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tönnen denkt der Alte.

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Gedanke: Sein Ziel. Doch bald achtet er nicht mehr darauf. Ihn bewegt nur ein

An einer Biegung der sanft abwärts führenden Chauffee liegt es plöglich vor ibm. Ermattet fett er sich im Schatten des nächsten Baumes auf die mit abgefallenen Riefernadeln besäte staubige Erde und sieht hin nach dem Häusermeer.

tichtete fie fich nach meinen Neigungen. Ich bin für Disziplin bell- und buntgekleidete Damen unter großen Sonnenschirmen in allen Dingen, für peinlichste Erfüllung meiner Befehle. Anders Ausflüge in die Umgebung machen. An ihrer Seite fizen wohl. kann man die Menschen nicht erziehen. Und darin dachte sie, wie ich. genährte Herren, meist mit eigener Hand die Pferde zügelnd. Aber hart, keineswegs! Indessen was hätte diesem Weichling Sonderbar, wie viele heute an einem Arbeitstage Ausflüge machen auch nicht hart erscheinen sollen! Raum für zwei Pfennige Brust; Beine von Maccaroni; Rübensauce in den Adern. Ah, Donnerwetter! Und alles absichtlich, ganz absichtlich, ich wiederhole es Ihnen. Wenn er auf mich hätte hören wollen, mit Turnen und Fechten hätte ich ihn schon zurecht gestutzt. Aber es machte ihm ein Vergnügen, schwächlich zu sein, nur um mich zu reizen und seiner Stiefmutter einen Bossen zu spielen. Die fagte ihm unaufhörlich, daß er immer ein Krüppel bleiben und mir nie Ehre machen würde. Und aus reiner Bos­heit versteifte er fich darauf. Ja, ja, feit langem habe ich fominien sehen, was mir der dreckige Kerl an­thun würde. Und sein jetziges Verhalten setzt mich gar nicht in Erstaunen. Ich war darauf vorbereitet. So mußte es mit Hier also hofft er endlich das zu finden, nach dem er schon ihm enden. Meine arme Frau- die zweite, versteht sich! so lange fucht: Arbeit. Alle seine Jugendfreunde sind ja hier, der hatte eine Vorahnung davon, als sie vor etwa fünfzehn eine oder der andere wird ihm schon forthelfen. Noch einmal die Monaten starb. Aus Gram ist sie gestorben; aus Gram über alten, müden Glieder aufraffend schreitet er der Stadt zu. ihn, wissen Sie! Sie ertrug die Schande nicht, als sie sah, wie er schlecht wurde. Denn bis zu diesem Augenblicke hat er uns nur Schande gemacht!"

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Und rasch hintereinander stürzte der Kapitän noch zwei Gläser Burgunder hinunter.

Donnerwetter! Meine Kehle ist ganz trocken vom uns aufhörlichen Sprechen. Aber um so schlimmer. Ich muß end­lich einmal reden. Sie sollen diesen Elenden bis auf den Grund fennen lernen. Das erstickt mich alles, es thut mir wohl, mich einmal auszuschütten."

Und mit geröthetem Gesicht und blitzenden Augen nahm er seine heftigen Schmähungen wieder auf. Ganz verdutzt und erschrocken hütete ich mich, ihn zu unterbrechen.

Grauer Dunst lagert darüber, aus dem zwischen Fabrikschloten spike Kirchthürme hervorragen. Alles Schlote und Schornsteine drückenden Sonnenstrahlen, über die Stadt, sich dort mit den Staub= dicker Qualm entsteigt ihnen und legt sich, niedergehalten von den wolfen vermischend, die den Straßen entsteigen, so den Ueberblick über das Häuferfeld verwehrend. Nur einzelne Punkte leuchten noch auf aus dem Dunst, spiße Kirchthürme oder Fabrikschlote.

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und summend strömen die müden Arbeiter aus den Thoren und Es ist Feierabend. Die Fabriksglocke ertönt, und plandernd werden von ihren Kindern, andere streben durch die umliegenden Straßen nach Hause. Familienväter von ihrer Frau erwartet. Mehrere Gruppen bilden sich; nahe der Thür lehnt der Alte am Fabriksgebäude. Er beneidet fast alle diese, die doch wenigstens das allernothoürftigste zum Leben haben.

Sein Freund Franz Rehfuß, der in den Gründerjahren nach gezogen ift, weil damals dort viel Geld zu verdienen war, arbeitet hier. Franz wird ihn nicht im Stiche lassen, bat er ihm doch in jungen Jahren ebenfalls oft über schlechte Zeiten fortgeholfen. Immer neue Schaaren kommen aus dem Fabrikportal. Endlich glaubt er auch Franz zu erkennen. Er tritt ihm näher:" Guten Tag, Franz!"

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Der dreht sich erstaunt um und schielt ihn mit zugefniffenen Augen an. Was will denn der zerlumpte, staubige Alte? Da dämmert's ihm auf: " Herrjeh! Otto Bien! We aber so was! Wie kommiste denn man hierher?!!

Dich doch aber darum nicht zu schämen!- Sind doch alle arme Bien sagt herbe: Was, ich bin heruntergekommen?! Brauchst

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" Ah, ja, zum Henker, ja!" fuhr er fort. Der Schlingel hat uns schon manches angethan! Bom Bolytechnikum zurück­gewiesen! Von der Normal- Schule zurückgewiesen! Denken Sie von der Normal- Schule! Von der Banker- Schule! Selbst. dort haben sie ihn nicht haben wollen. Anscheinend wegen seiner schwachen Konstitution. Nichts als das, ist das nicht schmachvoll? Wegen seiner schwachen Ronstitution! Aber nur, daß es nicht wahr es nicht wahr ist! Er wird sich schon Schlucker!" darauf eingerichtet haben. Er wird sich absichtlich Franz wird verlegen, überschreit aber das Gefühl: Das mit einer Leichenbittermiene vorgestellt haben. Er wird es ftimmt! Du kommn wohl hiecher, um Arbeit zu suchen? Mach' fatt gehabt haben, immer zwischen den vier Wänden zu stecken. Dir feine unnüßen Hoffnungen, denn hier laufen schon genug umber. Er mußte frei sein, um seiner Schlampe nachlaufen zu können. Und in unserer Fabrik ist es auch schlecht; da entlassen sie lieber, Denn ich habe Erkundigungen einziehen lassen. Sie wird aus, als daß sie neue Leute einstellen. Ich bin froh, daß ich noch Sonn­gehalten, diese Juhaberin des Lesekabinets! Sie hat schon so schon immer, daß es faum für uns beide und die fünf Kinder reicht. Sie hat schon abends meine paar Mark nach Hause bringen kann. Meine Frau redet alle gehabt, bis auf den alten Lazareth- Paufer. Und was für einen Etel von Vater sie hat, einen Süffel. Und man kann garnicht genug anschaffen Ja, ja, nu' sind schon fünf da; die essen eine Menge weg. und Platz branchen die Banl lebte jetzt mit ihr, mit ihr und ihrem Vater! Angeblich auch. Ich weiß kaum, wo ich sie unterbringen soll in der einen bereitet er sich auf den philosophischen Licentiaten vor. Er Stube. Die beiden großen Mädels, die un' bald eingesegnet werden, sprach davon, Professor zu werden. Nichts als faule Ausreden! müssen in der Küche schlafen. Siebste, so ist alles belegt, sonst Deshalb habe ich ihm auch den Brottorb höher gehängt. Und würde ich Dich gern ein paar Tage aufnehmen. Aber weißt Du nun verlangt er Abrechnung über sein Erbtheil. Warte was? Geh' zu Albert, meinem Schwager, da geht's vielleicht. nur Bürschchen, ich, Dein Vater, werde schon mit Dir abrechnen! Seine Jung's sind schon groß, er wohnt auch besser; der wird Dir Und die Autorität, zum Donnerwetter! Glücklicherweise ist er wohl ein paarmal Nachtlager geben fönnen." noch nicht majorenn. Er hätte mir sonst einen Prozeß an gehängt, dieser fleine Milchbart! Und noch mehr! Jetzt hat er auch noch Schulden gemacht! Sie können sich unsere Empörung vorstellen. Meine arme Frau ist vor Zorn und Schande darüber zu grunde gegangen. Wenn er noch in dem Alter gewesen wäre, hätten wir ihn ins Korrektionshaus bringen lassen. " Sichste, Otto! Man wird alt! Wenn ich Dir nur fagen Sie machte mir sanfte Bor­würfe darüber, daß ich nicht eher daran gedacht hätte. tönnte, wo Albert wohnt; aber wir kommen ja fast gar nicht au sammen." Und sie hatte eine Vorahnung von dem, ich wiederhole Eine Frau tritt heran:" Na, Franz, fommfte bald?!" es, was meiner noch warten würde. Sie hatte einen Herrich, gleich!" Er sagt nur noch hastig:" Albert's Schwieger­Blick dafür, sie, Donnerwetter! Mein Freund, sagte sohn wohnt in der B... straße; da hol' Dir man Bescheid. sie mir noch auf dem Sterbebett es waren ihre letzten und laß Dich man wieder sehen. Acje!" und davon ist er, von Morte mein armer Freund Dein Schlingel von Sohn seiner Frau mit Betern empfangen. wird Dich entehren." ( Fortsegung folgt.)

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Euer Leben

( Nachdruck verboten.)

währet hebenzig Jahre

Von Hans Ostwald .

Sengend brennt die Mittagssonne auf die dürre Kiefernhaide. Eine flimmernde Hize brütet in dem knisternden Gehölz, das dem Wanderer einen nur spärlichen Schatten giebt. Langsam schleppt sich ein alter Mann am Rande der nach Berlin führenden Chauffee dahin. Er muß der Stadt, die seine letzte Hoffnung birgt, bald nahe fein, denn es begegnen ihm schon Fußgänger und Equipagen, in denen

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es Rehfuß möglich ist, etwas für ihn zu thun, denn dieser ist schon Dem alten Bien steigt der Zorn in die Augen. Er weiß, daß über zwanzig Jahre in einer Stellung und hatte stets einen guten Verdienst, so daß er einen Nothgroschen zurücklegen fonnte. Bien sieht seinem ehemaligen Freunde ins Gesicht; ganz spit ist das ge. worden. Wie Du Dich verändert haft!" fagte er.

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Bien steht ihm nach. Das war also der Empfang von seinem besten Jugendfreund? Wie wird es erst bei den anderen werden?

Nach einer halben Stunde ist er die vier Treppen zu der Wohnung des Schwiegersohnes feines Freundes Albert emporgeftiegen. Ein junger Mann öffnet ihm, schlägt aber gleich wieder die Thür zu: Wir haben selber nichts!"

Das hat er schon oft hören müssen, wenn er um eine Mahlzeit angepocht hat.

Er steigt schon wieder die Treppen hinab; da besinnt er sich, daß er ja nur hier die Adresse Albert's erfahren fönne. So pocht er denn nochmals. Eine kleine, blasse Frau sieht heraus und giebt ihm freundlich Antwort.

Anna!" ruft drin der Mann grob; Anna, wo bleibst Du denn?!"