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Br. 188. 16. Jahrgang. 2. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt. Sontag, 13. augus 1899.

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Statistisches über die Berliner Dienstmädchen.

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bont

ihnen hinsichtlich des Lohnes und der Behandlung Unterstügung und demokratie unterbreite.( Rufe: Nein! Nie!-Jawohl! Lebhafter Beifall.) Schütz gewährt. Der Mißerfolg, den selbst die Waisenverwaltung Ottilie Baader : Das Referat des Herrn Perlmann machte mit ihrer Züchtung von Dienstboten hat, zeigt mit besonderer auf mich den Eindruck, als ob er für die Herrschaften und nicht für Deutlichkeit, daß es tein Vergnügen ist, Dienstmädchen die Dienstboten agitiere. Denn obgleich er die Lage der unter der zu sein. Gefinde: Ordnung schmachtenden Dienstmädchen als eine traurige schilderte, riet er doch den Mädchen des Arbeiterstandes, nicht in die Fabrik, sondern in den Dienst zu gehen. Ich meine, wenn auch die Fabrikarbeiterin fich von Kaffee und Brot ernähren muß, so hat sie doch am Abend einige Stunden, wo sie fich frei und als Mensch fühlen kann, während das Dienstmädchen Tag und Nacht unter der Knute steht.( Sehr richtig!) Uebrigens

Versammlungen.

Eine Dienstbotenversammlung durch den Dienerverein.

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gesprengt.

Bei der Berufs- und Gewerbezählung 14. Juni 1895 zählte man in Berlin 67 089 eigentliche Dienstboten im Hause, 7171 männliche, 59 918 weibliche; außerdem 17 241 andere Dienstboten( Aufwartungspersonal usw.), 1145 männ liche, 16 096 weibliche; also überhaupt 84 330 im häus= lichen Dienst beschäftigte Berfonen, 8316 männ liche, 76014 weibliche. Die 59918 eigentlichen Dienstboten weib- Am Freitag hatte der Verein der Diener wieder eine öffentliche giebt es nicht wenige Dienstmädchen, die auch nicht fatt zu essen lichen Geschlechts sind die sogenannten Dienstmädchen. Die Dienstbotenversammlung einberufen. Diesmal nach dem Andreassaal, haben, weil ihren Herrschaften jeder Bissen, den die Mädchen bes Alterszusammensetzung der Dienstmädchen ist so, daß die im Herzen des proletarischen Ostens. Wohl mit Rücksicht auf die Bekommen sollen, zu viel ist.( Sehr richtig! Lebhafter Beifall.) jüngeren Altersklassen ganz außerordentlich überwiegen. Bei der Zäh- wohner dieser Stadtgegend lautete das Vortragsthema:" Proletarier Sie sagen, sie wollen nichts von der Politik wissen. Ja die Gesindes lung vom Juni 1895 waren in Berlin 2841 Dienstmädchen 14-16 Jahre und Dienstbotenkalamität". Es hatten sich deshalb auch eine Anzahl Ordnung kann doch nur durch die Gesetzgebung beseitigt werden, und alt, 5704 16-18 Jahre, 7834 18-20 Jahre, 31 250( über die Hälfte aller!) Proletarier und Proletarierinnen eingefunden, die nicht dem Beruf der um das zu erreichen, müssen Sie sich doch an die erwählten Vertreter 20-30 Jahre, 7379 30-40 Jabre, 2863 40-50 Jahre, 1399 50 Dienstboten angehörten. Das weibliche Element, und unter diesem des Volkes wenden. Die gnädigen Herren" in den Parlamenten bis 60 Jahre, 470 60-70 Jahre, 118 noch älter. Außerdem wiederum die besser gestellten Dienstmädchen, bildeten die weitaus werden sich hüten, die Gesinde- Ordnung abzuschaffen. Im Reichstage wurden 56 Mädchen von 12-14 Jahren und 4 bon unter größte Mehrheit der Versammlung. Der Einberufer, Diener Bod, ist nur die Socialdemokratie für Abschaffung der Gefinde- Ordnung ein­12 Jahren bereits als Dienstmädchen" bezeichnet. Ledig ließ diesmal, was in den früheren Versammlungen nicht der Fall getreten. Die Betvegung der Arbeiterinnen ist für die Bestrebungen der waren 57 340 Dienstmädchen, also wie zu erwarten die war, ein Bureau wählen. Gegenüber einem Gegenvorschlage ging Dienstboten. Wir können Sie ruhig gewähren lassen. Sie werden allermeisten. Es heiraten zwar alljährlich in Berlin ein aus den Reihen des Dienervereins gestelltes Bureau durch mit so wie so zu uns kommen.( Beifall. Nein! Niemals!) Es hat eine große Zahl von Dienstmädchen, aber sie müssen damit Bod als Borfißenden. schon mancher gesagt: Niemals, der später anderer Ansicht geworden nach Lage der Sache in der Regel aufhören, Dienstmädchen zu Die erste Referntin Anna Steffenhagen entwickelte das ist. Die, welche jetzt: Niemals rufen, wissen wohl nicht, was die fein. 1895 heirateten hier 3415, 1896 3717 Dienstmädchen. Im bekannte Programm der Dienstbotenbewegung. Während bisher Socialdemokratie ist und was sie will.( Sehr richtig. Beifall.) Durchschnitte beider Jahre ist die Zahl der heiratenden Dienstmädchen, immer nur in erster Linie eine Verbesserung der Gesinde- Wollt Ihr Eure Menschenrechte erkämpfen, dann sorgt für Ab­verglichen mit der Zahl der im Juni 1895 hier vorhandenen, über Ordnung gefordert wurde, plädierte die Rednerin jezt für Beschaffung der Gesinde- Ordnung. Organisiert Euch! Tretet der 15 Jahre alten, nicht verheirateten Dienstmädchen, gleich 51/2 Proz. Dar seitigung derselben. Sie forderte zum Eintritt in den Diener- Socialdemokratie bei!( Bravo ! Nein!) Wir gehören zusammen, die Heiratsalter der Dienstmädchen stellt sich in Berlin , nach eines verein auf und schloß: Kolleginnen! Organisieren wir uns! Kämpfen Arbeiterinnen und die Dienstboten. Ihr Verein wird mehr nach früheren Berechnung( für 1892) im Durchschnitt auf 273/10 Jahre. wir! Nur durch Kampf können wir den Sieg errringen!( Stürmischer links gehen.( Widerspruch und Beifall.) Wer einmal angefangen zu und Fortzug sind bei den Berliner Dienstmädchen sehr Beifall.) Der zweite Referent, Redacteur Perlmann, bemerkte hat für die Freiheit zu kämpfen, der hört nicht eher auf, bis er sie lebhaft. Im Laufe des Jahres 1895 zogen, nach den polizeilichen zunächst, die vorige Versammlung sei nicht, wie einige Zeitungen ganz errungen hat.( Stürmischer Beifall.) Meldungen, 43 238 Dienstmädchen zu, 31 035 fort. Durch den üblichen berichteten, polizeilich aufgelöst, sondern durch den Vorsitzenden Hierauf sprachen mehrere weibliche Mitglieder des Dieners Zuschlag für erfahrungsgemäß unterlassene Meldungen erhöhen sich die geschlossen worden. Dann führte er aus: Die Gefinde- vereins. Sie forderten zum Eintritt in denselben auf und Fortzüge auf rund 38 000. Der Zuzugsüberschuß belief sich somit auf Ordnung und die Behandlung der Dienstboten durch die Herrschilderten an der Hand von Einzelfällen die Mißstände im 5-6000. Das erscheint viel, ist aber erforderlich zur Deckung des be- schaften seien die Ursachen, weshalb die Mädchen des Arbeiter Dienstbotenberuf. Andere Rednerinnen Lobten ihre guten deutenden Abganges, der außer durch Fortzug auch durch Heirat und durch standes es vorzögen, lieber gegen unzureichenden Lohn in die Herrschaften. Echier Ueberschwängliches leistete in dieser Hinsicht ein lebergang zu anderen Berufen( Fabrikarbeit usw.) alljährlich Fabriken zu gehen, als sich dem sie besser nährenden Beruf des junger Diener aus Lichterfelde . Bei seiner Herrschaft hätten es die herbeigeführt wird. Die zuziehenden Mädchen famen großen Dienstmädchens zu widmen. Natürlich könnten Fabrikarbeiterinnen Mädchen sehr gut. Das Kindermädchen habe nachmittags nur die teils aus den östlichen Provinzen, die aller nicht so gute Hausfrauen werden, wie Dienstmädchen. Wenn Kinder zu amüsieren. Sonntags dürften die Mädchen schon" um meisten aus Schlesien ( 14,6 Proz.), nächst dem die meisten weniger Mädchen in die Fabriken, und mehr in den Dienst gehen 8 1hr ausgeben usw. Eine Koalition würde das patriarchalische aus Pommern , Ostpreußen , Posen( 9,9 Proz., 7,8 Proz., 7,5 Proz.). würden, so habe daran nicht nur der Mittelstand, sondern auch Verhältnis stören. Die Bewegung müsse von einer moralischen Partei Uebrigens sind, entsprechend dem starken Zuzug aus Gegenden mit der Arbeiterstand ein Interesse, denn den Arbeitern würden geleitet werden. Schröder, Vorsitzender des Dienervereins: Ich borwiegend katholischer Bevölkerung( Posen, Schlesien ), unter den in den Dienstmädchen gute Hausfrauen herangebildet, und ferner weiß kaum, was politik ist.( Heiterfeit.) Den Parteileuten möchte ich zu Berliner Dienstmädchen die Katholikinnen verhältnismäßig stark werde infolge der Abnahme der Zahl der Fabritarbeiterinnen die rufen: Lassen Sie uns in Ruhe. Sie stecken sonst das zarte Pflänzchen an bertreten, im Juni 1895 mit 12 Proz.( 7212 Mädchen), während von Arbeitsgelegenheit für die männlichen Arbeiter eine reichlichere und es wird vertrocknen.( Heiterkeit und Beifall.) Ein älterer der gesamten weiblichen Bevölkerung nur 8 Proz. katholisch waren. werden. Redner fordert die Arbeiter auf, fie möchten, wo sie mit Mann in der Livree eines herrschaftlichen Portiers drückt seine Ueber die Häufigkeit des Stellenwechsels geben Aufschluß Dienstmädchen zusammenkommen, für die Organisation der letzteren Freude darüber aus, daß auch den Dienstmädchen jetzt ein elektrisches die Verwaltungsberichte des Gesinde- Belohnungs- und Unterstügungs- wirken. Der bestehende Verein brauche nicht erst, wie es in Licht über ihre Verhältnisse aufgeht.( Beifall.) Minna Trampf. fonds, an den die Dienstboten, männliche und weibliche, bei jedem früheren Versammlungen von anderer Seite verlangt wurde, ein ein junges Mädchen, betritt das Podium und sagt in pathetischem Dienstantritt 50 Pf. zahlen müssen. 1895/96( 1. April bis 31. März) Kampfverein werden, er sei schon ein solcher. Der Kampf richte Ton: Ich frage, hat die socialdemokratische Partei seit 40 Jahren wurden, wenn man die noch ausstehenden Beiträge mitzählt, 82 998 fich aber nicht gegen Personen, sondern gegen Einrichtungen: schon einmal eine Dienstboten- Versammlung einberufen?( Nein!) Stellen angetreten, während in Juni 1895, wie gesagt, 67 089 gegen die veraltete Gesinde- Ordnung. Es wäre schön, wenn auch Nichts hat diese Partei für uns gethan. Darum haltet zu unserem männliche und weibliche Dienstboten gezählt wurden. Danach die Handwerker an den Bestrebungen des Vereins teilnähmen und Verein, damit wir selber eine Korporation in den Reichstag senden hätte jeder Dienstbote im Durchschnitt mehr als einmal im Jahre Schulter at Schulter, aber in maßvoller Weise für die Besserung fönnen.( Heiterkeit und Beifall.) Lasset uns kämpfen nach dem die Stelle gewechselt und wäre im Durchschnitt weniger als ein der Lage der Dienenden einträten.( Beifall.) Arbeiter und Dienende Wahlspruch unseres seligen Fürsten Bismarck: Wir Deutsche fürchten Jahr in jeder Stelle gewesen. Wie lange die Mädchen müßten sich solidarisch erklären und gemeinsam vorgehen. Der Gott und sonst nichts in der Welt!"( Lachen und lebhafter Beifall.) überhaupt Dienstmädchen bleiben, zu dieser Hausfrauen- Berein, der in einem Flugblatt seine Mitglieder ersuchte, Emma Biering: Ob Jude oder Christ, wer unsere Bea Frage liefern die Ermittelungen, die die städtische Waisen- den Dienstmädchen den Versammlungsbesuch zu verbieten, werde strebungen unterstüßt, ist uns recht. Die Socialdemokratie verwaltung bon Beit zu Zeit über den Berbleib der durch solche Maßnahmen nur die Organisation der Dienenden hat bis jetzt nichts für uns gethan, wir verzichten auch von ihr in Dienst gebrachten Mädchen anstellt, einen interessanten fördern.( Beifall.) ferner auf sie.( Bravo !) Rektor Buchholz: Dieser Verein muß Beitrag. Von 51 Waisen, die Ostern 1890 aus der hiesigen Kost- Wie in den vorigen Versammlungen, so war auch diesmal die sich ohne Hilfe von anderer Seite durcharbeiten.( Bravo ! Ruf: Nie pflege in Dienst tamen, waren schon 1896 nur noch 23 in Dienst, Diskussion eine sehr lebhafte. Josepha Nikolaized mals!) Ich habe mich auch ohne die Socialdemokratie durch 13 waren Arbeiterinnen geworden, 8 waren bei Verwandten, schilderte ihre trüben Erfahrungen im Dienstbotenverhältnis, fie gearbeitet. Manches, was von den Socialdemokraten gesagt wurde, 3 verheiratet, 2 erwerbsunfähig, 1 verschollen, 1 prostituiert. Der wurde schließlich von einem männlichen Versammlungsbesucher, der erkenne ich an, nicht weil es socialdemokratisch, sondern weil es Waisenverwaltungs- Bericht pro 1895/96 nennt es erfreulich, daß die Erzählung von Einzelheiten nicht hören wollte, unterbrochen menschlich ſt.( Bravo !) Glauben Sie nicht, daß alles wenigstens 23(= 45 Broz.)" dem Dienstbotenstand erhalten ge- und brach, burch diese Störung verwirrt, in ihren Ausführungen Heil von der Socialdmokratie kommt. Lassen Sie den blieben" find. 45 Broz. ist aber sehr wenig, wenn man er ab.- Heinrich Engler, der nunmehr das Wort erhielt, be- Verein allein, er soll aus eigener Kraft weiterkommen. wägt, daß diese Mädchen vom 14. bis 15. Jahre noch einen zeichnete diese Unterbrechung als eine durchaus unangebrachte( Stürmischer Beifall.) Marie Zech: Folgen Sie den Führern besonderen Hauswirtschafts- Unterricht genießen, aljo gleich in und führte dann aus: Die Dienstbotenfrage tönne ohne Politit unseres Vereins und den Leitern unserer Versammlungen, fie meinen den ersten Dienst schon gewiffe, ihnen die Arbeit er- nicht gelöst werden. Ein Appell an die Honoratioren fei vergeblich es gut mit uns.( Beifall.) Vorsitzender Bod nimmt dies leichternde Vorkenntnisse mitbringen, und daß die Waisen- Nur dann könne die Dienstbotenbewegung vorwärts kommen, wenn sie sich Kompliment dankend entgegen. Wenn er auch noch nichts von der verwaltung noch lange nachher mit ihnen in Verbindung bleibt und der proletarischen Bewegung anschließe und ihre Wünsche der Social- parlamentarischen Leitung verstehe, so meine er es doch gut mit den mir die Alte heraus und stellten sie mir auf, so daß ich ein recht Gemeinde und wir konnten sehen, wo wir bleiben. Ich mußte mit schönes Bild aufnehmen konnte. meiner Familie sechs Wochen unter freiem Himmel liegen."

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Ländliche Armenpflege.

Auf dem Gute K. in der Provinz Posen , das einem hohen Reichsbeamten gehört, das jedoch nicht, wie das benachbarte G., von ihm selbst bewirtschaftet wird, sondern verpachtet ist, machte ich zuerst Bekanntschaft mit der ländlichen Armenpflege.

Die Alte fnigte und verbeugte sich ganz berwirrt, als ich ihr einen Nicket schenkte und zog überglücklich, fortwährend polnische Dankbeteuerungen murmelnd, mit dem, was sie im Königlichen Amts­gericht" erbeutet hatte, davon..

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Die Frau hatte unterdessen einen Satz in polnischer Sprache mehrmals wiederholt. Andere Frauen, die hereingekommen waren, als sie hörten, es wäre ein Herr da, der sich nach den Verhältnissen der Armen und Arbeiter erkundigen wolle, machten mich auf die Wie mir die Beamten erzählten, war sie eine Ortsarme aus Rede der Frau aufmerksam und verdeutschten sie: Die Frau meint, Da fand ich eine alleinstehende Witwe, die in einer Stube der Umgegend. Wenn ich mich nicht irre, erzählte sie mir auch, sie verdient im Sommer achtzig Pfennig pro Tag, im Winter aber hauste, die noch ramponierter war, als die Räume der Tagelöhner. daß sie einen Bettelschein, also die behördliche Erlaubnis zum meist nichts. Da sie keine Feuerung geliefert bekommt, muß sie Die Frau bekam jeden Monat einen Scheffel Kartoffeln und einen Betteln habe. Doch kann mir dies sonderbare Gerücht auch von dam Holz stehlen im Walde, sonst verfrieren ihre Kinder in der halben Scheffel Roggen. Was sie sonst brauchte, bekam sie eben nicht. einer anderen Seite zugetragen worden sein. Ich hörte und sah bei Stube. Wenn sie gefaßt wird, muß sie natürlich ſizen." Eine zweite Witwe hatte eine Rente von neun Mark und meinem Forschen soviel ungeheuerliche Dinge, daß ich einzelnes nicht Es drängten immer mehr Frauen herein, alles Arbeiterfrauen, fünfzig Pfennigen. Die Gutsverwaltung hatte ihr eine Stube an mehr genau feststellen kann. die sich wie die Kinder freuten, daß ein Herr" sich auch mal um gewiesen. Da haufte das alte, nahezu blinde und taube Mütterchen Wie traurig es mit den Ortsarmen in den kleinen Ackerbürger- sie, um die Armen bekümmere. Besonders freudig erregt war ein mit einem Jdioten zufammen, den die Tagelöhner einen Dummen" städten und Dörfern steht, zeigte mir ein Besuch in der Armengajie altes, weißhaariges Mütterchen, das peinlich sauber gekleidet ging. nannten. Den mußte sie dafür, daß sie in der Stube mit einem der Stadt" F., einem Ocrtchen von kaum tausend Einwohnern. Auf meine Frage erzählte sie: Ach, ich habe genug durchgemacht. solchen beinahe zum Zier gewordenen Menschen zusammenwohnen Von der mit Kleinkramläden und Bauernhäusern besetzten Haupt- Aber jetzt ernähren mich ja meine Kinder. Ich habe mich ehrlich für fie fonnte, beflicken"," bewaschen" usw., wie sich die Tagelöhner aus- straße zweigte sich eine Nebengasse ab. Wer nicht wußte, daß dort gequält.... Ich sollte fünf Mark monatlich bekommen; aber auf der Polizei Menschen wohnen, mußte glauben, hier sei eine Scheunenstraße mit wiesen sie mich hinaus. Jawohl, das haben Sie gemacht... Da habe ich Diefer Dumme" mußte auf dem Gut im Pferdestall arbeiten; dazwischen liegenden, verfallenen Ställen. Nur die vielen Kinder, die nichts gekriegt. Wenn ich dann für die Kinder betteln ging, mußte das heißt, so viel, wie er bei seinem Zustande leisten konnte. Dafür aus den Baracken sahen und vor den dürftigen Kartoffelgärtchen die ich fizen... Ach, und die paar Groschen, die ich für die Reinlich erhielt er Essen. Es kam auch vor, daß ihn seine bösen Stunden Gänse hüteten, deuteten an, daß die schiefen Fachwert- und Lehm- feit anwendete, mußte ich vom Essen abknapsen; da wurden wir überfielen. Dann prügelte er die Alte und zerschlug ihr die wenigen hütten als Arbeiterwohnungen dienten. Je weiter ich die Bahnstraße manchmal nicht satt. Aber Reinlichkeit muß doch sein... Da jagte Geschirrstücke und Wirtschaftsgeräte, die sie ehrfurchtsvoll behandelt hinaufflimmte, je erbärmlicher wurden die Hütten. ich oft zu meinen Kindern: Helft mir bloß wieder raus! Helft mir hatte. Die Nachbarn mußten ihr zu Hilfe eilen und den Wütenden In die letzte, die nur aus einer Stube und einem kleinen Ver- bloß wieder raus, wenn Ihr groß seid! Ach Gott, wie oft haben bändigen. Da er nur ab und zu Kleidungsstücke geschenkt bekam, schlag bestand, trat ich ein. Die Thüren waren in einem jämmer- mich die Bürger vor der Thür stehn lassen, wenn ich in der größten sonst aber keinen Lohn bezog, lief er im Winter oft barfuß im lichen Zustand. Fingerbreite Spalten zwischen Thür und Rahmen Not zu ihnen tam, wenn die Kinder nach Brot schrien und vor Hunger Schnee herum. ließen den Wind hindurch. Der Ofen rauchte; im Winter heizte er umfielen. so schlecht, daß das Wasser im Zimmer fror.

drücken.

Eine andere alte Frau erhielt sogar nur eine Stube. Daß alte Leute auch Nahrung zu sich nehmen und auch ihre Blöße bedecken müssen, daß so ein altes Menschlein eine wollene Hülle braucht, um das bißchen Wärme, das es besigt, bei sich behalten zu können, war gewiß vergessen worden.

Da hörte ich denn etwas außerordentlich Bezeichnendes für die Armenverhältnisse auf den Gütern:

Ein abgezehrter Mann, dessen Augen vom Wetter und vom Strophel zerfressen worden waren, empfing mich und führte mich in die Stube. Seine Fraut lag frank im Bett. Ihr Kopf war ge­schwollen von Fieberhize. Sie hatte in den letzten Tagen, die kalt und regnerisch gewesen waren, auf dem Felde gearbeitet, um für ihre Familie Nahrung schaffen zu können. Nun wälzte sie sich, während draußen die Sonne glänzte, unruhig im Bett hin und her.

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" Ja, ja, sie lassen einen vor der Thüre stehen, wenn man im Winter zu ihnen kommt, weil der Mann im ganzen Winter nichts verdient, im ganzen Winter!"

Nein, nein, im Winter ist hier gar nichts zu verdienen!" " Ja, ja, ich weiß, wie das ist, wenn die Kinder nach Brot schreien und wenn ihnen nichts gegeben werden kann," meinte das weißhaarige Mütterchen. Dann drückte sie mir die Hand. Ne, ne, junger Herr, das ist gar zu schön, daß Sie die Armut beachten! Gar zu schön!" Die Thränen standen ihr in den Augen. Sie drehte sich rasch und lief hinaus, damit ich ihr Weinen nicht sehen solle. Warum weint sie denn?" fragte ich.

um

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Der Pfarrer von dem benachbarten Gute G. soll sich manch­mal der Frau erbarmen, ihr Nahrung und Kleidung zukommen Lassen.. Ihre drei Kinder, die trotz der färbenden Landluft bleich und An einem sonnigen Nachmittag erlebte ich selbst eine nicht minder mager, wie schlecht genährte Großstadtfinder aussahen, drückten sich merkwürdige Begebenheit. Ich marschierte in das Kreisstädtchen W. Scheu in eine Ecke, während mir der Mann einiges aus seinem ein. Eins der ersten Gebäude war das stattliche Landratsanit, vor Leben erzählte. Da er vollständig arbeitsunfähig ist, bekommt er Ach, sie wird wohl daran gedacht haben, wie ihr Mann so dem eine Tafel stand, auf der jede Hausbettelei ausdrücklich und für sich und seine Familie pro Tag dreißig Pfennige. Früher früh ertrunten ist, und wie sie einmal vor Verzweiflung, als fie streng verboten war. Nicht weit hinter dem Landratsamt stand ein bekam er sogar nur zehn Pfennige. Doch nach vielen Ein- nichts für die kleinen hatte, nach dem Wasser gelaufen ist. Sie einstöckiges Haus mit der großen Aufschrift: Königliches Amts- gaben wurde ihm sein Almosen erhöht. Außerdem hat er die stand schon auf dem Floß und wollte hineinspringen. Da dachte sie gericht". Die leere Straße herauf fam eine alte, bar- Wohnung frei, wofür die Regierung jährlich vierundfünfzig Mart an ihre Kinder, daß die in fremde Hände kommen würden und füßige Frau. Ihr Korb aus dem Brotstücken und ähn- Miete an den Besitzer zahlt. ging zurück. Na ja, man will doch seine Kinder selbst erziehen." liches fah. berriet mir, daß sie eine Bettlerin war. Auf meine Frage nach dem Gemeinde- Armenhaus antwortete er Die Frauen sahen auf ihre Kinder, die sie auf den Armen trugen: Ich wollte sie warnen, ihr sagen, daß sie hier in einer gefährlichen mir, daß allerdings so ein Gebäude existiere; ob ich nicht das neue Wer weiß, wie es denen geht, wer weiß, ob sie uns heraushelfen Gegend sei. Aber da verschwand sie schon in einem Hause in rote Haus unten an der Ecke gesehen hätte? tönnen?" dem königlichen Amtsgericht"! Ich erinnerte mich des breiten, einstödigen Biegelgebäudes Als ich vom Armenberg herunterkam, ging ich zum Barbier. Vielleicht hatte sie hier Termin, dachte ich, wartete aber, um mit großen Fenstern und Thüren und dem" dahinter liegenden Er war nicht anwesend. Seine Mutter fand ihn im Wirtshaus, wo mich auf jeden Fall zu unterrichten. Da tamen einige Beamten sauberen Stall. er mit dem neuen Bürgermeister zechte. Ich wartete eine halbe uus dem Hause, denen es aufgefallen war, wie ich das Gebäude" Sch'n Sie," wurde mir nun berichtet, das war früher das Stunde. - ich ging eine zweite halbe Stunde spazieren der Barbier betrachtete. Sie fragten mich, ob ich es vielleicht photographieren Armenhaus. Ein reicher benachbarter Gutsbesitzer hatte eine Ziegelei kam nicht. Wohl war Bureauzeit. Doch der vom Kreis angestellte wolle. llnd als ich ihnen auseinandersetzte, daß mich die im Orte. Vor acht Jahren schenkte er die Steine zum Armenhaus. Bürgermeister mußte erst den Frühschoppen erledigen. Zur Unters eben hineingegangene Alte sehr interessiere, day ich Er starb dann, und bald darauf verpachteten die Bauern das Armen- fuchung und ordentlichen Behandlung der Armenangelegenheiten solche Typen Typen( aus Liebhaberei) sammle, da holten sie gaus als Molkerei... Ja, nun ziehen sie die schöne Pacht für die blieb da eben keine Zeit.-

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Hans Ostwald .