Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 131.

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Cesavine.

Mittwoch, den 7. Juli.

( Nachdruck verboten.)

Bon Jean Richepin  . Uebersetzt von H. 2. Und mit einem Stich ins Gassenjungenhafte fügte ich noch höhnisch hinzu: Nehmen Sie an, daß ich mich hier abonniren will." " Sie, sich abonniren!" rief er voll Schrecken aus, als ob ich eine Gotteslästerung ausgesprochen hätte. Sie sich abonniren! nein, wahrhaftig. Nein, mein Herr, das wollen Sie nicht?"

Er wandte sich an die fünf anderen, die alle, selbst den Dicken eingeschlossen, seinen Schrecken zu theilen schienen.

1897.

Es ist eine Schande, mein Herr, wahrhaftig eine Schande, daß man derartigen Beschimpfungen an einer so ehrwürdigen Stätte ausgesetzt sein muß, wo bisher die Wissen­schaft allein ihre Stimme erhoben hatte, ihre Stimme, meine Herren..

Da mein Lächeln seinen Redefluß aus dem Text brachte, suchte er nach einem Wort und fügte dann mit einer groß artigen Geberde hinzu:

" Ja, ihre Stimme, meine Herren, ihre ruhige Stimme." Aber plötzlich hielt er inne, denn er empfand auf einmal selbst den Mangel an Uebereinstimmung zwischen seinem eigenen Verhalten und dem von ihm gewählten Beiworte, bei dem ich unwillkürlich die Augenbrauen in die Höhe zog. " Ich muß Ihnen in der That vorher bemerken," ent- und wüthend lief er hinaus, oder rettete sich vielmehr ins gegnete der Alchimist, indem er mir starr in die Augen Freie, indem er heftig die Thür hinter sich zuschlug. Einer blickte, daß wir, diese Herren und ich, fest entschlossen sind, der vier Greise, die bisher im Schweigen verharrt hatten, Teine jungen Leute mehr unter uns aufzunehmen. Um vollends flüsterte:

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dieses Haus zu verlieren, ich danke schön! Wir haben schon Ein sehr bedauerlicher Vorfall, meine Herren, sehr be­übergenug an diesem einen. Ja, übergenug. Nicht wahr, dauerlich." meine Herren? Wir wissen, was es uns gekostet hat, diesen Ein zweiter, der dadurch ermuthigt wurde, glaubte seiner ersten Eindringling zu dulden, und wenn das Fräulein..." feits das Wort ergreifen zu müssen, und schlug vor, dem Beis Der ehrenwerthe und schüchterne Gavarot trat lebhaft mit spiel, das der würdige Herr Bochard gegeben, zu folgen. einer beinahe familiären Bewegung dazwischen, und legte dem Unser Dekan!" sagte er. Wenn wir ihn nicht folgten, Alchimisten die Hand auf den Mund: sähe es aus, als ob wir ihm nicht beipflichteten."

ch flebe Sie an, mein lieber Herr Bochard, mein lieber Freund, beruhigen Sie sich! Enthüllen Sie nicht unseren Kummer vor einem Fremden; unseren Familienkummer möchte ich sagen, ja, unseren Familienkummer. Leiden wir unter uns allein. Sie verstehen, was ich sagen will. Ich meine, leiden wir mit Würde. Mit anderen Worten, leiden wir... unter uns allein."

Ein seltsamer Argwohn stieg in mir auf. Waren diese sonderbaren Heiligen auf Paul eifersüchtig? War nicht er dieser erste Eindringling, von dem der wilde Alte mit solcher Bitterkeit sprach? Und stammte ihr Leiden, ihr Kummer.. ihr Familienkummer nicht daher, daß sie für diesen jungen Maun geopfert worden waren? Ich erinnerte mich an die Anklage, die der Kapitän gegen Cesarine erhoben hatte: " Doch, doch, die Geliebte Heurtault's und eines Haufens anderer."

Der Haufen anderer waren, also diese da! Ich konnte aber doch nicht daran glauben, so häßlich und lächerlich er­schien mir die Geschichte. Ich wollte sofort wissen, woran ich mich zu halten hätte, und indem ich kühn den Stier bei den Hörnern faßte, sagte ich ihnen geradezu auf den Kopf:

Nuu, meine Herren, ob ich abonnirt bin oder nicht, ich wünsche mit Fräulein Cesarine zu sprechen, um von ihr näheres über meinen Freund zu erfahren, über meinen Freund

Ich hatte keine Zeit, den Namen auszusprechen, denn der jähzornige Alchimist errieth ihn, ehe er noch von meinen Lippen gekommen war. Er machte eine Bewegung auf mich zu, als wenn er mich schlagen wollte und schrie mir direkt ins Gejicht:

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Aber!..." begnügten sich die anderen zu flüstern. Aber ich, meine Herren," warf der gute Gavarot ein, ich fann trotzdem nicht. Es ist mir unmöglich, absolut unmöglich, weil ich Fräulein Cesarine versprochen habe, das Kabinet nicht ohne Aufsicht im Ctiche zu lassen."

Man drückte ihm allgemeines Beileid aus; aber das Mit­gefühl ging doch bei keinem so weit, daß er das schreckliche Geschick, dem man ihn überlieferte, nämlich allein mit mir zu bleiben, hätte theilen mögen, mit mir, mit dem Freunde von Herrn Paul". Vier Hüte wurden auf vier Käppchen gestülpt also das war wirklich Mode hier! und ernst und würdig, meinen Gruß faum mit einem verächtlichen Ropfnicken beants wortend, spazierten die vier alten Maulwürfe" schweigend wie in einer Pantomime im Gänsemarsch hinaus.

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"

Ich wartete höflich, bis der Leyte   hinaus war, ehe ich meinem Lachreiz Folge gab. Aber nachdem der Letzte hinaus und ebenso geräuschvoll wie dieser schreckliche Bochard die Thür hinter sich zugeschlagen hatte, platte ich endlich heraus. Aber plötzlich sah ich, wie unter dem einzigen Brillenpaar, das mich jetzt betrachtete, zwei dicke Thränen aus den Augen des Herry Gavarot hervorquollen, während er traurig seufzte:

Arme Cesarine! Arme Cesarine!"

Ganz gerührt näherte ich mich dem braven Manne, der sich auf einen Stuhl hatte fallen lassen, und setzte mich neben ihn. In dem instinktiven Drange, aus ihm vertrauliche Mit theilungen herauszulocken, fragte ich ihn ziemlich indiskret, wie ich selbst gestehen muß:

Macht Paul sie unglücklich?"

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und er ist leider

Oh!" seufzte er. Was fragen Sie mich da! Müssen Sie gerade an mich von uns allen eine solche Frage richten? Ueber Ihren Freund, Herrn Paul, nicht wahr?" Empfinden Sie denn nicht, daß Sie mir damit den Dolch in Es war nicht der geringste Zweifel mehr möglich, daß der Brust umkehren? Ja wirklich den Dolch. Denn auch ich darin die Eifersucht eines Geliebten bekundete oder leide unter diesem... wie soll ich sagen?... unter diesem wenigstens die Eifersucht eines ausgestochenen Verliebten; Bustande. Gewiß nicht, wie Herr Bochard, davon ist Er ist gegen ihn mit solchem Haß und solcher Verachtung betonte er dieses keine Rede. Herr Paul". Und zugleich las ich von den Gesichtern der nicht der Einzige - von einer Voreingenommenheit übrigen, daß damit Bochard die gemeinsame Empfindung erfüllt, die ich table, glauben Sie mir. In unserem Alter aller ausdrückte. Nur der ruhige Herr Gavarot blickte mit darf man nicht mehr derartige Gedanken hegen, sie vielmehr, einer weniger wilden Zustimmung durch seine Brillengläser. wie ich es thue, in andere Empfindungen umsetzen. Mit Sein Blick drückte vielmehr keine eigene Ueberzeugung aus, und anderen Worten: man muß sich flavmachen.... Aber das er machte den Eindruck, als ob er wie ein langjähriger Bei- hindert doch nicht, daß ich gleichfalls leide. Bäterlich, ver fizer aus alter Gewohnheit, der autoritativen Meinung des stehen Sie mich recht, ganz väterlich. Ein Kind, das uns Präsidenten beistinimte. Deshalb wandte ich mich auch an ihn, gehörte, mit einem Worte: uns. Und nicht wahr? Ich weiß um hinzuzufügen: nicht, ob ich mich klar genug ausdrückte."

Könnten Sie mir nicht einige Aufklärungen geben, während ich Cesarine erwarte?

Bochard war auf seinen Hut zugestürzt und stülpte ihn über ein Räppchen, genau so, wie der Vater Heurtault, was mich auf den ergöglichen Gedanken brachte, daß dies bei diesen Mathematischen   jedenfalls eine Art Mode sei. Ich mußte bei dieser Vorstellung lächeln, aber der alte Wütherich hielt mein Lächeln für eine neue Beleidigung und schrie:

Ich konnte mich nicht enthalten, ihn zu unterbrechen: Nein, nicht sehr klar."

Seine Erklärungen schienen mir in der That ein wenig dunkel, und die Meinung befestigte sich in mir, daß alle diese Greise Paul zürnten, weil er von Cesarine geliebt werde. Nun, inwiefern gehörte sie ihnen, wie er sich auss drückte? Und was wollte er damit sagen, daß Bochard- und er nicht allein noch in seinem Alter solche Gedanken hege?"

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