HlnterhallungMatt des Horivärts Nr. 117. Donnerstag, den 17. Juni. 1897. (Nachdruck verboten.) ej Gokklieb Adlev unv Sohn. Von Boleslav PruS. Adler lachte zuerst darüber, dann begann er zu rechnen, lvie viel so ein Spaß eigentlich kosten konnte.Der Kerl wird noch alles vergeuden, was wir an der Baumwolle profitiren*, sagte er zum Buchhalter. Im Hofe standen Wagen mit Baumwolle beladen, die die Ärbetter ins Magazin transportirten. Adler sah eine Weile dieser Arbeit zu, schärfte wiederholt ein, es sollte niemand sich unterstehen, eine Zigarette oder gar eine Pfeife zu rauchen, und dann ging er ins Komptoir. Bor dem Thore sprachen zwei Weiber lebhaft mit dem Portier, als sie aber Adler erblickten, hielten sie im Gespräch inne. Adler bemerkte es nicht. Im Komtoir dieselbe Er- scheinung; das bis dahin lebhaft geführte Gespräch verstummte sofort, als der Chef eintrat. Adler wußte, daß einige seiner Beamten gestern zum Markte im Städtchen gewesen waren, und er dachte, sie hätten bei seinem Eintritt über die Ereignisse des gestrigen Tages gesprochen. Im Sprechzimmer erwartete Adler ein ihm unbekannter terr, der in dem Räume erregt auf und ab ging. Als er dler erblickte, blieb er plötzlich stehen und fragte verwirrt: .Habe ich das Vergnügen mit Herrn Adler?...' Ja, wünschen Sie etwas?" Ter also Angeredete schwieg einen Augenblick, und seine Lippen zitterten dabei leicht. Adler betrachtete ihn mit Neu- gierde, als ob er errathen wollte, was der Mann eigentlich für ein Verlangen hätte. Er sah weder wie ein Kaufmann noch wie ein Slellungsuchender aus, vielmehr machte er den Eindruck eines vermögenden Lebemannes. Ich komme in einer dringenden und mir höchst peinlichen Angelegenheit," sagte der Fremde endlich. Wollen wir nicht in meine Wohnung gehen?" fragte Adler, der nunmehr mit dem Man» nicht in Gegenwart der Beanitcn sprechen mochte. Wenn Sie wünschen?... Ich habe Sie dort auch schon gesucht..." Sie haben mich gesucht?" Ja... sehen Sie... sehen Sie, Herr Adler... wir bringen Ihren Sohn.. Ter Gedanke an irgend ein Unglück lag Adler so fern, daß er lustig fragte:Ja, ist denn Ferdinand so besoffen, daß man ihn nach Hause fahren mußte?" Er ist verwundet." Ferdinand." Was ist geschehen; eine Hand gebrochen? Das Genick?" Er ist von einer Kugel verwundet." Von einer Kugel? Er? Was? Wie?" Er hatte ein Duell." Das rothe Gesicht des Fabrikanten nahm jetzt Ziegelfarbe an. Er ließ den Fremden stehen und rannte nach der Villa; er fragte sogar nicht einmal, von wem Ferdinand verwundet wurde. Was ging das ihn an? Ferdinand lag auf einem Sopha; er hatte weder Rock noch Weste an; sein Gesicht war so verändert, daß man ihn kauin erkennen konnte; ain Kopfende seines Lagers stand ein Arzt. Adler schaute... schaute... dann fiel er auf einen Sessel und fragte mit gedämpfter Stimme:Was treibst Du eigentlich. Du dummer Geck?" Ferdinand sah ihn mit einem unbeschreiblich traurigen Ausdruck an, dann griff er nach seiner Hand und küßle diese, zum ersten Male nach langen Jahren. Dann begann er mit langen Pausen leise zu sprechen.Ich mußte, Papa... ich mußte! Alle schrieen aus uns. Die Gutsbesitzer... die Kellner... die Zeitungen.... Man sagte, ich sei ein... ein Verschwender... und Du... ein Ausbeuter.... Es fehlte nicht viel... man hätte uns ins Gesicht gespien." Strengen Sie sich nicht an", mahnte der Arzt. Der Alte öffnete den Mund, beugte sich über den Sohn, horchte, schaute. Rette mich, Papa", stöhnte Ferdinand,ich versprach dem Arzte 10 000 Rubel." Der Alte verzog das Gesicht.Warum den» gleich so viel?" fragte er unwillkürlich. Weil... weil ich fühle... ich sterbe." Der Alte sprang auf.Du bist verrückt", rief er;man stirbt nicht so schnell."... Ich sterbe," ächzte Ferdinand. Verrückt, bei Gott, verrückt."... Adler begann im Zimmer umherzulaufen, dann blieb er plötzlich vor dem Arzte stehen.Na, sagen Sie ihm doch, daß er ein Narr ist.... An Sterben denken. als ob ich ihm erlauben würde, zu sterben. Er sterben?!... Du hast dem Doktor zehn- tausend Rubel versprochen; das ist zu wenig! Doktor!" rief er erregt,ich gebe Ihnen hunderttausend Rubel, wenn auch nur eine Spur von Gefahr da ist.... Na, sagen Sie doch, wie steht es mit ihm?" Es ist zwar keine Gefahr," beruhigte ihn der Arzt,aber inimerhin..., eine sorgfältige Behandlung...." Na, da," unterbrach ihn Adler;Ferdinand, hörst Du, was der Doktor sagt? Johann!... sofort nach Warschau dcpeschiren, die zwei besten Aerzte sollen Extrazug nehmen und sofort hierher kommen.... Wenn es uöthig ist, eventuell auch nach Wien und Paris depeschiren.... Ist es nöthig, Herr Doktor? Ich habe Geld; ich kann bezahlen!" Ach, wie schrecklich ist mir!" stöhnte Ferdinand. Beruhigen Sie sich," tröstete ihn der Arzt. Papa... Papa... wo bist Du?... Ich sehe Dich nicht mehr"... Auf den Mund trat ihm blutiger Schaum; im Gesicht spiegelten sich Angst und Verzweiflung. Luft!" schrie er. Er stand vom Sofa auf und streckte die Hände nach dem Fenster aus, dann machte er einen Schritt vorwärts, taumelte nach rückwärts und fiel zurück aufs Sofa. Noch einmal schaute er den Vater an, und zwei große Thränen perlten in seinen Augen. Adler setzte sich zitternd, fast bewußtlos zu ihm aufs Sofa, wischte ihm den Schaum vom Munde und die Thränen vom Gesicht.Ferdinand! Ferdinand! Du wirst leben; beruhige Dich doch... Du wirst loben... ich zahle alles". Er verspürte, daß der Sohn ihm schwerer und schwerer in den Armen wurde.Doktor, retten Sie ihn! Er fällt in Ohn- macht!" Herr Adler, bitte, gehen Sie aus dem Zimmer," sagte der Arzt. Warum soll ich aus dem Zimmer gehen, wenn mein Sohn Hilfe braucht?!" Er braucht keine Hilfe mehr," entgegnete leise der Arzt. Adler fiel auf den Sohn; er rüttelte, kniff ihn; auf der Bandage über der Brust zeigte sich ein großer, rother Fleck... Ferdinand war todt. Ter Alte verfiel in wahnwitzige Raserei; er sprang auf, rannte den Arzt um, lief aus den Hof und von da auf die Chaussee. Hier begegnete er einem Fuhrmann,' der Baumwolle nach der Fabrik brachte. Er ergriff ihn am Arm und sckrie: Weißt?... Mein Sohn ist gestorben!" Dann warf er ihn zur Erde, kehrte um und kam zum Portier.He, alle Ar- beiter soll man mir vors Haus zusammenrufen; alle sollen herkommen, sofort!"... Darauf ließ er den erstaunten Mann stehen und lief zurück ins Zimmer, wo der Todte lag, und betrachtete ihn stumm und lange. Nach einer halben Stunde raffte er sich aus. Warum ist es"so still?.. Warum geht der Motor nicht... ist er verdorben?" Der Herr hat alle Arbeiter vors Haus holen lassen, da haben sie die Maschine aufgehalten, daß sie nicht unnütz geht, und nun warten alle auf dem Hof," meldete Johann. Wozu? Wozu? Zur Arbeit sollen sie gehen! Ich will nicht, daß es so still ist! Den Motor sollen sie in Bewegung setzen und alle Maschinen, und sie sollen arbeiten, weben und feilen und hänimern und bohren!" Er griff mit den Händen nach dem Kopfe; er war glühend heiß.Mein Sohn, mein Sohn," jammerte er. Am selben Vormittag noch schickte man zum Pastor Böhme. Der kam in aller Eile und lief gleich weinend zu Adler inS Zimmer. Gottlieb! schwer hat uns Gott geprüft, aber vertrauen wir auf seine Barmherzigkeit." Adler blickte ihn stumpf an.Schau, hier liegt meine