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Neue Seeleute zu Pferde bringen Befehle. Drollige Ordonnanzen! Aber die Befehle, die sie überbringen, werden ausgeführt. Offiziere kommen an. Woher? Niemand weiß es, niemand kennt sie. Aber sie haben stramme Haltung und man sieht es ihnen an, daß sie wissen, was sie wollen. Wir fammeln uns. Kurz und gebieterisch ist der Armeebefehl, der uns vorgelesen wird.

Der See- Kapitän, Kommandant des Plages, verlangt, daß das Deck feines Echiffes, das heißt Besançon  , so sauber sein soll, wie vorher. Er hat es tüchtig gefegt. Es ist unbedingt verboten, die Stadt zu betreten, wenn der Dienst es nicht er­forderlich macht. Die Mannschaften haben sich binnen vier undzwanzig Stunden ihren respektiven Truppentheilen anzus schließen, deren Standquartiere genau bezeichnet sind. Dort, und nur dort wird der Proviant vertheilt. Nachzügler, die man morgen nach 12 Uhr mittags noch isolirt antrifft, werden als Deserteure betrachtet.

wieder Nachdruck z geben. Und sogleich fühlt man überall Schon früher war, durch Björnson's Beispiel entfacht, einmal seine feste Hand. eine Periode gewesen, in welcher der norwegische Bauer, das Fischer­und Seemannsleben den Stoff der Dichtung abgegeben. Aber damals trat man mit einer vorgefaßten Idee an dasselbe heran, durch ihre Verherrlichung eine Art nordischer Renaissance erwecken. man sah in dem Landbewohner die unverfälschte Natur, man wollte Der Rückschlag und die Enttäuschung blieb nicht aus, als sich zeigte, daß der durch den Pietismus in seiner feelischen Flugkraft ges brochene norwegische Bauer seine hohe Aufgabe nicht zu erfüllen vermochte. Das Märchen von dem herrlichen, geist und ideen­begabten Naturkinde, das in dem norwegischen Fjaellbauern stecken follte, mußte zerstört werden; und Arne Garborg   mit seiner scharfen, polemischen Methode vollzog diefe Arbeit mit so sicheren, scharfen Strichen, daß das ganze Gebäude zusammenkrachte. Nein, als man jetzt sich wieder dem Bauern und Fischer näherte, um ihn als Stoff fünstlerischer Gestaltung zu verwerthen, tam man ohne vorgefaßte Ideen zu ihm, ohne daß man ihn zur Beleuchtung einer Theorie benutzen wollte; man setzte sich hin, um das Bauern und Fischerleben einfach zu studiren, wie es wirklich ist, man wollte in plastischer Gestaltung menschliche Individualitäten zeigen. Wie sehr für diese Richtung der Ausdruck studiren" zutrifft, geht schon daraus hervor, daß in einem früher gar nicht gekannten Umfange die Stizze, die kurze Episode, die das Verhalten des Morells nur in einer einzelnen bestimmten Situation darstellt, vor= herrscht. An diese Verfasser: Hans Aanrud  , Haus E. Kind, Jacob Silditsch, Rasmus Löland, Peter Egge  , Thomas P. Krag  , die so ziemlich gleichzeitig um das Jahr 1890 herum mit ihren Dichtungen austraten, baben eine große Anzahl solch kleiner Situations: und Charakterbilder geschrieben. Bei Rasmus Löland spielt allerdings noch ein gewisser polemischer Zug hinein, er beabsichtigt noch mit seinen grellen Wirklichkeitsbildern die frühere Idealisirung zu ver spotten, und daneben bohrt bei ihm eine satirische Spitze gegen die brutale Herrschaft des Gelosackes. Auch Peter Egge   begann als Problemdichter sogar auf gesellschaftlichem und sozialem Gebiet; aber dann wandte er sich der Bauernskizze zu, um in nicht selten humoristisch gehaltenen Einzelbildern das Leben derselben zu ver­anschaulichen. Ja, es ist eine Eigenthümlichkeit bei fast all diesen Verfassern, daß ein bald breiter, behaglicher, bald leicht satirischer Humor ihre Betrachtungsweise des Volkes durchzieht, daß sie einen scharfen Blick für die unfreiwillige Komik haben.

Abtreten!"

Man rief nicht mehr:" Es lebe der Vater Roland!" ( Fortfezung folgt.)

Aus der norwegischen Gegenwarts- Literatur.

( Die Dichter des Boltslebens.)

E3 bedarf in Deutschland   keines Hinweises mehr, einer wie feltenen Blüthe sich gegenwärtig die norwegische Literatur erfreut. Eine ganze Reihe von Namen lebender und schaffender Dichter Nor  : wegens haben einen Weltruhm erlangt und eine nicht geringzahlige zweite Reihe ringt sich empor und beginnt auch außerhalb ihres Baterlandes Ansehen zu erlangen. Zu den ersteren zählt Ibsen  , Björnson  , Jonas Lie  , Arne Garborg  , zu den letztern Alex. Kielland, Amalie Stram, Knut Hamsun  , Gabriel Finne  . Aber dem genaueren Kenner norwegischer Gegenwarts Literatur ist damit die Zahl der hoch begabten, leistungsfähigen Künstler noch lange nicht erschöpft. Hinter diesen steht noch eine ganze Reihe, die hinsichtlich ihrer fünstlerischen Begabung zu den schönsten Hoffnungen berechtigen und in ihrer Heimath bereits unbestrittene Ehrenpläge einnehmen. Wenn sie bei uns nicht so schnell bekannt geworden sind und vielleicht auch nie­mals zu solchem Ansehen emporsteigen werden, wie die älteren Ver­faffer, so liegt dies vielleicht nicht so sehr in ihrer minderen fünft­lerischen Gestaltungskraft, als vielmehr in der ganz anderen Be­schaffenheit ihrer Kunst. Wenn die älteren großen nordischen Dichter so schnell auch im Auslande Anerkennung fanden und theilweise auf daffelbe einen tiefgehenden Einfluß ausübten, so tam cs daher, daß fie Problemdichtungen schufen, daß eine wahre Fluth neuer, eigen artiger Jdeen, neuer Forderungen an die Gesellschaft und das Ju­dividuum in plastischer Gestaltung dargeboten wurde. Jdeen sind nicht nur zollfrei, wie ein altes Scherzwort sagt, sie sind auch importirbar, fie finden schnell und reichen Absatz, unsere schnell lebige und durch die Abhetzung oberflächliche Zeit ist gar so schaus hungrig.

Bei der grüblerischen Veranlagung des norwegischen Volkes verwandelte sich plötzlich jeder Lebenseindruck in ein Problem, jedes Ereigniß erzeugte eine Idee und die Theorien für die Beglückung des Individuums oder der Gesellschaft, für die einzig richtige Regelung des Verhältnisses der Geschlechter zu einander überstürzten sich förmlich.

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Bei Peter Egge   hat dieser Humor etwas Schenes, Zurüc haltendes, er verbirgt sich hinter einer ernsten, fast feierlichen Wiene und sucht sich nur durch die Kontrainwirkung geltend zu machen. Bei Rasmus Löland hat er etwas scharf Neyzendes, man fühlt hinter dem Lächeln das bittere Weh, der Verfasser weiß, daß das, was hier humoristisch erscheint, den Menschen selbst tiefen Schmerz bereitet hat. Bei Aanrud ist der Humor der herrschendste Zug. Sein Humor hat etwas Breites, Behagliches, gutmüthig Gemüth liches. Wenn Aanrud aber ernst wird, liegt etwas unendlich Zartes und Inniges über feiner Darstellung und doch so schlicht Natür­liches. Der Humor von Jacob Hilditsch hat etwas Ueberlegenes, Dichter steht seinen Gestalten nicht, wie Aanrud, der mit milder Sympathie, sondern mit lächelnder Kritik gegenüber; er versenkt sich auch mehr und lieber in Sonderlingsgestalten, für deren wechfelude Individualitäten er eine erstaunlich vielseitige Darstellungs­fähigkeit besitzt.

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aber nach

Mit Hans E. Rinck befinden wir uns dann auf dem Uebers gangsstadium zu der zweiten Richtung, die sich, wie ich oben kurz stizzirte, die jüngsten Norweger erwählten. Auch Kind meistert noch die völlig objektive realistische Darstellung des Volkslebens er strebt mehr dieses ist ihm nicht die Hauptfache, und Ausgestaltung der Stimmungserleb einer Erfassung Menschen, er wie Thomas P. Krag  nisse feiner baben es sich vorzugsweise zur Aufgabe gemacht, den mächtigen Einfluß der nordischen Natur auf die psychologische Entwickelung der Kinder des Landes zu zeichnen. In beiden lebt ein starkes lyrisches Empfindungsvermögen und die Fähigkeit, diesen Stimmungen Beide sind West­ein ergreifendes, farbenreiches Kolorit zu geben. norveger und haben es daher mit der Schilderung der düstern Fjord- und Nordmeer- Natur zu thun, die in den Menschen einen starken Hang zur Mystik entwickelt. Ihre Stimmungsgemälde sind von düsterem Unterklang; aber namentlich bei Thomas P Krag  finden wir eine stolze Resignation, ein muthiges Aufsich nehmen des Schicksals, das seinen Dichtungen etwas Auffrischendes und Kampf­stärkendes giebt. Auch Krag verfügt über einen gewissen Humor; nur einem Sonnenblick durch trübe aber ein Humor, der gleicht, ein milder, mitleidiger Sonnenstrahl über das trübe Nebelgrau. Denn Krag hat Mitgefühl er schildert nicht falt und nüchtern, mit seinen Gestalten, troß aller Lebensfülle nicht ohne subjektive Abtönung. In ihm, mehr aber noch in Kind ist etwas vom Lyriker, dessen eigenes Ge­fühlsleben sich in dem Dargestellten widerspiegelt.

Ein Rückschlag fonnte nicht ausbleiben. Die Jugend fah, daß all dies Theoretifiren und Disputiren ein Fechten gegen Windmühlen  war, der tiefe Zweifel an allen Bestrebungen, sie mochten sich nennen, wie sie wollten, der unserer Zeit so eigen ist, griff auch in Norwegen   um sich, man bekam einen Widerwillen gegen alle Problem­dichtung, der Satz von Georg Brandes  , daß die Dichtung aus den Ideen der Zeit ihre Nabrung saugen müßte, war nicht mehr die höchste und letzte Wahrheit. Man wandte sich der von Frankreich   ausgegebenen Parole des l'art pour l'art" zu. Die meisten der jungen Dichter verließen die Jdeenzentren und begaben sich in die stille Landeinsamkeit oder auf Reisen in fremde Länder, furz überall hin, wo man ein stummer, stiller Beobachter von Menschenleben sein fonnte, ohne in den Strudel der die Zeit be- Regenwolken wegenden Bestrebungen hineingeriffen zu werden.

Da gab es nun zwei Wege: Entweder man versenkte sich grüblerisch in fein Innenleben, suchte deffen verborgenste Saiten erflingen zu laffen, den Ton zu erlauschen und wiederzugeben, man ging nur darauf aus, das Stimmungs- und Empfindungsleben einiger Individualitäten zu erfassen und darzustellen und brachte dies, wie es bei einem so mit dem Naturleben verwachsenen Volfe, wie es die Norweger sind, mit dem Stimmungsleben der Naturwelt in Ver­bindung oder man wurde zum scharfsinnigen Beobachter des Außenlebens, der kleinen, feinen, individuellen Žige der Landleute, Fischer und Seemänner, man suchte die hier empfangenen Eindrücke schlicht und einfach, ohne einen Hintergedanken oder ein damit ver­bundenes Ziel wiederzugeben.

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Natürlich ist die Zahl der Darsteller norwegischen Volkslebens in dieser kurzen Uebersicht noch nicht erschöpft. Ich mußte, um nicht zu weit geführt zu werden, sogar auf so begabte Verfasser wie Jens Tredt und den neuerdings hervorgetretenen Ole Bang verzichten.

Es sind hiermit auch feineswegs alle hervorragenden gegen wärtigen Verfasser Norwegens   berührt, denn eine ganze Reihe der selben widmen sich, wie Vilhelm Krag  , vorzugsweise der Stimmungs­lyrik oder dem psychologischen Roman.