— 57Namen mit goldenen Buchstaben in den Freiheitstempeln zu ver-ewigen find.- So lautet eine Prophetie Amand Goegg's aus derMitte der 7ver Jahr». Damals sammelle er Bausteine für ein im-posantes Monument; es sollte aus dem Rafialter Friedhof errichtetwerden und von der Verehrung zeugen, die das demokratisch ge-finnte Volk im liberalen Mnsterlande den Opfern des preußischenSlandrechts zollte. Ein Denkmal den Kämpfern für DeutschlandsEinheit und Freiheit.Aber die Festung Rastatt steht unter der preußischen Militär»diktatur; diese verbot die Aufstelluiig des den Tobten geweihtenMonunientes. Heute bildet es die erste Sehenswürdigkeit in Renchen.der Heimath des Bürgers Amand Goegg. Ein Grimmelshausen-Denkmal, dem Gedächtniß an den Verfasser des Simplicms Sim-plicissimus gewidmet, einem Urahnen der Renchener Bürger-meisteret.Durchs blnmenverzierte Fenster seines Tuskulums schaute BürgerGoegg täglich nach dem rothen Sandstein- Obelisken hinüber, dessenrevolutionärer Teint in Wind und Welter in ein staatsfreundlichesGraugrün überging, ei» Symbol für die politische Metamorphoseso vieler Freischärler-Renegaten. Doch die Ueberzeugungstreue undCharakterfestigkeit Amand Goegg's blieb gediegen und unveränderlichund als er um 2 Uhr nachmittags am 21. Juli sein Leben schloß,konnte man ihm die Augen schließen mit den Worten: Ehrlich undgesinnungstreu bis zur Bahre!Goegg, ein Renchener Bürgersoh», hatte in den vierziger Jahrenin Heidelberg Staatswissenschast und das Finanzfach studirt. DieRepublikaner Badens übertrugen ihm neben Brentano denVorsitz in dem Landesansschnß der badischen Volksvereine.Er traf die Vorbereitung zur großen Volksversammlung vom13. Mai 1849 z» Offenburg, aus welcher die Republik erklärt werdensollte. Im Programm, das angenommen wurde, standen u. a. dieForderungen: eine von sämnitlichen volljährigen Staatsbürgern ge-wählte Landesvcrsammlung; Volkswehr, Offizierswahl, Geschworenen-gerichte, progressive Einkommensteuer, Laudes-Pensionsfonds, ausdem jeder arbeitsunfähig gewordene Bürger unterstützt werden kann;Abschaffung des Pensionsfonds für Staatsbeamte. Joh. Phil. Beckererblickte in diesen, von Goegg aufgestellten Forderungen den Kern dersozialistischen Thesen.Dieses Programm wurde angenommen zu Offenburg an dem-selbe» Tage, als sich in Rastatt die Armee zum Kampfe dafür bereiterklärte. Daß der Kampf auf ein anderes Gebiet gelenkt wurde, istbekannt. Es trägt Amand Goegg nicht die Schuld daran. Ihnbeschäftigte die Leitung des Finanzwesens in der provisorischen Re-giernng, dem Triumvirat der Diktatur. Wenn die Gegner dieFinanzverivaltungslhätigkcit Goegg's geringer schätzen als sei»agitatorisches Schaffen, so mögen sie recht haben. Sagt doch selbstFranz Raveaux, der durch seine Fabeln über Goegg's finauzininisterielleSchwächen sich als sein scharfer Gegner bekannte: es werde niemand inAbrede stellen wollen,.daß Amand Goegg es vcrstaud, die Massen durchseine Rede» und Ansprachen zu entflammen; deswegen war seinPlatz nicht in Karlsruhe(Finanzministerium), sondern bei derArmee." Diesen Platz suchte Goegg auf; er blieb als Organisator,begeisternder Redner»nd Kombattant bei der muthigen Freifchaar,bis sie dem Verrath und der preußischen Uebermacht gewichen war.Nun aß Goegg das Brot im Exil; er lebte in der Schweiz,auch in Paris, das ihm aber bald das Gastrecht versagte. DieSchweiz wurde seine zweite Heiinath; neben der idealen Schwärmereifür die internationale Friedens- und Freiheilsliga bekam er Mußegenug, sich in den KOer Jahren mit den praktischen Zielen dersozialdemokratischen Arbeiterpartei zu befreunden, als deren Ver-tretcr er auf dem internationalen Kongreß zu Basel erschien.Wie Gögg über die soziale Frage dachte, zeige» folgende Zitateaus seinem Glaubensbekenutniß vom Jahre 1875. Er bespricht dieproletarisirende Entwickelung des Kapitalismus und sagt dann:„.... seitdem aber weitaus die Mehrzahl der Gewerbe unterKonzentratio» der Kapitalien und mit Theilung der Arbeit ingroßen Fabriken ausgeübt werden. kann sich der Arbeiterin den meisten Fällen nicht mehr selbständig niederlasse» und ist erfür sein ganzes Leben zu dem abhängige», der Willkür preisgegebenenZustand eines Lohnarbeiters verdammt."...„Daß sich Millionenvon Arbeiter» eine» solchen Znstand, wie er heute in beinahe allenLändern existirt, auf die Dauer, ob i» einer Republik oder Mon-archie, nicht mehr gefallen lassen werden, muß auch den« hartköpfigste»Anbeter des Status quo einleuchten."......„Zur Abhilfe einessolchen heillosen Zustandes ist der einzige rationelle Ausweg, daß inallen Geschäften, kleine» und großen, ob in Gewerken oder Acker-bau, bei welchem zum eigenen Vorlheil die Besitzer oder Unternehmerausbeuten und Gehilfen nöthig haben, die Lohnarbeit abgeschafftund der säinmtliche Grund und Boden, auch der, auf welchemdie Häuser stehen, wozu auch schon hervorragende englischePolitiker geratheu und was der ehmalige preußische Staats-minister und Rechtsgelehrte v. S a v i g n y als rechtlich zu-lässig erklärt hat, bei sdem Großbesitz gegen theilweise undbei dem Kleinbesitz gegen volle Entschädigung als Staats-oder Kollektiveigenthum erklärt und der für denAckerbau geeignete Theil an Feldarbeiter-Genossenschaften vermiethetwerde. Die Erde ist so gut wie Luft, Wasser und Sonnenlicht fürErnährung und Beivohnung ein Gemeingut Aller.Dies ist auch ursprünglich der Fall gewesen und erst imLaufe der Zeiten haben sich Häuptlinge, Fürsten, Königeund ihre Satelliten, die Adeligen, gewaltsam durch Er-5—_oberung x. des Grund und BodenS bemächtigt, denselben alSihr Privateigenthum widerrechtlich erklärt und für ihre Bereicherungdurch die zu Sklaven, später zu Leibeigenen gemachten Bewohnerbebauen lassen. Erst seit Aufhebung der Leibeigenschaft ist auf demeuropäischen Kontinent in einigen Ländern ein beträchtlicher Theilsolcher Besitzungen in die Hände der Bauern übergegangen, währendin anderen noch vielfach Zustände wie in England find. Mit solchradikaler Lösung der Lohn-, Grund- und Bodcnfrage erledigen sichdann auch die Fragen des„Kapitals"(Produkt der Arbeit) und der„Staatshilfe"...Während die sozialdemokratische Partei Deutschlands in derBismarck'schen Schule zu einer politischen Großmacht heranwuchs,weilte Amand Goegg rn fernen Regionen unseres Planeten alsForscher und Prediger. Seine Reisebeschreibungen aus Nord-und Südamerika, Australien:c. bilden die interessantestenBücher seiner schriftstellerischen Thätigkeit(Zürich 1888). Vonseinen politischen Jugendschriste», die 1351 in Pariserschiene», seien erwähnt:„Ein Wort a» die natürlichenVermittler des Völkerbundes"—„Die Märtyrer(Rod. Blum, Adolfv. Trützschler k.)—„Was verstehen wir unter Sozialismus?".Wenn diese Zeilen bei der Redaktion des„Vorwärts" ein«treffen, werden wir den alten Freiheitskämpfer zu seinem Vater indie Gruft legen. Damit er nicht wieder erwache, verbot der Pfarrervon Renchen das Glvckengeläute.—Mlrines Feuilleton.— Sonderbare Mittel. In einer Leipziger Handschrift deS16. Jahrhunderts finden sich allerlei die Pferde betreffende»„Geheimnisse", die wir ihrer Seltsamkeit wegen hier mitlheilenwollen, z. B.„Ein mager Pferd bald wieder aufzufüttern. NimmEybisch und Eberwurzel, jedes eine Hand voll, thue es i» ein Maaßoder mehr Wein, laß es wohl sieden und netze alle Tage in diesenWein«in Schwamm und streiche damit das Roß von der Mähneüber den Rücken bis an den Schwanz, Abends und Morgens, dar-»ach nimm und menge eine Hand voll Salz und ein wenig Eber-würz und drei Schnitt gebäht(geröstetes) Brot, diese Stücke alle aussKleinste geschnitten, allezeit so viel man vorne mit den drey Fingernhalten mag so oft man ihnen Futter giebt, so viel drunter gethan, sonimmt es augenscheinlich z», aber man muß das Roß absonderlich(besonders) stellen in eine» Stall, sonsten benimmt es den ander»Rossen die Mast wegen der Eberwurz aber wenn man ihm dieseMateria nicht giebt, so kann es wieder neben anderen stehen."Lustiger noch sind folgende„Mittel".„Daß dir keiner mit demPferde vorreite» kann, schreib die nachstehenden Worte in deinenHut:.A.st,u1u8, Astala, Venix f f f E."—„Daß dich kein Pferdabwerfe, sprich dem Pferde diese Worte ins Ohr: Alilos, Astaba,erenabas."—„Wenn ein Pferd nicht stehen will, sage ihm dieseWorte ins Ohr: Alosinl, galbat. in Ansula f Stanabat die tur,oder zeig(zieh) ihm einen Nagel aus dem Fuße, henge denselben andas rechte Ohr mit einem Faden und binde den Faden an de»Zaum, so steht es."—Musik.-er- Aus der Woche. Neues Operntheater. FürGonnod's„F a u st", den nur ans Achtung vor dem Genius Goethe'sim ersten Akte philosophische Velleitäte» anwandeln und dem später-hin die süße Schwärmerei eines tenore amoroso alle Philosophieentzieht, fehlt dem Organe des Herrn Kraus der weiche Schmelz,den nur eine von echte» Empfindungen erregte Seele und eine durch-gebildete Gesangskunst zu verleihen vermögen. Fräulein E g l ibesitzt für die„Margarethe" eine natürliche Innigkeit des Tones,dem nur noch das lies Rührende zur Erreichung edelsterWirkungen fehlt. Herr» G i ll m e i st e r's Mephisto gelingt alles,was einer bejahrten Routine angehört; kleine Vorzüge meist schau-spielerischer Natur müsse» da für den verstimmende» Defekt einerwarme» und freigebigen Stimme entschädigen. Bot uns FrauG r a d l schon als„Siebel" mit dem anmnthigen und zart nüanzirlenVortrag des bekannten„Blümchen traut..." eine sehr seineGesangsleistung, so müssen wir ihre„Frau Dot" in Goldmarck's„Heimchen am Heerd" geradezu vollendet nennen.Orthodoxe Musikästhetiker fangen an, Goldmarck's von Täte««mdvornehmer künstlerischer Bescheidenheit erfülltes Werk mit heilerstimmender Geringschätzung abznthnn. Wir wünschen dem deutschenOpernrepertoir alljährlich die Bescherung mit einem ähnlichenWerke von so viel redlicher, geistvoller und gemüthlichreizender Musik.— Im Theater des Westens hatte der„Fra Diavolo" Auber's, dessen Musik nicht tiefsinnig belehren,fouder» angenehm durch Grazie und Ursprünglichkeit dermelodischen Erfindung erfreuen will, einen mehr als gemachte»Erfolg. Zwar weiß die unglaubliche Darftellnngsnaivetät und derGesangsnaturalismus B ö t e l' s mit der schauspielerischen undmusikalische» Eleganz des„Marquis- Räuberhauplmanns" sehrwenig anzusaugen, dafür entschädigte Fräulein David als„Zerline" durch eine allseitige Gewandtheit, welcher keineswegs diekostbare künstlerische Decenz fehlte. Der Teuor-Bandit, mit demHerr Lieba» sonst fessellose Heiterkeit erregt, war einem HerrnF u r» e s anvertraut, welcher sich durch Etiminmanael und auf-dringliche Talentlosigkeit kennzeichnete.—— Die diesjährige Generalversammlung des„All-gemeine» Richard Wagner-Vereins" fand am 20. Juliin Bayreuth statt. Anwesend waren 12 Personen, welche 1682