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Sie schleppten den Sarg in die Kirche hinein und vor den Die Folgen der Vergewaltigung der Marschbauern waren schreck­Altar. Der Pfarrer predigte gut und lange; aber die Leute hörten lich. Zu der Zeit, als Graf Anton starb, war das ganze Land größtentheils nicht ein Wort. Aller Gedanken waren davon voll, heruntergekommen; die landwirthschaftliche Kultur stand auf der daß die große Glocke gesprungen war. Einige von dem Gefolge tiefften Stufe. Nur auf den gräflichen Vorwerken herrschte ein waren nicht einmal in der Kirche; sie waren in den Thurm hinauf- befferer Zustand. Weite Strecken Bauernlandes lagen verödet, geeilt und befahen den Schaden. Der Sprung ging vom untersten Rande bis nach oben hinauf; unten war er beinahe einen Zoll breit. Die Richtersfrau saß auf einem Stuhl im Chore und dachte an die Glocke. Sie auch?! Sie bereute nicht ihre vier Thaler; aber fie dachte daran, wie gleich fie und die Glocke im Grunde genommen waren: sie beide waren gesprungen, und das war seine Schuld.

denn der Bauer hatte wegen der vielen Frohndienste feine Zeit, es ordentlich zu bewirthschaften, und es fehlte ihm bei der erdrückenden Laft der grundherrlichen Abgaben auch bald das nöthige Betriebs tapital. Der Verkauf eines Theiles seines Besitzes, der ihm hätte helfen können, war verboten. Viele Bauernhöfe standen leer und fielen dem Grafen anheim; ihre Besizer waren entweder bei einer Amen!" sagte der Pfarrer, und im selben Augenblick war es, der vielen durch die Vernachlässigung der Deiche hervorgerufenen als wenn alle erwachten. Sie fangen einen Psalm und trugen dann Ueberschwemmungen ertrunken oder aus dem Lande geflohen. den Sarg hinaus.

Der Richter wurde hinter der Kirche beerdigt, dort, wo die großen Leute ihren Play hatten.

Dieses Leichenbegängniß vergaß niemand so bald. Wenn die Leute später an dem Grabe des Richters vorbeigingen, sprachen sie von der zersprungenen Glocke. Und jeder legte es in seiner Weise aus.

GRO

Der Untergang der friesischen Bauernfreiheit.

Mit dem Aussterben des Oldenburger   Grafengeschlechts begannen wieder bessere Zeiten für die Friesen; früher als in irgend einem anderen Theile Deutschlands   wurde hier die Bauernbefreiung eins geleitet. ( Frankfurter Zeitung  ."

Begriffes

Kleines Feuilleton.  

ift, ein König, dem Wohlthatenübung

-Hessische Byzantiner. Im Jahre 1809 stieß die Raffeler Freimaurerloge, genannt fönigl. Maurerloge Jérome Napoléon   aur Treue, den Obersten   v. Dörnberg und den Friedensrichter Martin aus, weil sie sich an der sogenannten Dörnbergischen Insurrektion Bon Dr. Karl GIIftaetter( Karlsruhe  .) desselben Jahres betheiligt hatten. In dem Urtheil" heißt es in Daß auch die friesischen Banern, deren Freiheit geradezu sprich- bezug auf den König Jérome: Ein Maurer, zwar nur Lehrling wörtlich geworden ist, einst die Leiden der Unfreiheit zu foften be noch, aber immer doch ein Maurer, war das Hauptwerkzeug ge tamen, dürfte den Wenigsten bekannt fein. Giner fürzlich erschienenen worden in der Furienhand der blinden Rachsucht, das Haupt Monographie von Dr. Allmers*) verdanken wir die Kenntniß dieses werkzeug, um uns einen König zu entreißen, der, hätten wir wählen traurigen Stücks deutscher Wirthschaftsgeschichte. In dreihundert dürfen, von uns erforen sein würde, einen König, der nicht nur heißt: der es in der schönsten Bedeutung jährigen Rämpfen hatten die tapferen freiheitliebenden Marschbauern, unser Br... die zwischen Weser   und Jade sigen, sich ihrer Feinde erwehrt, des insbesondere der Stadt Bremen   und der Oldenburger Grafen, die Bedürfniß ward, der mit Engelgüte seine Unterthanen beherrschte, das reiche fruchtbare Land, das den letzteren zudem den Zugang zur der Gerechtigkeit voll Inbrunst liebt, der tapfer ist, wie fein Schwerdt, See versperrte, begehrten. Endlich 1514 unterlagen fie nach topferstem und dennoch fanft, wie Lüfte dieses Mais, und milde, wie die bal Rampf einer gewaltigen Uebermacht und dem Verrath eines Lands. famischen Tropfen, die, aus feinen lauen Purpurwolken sinkend, die manues. Das Land kam unter die Herrschaft der Grafen von Erde befruchten." Und von Napoleon   selbst wird gefagt:" Gine Oldenburg. nene Epoche der Weltgeschichte begann. Der über alle Erdbeberrscher erhabene Napoleon ist sichtbar der Held, dem dieser Planet eine politische Umbildung verdanken soll. Wer kann jenem Halbgott widerstehen? Und fönnte man es, fein echter Maurer dürfte es; feiner würde es, selbst wenn der Trieb des Eigennutes ihn leiten tönnte; denn niemals noch blühte so sehr die R... R..., als seit­dem jener unbesiegbare Heros der Heroen den Szepter empfing."- Welche Stümper find doch unsere Bismard- Rapsoden!-

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Eine traurige Zeit war für die Bauern von Butjadingen   und Stadland   angebrochen. Sie, die bisher als freie, unabhängige Männer in einem abfolut demokratischen Gemeinwesen ihr Land zu hoher wirthschaftlicher Blüthe gebracht hatten, wurden systematisch gedrückt und geknechtet. Insbesonders als 1529 Graf Anton von Oldenburg die Regierung antrat, betamen die Marsch bewohner alle Leiden der Unfreiheit zu dulden. Graf Anton hatte nicht umsonst vor seinem Regierungsantritt am Brandenburger Sof gelebt. Dort hatte er gelernt, wie man freie Bauern zu Hörigen herabdrückt. Waren doch damals die hohenzollernschen Markgrafen gerade daran, ein Stück der bäuerlichen Freiheit nach dem andern gegen Steuerbewilligungen und so weiter an die Junker preis­zugeben. Und fürwahr, Graf Anton war ein gelehriger Schüler der märkischen Junker.

Theater.

Mit der am Montag verstorbenen Charlotte Wolter  ist die größte deutsche Schauspielerin der Gegenwart dahin ge­gangen. Dreißig Jahre hindurch war sie der Stern des Wiener Burgtheaters, und als sie vor einem Jahre Krantheit zwang, von der Bühne Abschied zu nehmen, hatte ihr Ruhmeskranz auch noch nicht ein Blatt verloren. Charlotte Wolter   wurde 1884 in Köln  als das Rind armer Eltern geboren. Frühzeitig ging fie zur Bühne, tam nach Desterreich und Ungarn   und fostete hier das entbehrungs. reiche Leben einer Wanderschauspielerin. Als sie am Wiener   Karl­Theater und in Brünn   wirkte, wurde man auf sie aufmerksam. Ihren ersten durchschlagenden Erfolg hatte sie 1861 in Berlin   als Hermione" in Shakespeares Wintermärchen". Nachdem sie eine turze Zeit am Hamburger   Thalia- Theater thätig gewesen, holte sie Laube ans Burg- Theater. Hier schuf sie im Laufe der Jahre jene Musterleistungen, die ihren Ruhm in die ganze Welt trugen. Jore Adrienne Lecouvreur  , ihre Phädra, Maria Stuart  , Drina, Lady Milford, Messalina  , Klara in Maria Magdalena  " wurden immer wieder nachgeahmt; erreicht hat die Wolter   feine der Jüngeren. Ihr Platz in der Geschichte des deutschen Theaters wird wohl fünftig unbefeht bleiben. Musik.

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Zunächst benutzte Graf Anton die Einführung der Reformation zur Säkularisation der umfangreichen geistlichen Güter. Die ein­gegangenen Güter wurden meist in Eigenbewirthschaftung ge­nommen und die Bauern zu den Frohnden in so starkem Maße herangezogen, daß sie darob ihr eigenes Land vernachlässigen mußten. Ferner zog er das Gemeinland ein, das bisher vor allem zur Unterhaltung der Pfarrer und Kirchen, sowie zur Tragung der Deichlast gedient hatte. Jeglicher Schulunterricht hörte auf. Offenbar lag dies in der Absicht des Grafen. Denn hatte er den Bauer erft in geistiger und moralischer Beziehung herab­gedrückt und unfähig gemacht, sein Recht zu wahren, dann konnte es ihm ja nicht schwer fallen, ihn auch in wirthschaftlicher Be. ziehung zu unterdrücken und ibn schließlich zum Leibeigenen zu machen. Die Einziehung des Landes, das bisher die Deichlaft ge­tragen hatte, hatte zur Folge, daß die Deiche mehr und mehr ver­nachlässigt wurden und endlich den Fluthen nicht mehr Widerstand zu leisten vermochten. Die mit Frobuden für die gräflichen Vor--er- Neues tonigliches Opernhaus. Am Montag werke und für Eindeichungen zum Vortheil des Grafen überlasteten hat sich Herr Göge als Lohengrin" für diese Saison ver Bauern hatten taum Beit, ihr eigenes Land nothdürftig zu bestellen, abschiedet. In Haltung, Gang. Geberde und Gefichtsausdruck macht geschweige denn die alten Deiche im stande zu halten. Durch das des Künstlers Gratritter einen recht harmonischen Eindruck und Eindringen des Salzwassers wurde der Boden verdorben und uns überragt seine Tenorkollegen durch quellende Stimmfrische und fruchtbar; nach jeder Ueberschwemmung traten unter dem Vieh ver- großen, vollen deklamatorischen Ton. An Stellen, wo Weichheit heerende Befikrankheiten auf, die das hinwegrafften, was nicht im und Bartheit des Zones die Wirksamkeit des Vortrages bilden sollen, Basser ertrunten war. Die Menschen aber schwächte das Sumpf- wie bei der ersten Anrede an den Schwan, bleibt vor allem der bes fieber. dauerliche Mangel einer im großen Raume tragenden mezza voce bemerkbar. Götze's Glanznummer bleibt die Erzählung vom wunderthätigen" Gral, wo sich der volle Ton, die deutliche Aus­Sprache und das höchste Pathos zu einer vollendeten Leistung vereinigen. Fräulein Fiedler's Elsa von Brabant  " befigt Bartheit und Junig teit in Spiel und angenehmen, für den Ausdruck entzückter Weib­lichkeit und tiefbekümmerten Schmerzes gleich fünftlerisch gereiften Gesangsvortrag. Frau Sucher's Ortrud hat für diefes fürchter liche" Weib die schauspielerisch eindringliche damonische Kraft, obne gefanglich allen berechtigten Anforderungen entsprechen zu tönnen. Das Gegentheil Frau Sucher's ist Herr Bulß, dessen Telramanb noch immer erstaunliche stimmliche Frische aufweift, aber charakte riftisch nicht über die übliche Bühnenroutine und traditionelle Dar. stellung hinausgeht. Das Orchester unter Herrn Sucher's Leitung

Dazu kam die schmähliche Ausnügung der Gerichtsgewalt durch den Landesherrn. Unter den nichtigsten Borwänden wurden die Güter der Bauern für den Grafen eingezogen und die Familien von Haus und Sof gejagt. Bald gehörte jeder Bauer zu einem der gräf: lichen Vorwerke; aus den ehemals freien und durch ihre Freiheit so träftigen Bauern waren Hörige geworden.

Die Politit des Grafen war ganz lonsequent darauf gerichtet, den Bauer immer tiefer herabzudrücken.

*) Allmers, Dr. Robert. Die Unfreibeit der Friesen zwischen Wefer und Jade. Eine wirthschaftsgeschichtliche Studie.( Münchener Boltewirthschaftliche Studien. Herausgegeben von Lujo Brentano  und Walther Log. XIX. Stid.) Stuttgart  , Gotta 1896.