Stöße des Lärmes als eben noch herüber. Sie pflanzten sich sogar bis in den Park hinein fort. Indem ich mich ihm näherte, hatte ich den Eindruck, mitten in den Tumult und das Handgemenge hineinzudringen. Auf dem Platze, von wo ich eine Ecke der Rue de Feron sehen konnte, sah ich ein Gewimmel von Bewaffneten um Reiter herumgedrängt, die Befehle überbrachten. Zwischen den glänzenden Bajonetten flatterte eine rothe Fahne. Die Trompeten bliesen zum Appell und die Trommeln wirbelten zum An- griff. Das Sturmgeläut hatte sich jetzt von mehreren Glocken- thürmen zu gleicher Zeit erhoben; und sie mengten ihr rasches, abgebrochenes, keuchendes Läuten durch einander. Etwas weiter, offenbar an der Barrikade du Vieux-Colombier, begann jetzt mit dem Geräusch eines von der Erde ausgehenden und diese erschütternden Hustens eine Kanone ihr schauerliches Gebrüll. XXI. Der Hotelier sah erst durch das Guckloch, ehe er mir das mit Eisen beschlagene Bohlenthor deS alten Hauses öffnete. Er schloß es sofort wieder, indem er den Schlüssel zwei- mal umdrehte, die Sicherheitskette vorlegte und den Riegel zuschob. Und jetzt," sagte er mir,verlangen Sie nicht, noch ein- mal hinauszugehen. Das ist zu dumm! Ich glaubte schon, daß man Sie ergriffen habe. Sie haben Glück. Nun halten Sie sich jetzt ruhig. Wir sind zwar hier wie in einem Gefängniß, aber doch in Sicherheit. Die Mutter hat zwei Brote und ein Stück Fleisch. Wir können also nicht vor Hunger sterben." Und was werden wir anstellen?" fragte ich ihn. Potztausend!" erwiderte er.Abwarten! Was sollen wir anderes machen? Abwarten!" .Ja," fügte die alte Mutter hinzu,warten, bis das Haus brennt, und wir in die Luft fliegen." Trotzdem schäumte sie bedächtig ihr Ragout ab, indem sie sagte: Man muß gut leben, so lange man lebt." Und den Tag und die Nacht und noch einen Tag brachten wir damit zu, nur zu leben, nichts anderes, oder vielmehr in einem Loche, in dem wir uns wie die Thiere in ihre Höhle, verkrochen hatten, zu vegetiren. Wir tauschten abgedroschene Gedanken aus. Wir aßen, wir schliefen sogar, obwohl seit Montag Abend eine Kanone ganz in unserer Nähe die Wohnung erschütterte. Der Thürschließer des Nachbarhauses, das auf die Rue de Baugirard hinausführte, benachrichtigte uns durch das interfenster, daß die Kanone eine Barrikade an der Ecke der ue Bonaparte vertheidigte. Bon seiner Vorderfront, sagte er mit einer gewissen Befriedigung, könne man sie sehen. Von uns auS konnte man weder auf der Vorderseite, noch auf der Hinterseite irgend etwas sehen. Die Rue Servandoni   war auf der rechten Seite durch die hohe Mauer von Saint Sulpice, auf der linken durch das Gitter des Luxembourg   abgesperrt. Nur von dieser Seite aus konnten wir etwas sehen. Oh, wenig genug! Kaum der Mühe werth auszustehen!" wie der Hotelier ärgerlich sagte. Es war nichts weiter, als daß zurückprallende Kugeln in den Wipfeln der Bäume mit lautem Geräusch die Zweige herunterschlugen. Manchmal schlug eine verirrte Kugel gegen einen der Gitterstäbe und ließ das Metall in langen, klagenden Schwingungen einen Glockenton von sich geben. Manchmal schlug ein ganzer Hagel von Mitrailleusen- geschossen gleichzeitig das ganze Klavier der Gitterstäbe an. Und dann gab das ganze Gitter einen Ton wie ein riesiges tackbrett oder ein ungeheures Cymbal. Und im wunderlichen piele flogen bei den Akkorden dieser selsamen Musik, wie von wüthenden, unsichtbaren Händen abgerissen, ganze Schwärme von Blättern empor, und führten eine wirbelnde Farandole auf. Mehrere Male stieg ich mit dem Hotelier auf das Dach des Hauses, das sehr hoch war, allerdings für die Wünsche meines Gefährten noch nicht hoch genug; denn infolge der be- nachbarten Dächer konnte man das Schauspiel der Schlacht nichtgenießen" das war sein eigener Ausdruck. Nichtsdestoweniger konnte man sich wenigstens eine Vorstellung davon machen. (Fortsetzung folgt.) Die eepte Meberminieeung im Ltrkiifchen Moeven 1596/97. Mit welch' ungeheueren Schwierigkeiten die zur Durchforschung der Polarregionen ausgesandten Expeditionen zu kämpfen haben, lehren uns wieder die Berichte über die jüngsten Entdeckungen im äußersten Norden unseres Planeten. Da es in diesem Winter 300 Jahre waren, daß zum erste» Mal kühne Seefahrer es wagten, den Schrecknissen eines arktischen Winters Trotz zu bieten, so dürfte es angebracht sein, das unter unsäglichen Mühen und Leiden zu Ende geführte Unternehmen der holländischen Seeleute wieder in Erinnerung zu bringen. Wilhelm Barent aus Amsterdam  , der Entdecker Spitzbergens  , hatte schon die beiden vorhergehenden Jahre zwei Nordlandsfahrten unternommen und als erster die Nordküste von Nowaja-Semlja erforscht, als er 1596 Amsterdamer   Kaufleute überredete, zwei Fahr- zeuge zu einer neuen Expedition auszurüsten, um den bisher erfolglos gesuchten Seeweg nach den Meeren des Ostens um Europa  und Asten herum aufzufinden. Die Generalstaalen hatten für die Lösung dieser Aufgabe einen Preis von 25 000 Gnlden ausgesetzt. Die Schiffe befehligten Inn Cornelis Rijp und Jakob van Heems- kerck; dem letzteren ordnete sich Barent als Obersteuermann unter, obgleich er in Wirklichkeit der Leiter des ganzen Unternehmens war. Am 10. Mai 1596 brack die Expedition von Amsterdam  auf und traf schon am 5. Juni das erste Treibeis, das die Seeleute anfänglich für weiße Schwäne hielten. Am 9. Juni entdeckte man eine Insel, der man den Namen Bäreninfel gab, weil die Expedition dort de» ersten heftigen Kamps mit einem Polarbären zu bestehen halte. Di� kühne» Forscher wandte» sich dann nordwestlich und sahen am 19. Juni bei 30 Grad 11' nördl. Breite ein großes unbekanntes Land, die Inselgruppe Spitzbergen  ; Barent   glaubte, Grönland   berührt zu haben. Bei der Landung wurden sie von einem Bären angefallen, den sie mit drei Booten verfolgten und todtschlugen; auch fanden sie 60 Eier von Roth» gänsen und erlegten einen solchen Vogel durch einen Steinwurf; sie sahen serner mir Moos und Gras bedeckte Landstrecken, Rennthiere, weiße, graue und schwarze Füchse, Bären von furchtbarer Größe und am Ufer riesenhafte Walfische. Das Treibeis nöthigte die Führer ihren Kurs nach Süden zu nehmen. Am 1. Juli waren sie wieder an der Bärcn-Jnsel, wo sich die Schiffe wegen Uneinigkeit der Führer trennten. Barent schlug die Richtung»ach Nowaja-Semlja   ein, segelte nordwärts die Westküste entlaug, fuhr um die Nordspitze der Insel und suchte vergeblich dnrch das Eis nach Osten weiter zu kommen. Er wurde gezwungen, nach der Insel zurückzukehren und lief in den Eishafe» ein(76 Grad »ördl. Br.). Die Eismasse» wurden immer gefährlicher, sperrten den Hafen und schienen das schwache Fahrzeug erdrücken zu wolle», so daß der Aufenthalt auf dem Schiffe unmöglich wurde. Da alle Versuche, es frei zu machen, scheiterten, enischlossen sich die Be« drängten, die nothwcndigsten Vorrälhe in Sicherheit zu bringen. Es war Ansang September, als sie unter großen Schwierigkeiten Lebens- mittel. Waffen, Mnnitio», sowie ein Boot ans Land schleppten, wo sie sich zum Schutze gegen Kälte und wilde Thiere eine Hütte herstellen wollten. Am Strande   entdeckten sie Treibholz, das ihnen in ihrer traurigen Lage als Bau- und Brennholz sehr zu statten kam. Sie zogen eS auf Schlitten über Schnee und Eis»ach einem ausgesuchten Platz und zimmerten sich bei bitterlicher Kälte ein Wohnhaus, da die Aus- sichten auf Weiterfahrt immer trüber wurden und eine Ueberwinte- rung auf dem Lande ihre einzige Rettung blieb. Am 2. Oktober wurde das Haus aufgerichtet und aus den vom Schiffe losgelösten Brettern und Dielen ein Dach angefertigt. Den Eingang verschloß eine aus den Brettern der Kajüte hergestellte Thüre; im Dache befand sich eine Oeffnung für den Rauch. Sie richteten sich Schlafstätlen ein und legten eine Feuerstelle an, auf der sie ohne Unterbrechung ein Feuer unterhielten, das aber oft nur wenig Wärme entwickelte. Ein Versuch, ans dem Schiff herbeigcbrachte Kohlen als Brennmaterial zu verwenden, kostete ihnen beinahe das Leben, da sie ans Furcht vor Kälte den Schornstein verstopft hatten und deshalb im Kohlen­dunst fast erstickte». Ihre Vorrälhe halten die Leute nach und nach sämmtlich aus dem Schiff geholt und in dem Blockhanse untergebracht. Einzelne Lebensmittel vertheilten sie, ebenso wollenes Tuch und Leinwand, um gegen die Kälte, die immer strenger wurde, besser geschützt zu sein; die Schlafstellen waren zuweilen zwei Finger dick mit Eis be- deckt. Das Bier war in den Fässern gefroren und ungenießbar ge- worden. Auch litten sie viel dnrch Krankheiten. Der starke Frost verursachte Frostbeulen und Blasen; die Kräfte der Aermsten nahmen dermaßen ab, daß sie oft das uöthige Brennholz nicht mehr herbeischaffen konnte». Wärme Bäder, die ihnen der Arzt ver- ordnete, bereiteten sie sich in einer alten Weintonne. Während des Winters fiele» zwei Mann den Strapazen zum Opfer: der Zimmer- man, der schon bei dem Hüttenba» gestorben war, und einer der Mannschaften, der am 27. Januar im Schnee vergraben wurde. Das Wetter blieb sehr schlecht und bannte die Unglücklichen in- ihre vom Schnee zugewehte Hütte, wo sie angsterfüllt das Toben der Winterstürme und das laute Krachen der Eisschollen hörten. Den Eingang versperrten oft Schnecmassen, so daß sie erst nach harter Arbeit wieder ins Freie kommen konnten, zuweilen nur durch den Schornstein. Ihre Lage wurde ganz hoffnungslos, als am 3. November die Sonne sich nur noch am äußersten Horizont zeigte und bald wieder unterging, um bis zum 24. Januar nicht mehr zum