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So wie er da ist, ist er nichts destoweniger der Held einer Liebeslegende, die sich von Generation auf Generation weiter spricht; und selbst die kleinen Sertaner bezeichnen ihn gewohn­heitsmäßig als Cesarinen's Bräutigam.

Ropf hängt auf die Brust und der der Bauch auf die die ärztliche Technik, die von solchen Männern gefördert wird, wäh Beine; die Arme find zu kurz und am Ende dieser rend der Ausbau der medizinischen Wissenschaft, die Erweiterung des Flügelstümpfe wie bei einer Fettgans baumelu die Hände mit ärztlichen Erkennens Arbeiter vom Fach verlangt. Kneipp tann sich an den Cervelatwurst- Fingern. Mit Ausnahme seiner stumpfen Nase, Bedeutung und Genialität mit den Genannten nicht messen, doch auf der eine Brille sitzt, verschwindet sein ganzes, breites Gesicht Mitmenschen, sein reines Wollen auch denen, die nicht auf seine macht ihn seine Uneigennüßigkeit, die Aufopferung für seine leidenden unter einem gewaltigen Bart, der ehemals ganz hellblond ge- Worte schwören, sympathisch. wesen sein mag, der aber jetzt mehr verschossen als gebleicht Warum, wird mancher hier fragen, wenden die Aerzte die von ist und wie ein Bündel Sumpfkräuter aussieht. Der Schädel ihnen anerkannte Wasserbehandlung im allgemeinen so wenig an? gilt für geradezu pyramidal, aber wenige von uns Schlingeln Das liegt nur zum theil an den Aerzten. Wer in allen Bevölkerungs­fönnen sich rühmen, von ihm de visu" zu sprechen, denn schichten praktizirt, der weiß, wie stark noch immer der Glaube an Heurault entzieht ihn eifersüchtig den neugierigen Blicken durch das aus der Apotheke verschriebene und bezogene Medikament ist, ein Sammetkäppchen, das er niemals abnimmt, und das er und daß der Kranke anderen Mitteln oft Mißtrauen entgegensett. Auch sind die Angehörigen des Kranken oft zu bequem oder selbst unter dem Hute wie eine Art Perrücke trägt. zu ſehr beschäftigt, um selbst einfache hydriatische Prozeduren genau und gewissenhaft auszuführen. Endlich sind, wenigstens für Arbeiter, die Kosten einer Wasserbehandlung, wie Anschaffung von zweckmäßigen Tüchern und Binden, zu hoch, abgesehen davon, daß die beschränkte Wohnung ihre Ausführung erschwert. Und Diese Kleinen, die noch nicht das Privilegium der warmen wollte man die Behandlung in Bade- Anstalten verlegen, so dürften Bäder genießen, kennen indessen Cesarine nur vom Hören- die Raffen gegen eine derartige Belastung ihres Budgets Einsprache erheben. sagen. Wir anderen, wir Großen, wir wissen mehr davon. Kehren wir nach dieser kleinen Rechtfertigung pro domo Wir sehen doch wenigstens ihre Wohnung am ersten Kneipp zurück. Sind seine zahlreichen Erfolge wirklich ein Beweis Donnerstag jedes Monats, wenn wir uns vor dem Parterre eines außergewöhnlich großen ärztlichen Könnens? Nur bedingt. ihres Hauses, das dicht neben der Bade- Anstalt liegt, aufstellen. Erfolge haben viele, die Kneipp nicht das Wasser reichen können: Es ist ein kleiner, niedriger Laden mit einem Schaufenster, auch der Schäfer Ast   in Radbruch  , auch jener gewiffenlos das ganz verstaubt ist und fast gar kein Licht durchläßt. In pfuschende Arzt in Düsseldorf  , der jüngst verurtheilt worden ist, dem Dunkel unterscheidet man nur die obersten Reihen einer fann von ihnen reden. Es giebt eben unendlich viele, fast als Bibliothek, die bis an den Sims heranreicht. Die trüben eingebildete zu bezeichnende, Kranke, die gesund werden, sobald auf ihr Scheiben geben dem Laden ein trostloses Aussehen. Kein die Persönlichkeit dessen, dem sie sich anvertrauen, Schild an der Front giebt Runde davon, welchem Zwecke der Laden dient. Die Front ist ganz nackt und schwarz wie der Rand eines Trauerbriefes. Nur an der Eingangsthür ist ein vergilbter Papierzettel an eine der Scheiben angeklebt, auf dem mit englischen Schriftzügen ge­schrieben steht: Literarisches Rabinet."

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Wenn wir vom Baden kommen und auf die Nachzügler warten, macht es mir ein Vergnügen, eine Weile vor diesem seltsamen und melancholischen Laden stehen zu bleiben. So nahe an der Straße und so nahe den Passanten und doch so fern von allem! In einem tiefen Schweigen liegt alles da. Denn fein Lärm, tein Geräusch läßt diese Glaswand vibriren. Ich stelle mir einen Studiersaal vor, in dem kahlköpfige und bärtige Männer, wie Heurtault, geräuschlos unter Aufsicht Cesarinens arbeiten.

Gemüth und ihre Phantasie mächtig einwirkt. Das ist ein Theil des Geheimnisses der Erfolge von Hypnotiseuren, Magnetiseuren und anderen Wundermännern, aber auch mancher ärztlichen Be­rühmtheit. Ich kenne zwei Waffer- Heilanstalten, deren Leiter nach Kneipp   furirten, doch blieben ihre Erfolge weit hinter seinen zurück. Und ich fürchte, nach Kneipp's Tode wird Wörishofen   nicht lange der Wunderort bleiben, der es bis jetzt war. Indessen bin ich weit entfernt, zu behaupten, daß Kneipp's Heilweise auf derselben Stufe Kneipp hat­stehe, wie die der oben genannten Medizinmänner. das können wir neidlos anerkennen das Verdienst, dazu bei­Menschen widerstandsfähiger zu machen. getragen zu haben, durch Abhärtung und einfache Lebensweise die

Sie hat kein sehr mildes Gesicht diese Cesarine, so viel ich wenigstens nach einigen Malen raschen und flüchtigen Anschauens beurtheilen kann. Wenn ein Besuch heraus oder hineinging, habe ich im Dämmerlicht ein langes, dünnes Schattenbild gesehen, das ganz schwarz gekleidet war; eine eckige Figur, das Gesicht bleich und ernst. In dem Halbschatten konnte ich die Züge nicht deutlich erkennen. Uebrigens sah ich Cesarine immer nur mit über einem Buche gebeugtem Gesichte. Aber bei dieser Erhebungen git bezweifeln. Stellung zeichnete sich in der umgebenden Dunkelheit die hohe und gewölbte Stirn fast allein leuchtend ab. Und dieser weiße Fleck, der aus dem Schatten so scharf heraussprang, nahm deshalb ganz erschreckliche Dimensionen an. Er zwang die Blicke geradezu auf sich. Und die Augen unter ihm erschienen wie zwei dunkle Löcher, so daß man an einen Todtenkopf denken mußte.

( Fortsetzung folgt.)

Kneipp und die Kneipp- Kur.

Bon einem Arzte.

Bon vielen Dankbaren, denen er Lebensfreude und Gesundheit wiedergegeben, mit recht betrauert, ist Sebaftian Kneipp, der Pfarrer von Wörishofen  , nach einem langen und erfolgreichen Leben ge­storben. Wenn man seine begeisterten Anhänger hört, möchte man glauben, daß Kneipp der Heilkunst neue und eigenartige Wege ge­wiefen hat. Dem ist nicht so. Die Wasserbehandlung ist einer der ältesten Zweige der ärztlichen Therapie und Hygiene; ja schon im alten Rom   gab es einen Spezialisten auf diesem Gebiet, Asklepiades, Psychrolutor, d. i. der Kaltwasser- Doktor genannt. In diesem Jahr hundert hat lange vor Kneipp der geniale Prießnih in dem schön gelegenen, mit prächtig flarem Wasser gesegneten Gräfenberg  , bei deffen Nennung jedem Wasserfreund ein wohliger Schauer überläuft, die Hydrotherapie zu neuen Ehren gebracht.

Die Aerzte haben keine Ursache, Bereicherungen ihres Könnens, wenn sie von Laien herstammen, scheel anzusehen, und thatsächlich nehmen wir das Gute, woher wir es triegen. Es sei hier außer an Prießnih noch an Thure Brandt  , der das Gebiet der Massage erheb­lich erweitert hat, und an Hessing mit seinen sinnreichen und prat #schen orthopädischen Apparaten erinnert. Dabei ist es immer nur

Er geht von der freilich wohl unrichtigen Ansicht aus, daß vor 50 bis 60 Jahren, in feiner Jugend, die Menschen gesünder, kräftiger und glücklicher gewesen sind als jetzt, und hält eigentlich die Lebens­weise und Lebenshaltung des schwäbischen Bauern jener Zeit für die einzige richtige. Es läuft ihm da mancher Irrthum unter. So be hauptet er, die Menschen hätten jest deshalb schlechte Augen, weil die grelle fünstliche Beleuchtung fie ihnen verdorben habe; niemand fönne jetzt mehr lange beim Lichte einer Unschlittkerze lefen. Nun und Leben die Menschen jeht mehr zu Bücherstudien zwingen, und aber ist die Kurzsichtigkeit heute deshalb so verbreitet, weil Schule die Unschlittferze mag man deshalb nicht, weil das Bessere eben der Feind des Guten ist. Daß ferner die allgemeine Lebensdauer länger gewesen sei, erlauben wir uns auf grund statistischer Nach Dieser Lebensweise bat Rueipp auch die Diät für seine Patienten tonstruirt, die einfach und nahrhaft ist, und, wie man sich wohl vorstellen kann, manchen infolge von üppiger Lebensweise verwöhnten Organismus wieder spielt die Milch und das mit dem eiweißreichen Kleber zubereitete in Ordnung gebracht hat. Eine Hauptrolle in seiner Ernährung Brot, dessen Werth längst auch von anderen Seiten gewürdigt wird. Kneipp's theoretische Eintheilung der Nahrungsmittel in drei Klassen, nach ihrem Stickstoffgehalt, hält mit seiner Praxis nicht Stich; sie ist zwar recht einfach, dafür aber oberflächlich und falsch. In die erste Klasse rechnet er vor allem die Milch, während er das stickstoffreiche Fleisch für nicht so gut, weil Hitze erregend", hält, in die zweite Getreidefrüchte, in die dritte Gemüse. Fette, selbst das nahrhafteste und am leichtesten verdaulichste, die Butter, hält er im Gegensatz zu allen Physiologen für unnüz, übersieht aber dabei, daß sein vornehmstes Nahrungsmittel, die Milch, eine Aufs schwemmung feinster Fettkügelchen ist und ebensoviel Fett als stick­ftoffhaltige Substanz( Eiweiß) enthält. Mit Necht verbietet er den Alkohol, von dessen Entbehrlichkeit, ja Schädlichkeit die Aerzte in immer größerer Anzahl sich überzeugen. Gegen den viel harm­loseren Kaffee hat er einen großen Haß; schiebt er doch auf ihn, neben der sigenden Lebensweise, die Schuld des schlechten Gesund­beitszustandes so vieler Näherinnen. Auch Salz und Gewürze hält er für überflüssig und bißend". Die Bekleidung soll einfach sein, nirgends eng anliegen, die Unterkleidung aus rauber Lein wand, nicht aus Wolle. Andere meinen das Gegentheil; doch fann man auch bei wollenem Unterzeug gesund bleiben, wenn man es nicht zu dick und zu weich wählt und genügend reinlich ist. Mit dankenswerthem Nachdruck verdammt er das Schnüren beim Frauenvolt".

Auf grund dieser Maßnahmen und in der guten Landluft konnte seine eigentliche Wasserfur in vielen Fällen gute Erfolge zeitigen. Besonders gichtische und rheumatische Leiden, Blutarmuth, Stro phulose, Fettleibigkeit, Magenleiden infolge unzweckmäßiger Er nährung, Neurasthenie und Hysterie dürften in Wörishofen   oft ge