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höhle geftiegen wäre. Einsam und gemieden lag fie inmitten dichten spät erkannte. Darum brach er in sich zufammen, als der blut. Waldes; der Kühne, der sich von Neugier getrieben ein Stück schänderische Herodes mit der übermüthigen Herodias den Tempel den Berghang hinaufwagte, hörte kein Singen mehr; es war entweihte. Seine Jünger und das Bolt erwarteten da von ihrem verstummt. Die Kinder durchstreiften andere Gegenden, nur Stein wider den Tempelschänder, da berührt ihn ein Hauch des Meister die große, rächende That; schon ergreift Johannes den die alte Katrein, die Armenhäuslerin, trollte tagtäglich den Baliläers, der Stein entsinkt der Hand, die sich zu strafen nicht vers Weg durch die enge Schlucht, von der es zur Höhe hinaufging. Sie meffen soll. Das Bolt aber murrt über Verrath, denn es begreift brauchte sich nicht zu fürchten, sie war alt und lebensmüde, hatte nicht, was in der Seele feines Meisters vorgegangen ist. Reif ift nichts mehr auf dieser Welt zu verlieren. Seit ihres Bruders Johannes und bereit zum Scheiden. Sterbend noch vernimmt er Sohnes Tochter, die blonde Barbara, die beim Pfalzelbauern den Gruß des Galiläers, und während Herodes , der römische Legat in Dienst gestanden, sich so plöglich und über Nacht davon und die Großen im Ballast noch tafeln, ertönt von draußen das gemacht, hatte sie keine verwandte Seele im Dorf. Wo die tausendfache Hosiannah, mit dem das Volk von Jerusalem den Barbara nur hin war? Man hatte freilich beim Pfalzel Einzug des Nazareners feiert. Dies in wesentlichen Zügen der Gang von Sudermann's Drama. bauern auch nicht viel von der Magd gesehen, der Hof lag abseits, sie war nicht ins Dorf gekommen, aber wissen wollte man doch gern, wohin sie gegangen.

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" Lao ronner haot se gemaach," sagte die Katrein Der Premierminiffer frühstückt."

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auf alles Fragen, hob den runzligen Steckenarm und wies nach irgend einer Himmelsrichtung. Se haot et saat gebatt, dat Hongerlieden beim Pfalzelbauer. Wat wissen ech? Wird schon emal schreiwe laossen, dann duhn et Eich verzählen-o- a- ha, es dat en Läwen!"

( Fortfehung folgt.)

Sudermann's Johannes".

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Jm Direktionsbureau des Deutschen Theater 3" las Hermann Sudermann einer kleinen Anzahl von Journalisten sein neuestes Drama Johannes" vor.

Manchem der Hörer wird die Vorlesung im Grunde überflüssig vorgekommen sein. Sie sollte ein Appell an die Oeffentlichkeit sein; aber man hat sich an allerhand Verwunderliches gewöhnt, und fein Benfurverbot mag sonderlich überraschen.

Der Werth einer Dichtung wird besser beurtheilt, wenn man das Gedicht still für fich lieft, als wenn man es in Stundenlanger Vorlesung, die zur Ermüdung führt, auf fich wirken läßt. Darum wäre ein erschöpfendes Ur theil verfrüht, eh' noch das Drama" Johannes" im Druck vorliegt. Was es als Bühnenkunstwerk tangt, wird nur auf der Bühne selber offenbar. Nur von erften flüchtigen Eindrücken kann also hier die Rede sein.

Von Koloman Mitszath( Budapest ).

Jm Büffet des( ungarischen) Abgeordnetenhauses sieht man blos zwei Tische mit weißen Tischtüchern gedeckt; die anderen Tische entbehren dieses Schmuckes: die gehören für die Demokraten. Da steht sogar Papritaspect unter Glasglocken. Speck unter Kristallglas! Entfeßliche Idee!

Das eine Tischtuch ift bedeutend weißer als das andere; da steht auch eine Flasche Sherry , ein leerer Teller zur Aufnahme von Schinkenschnitten und Sandwich bestimmt, dann noch ein kleiner Teller mit feinen Bonbons. Auch ein Sefsel steht dort in Bereit schaft, während die anderen Stühle absichtlich beiseite geschoben sind, damit sich ja niemand dorthin setze.

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Die eintretenden Mameluken( Abgeordnete, die zur Regierungss partei gehören) blicken voll Andacht auf diesen Tisch, und zu beweifen, wie sehr sie in die Staatsgeschäfte eingeweiht find murmeln sie ehrfurchtsvoll: Der Premierminister hat noch nicht gefrühstückt".

Neue Mameluken kommen und deuten auf den Tisch hin: Hier wird der Premierminister frühstücken."

Herr v. V., der Ober- Mamelut, tritt ein. Er seht sich gerade dorthin, und wie er seinen Ellbogen auf den Tisch stüßt, flirren die Gläser und die Teller aneinander, als wollten sie sagen: Der Minister wird gleich da sein."

Herr v. V., der Ober- Mameluk, bemerkt es auch und bittet fich selbst um Verzeihung:" Pardon! Hier wird ja der Minister frühstücken."

Er springt auf und verfügt sich an den Nachbartisch, wo das Tischtuch nicht ganz so schneeweiß ist, und wo verschiedene Abges ordnete je nach ihrer Parteistellung Schinken, Speck, Rothwein oder Sherry fonfumiren.

Ich habe die Zische verwechselt", spricht Herr v. V.- diese verdammte Kurzsichtigkeit.

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" Verdamme sie nicht", sagt einer von der Regierungspartei; ihr verdantst Du ja Deine Stellung als unser Präsident." ,, Nun ja, aber jetzt hatte ich mich hingesetzt, wo

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wo der Premierminister frühstücken wird."

Und diese Bonbons!" rief einer von der äußersten Linken. Als noch der X. Y. Minister war, der rauchte immer nur Kurze" ( eine Bigarrenforte), das Stück zu zwei Krenzer."

Und ließ sich täglich von einem anderen zum Frühstück ein­laden zur Schonung der Staatstaffe."

Jetzt ist das Zeitalter der, Buckerln"!" höhnte der Linke. Den Steuerzahlern sollte man Bonbons geben, und denen, die die Steuern vorschreiben Arsenik!"

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" Ist das etwa Dein Programm?"

" Auf grund deffelben wurde ich gewählt," erwiderte der Linke. In diesem Augenblicke betritt der Minister die Buffeträume. Lautlose Stille. Der weiche Teppich verschlingt das Geräusch seiner Tritte und flüsterte leise: Seine Exzellenz kommen zu frühstücken.

Sudermann soll sein Drama vor vielen Jahren bereits geplant und entworfen haben. Es stellt sich ihm als sein reifstes dichte risches Bekenntniß dar. Ihn muß das Zensurverbot besonders hart erbittert haben. Was au dem Johannes" selbst ein orthodox: firchliches Gemüth verlegen könnte, ist nach der Vorlesung wohl Teinem der Hörer recht tlar geworden. Das Drama ist zwar nicht aus tiefer Etitafe geboren, eher erscheint es wie das Werk eines Rationalisten: aber es tann beim inbrünstig Gläubigen felbft nicht anstoßen. Christus selbst, der kommende Erlöser, den Johannes ahnt und erst als Sterbender begreift, wird nicht auf die Bühne gebracht; und die biblischen Gestalten werden durchaus nicht zu Trägern modern- philosophischer Ideen oder modern- sozialer Anschauungen. Reine ethische Anwendung auf die Noth und Sehn sucht unserer Tage wird gewagt; fein kühner revoltirender Kampf­ton soll die elegische Stimmung stören, in der Johannes nach Sudermann's Absicht getaucht ist. An große Vorgänger dachte Sudermann, an Byron, Grillparzer ( Efther), Hebbel ( Holofernes und Judith), als er daran ging, die einfache, in großen Linien ent­worfene biblische Erzählung durch reiche, mannigfach fomplizirte psychologische Entwickelung zu einem neuen, dramatischen Gedicht zu gestalten. Nach dem ersten Eindruck, den das Drama macht, ist das Können trots mancher geistvollen Einzelheiten hinter dem Wollen weit zurückgeblieben. So wenigstens ist meine Empfindung. Wo Sudermann tiefste Entschlüsse, geheimstes Weh künden will, Die Lippen der Mameluken verziehen sich zu einem freundlich­da versagt seine Kraft. Er ist fein Mann der schweren huldigenden Lächeln, vom Antlig der äußersten Linken" ver­psychologischen Probleme; oft gemünzte Theatererfahrung ersetzt ihm schwindet der Malfontenten- Ausdruck, der Sonne Strahlen Hebbel'sche Grübelei oder Grillparzer's sensiblen Bartfinn. Das dringen durch das Fenster ein, alles ist ausgeheitert, die fündhafte Blut der Fürstentochter Salome begehrt nach der Liebe blauen Augen der Hebe am Buffet leuchten in verführerischem des Läufers Johannes; der heilige Rabbi weist die Begehrliche Glanze, die Butter beginnt sanft zu schmelzen,- die Käse und zurück; verschmähte Liebe führt zu tellem Haß, ein beglaubigtes die Heringe hauchen einen eigenthümlich pitanten Duft aus,- Rezept. Salome lechzt nach dem blutigen Haupt Johannis, in ihrer alles und alles ist so feierlich gestimmt, denn der Herr Premier­Gier durch die Mutter Herodias unterstützt, die vom Rabbi einst minister wird frühstücken. mals öffentlich als Buhlerin gebrandmarkt war, und das theatralische Seine Exzellenz seßen sich nieder, und man hört den Sessel Gerüft ist zurecht gezimmert. frachen, als wollte er sich für die hohe Auszeichnung bedanken. Woran des Läufers inneres Geschick sich erfüllt, hat Suder- Es wird Seiner Exzellenz ein Schinken aufgetischt. Schade, daß mann derart darzustellen versucht: Johannes, der Vorläufer, fah den es fein retrogrades Leben giebt, sonst würden die irdischen Ueber­Messias in anderer Gestalt, als er dem gemarterten, gefnebelten refte des betreffenden Borstenthieres gewiß auch durchdrungen Bolte erschien. Ihm erschien der Erlöser wie ein ftreitbarer Held, fein ein König mit feurigem Schwert, der die Widersacher niederschlägt. Da muß Johannes von einem armen, einfältigen Galiläer fich be­lehren lassen, daß nicht die Könige zu den Gequälten als Erlöser kommen, daß der Nazarener das Gebot der Liebe über Gesetz und Opfer ftelle und predige: Segnet, die Euch fluchen. Johannes er­Tennt das neue Licht, das von Galiläa tommt; das alte Gesetz ronnte er wohl den Leuten nehmen; aber ihre sehnsüchtigen Seelen fonnte er nicht mit neuem Heil erfüllen. Er predigte einen Messias, den er zu

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Der Minifler ißt wenig, aber elegant. Das Messer und die Gabel begegnen sich mit einer gewissen Vornehmheit. Den ersten Biffen befeuchtet er mit einem Schluck Wein; dann

Aus: Intimes aus dem Menschenleben." Bon Rolo man Mitszath. Deutsch von Josef Julian Graf Zamoysti. Leipzig . Georg Heinrich Meyer.