Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 122..

Donnerstag, den 24. Juni.

1897.

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Cefarine.

Von Jean Richepin . Uebersetzt von H. 2.

obwohl ich mir oft sagte, daß ich es thun müßte. Die Zeit vergeht; wir verrennen uns beide eigensinnig, er in seinen bes rechtigten Verdruß und sein Schweigen, ich in mein passives Bedauern.... Und so geht unsere schöne Freundschaft in die

Und dann schildert er ihn mir. Er ist ein brutaler, Brüche.

tyrannischer Krautjunker aus der Auvergne, sein ganzes Und deshalb warf ich einen tiefen Groll auf Cesarine. Vergnügen ist die Jagd und seine ganze geistige Thätigkeit Aber der Groll überträgt sich nicht auf ihren Vater. Für ihn beschränkt sich auf die Lektüre militärischer Schriften. Er ist habe ich in der Erinnerung die achtungsvolle Bewunderung auch in der That Offizier gewesen, Echüler von Saint- Cyr*); bewahrt. aber schon als Lieutenant hatte er seinen Abschied nehmen Eines Tages fasse ich den Entschluß, nach der kleinen müssen. Und nun hat sich dieser Mann, der mit Leib und Seele Soldat gewesen war, nie damit trösten können, Zivilist Kneipe in der Rue Eujas zu gehen, um meinen Helden wieder­sehen. Ich gehe dahin. Ach meine fromme Absicht sollte sein zu müssen. Er fühlt sich dadurch beschämt und ist vernicht belohnt werden. Es ist mir nicht beschieden, meinen bittert worden. Von seiner Militärzeit her hat er die Ge­wohnheit behalten, zu befehlen, und er verlangte, daß seinen Helden in seinem Ruhme zu sehen. Diesen Abend ist der General besoffen wie ein Polacke. Befehlen unbedingter Gehorsam entgegengebracht wurde. Rittlings auf einem Stuhle fihend, die langen gestiefelten Bis zu seinem achten Jahre hatte Paul die Lieblosigkeit Beine steif ausgestreckt, den Kopf in die linke Hand gestützt feines Vaters und den Haß seiner Stiefmutter ertragen müssen. und mit seinem rechten Armstumpf wie mit einem gebrochenen Dann wurde er als Interner nach dem Napoleon- Lyceum ge- Flügel in der Luft herumfuchtelnd, macht er den Eindruck, Aber bracht, das er nur zu den großen Ferien verließ. als säße er zu Pferde, als kehrte er von einem herrlichen An welcher Schrecken für ihn, wenn die Ferien herankamen, Aber seine die von uns allen so sehnsüchtig herbeigewünscht wurden! Für griff zurück, todtmüde und mit Wunden bedeckt. ihn sind sie ja nur eine Erneuerung der Höllenqualen. Seine Krimmermütze gleitet zur Erde, er bückt sich, um sie wieder Stiefmutter verspottet ihn grausam wegen seiner fümmerlichen aufzuheben; und sanft fällt er selbst zur Erde Gestalt; sie weiß, daß sie dadurch seinen Vater gegen ihn er schlagen wie ein Boot mit dem Kiel nach oben. " He, halloh, General!" sagt der. Wirth, der herbeigeeilt bittert. Denn sein Vater zürnt ihm deswegen, zürut dem uns war, um ihn aufzuheben," Sie werden mir meine Dielen ent glücklichen, schwächlichen Kinde gerade wegen seiner Schwächlich zweischlagen. Donnerwetter! setzen Sie sich doch auf die Bank, feit. Er wirft es ihm wie ein Vergehen vor. da werden Sie sicherer sitzen."

" Du kannst Dir denken, schloß Roncieux, welche Luft ich habe," mich nach dem Wunsche meines Vaters in seinem ekel haften Saint- Cyr zu melden, um dort ein solches Thier zu werden wie er! O nein! wahrhaftig nicht!"

Er träumt vom Polytechnikum. Gewiß aus Neigung zur Mathematik; aber vor allem aus Liebe zu Cefarine. Cesarine ist für ihn eine Art idealer Beatrice. Diese Nuance der teuschen, mystischen Anbetung ist ihm ganz allein eigen­thümlich und ist ganz einzig unter uns. Bei den anderen, selbst bei den Enthusiasten und den Verliebten besteht die Neigung für Cesarine nicht ohne Hintergedanken, und es macht mir Spaß, mit ihm diese Hintergedanken ausfindig zu machen, wo sinnliche Begierden, unbestimmte Schen und sogar etwas von spöttischer Auflehnung ineinander fließen.

umges

Einige anwesende Gäste lachen, ich kann mich nicht ent halten, in das Lachen mit einzustimmen. Und dennoch bin ich im Grunde traurig. Ich frage den Kellner:

Er ist unwohl geworden, nicht wahr?" " Ja," antwortet er mir spöttisch, das Unwohlsein über­füllt ihn zwei bis dreimal in der Woche."

Und indem er auf den Aermsten zugeht, ruft er ihm mit vergnügter und beleidigender Familiarität ins Gesicht: " Nicht wahr, General, Ungarn ist oft krant? Nun, Vater Mischi?"

Sicherlich wird ihm der alte General, ernüchtert durch

diesen Schimpf, an die Kehle springen und ihn erwürgen. Aber der Sprung erfolgt nicht, und anstatt des erwarteten Wenn ich einen Roman lese, stelle ich mir das verderbte zornigen Aufbrüllens höre ich eine sehr sanfte Stimme, die unselige Weib", das in aller ertödtender Wollust erfahren ist, mit langsamer, singender Betonung demüthige und un­dessen Verheißung mich anzieht und mich erschreckt wie der zusammenhängende Worte stammelt. Rand eines Abgrundes, immer in der Gestalt Cesarinens vor. Gleichzeitig stelle ich mir diese Fürstin, die in dem literarischen Kabinet thront, gar als Einpaufer vor. Roncieux ist über diese unwürdigen und lächerlichen Vorstellungen entrüftet und findet mich gemein, daß ich mir darin gefalle.

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Sehr frant," sagte er, ist Ungarn , oft sehr kraut, viel trant, Ungarn . D, Mischi wird noch gescholten werden. Er ist nicht klug, der arme Miklosch. Das kommt von der Mathematik. Aber Du weißt, er wird es nicht wieder thun. Das ist das letzte Mal. Montag Abend wird Schluß gemacht, Gurich; Montag Abend! Doch, doch, ich werde mein Wort halten. Uebrigens halte ich immer mein Wort am Nachmittag. Am Abend, Es ist doch eigenthümlich, wie schnell und fast plöglich meiner Treu...! Warum läßt man mich des Abends aus man das Lyceum vergißt, wenn man in das Leben hinaustritt. gehen, wenn ich zu viel Mathematik getrieben habe. Wie sie Kaum hat man den legten Uniformrod vergnügt in die durftig macht die Mathematik. Besonders die Differential Binsen geworfen, so streift man auch schon die kaum verflossene rechnung... Und dann, heute Abend schmeckte der Congnac Vergangenheit von sich ab; und von heute auf morgen wird( so sprach er es aus) zu gut. Aber wer hat ihm denn den es eine alte Mär, die unter einer Fluth mannigfacher und Congnac eingegossen, dem armen Mischi?" Die Entschuldigungen und Klagen eines Bes neuer Eindrücke sofort verwischt wird. Ich bin Mulus. Ich sind schon an sich komisch, noch komischer bin frei. Ich interessire mich nicht mehr im geringsten für trunkenen eines betrunkenen Greises, der der mit monos die geheimnißvolle Heldin, die so viele Jahre hindurch meine aber die weinerlicher Stimme wie ein Kind lallt. Einbildung beschäftigt hat.e. Und selbst mit Paul de Roncieux toner und tomme ich auseinander. Er ist auf dem Lyceum geblieben, Aber was sie noch drolliger und unwiderstehlich komisch machte, um sich für das Polytechnikum vorzubereiten. Sein Vater das war der Gegensatz zwischen ihrer Sanftheit und dem hat unter der Bedingung, ihn eines Tages als Artilleristen unbeweglich schrecklichen Gesichtsausdruck.

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zu sehen, seine Einwilligung dazu gegeben. Wir sehen Und jetzt blötte er gar, er blötte wahrhaftig, als er den uns nicht mehr, weil er noch immer nicht an den Sonntagen Kellner zu erreichen suchte, der ihm mit dem Finger drohte ausgeht. Wir schreiben uns nur noch, und er unterhält mich und ihm wiederholte: " Ich werde es Ihrer Tochter sagen. Doch, doch, ich sage von seiner Beatrice. Er spricht von ihr mit einem Tone mystischer Anbetung, der mich jetzt erbittert. Ich kann mich es Ihrer Tochter, alter Sauffact!" nicht enthalten, ihm das zu verstehen zu geben. Zunächst nur andeutungsweise. Aber eines Tages verbreche ich einen Brief, der warhaft grausam ist, und den ich bedauerte, geschrieben zu haben, nachdem ich ihn faumi abgesandt hatte. Er antwortet nicht. Ich habe nicht den Muth, ihn um Verzeihung zu bitten,

*) Die französische Kriegsakademie.

"

Alles was Du

" Nicht doch," jammerte der Trunkene. willst, mein kleiner Louis, nur das nicht. Nicht Cesarine sagen. Wischi wird es nicht wieder thun.

Suche mir lieber Angyal, meinen Landsmann Angyal, er achtet mich, er wird mich nach Hause führen. Aber nicht Cesarine sagen. Nicht sagen, nicht sagen."

Und dicke Thränen rieselu über sein Gesicht, das trohdem