selbst und dreht sich zur Wand, er will die Poltergeister nicht sehen... Aber die verschwinden nicht. Er sieht einen Haufen Leute, die jemand auf der Trag- bahre führen. Auf der Bahre liegt ein Mensch mit einer ver- bundenen Hand; auf den Verbandfetzen bemerkt er große, schwärzliche' Blutflecken. Ferdinand reibt sich die Augen, vergebens, die Gespenster wollen nichl weichen. Es schien ihm, er sei dieser verwundete Mann, er, Ferdinand Adler, der jetzt hoffnungs- und regungs- los im Mondlichte auf der Bahre liegt. Woher diese Gedanken? Ferdinand empfindet plötzlich ein ihm bisher unbekanntes Gefühl. Es schien ihm, als griffe eine frenide Hand in sein Hirn, als wühle sie sich hinein, tief, tief hinein, bis ins Herz. Ferdinand sprang auf; im Zimmer war es schon ganz dunkel. WaS soll das'. Ich fürchte mich!" flüsterte er scheu. Er zündete eine Kerze an und warf einen Blick in den Spiegel. Sein Gesicht war bleich; die Augen waren geröthet..Ich sollte mich fürchten?"-- Die Kerze bebte in seiner Hand. Wenn mir morgen die Pistole so beben wird, dann kann ich mir gratuliren. Er blickte durchs Fenster. Zapora saß noch immer an dem Schreibtisch. Allmälig beruhigte sich Ferdinand; sein starker Wille be- siegte die Aengstlichkeit. Schreib nur, schreib; ich werde Dir schon den letzten Punkt setzen." Es klopfte an der Thür, seine Freunde traten ins Zimmer. .Komm', Ferdinand, es ist alles bereit; es kann eine schöne Nacht werden." Jetzt war Ferdinand schon ganz sein Herr; wenn er jetzt in einen Abgrund springen sollte, würde er auch nicht eine Miene verziehen. Er halte sich gefürchtet? Blödsinn! Er Adler! Bis nach Sonnenaufgang zechten Adlers Freunde unter seinem Kommando. Im Restaurant erdröhnten die Scheiben vom lauten Lachen, und der Wirth mußte in der Nacht noch in ein anderes Lokal nach Wein schicken, da der seine aus- gegangen war. Gegen sechs Uhr verließen vier Wagen die Stadt. ** * V. Seit einigen Tagen kamen in Adler's Fabrik täglich große Baumwollentransporte an. Adler, der ein Steigen der Preise voraussah, verwandte fast sein ganzes Baarkapital auf den Einkauf dieses Rohprodukts. Erst ein kleiner Theil ivar in der Fabrik angelangt; der größere lagerte noch in englischen und dcntscken Magazinen. Adler's Reamung war nicht falsch; einige Wochen nach Abschluß der Käufe schon begann der Preis der Baumwolle zu steigen, und er war noch immer im Steigen begriffen. Man fragte bei Adler an, ob er nicht geneigt wäre, die Waare mit 2 pCt. Preisaufschlag sofort wieder zu ver- kaufen; er wollte davon nichts hören.Jetzt ist bald Zeit," sprach er zu Böhnie,mit der Fabrikation ein Ende zu niachen. Bis zum Juli künftigen Jahres wird die Baumwolle zu Waare verarbeitet sein, im August habe ich die letzten Liefe- rungslermine; dann verkaufe ich noch die Fabrik, und im September... Na, dem Ferdinand sage ich jetzt nichts, erst im letzten Augenblick... Wird das eine Freude sein! Uebrigens werdeich das Kapital irgendwie sicher anlege», sonst wäre dieser Lump im stände, in etlichen Jahren alles durch- zubringen..." Inder letzten Zeit hatte Adler seltsame Träume. Manchmal träumte ihm von einem großen Berge, der bis in die Wolken ragte, und den er bestieg; ein ander Mal träumte ihm, er säße in einer Ballongondel und schwebte hoch... hoch über der Erde; dann wieder sah er sich in einem großen, glänzenden Saale zwischen tanzenden Paaren und rauschender Musik immer aber war er allein, Ferdinand war nie bei ihm. Ich sehe den Kerl so selten," dachte er,daß ich nicht einmal mehr von ihm träume. Fortwährend sitzt er im Städtchen, ueugierig bin ich nur, was er dort eigentlich findet." Am Morgen«ach dem Markttage machte Adler wie immer «inen Kontrollgang durch sämmtliche Werkstätte» und Bureaus. Von den Arbeitern waren viele auch zu Markt gewesen, und sie sprachen viel von Ferdinands Streichen. Man erzählte, der junge Herr hätte in allen Restaurants den Mittagstisch bezahlt, und wer etwas essen oder trinken wollte, hätte zuvor sich vor ihm verbeugen müsse». (Fortsetzung folgt.) «Nachdruck verboten. Die groHe Vivchenglocke. Von Jens Tvedt. Man konnte es am Ton hören, daß es die groß« Glocke war, mit welcher sie heute läuteten. Sie wurde nur an den große» Feier- tagen benutzt oder wenn große Leute begraben wurden; sonst war sie angeschlossen. Es kostete einen ganzen Thaler, wenn man sie haben wollte, daß sie zu einem Leichenbegängniß geläutet werden sollte, und dazu hatten die Leute nicht die Mittel, wie sie meinten; sie mußten sich mit der kleinen Glocke beHelsen, wenn es auch nichl so feierlich war. .Bim dam! Bim bam!" bummte die groß« Glocke, und »der starke Ton zitterte in der Luft über das ganze Dorf hin. Er hatte sich in den Bergen festgesetzt und brauste über den Köpfen der Leute, so daß sie empor sahen, ob man etwas davon sehe» könnt«. Es war sast, als wenn der dumpfe Widerhall sie niederdrückte, so daß sie sich betäubt, ganz klein vorkamen. Es stimmte so ernst, daß sie an die himmlischen Glocken denken mußten. Sie klingt gut heute." sagten die Leute, welche auf den Höfen standen und nach der Kirche hinstarrlen oder anf den Fjord hinaus. Alle waren stolz auf eine Glocke, wie es ihresgleichen in der ganzen Gegend keine zweite gab. Sie sollte für die Domkirche in Bergen bestinimt gewesen sei», ging die Sage; aber wie sie dann hierher- gekommen war, das wußte niemand. Nun kommt der Leichenzug," sagte einer, und aller Augen richteten sich nach der Landspitze, hinter welcher die Boote vor- kommen mußten. Boot für Boot kam zum Vorschein und ruderte über die Bucht hinüber große Boote, voller Leute. Das erste ivar das Leichenboot. Es war schwarz, und schwarz waren fast alle, welche darin saßen, denn es waren große Leute nur die Ruderer saßen in weißen Hemdsärmeln. Die anderen Boote sahen lichter aus. Es war ein großes Leichenbegängniß, wie man erwarten konnte. denn es war einer der angesehensten Männer des Dorfes, der Dorf- lichter, welcher begraben werden sollte. Darum geschah es auch am Freitag. Montag. Mittwoch und Freitag waren die Tage der großen Leute; es kam niemals vor. daß ein einfacher Bauer an diesen Tagen begraben wurde. Nicht einmal der alte Schulze wurde an einem solch vornehmen Tage begraben so hoch reichte er nicht hinauf. Als aber der reiche Sonderling anf dem ttasteini- Hof starb, wurde ihm dieselbe Ehre zu theil, wie jenen großen Leuten; er wurde sogar sogleich in die Kirche hineingeschafft auf die schwarze Decke vor den Aliar, und der Pfarrer predigte in der Ehor- lhüre. Andere wurden am Grabe abgesunden oder, wenn das Wetter zu schlecht war im Beinhanse. Bim dam! Bim bam!" brummte die große Glocke, so- daß es in der Luft zitterte und in den Bergen widerhallte. Die Frau des Richters hatte vier Thaler für die Glocke und daS Läuten gegeben, so daß sie sich schon etwas anstrengen konnten; nicht jeden Tag wurde die Arbeit so gut bezahlt. Die Frau saß auch im Leichenboot. Sie meinte, es klänge hübsch, und bereute nicht das Geld, daS sie gegebe». Sie saß ge- mächlich und zufrieden dicht bei dem Sarge. Nicht die Trauer darüber, daß sie Wiltwe geworden, hatte sie bleich gemacht; nein, sie war immer so gewesen, seit sie sich verheirathete. Der Mann war nicht gut zu ihr gewesen. Kinder hatten sie keine, und er war ihr untreu gewesen. Bim dam! Bim bam!" brummte Ii« Glocke, und der Laut wurde stärker, je näher sie kamen; es war, als wollte sie versuchen. ihre unseligen Erinnerungen zu betäuben. Es wäre wohl auch am besten so; nun mußte er anderwärts Rechen» schast ablegen, und darum beneidete ihn sicher niemand. Jeder wußte, daß daS Sündenregister des Richters nicht klein war. Die Boote landeten, und bald befand sich das Leichmgesolge auf dem Wege zur Kirche. Ein langer Zug war es nicht, aber die Leute wechselten beim Tragen ab, denn einen schwereren Körper kalte noch niemand zu Grabe getragen. Es war, als wenn der Sarg voller Steine gewesen wäre. Bim bam! Bim bam!" brummte die Glocke laut und dumpf, sodaß denjenigen, welch« den Sarg trugen, ganz wirr im Kopfe wurde. Als sie zur Einfriedung kamen, war es ihnen, alS wenn sie vom Boden emporgehoben würden; der Boden zitterte unter ihren Füßen und es flimmert« vor ihren Augen. Sie versuchten, den Sarg in die Kirche hineinzufchaffen, ohne zu wechseln es war nicht mehr weit. Aber da? Gatter ivar etwas eng, und plötzlich stieß der Sarg mit Krachen gegen die Mauer. Die Leute standen sprachlos und saben zu. Niemand bemerkte, daß daS Läuten aufgehört hatte, bis sie oben vom Thurm ein« Siimme vernahmen. Ein feuerrvtheS Gesicht»rfchirn in der Luke und schrie hinunter.'' Dir große Glocke sprang entzwei?" Die Leute sähe» einander entsetzt an; es war so still wie im Grabe, bis ein alter Man» in der Schaar zum Thurm hinaufries: Mache die kleine los!" DaS Gesicht verschwand von der Luke, und ei» Weilchen später gelte«S los mit:Ding dang! Ding dang!" ES klang nicht un- ähnlich einer guten Kuhglocke. Nun begriffen- sie erst recht,»vaS fi« verloren: die schönste Zierde der Gemeinde war zunichte.