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Die Gefahr des Weisen liegt darin, daß er gerade am meisten verführt ist, sich in das Unvernünftige zu verlieben. Ich wollte der Philosoph der unangenehmen Wahrheiten sein- sechs Jahre lang.

Sehen und doch nicht glauben ist die erste Tugend des Er tennenden; der Augenschein ist sein größter Versucher. In der Ermüdung werden wir auch von längst überwundenen Begriffen überfallen.

Dühring: ein Mensch, der durch sich selber von seiner Denk weise abschreckt und als ewig tläffender und beißluftiger Kettens hund vor seine Philosophie fich hingelegt. Niemand wünscht sich eine so geifervolle Seele. Darum zieht seine Philosophie nicht an. Moral ist eine Wichtigthuerei des Menschen vor der Natur. Die moralischen Menschen haben ihre Selbstgefälligkeit beim Gewissensbiß.

Das Weib war bisher der höchfte Lugus der Menschheit. Der Held ist heiter. Das entging bisher den Tragödiendichtern. Der Zakt des guten Profaiters besteht darin, dicht an die Poesie heranzutreten, aber niemals zu ihr überzutreten.

Die Eifersucht ist die geistreichste Leidenschaft und trotzdem noch die größte Thorheit.

Wer weder der Liebe noch der Freundschaft fähig ist, der findet feine Rechnung am sichersten bei der Ehe.

Mancher findet sein Herz nicht eher, als bis er seinen Kopf verliert. Man verwechsle nicht: Schauspieler gehen am Ungelobtsein, echte Menschen am Ungeliebtsein zu grunde.

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Literarisches.

ansprach. Das Reich der Trappisten wurde balb auch Meunier's| Reich: zurückgezogen, einsam lebend, sich ganz seiner Runft widmend. Seine Bilder, die ganz gegen den offiziellen Strom der Zeit waren, fanden teine Beachtung. Er mußte lange Zeit Handwerksarbeit machen, um sich ernähren zu können. Nur nebenbei malte er Kunstwerke, die seiner Neigung entsprechend gewählt waren. 1871 malte er einen Bauernaufstand. Im Jahre 1882 erhielt er dann endlich in Leuven   eine. Stelle als Professor. Bald darauf wurde er nach Madrid   gefchickt. Aber neben seinem Madonnenbild, das zu malen er den Auftrag hatte, malte er immer Bilder aus dem Volksleben ganz abweichend von der offiziellen Malerei. 1885, in feinem 54. Lebensjahre, ging er wieder zur Bildhauerei über. Die Veranlassung hierzu war folgende: Meunier bekam den Auftrag, für ein größeres Werk Schilderungen aus Belgien   zu liefern. Zu diesem Zweck ging er auch in die Gegend von Le Mons. Dort fand er, was er suchte, dort lernte er das Volk, das arbeitende Volt, erst recht tennen und lieben. Dort find seine Bilder entstanden, in denen er die düsteren Seiten der Bergwerke schilderte. Diese Bilder stehen an Schönheit, Naturtreue und Wahrheit einzig da. Die Hügel der Koblenschlacken, das Aeußere und Innere der Bergwerke und das ganze Leben und Leiden der Berg­leute und Eisenarbeiter brachte er auf die Leinwand." Hochöfen", Der Kamin", Die Eifenfchmelze"," Kohlenwert bei Nacht", Roblenschacht"," Inneres eines Roblenwertes"," Hekatombe" u. s. w. lauten die Namen seiner Bilder. Meunier sab aber bald, daß, um die Menschen, die er so liebte, in ihrer wahren Gestalt fünstlerisch vorführen, um das Leben und Leiden der Arbeiter richtig zum Aus­druck bringen zu können, er zur Plastik, zur Bildhauerei zurückkehren müsse. Jezt erinnerte er sich anch der Werke der alten Griechen, bei denen jede Figur ein Typus war. Bon jezt an schuf Meunier seine unsterblichen Werke der Plastik. Nach einem schlagen­den Wetter sah er, wie eine Mutter schmerzerfüllt Der Humorist Mark Twain  ( Samuel Clemens  ) befindet sich über ihren sterbenden Sohn beugt. Diese Szene hat er zu fich in äußerster Noth; er wohnt gegenwärtig zu Chelsea( London  ). feinem großartigsten Kunstwerk benüßt. Das Original steht in Lebens- Der New- Yorker Herald" hat eine Sammlung für ihn eröffnet und größe im Museum zu Brüffel. Es giebt kein Kunstwerk, das so felbft 1000 Dollars an die Spiße der Liste gefeßt. Das Blatt ergreifend auf den Menschen zu wirken vermag und das ihm an fordert in erster Linie alle guten Amerikaner, demnächst alle dies Naturtreue und Wahrheit gleichkommt. Er stellt ferner die Arbeiter jenigen, denen der Dichter je Stunden des Genusses bereitet hat, dar, wie sie in ihrem müden Gange von der Arbeit zurückkehren, auf, ihre helfende Hand zu reichen. wie sie im Schachte arbeiten u. s. w. Ergreifend ist die Büste einer Arbeiterfrau in ihrer elenden Magerkeit, das ganze Elend der Arbeiterfrauen zum Ausdruck bringend und dabei so ungekünftelt, so lebensgetreu, so wahr! Aber auch die Helden der Arbeit" hat -k. Der englische Forscher Seton Karr hat von seiner legten Meunier dargestellt: fräftige Gestalten, die stolz und troßig auf den Reife durch Egypten eine Sammlung Feuersteingeräthe Beschauer blicken, gleichsam die Kraft des arbeitenden Volkes verkörpernd. aus der diluvialen Steinzeit mitgebracht, die jetzt im archäologischen Außer den Bergleuten und Eisenarbeitern hat er aber auch Bauern und Institut in London   zur Ausstellung gelangt find An der urs Seeleute mit gleicher Naturtreue dargestellt. Meunier's Werke erinnern an befinden sich die schönsten und befterhaltenen Balaolithen, heißt die besten antiken Bildwerke. Er hat zwar nicht die Alten nach- Waffen und Geräthe aus der ältesten Steinzeit, welche bis. Seton Karr hat sie in der arabischen geahmt, sondern eine ganz neue Kunst geschaffen; aber das Wesen her entdeckt wurden. der Sache ist geblieben: geschlossene, einfache, typische Gestalten. Er Felsenwüste, in einer Entfernung von zirka 30 Meilen vom hielt sich mit der größten Unbefangenheit und Wahrheit ans Leben entdeckt, Nil   Bergwerke wo die Werkzeuge offenbar her und befreite die Skulptur von dem Muskelprozenthum. Er stellte gestellt wurden. Und zwar fand der Forscher eben hier die Welt plaftisch dar, die er liebt, und man sieht, er kennt diese 8wei der ältesten Geräthe, die als solche sehr leicht durch die noch Welt. Er ist auch der erfte, der den Arbeiter in seiner wahren ganz robe Art der Bearbeitung und die primitive Form erkannt Menschlichkeit in die Stunft einführte. Seine Kunst repräsentirt die werden können. Andere Funde stammen aus Abydos  , Napada, Zeit, in der wir leben. Dabei ist er auch der erste, der die Höhe Theben   und mehreren anderen Orten der westlichen Wüste Egyptens. der griechischen Kunst voll zu erreichen im stande war. Die Künstler Gewöhnlich fand sich in den Bergwerken ein großer Raum, der müßten sich ein Vorbild an ihm nehmen. Meunier, der jetzt im wohl als gemeinschaftliche Arbeitsstätte gedient hat, andere fünfundsechzigsten Lebensjahre steht, will, als Abschluß seines Lebens Schächte und Höhlen sind mit Flußsand aufgefüllt, der den Arbeitern noch ein Denkmal setzen. Er hat es bereits begonnen. wahrscheinlich zum Durchbohren der Hammer Verwendung An den Sockel kommen vier Reliefs, von Die Stiellöcher wurden mittels denen das eine, gefunden hat. Holzstäbe Die Industrie", in Dresden   ausgestellt ist. Ein zweites stellt das oder hohler Knochen, die in rotirender Bewegung erhalten wurden, Leiden der Landarbeiter, ein drittes das der Hafenarbeiter dar und und mit Hilfe von Wasser und Sand mühsam hergestellt. Juter­das vierte, welches noch nicht angefangen ist, soll die Kunst dar- effant ist übrigens die identische Form der in Egypten gefundenen stelien. Sonst weiß man noch nichts davon, wie der Künstler das Feuersteinwaffen mit den im Sommethal in Frankreich   ausgegrabenen Denfmal weiter ausgestalten will. Ein weiteres Werf Meunier's, Geräthen, die unzweifelhaft beide der Urzeit entstammen. Bei der das erst angefangen ist, ist ein Christus" am Kreuze, aber fein Frage nach der Wiege der Menschheit, dürfen diese ältesten prä­Christus der Bibel, ohne Dornentrone und Inschriften, es ist kein historischen Ueberbleibsel nicht außer acht gelaffen werden. einzelner Mensch, der ans Kreuz geschlagen ist: es ist die Versprechen nach Seton Rarr's Ansicht dafür, daß die Urmenschen in törperung der gesammten leidenden Menschheit, das Haupt nach verschiedenen Gegenden unter einander ähnlichen klimatischen Ver­oben gerichtet, voll Hoffnung und Zuversicht einer befferen Zukunft. bältnissen zerstreut waren.- Meunier hat eine neue Welt in der Kunst eingeführt; aus seinen Werken spricht die Mahnung: Achtung vor der Arbeit, Achtung vor den Arbeitern!

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Kleines Feuilleton.

Aus Friedrich Nietzsche's  " Böse Weisheit, Apho­rismen und Sprüche, 1882 bis 1885". Band XII der Ge­fammt- Ausgabe:

Man hat den Tod nahe genug, um sich nicht vor dem Leben fürchten zu müssen.

In der Art, wie und was man thut, zieht man immer eine Distanz um sich.

Sobald die Klugheit fagt:" Thue das nicht, es wird Dir übel ausgelegt", habe ich ihr immer entgegengehandelt.

Es ist vornehm, sich seiner besten Dinge zu schämen, weil wir fie allein haben.

Seit ich das Meer im Sturme und über ihm einen reinen, leuchtenden Himmel fab, mag ich alle die sonnenlosen, umwölkten Leidenschaften nicht mehr, die kein anderes Licht kennen als den Bliz.

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Aus der Urzeit.

Physiologisches.

Sie

Ein großhirnloser Sund. Um Aufschluß über die Mitwirkung der einzelnen Theile des Gehirnes am geistigen Prozeß zu erlangen, hat man schon seit Jahrzehnten niederen Thieren, namentlich Fröschen, auch Tauben einzelne Gehirntheile genommen und ihr Verhalten beobachtet. Allein, da es sich hierbei um Thiere bandelt, deren geistige Thätigkeit nicht sehr vielseitig ist, so war die Ausbeute nicht eben reichlich. Dem bekannten Gehirnphysiologen Friedrich Golz in Straßburg   ist es jedoch, wie der Prometheus" mittheilt, mittels einer von ihm ausgebildeten, nahezu schmerzlosen Methode gelungen, Hunde ihres Großhirns völlig zu berauben, obne daß diefe Thiere, wenn sie die unmittelbaren Folgen dieses Eingriffes überwunden haben, merkliche Einbuße an ihrem törperlichen Befinden erleiden, oder sich äußerlich von normalen Hunden unter­scheiden. Er befigt jetzt( 1897) einen solchen wohlgenährten Hund mit lebhaften Augen, dem vor fünf Jahren sein Großhirn genommen wurde, und der sich nur seelisch, aber nicht körperlich von anderen Hunden unterscheidet. Wenn sich die Futterstunde des unablässig in feinem Käfig auf und abgehenden Thieres nähert, wird er unruhig und erhebt sich wie suchend auf den Hinterpfoten, aber er tenut seinen Wärter nicht, der ihm täglich das Futter bringt, und sucht