hente, wenn ich darüber nachdenke, stelle ich mir vor, daß nie- mand auf der Welt außer ihr ihre Lebensgleichung hätte auf- lösen können. So viel ist sicher, daß ich bei'diesei,«moralischen Gleichungen" nur die„Wurzeln", das heißt die resultirenden Handlungen gesehen habe. Ich muß mich aber darauf be- schränken, diese Handlungen zu erzählen, wie sie sich abspielten, nur die einzelnen„Punkte" anzugeben, und es Scharfsinnigen über- lassen, rückwärts die psychologischen„Coordinaten" zu er- Mitteln. So viel ist in der That gewiß, daß sie, wie sie sagte, auch bei ihrem gegenwärtigen leichtsmnigen Streiche die Logik nicht außer acht gelassen hatte. Sie hatte für diese Abreise alles arrangirt und in Ordnung gebracht und selbst ihr Gewissen. Bei dem Problem, das für sie zu lösen stand, fehlte ihr nur noch ein einziges Element, und dessen glaubte sie sich sicher, nämlich der Einwilligung Paul's. (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verboten.) Das Gemittev. „Wenn die Wolken gethürint de» Himmel schwärzen, Wenn dumpftosend der Donner hallt, Da, da fühlen sich alle Herzen In des dunkeln Schicksals Gewalt." Das Unbekannte und Uebermächtige, das der Mensch nicht meistern kann, dessen Bedingungen er nicht kennt, übt die größte Ge- walt über ihn aus. Von der Natur fühlte er sich in jeder Beziehung abhängig, und deshalb brachte er den einzelne» Naturgewalten göttliche Verehrung entgegen. Als Sinnbilder der geheimnißvolle», alles Leben beherrschenden Mächte sah er wohl vom Himmel gefallene Steine und dergl. an, die er als Fetische anbetete. Mit znncbineuder Erlenntniß schwand die Furcht und das Grauen vor dem Unbekannten und in dein Maße, wie man die Natur zu beherrschen lernte, wurde sie entgöttert. Wenn wir im dninpf tosende» Donner heute auch nicht mehr die grollende Stimme der zornigen Gottheit zu höre» meinen, die ihren Zorn verderbenbringend belhätigt, indem sie de» zackigen Blitz in die menschlichen Wohnstälten schleudert, wenn ivir auch wisse», daß eS sich hier um natürliche Erscheinungen handelt, die dem Wille» einer in unsere Geschicke eingreifenden Gottheit eben so ferne stehen, als der regelmäßige Wechsel von Tag und Nacht, so können sehr viele Menschen eine unerklärliche Furcht vor und während eines Gewitters doch trotz dieser Erkenntniß ans keine Weise los werde». Die all- gemeine Schwüle, die dem Gewitter gewöhnlich voraufgeht, übt eine ungemein erschlaffende Wirkung auf unsere Nerven aus. und es ist erklärlich, daß unsere Widerstandskraft gegen äußere Einflüsse nach- läßt; die Gewitterfurchl, die ihre tieferen Ursachen wohl in der Erregbarkeit der Nerven für elektrische Einflüsse hat, ist daher kaum durch größere Erkenntniß zu bannen. Die besondere Erscheinung, durch die das Gewitter vor allem ausgezeichnet ist und die den besonderen Anlaß zur Furcht vor ihm giebt, sind die als Blitz bekannte», vom Donner begleiteten elektrischen Entladungen. Es ist noch nicht gar zu lange her, daß die elektrische Natur des Blitzes erkannt wurde; noch im vorigen Jahrhundert war man der Meinung, daß er durch die Entzündung brennbarer Dünste entsteht, deren Explosion den ballenden Donner und die gewaltigen zerstörenden Wirkungen veranlaßt. Die Funken, welche knisternd aus dem Konduktor einer Elektrisirmaschine gezogen werden, legten zuerst den Gedanken einer Vergleichung mit dem Blitz« nahe; je größere Apparate man baute, je stärker das Streben nach Ausgleich der elektrischen Zustände, die elektrische Spannung, war, um so ähnlicher wurden die Funken dem Blitze. Bei de» modernen Induktionsapparaten, mit denen man prasselnde Funkeuentladunaen von mehr als 50 Zentimeter Länge bequem her- vorrufen kann, springt die Analogie mit dem Blitze ganz unverke»»- bar in die Augen. Hält man zwischen die Spitzen eines Jnduk- torinms eine mit Eisenfeilspänen bestreute Glastafel, so springt der Funke zwischen den einzelnen Theilchen über und kann ans diese Weise eine noch beträchtlichere Länge erreichen. Auch der Blitz ist kaum als ein einzelner Entladnngsschlag zwischen einer Wolke und der Erde ansznfassen, sondern springt zwischen den einzelnen in der Luft enthaltenen Staub- und Dunstrheilche» über, bis er zur Erde gelangt, so daß er dadurch seine oft so gewaltige, selbst meilen- große Länge erhält. Woher die Elektrizität der Gewitterwolken rührt, ist noch keines- wegs vollständig festgestellt. Die Erde befindet sich stets in elek- trischem Zustande; da ihre Oberfläche nicht überall von der gleichen Beschaffenheit ist, so ist auch die Bertheilung des elektrischen Zu- ftandes eine sehr ungleichmäßige. An gekrümmten Erhebungen sammelt sich die Elektrizität in größeren Menge» an und strömt von hoch gelegene» Punkten, wie den Masten der Schiffe, in die Atmosphäre, wobei sie als glimmendes Büschel im sogenannten Elmsfeuer sichtbar wird. Die in der Atmosphäre schwebende» Dunsttheilchen werden bei der Berührung mit der Erdoberfläche elektrisch; auch giebt die zwischen ihnen und der Erde stattfindende Reibung Anlaß zum Entstehen einer elektrischen Ladung; wenn die einzelnen kleinen Theilchen zu einem größeren Tropfen zusammenfließe», so wird ihre gesammte Oberfläche kleiner; auf dieser wird die Elektrizität daher bedeutend dichter sein, so daß die gewaltigen Spannungen auftreten können, die zur Entstehung des Blitzes führen. Die Meinung, daß bei der Verdunstung an den Oberflächen der Wassermassen auf der Erde die Dampstheilchen elektrisch werde», ist heute von den meisten Forschern aufgegeben; dagegen hat eine andere Ansicht manche Anhänger gesunden, wonach die Elektrizität der Gewitterwolken durch die Reibung der aussteigenden Dunst- theilchen an in der Atmospäre schwebenden kleineu Eiskrystalle» ent» steht. Die hochschwebenden weißen Wölkchen, die sogenannten Schäfchen oder Cirri, bestehen hauptsächllch aus Schnee und Eis; übrigens schwebe» Eistheilche» oft auch in der Lust, ohne daß sie überhaupt von der Erde aus als Wolken erscheinen. Bei der verbängnißvollen Luftfahrt, die Tissandier, Crocs.Spinelli und Sirel am 15. April 1875 ausführten, von der nur Tissandier lebend zurückkehrte, während die beiden andere» in der Höhe von 8600 Metern de» Erstickungstod fanden, bemerkten die Luftfahrer schon in einer Höhe von 4500 Metern schwebend rings um sich eine» weiten Kreis von Schäfchenwolken, die bis zur Höhe von 3000 Metern »och erheblich zunahmen. Dabei war in derselben Zeit für die Beobachter auf der Erdoberfläche der Himmel durchaus klar und durchsichtig; in der Richtung von unten noch oben waren die Eiskrystalle sehr dünn und blieben daher durchsichtig; den Luft- schiffern dagegen, die mit ihnen in gleicher Höhe schwebten, wurden sie sichtbar, da sie sich in ihrer horizontalen Blickrichtung meilenweit erstreckten. Verschiedene Luftströmungen können längere Zeit hindurch neben einander bestehen. Der Strom warmen Wassers, der vom Caralbischen Meere und dem Golf von Mexico durch den Atlanti- scheu Ozean fließt, und die nördliche Küste von Norivegen umspült. erhält sich trotz des ihn überall umgebenden kälteren Wassers auf diesem mehr als 1000 Meilen langen Wege deutlich erkennbar; danach ist es verständlich, daß kalte Luftströmungen, welche Eiskrystalle sichren, und wärmere, in denen Wasserdampf schwebt, längere Zeit hindurch neben einander bestehen könne». Die durch die Reibung der Dampstheilchen am Eise elektrisch gewordene Massen, die sich zu schweren Wolken verdichte», werden durch die strömende Lust durch beträchtliche Strecke» fortgeführt und bilden die ost nur 1200 biS 1400 Meter hoch schwebenden Gewitterwolken, die sich allerdings auch bis zu Höhen von 4000—5000 Metern und darüber erheben. Herrscht an einem Orte sehr starke Hitze, so entsteht ein auf- steigender Luflstrom, in welchem sich der Wasserdampf kondensirt und Gewitterwolken sich bilden. Diese sogenannten Wärmegewitler. die lokaler Natur sind und sich nicht über weite Gebiete er- strecke», haben im allgemeinen keinen erhebliche» oder nachhaltigen Einfluß auf die Temperatur; allerdings fallen während ihrer kurzen Dauer reichliche Regenmengen, die dann verdunsten und hierzu große Wärmemengen verbrauchen. Aber die dadurch bewirkte Abkühlung ist nur von einer geringe» Daner, so daß oft schon nach kurzer Zeil die frühere Hitze wieder herrscht. Diese Gewitter lassen sich nicht vorherverkünde» und auch nicht für die Wettervorhersage benutzen; sie trete» während der heißesten Tagesstunden aus schnell verdichteten Wolken plötzlich ei»; doch zertheile» sich die Wolken oft ebenso rasch wieder, wie sie sich gebildet haben. Die sogenannte» cyklonischen oder Wirbelgewitter, die mit den Wirbelstürmen des atlantischen Ozeans zu uns herüberkommen, unterscheide» sich von den Wärmegewittern kaum durch andere Ur- fachen der Entstehung; sie sind ivohl auch durch aussteigende warme Luftströme, die viel Wasserdämpse mit sich führen, bedingt. Doch über- treffen sie die Wärmegewitler an gewaltiger Ausdehnung und ziehen verderbenbringend über weite Landstriche hin. Vor dreißig Jahre» wurde der Verlauf der Gewitter mit großer Sorgfalt in Frankreich studirt; in den verschiedensten Orten befanden sind Kommissionen, die ihre Beobachtungen an eine Zentralkommisfion ihres Departe- ments einsandten, wo eine Karte zusammengestellt wurde. Aus dieser wurde dann im Observatorium zu Paris eine Gewitterkarte des ganzen Landes gebildet. Durch diese Untersuchungen wurde fest« gestellt, daß die rein lokalen Gewitter sehr selten sind, während die meisten über größere Gebiete hinziehen. Um eine Anschauung von der Ausdehnung der Gewitter zu geben, wollen wir eine Gruppe erwähnen, die am 9. Mai 1865 durch Frankreich zog. Mit einem Wirbelsturme vom Atlantische» Ozean kommend begannen die Gewitter um'/sS Uhr morgens im südwestlichen Theile Frankreichs und zogen nach Nordosten weiter; um Mittag hatten sie die Gegend zwischen Poitiers und Limoges erreicht, von wo ein Theil nach Südosten zu den Cevennen sich wandte, während et» anderer Theil, der vielfach von verheerendem Hagel begleitet war, nordwärts weiter zog; um 3 Uhr abends wüthete das Wetter über Paris und west- und ostwärts daran fast bis Ronen und Troyes . Nach Mitternacht erreichten die Gewitter die belgisch« Grenze, hatten also in 16 Stunden«ine Strecke von mehr als 100 Meilen zurückgelegt. Der durchzogene Land- strich hatte eine Breite von etwa 40 Meile», so daß das Gewitter über 4000 Qnadratmeilen hingezogen war, ein Gebiet von mehr alS zehnmal so großer Ausdehnung, als das Königreich Württemberg, welches vor einiger Zeil durch ein ähnlich schweres Unwetter heim- gesucht wurde. Der Schaden, den diese Naturerscheinungen durch Vernichtung der Ernte und andere Zerstörungen hervorrufen, ist mannigfacher Art, und wir sind leider noch weit davon entfernt, uns in aus- reichendem Maße dagegen zu schützen.— Bt
Ausgabe
14 (30.7.1897) 148
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