Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 153.
85]
Cefarine.
Freitag, den 6. August.
XX.
1897.
( Nachdruck verboten.) der gewissermaßen auf dem Schweigen wirbelte. Es war mir nicht klar, ob ich darin wirklich Flintenschüsse heraushörte; denn ihr Knall, wie ich ihn im Kriege, auf offenem Felde gehört hatte, hatte nicht diesen eigenthümlichen peitschenartigen und zugleich matten Klang. Ich wußte das damals nicht, heut weiß ich es leider, daß er, zwischen den Häusern eingeschlossen, diesen erstickten, dumpfen und heimtückischen Laut annimmt. Was ich aber in der That bald erkannte, war das Pfeifen der Kugeln, die mit dem kurzen und singenden Ton der Schwalben etwa hundert Meter vor mir durch die Rue de Rennes sauften.
Mein Herr, mein Herr! Die Versailler sind eingezogen!" Es war am Montag, den 22. Mai, morgens. Ich war sehr spät zu Bett gegangen und hatte eine fast ganz schlafLoje Nacht verbracht. Erst am Morgen war ich in tiefen Schlaf gesunken. Aber sofort war ich auf den Beinen, als ich plöglich geweckt wurde; und auch mein Geist war Ich wandte mich wieder zurück, eilte nach der Rue d'Assas, ganz flar, von diesen Worten wurde er wie von einem dann nach der Rue de Fleurus, um nach dem Luxembourg zu ge elektrischen Schlage getroffen. Es war der Hotelier, der mir langen. Da hörte ich, wie mit einem Zauberschlage, von neuem nichts diese Worte mit zitternder Stimme durch die Thür zugerufen mehr; kaum ein unbestimmtes Murmeln, wie das des fernen hatte, indem er gleichzeitig mit einem Schlüsselbunde anklopfte. Meeres und weniger merkbar als der gewöhnliche alltägliche In dieses nahe, haftige Geräusch, das durch das plötzliche Auf- Lärm von Paris , wenn der ganze, große Bienenschwarm in wecken noch stärker erschien, mischte sich der Baß eines großen, Bewegung ist. Auch die Einsamkeit hatte aufgehört. Ich traf von außen hereindringenden Lärms, den ich ebenfalls augen- Leute, die offenbar von den wüsten Ereignissen noch nichts blicklich vernahm, und in dem ich die Signale der Trom - vernommen hatten: einen alten Herrn mit Professoren peten, den Generalmarsch der Trommeln und das Sturmgeläut topf, die Hände auf dem auf dem Rücken zusammengelegt; der Glocke von Saint- Sulpice deutlich unterschied. Ich öffnete eine dem Hotelier und zog mich rasch an, während er mir erzählte, daß die Truppen bei Tagesanbruch eingedrungen seien und daß die Föderirten selbst erst heute davon Kenntniß erhalten hätten. Die Schlacht tobe nun an allen Ecken und Enden.
Sie werden doch nicht ausgehen?" fügte er hinzu, als er sah, wie ich nach meinem Hute griff.
In der That hatte ich mich mechanisch, ohne selbst zu wissen warum, zum Ausgehen fertig gemacht.
Wohin gehen Sie? Sind denn irgendwo Freunde von Ihnen in Gefahr?"
Wohin sollte ich in der That' gehen? Und wem konnte ich wohl Hilfe bringen? Paul und Cesarine waren in ihrem Feldlazareth in Sicherheit. Werden denn nicht die Kranken und deren Wärter von allen Parteien respektirt? Was den Bater Miklosch anbetraf, so hatte er zwei Wohnungen. Viel leicht hatte Cesarine auch ihn bei der Krankenpflege untergebracht. Jedenfalls war der gute Mann in dem Alter, sich ohue mich aus der Affäre ziehen zu können.
Den einzigen Wesen, die mich interessirten, drohte aber feine Gefahr, wozu also ausgehen? Das wäre in Wirklichkeit unsinnig. Und trotzdem verlangte es mich danach.
mir.
Ich will sehen...", sagte ich zu dem Hotelbefizer. Aber man wird Sie nicht sehen lassen," antwortete er Man greift alle träftigen Leute auf, um sie beim Bau der Barrikaden mit Hand anlegen zu lassen. Man zwingt sogar die Frauen, daran mitzuarbeiten. Als meine Mutter heute Morgen ausging, um Vorrath einzuholen, zwang man sie in der Rue du Vieux- Colombier, Steine heranzuschleppen.
"
Das thut nichts. Ich will sehen."
" Was denn sehen?"
" Ich weiß nicht."
Frau mit einem Vierpfund Brode in ihrer Schürze und ausgerauftem Knoblauch in ihrem Armforbe. Das Café de Fleurus hatte seine Schaufenster offen. Im Luxembourg promenirte ganz harmlos ein junges Ehepaar. Die Mutter trug ein kleines Kind auf dem Arm. Ich ging auf sie zu und sagte ihnen fast zornig:
" Gehen Sie doch nach Hause. Fünf Minuten von hier schlägt man sich.
Der Mann sah mich dumm an und begann zu lachen. Die Frau wurde etwas unruhig und wandte ihr Ohr nach der Richtung, die ich ihr bezeichnete, nnd horchte mit offenem Munde. Die Sperlinge zwitscherten lustig auf ihren Zweigen. Beruhigt lächelte sie nun ihrerseits. In diesem Augenblick lief bei uns ein kleiner, weißer Hund in wahnsinniger Angst, vielleicht sogar verwundet, eilends vorbei. Er stieß ein langes, klägliches Geheul aus. Die Haare auf dem Rücken waren gesträubt und der Schwanz ganz unter den Bauch eingezogen. Bei diesem Anblicke wurde die Frau von Schrecken ergriffen, raffte mit einer heftigen Bewegung ihre Kleider zusammen und suchte sich zu retten. Der Mann lief hinter ihr her und rief ihr zu:
"
Wie dumm Du bist, wie dumm Du bist. Er macht sich nur über uns lustig."
Der Gedanke kam mir, nach den Baracken auf den un bebauten Terrains zu gehen, wo die Lazarethe aufgeschlagen waren. Vielleicht könnte ich dort eindringen und Baul und Cesarine die Hand drücken. Ich erstaunte, nicht sogleich daran gedacht zu haben. Das Thor, das auf die Rue Bavin hinaus führte, war geschlossen. Ich ging an dem Gitter entlang, um den Haupteingang zu gewinnen. Aber plötzlich bemerkte ich durch die Schranken eine Gruppe, die mir zu denken gab. Zwei Föderirte zogen am Kragen einen jungen Mann Und ich ging. Ich eilte die Rue de Vaugirard hin- mit sich und zwar gerade nach dem Lazareth zu und dabei unter. Weshalb schlug ich mich gerade nach dieser Seite? sagten sie: Wahrscheinlich aus keinem anderen Grunde, als weil Wir pfeifen auf Deinen Bassirschein! Das giebt's nicht die Lange, gerade und leere Rue de Vaugirard mehr mit den Bassirscheinen. Man wird Dir eins aufbrennen, für meinen haftigen Lauf einen offenen Raum dar- Drückeberger! Marsch!... Trab!...“ bot, der mich anzog. Es schien mir auch, daß es Wenn ich auf meinem Abenteuer bestand, riskirte ich, ruhiger um mich herum wurde, je mehr ich in den leeren ebenso verhaftet zu werden, ohne jemandem zu nützen. Noch Raum eindrang. Ich entfernte mich in der That von dem einmal dachte ich, daß Paul und Cesarine meiner nicht be Lärm, von den Trompetensignalen und den Trommelwirbeln, durften, daß sie mehr als ich selbst in Sicherheit seien, die auf der Place Saint- Sulpice und der Rue du Vieux- und zwar geschützt durch ihre Eigenschaft als Kranker und Colombier tobten. Das Sturmgeläut war jetzt verstummt. als Krankenpflegerin. Ich durchschritt also das Luxembourg , Hier herrschten Ruhe und Einsamkeit. Zu meiner Linken waren die Läden geschlossen, lagen die Hotels schweigend da. Zu meiner Rechten erhoben sich die nackten Mauern der Ecole des Carmes, hinter denen ich die verlassenen Höfe und die großen Gebäude errieth, die niemand bewohnte. Vor mir, so weit ich sehen konnte, lag der Fahrdamm und das Trottoir verlassen da. Ich hatte die Empfindung, in einer ausgeftorbenen Stadt zu gehen, und von Zeit zu Zeit wandte ich mich nach dem Echo meiner Schritte um, das ich in einem ungewohnten, fast seltsamen Klange hörte.
Je mehr ich mich indeffen der Rue de Rennes näherte, desto deutlicher nahm ich allmälig einen Lärm wahr,
um wieder nach meinem Hotel zurückzukehren. Ich begegnete wieder dem alten Herrn mit dem Professorenkopf und den auf dem Rücken zusammengelegten Händen. Ich glaubte auch ihn davon benachrichtigen zu müssen, daß die Schlacht unfern von uns im Gange sei.
" Ja, ja", antwortete er, ich weiß. Indessen besten Dant, lieber Herr, für Ihre Warnung. Aber ich habe Zeit, ich habe Beit."
Und ohne seine Schritte zu beschleunigen, nahm er seinen offenbar gewohnten Spaziergang, dessen er sich nicht berauben wollte, wieder auf.
Von Saint- Sulpice drangen jedoch jetzt weit heftigere