiß Du, was er gestern meiner Anna jagte?"

Der Fabrikant schaute ihn fragend und erstaunt an. Eine Frechheit!" fuhr Böhme weiter fort, eine Un­anftändigkeit fondergleichen!

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Aber was ist den geschehen, Martin?" fragte Adler. Was sagte eigentlich Ferdinand?" Er jagte fie foll

ihm in der Nacht öffnen!"

das Fenster ihres Zimmers

1897.

Pastors. Er, der doch an der Seite seines Vaters genießen follte, wild und toll!

Böhme war schon längst beruhigt, als Adler sich erst zu ärgern begann; im alten Weber erwachte der Tiger.

So ein Bengel; vor einer Woche zahle ich für ihn 50 000 Rubel, und heute macht er mir solche Geschichten!" Er hob beide Arme nud schwang dieselben ähnlich wie Moses im Momente, als er die Steintafeln an den Köpfen der An­beter des goldenen Kalbes zerschmetterte.

Mit einem Stock werde ich den Burschen durchprügeln!" Als Böhme Adler's Aufregung wahrnahm und befürchten mußte, daß er wirklich zum Stocke greifen würde, der in seinen Händen bedenkliche Folgen haben konnte, da glaubte er, seinen Freund ein wenig besänftigen zu müssen.

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Mein lieber Gottlieb," sagte er, das wäre ganz über­flüssig. Ueberlasse mur mir die Regelung der ganzen An­gelegenheit; ich werde den Ferdinand ersuchen, er möge mujer Haus entweder meiden, oder, wenn ihm unsere Gesellschaft angenehm ist, sich anständig benehmen."

" Johann!" schrie der Fabrikant, und als der Diener er­schien, sagte er: Schicke sofort jemand ins Städtchen nach Ferdinand; Prügel bekommt der Bengel." Der Diener sah feiner Herrn erstaunt an, der Paftor winkte ihm, und Johann verschwand.

Mein lieber Gottlieb," begann Böhme wieder, Ferdinand ist schon zu alt, um geprügelt zu werden. Allzu große Strenge wird ihn nicht mehr nicht bessern, sie könnte ihn zur Ver Er zweiflung bringen... Er ist ein ambitiöser Junge.. könnte unter Umständen gar einen Selbstmord begehen". Das wirkte auf Adler. Was sagst Du, Martin? Einen Selbstmord?. Johann! Eine Flasche Waffer!" Johann brachte das Waffer, und der Fabrikant trant ein paar Glas; dann begann er sich allmälig zu beruhigen. Er befahl, die nach Ferdinand entsandten Boten aufzuhalten.

*

Erst spät am Abende kehrte Ferdinand nach Haus zurück. Er befand sich in rosigster Laune, suchte in der ganzen Villa nach dem Vater, ließ dabei alle Thüren offen, schlug wie auf eine Trommel auf alle Tische mit seinem Stocke und fang dabei mit seinem schönen Bariton:

Allons enfants de la patrie

Le jour de la gloire est arrivé Endlich fand er den Alten in seinem Kabinet. Er blieb vor ihm stehen, die Müze schief auf dem Kopfe, die Weste aufgeknöpft, und er sah sehr verschmigt ans und roch nach Wein. Als er in seinem Liede zu den Worten kam: Aux armes, citoyens!..

da verfiel er in solch eine Begeisterung, daß er den Stock über dem Haupte seines Vaters zu schwingen begann.

Der alte Adler war an so etwas nicht gewöhnt; er wurde wüthend. Du bist besoffen, alberner Tropf!"

Ferdinand entgeguete fühl: Lieber Papa, ich bitte Dich, mich nicht so zu nennen. Wenn ich zu Hause mich an derartige Ausdrücke gewöhnen werde, dann wird es mir auch bald gleichgiltig sein, wenn irgend ein Fremder mich so nennen wird Der Mensch gewöhnt sich an alles."

Diese Rede gefiel dem Alten, und er sprach in einem schon bedeutend verföhnlicherem Tone weiter: Du bist ein Lump! Du wolltest Böhme's Tochter verführen."

Ferdinand begann zu lachen." Ja, wolltest Du vielleicht, ich sollte die alte Frau Böhme verführen?"

Na, na; Wize verbitte ich mir. Heute war der Pastor hier mit dem Ersuchen, Du möchtest sein Haus mit Deinen Besuchen verschonen."

Bon Dingen, die mit seinem Geschäfte in feinem Zu- Ferdinand warf inzwischen Stock und Müße auf den fammenhange standen, verstand Adler nicht viel; sein Herz Boden und streckte sich auf der Chaiselongue ans. Na, das konnte den dem jungen Mädchen angethanen Schimpf nicht thut mir wirklich leid," sagte er ironisch. Aber aufrichtig mitempfinden. Soviel begriff er aber sofort, daß, wenu Anna gestanden bin ich sehr zufrieden, von diesen langweiligen Be den Rath seines Sohnes befolgt hätte, diefer fie dann hätte suchen befreit zu sein. Eine Familie, lauter Sonderlinge! heirathen müssen. Ja heirathen! Das stand bei Adler fest, Der Alte glaubt, er sei ein Missionar unter Menschen­einen anderen Ausweg aus einer solchen Affäre fah er nicht. fressern und will immer jemand befehren; die Alte hat Also etliche Stunden nach seiner Heimkehr und etliche Minuten Waffer im Kopfe, in dem nur diese gelehrte Schenke nach solch einer brillanten Rede über Befferung, beging Josef schwimmt, und die Junge, die ist heilig, ein Altar, Ferdinand eine Unvorsichtigkeit, die er eventuell durch die auf dem nur Pastoren die Messe zu halten erlaubt ist. Pjui Heirath mit der Tochter des Bastors hätte büßen müssen. Teufel! Abschenliche Bebanten! by

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Er, der Sohn des Millionärs mit der Tochter des armen.Na ja, Bebauten," unterbrach ihn hier der Vater, mit